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Nachts im Lazarett

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Jelena:
Jelena kam spät von der Versammlung im neuen Hauptquartier zurück und betrat den Tempel über einen der Nebeneingänge. Sie warf einen müden Blick auf die Stundenkerze und versuchte ihre verspannten Muskeln im Nacken und den Schultern zu entspannen.
Aber sie wusste, dass sie nur versuchte Zeit zu gewinnen. Zeit und Mut, wenn sie ehrlich zu sich war.
Sie ging einen Gang herunter, der zu den Räumen führte, die rückwärtig zu den Gärten des Tempels hin lagen. Ursprünglich waren her die Räume der Flamen Soli gewesen, aber sie hatten die Räume für die Verwundeten geräumt.
Bereits nach wenigen Schritten schlug Jelena der süßlich-widerwärtige Geruch verwesenden Fleisches entgegen.
Sie lehnte sich gegen die Wand und atmete ein paar mal flach, um sich zu stählen. Sie zog die Flasche mit dem Alkoholauszug aus der Tasche und tupfte einige Tropfen direkt unter die Nase. Die Dämpfe schienen direkt in ihr Hirn zu stechen, aber sie betäubten die Nase und das war im Augenblick wichtiger als alles andere.
Sie stieß sich von der Wand ab und ging den Gang weiter, bis sie vor einer schmucklosen Tür stand. Sie klopfte kurz an und betrat das Zimmer.
Das Innere war schmucklos und bis auf das Bett, einige Schemel und einen Tisch mit einer Waschschüssel leer. Türen und Fenster, die zum Garten hinausgingen waren weit geöffnet, um jede noch so kleine Brise einzufangen.
Es nutzte nichts.
Der Gestank war erbärmlich.
Jelena wappnete sich und trat auf das Bett zu.
Der Mann drehte den Kopf und seine Gesichtszüge verzogen sich zu etwas, das in einem früheren Leben ein Lächeln gewesen sein mochte.
Früher, bevor flüssiges Feuer sich über ihn ergossen und seine Kleidung mit seiner Haut verschmolzen hatte.
"Ich habe an euch gedacht..." flüsterte der Mann mit einer rauhen, gebrochenen Stimme.
"Jetzt bin ich da."
Jelena zog einen Schemel heran und setzte sich ans Bett. Sie griff die rechte Hand, die nahezu unversehrt war und drückte sie.
"Ich habe ihn gefunden und er hat versprochen zu kommen."
"Ich habe gewusst, dass er..." ein quälender Husten unterbrach ihn und Jelena hielt einen Fetzen Tuch an seine Lippen um Blut und mit Ache versetzten Schleim aufzufangen.
"Schhhhhh... nicht reden. Ich kann euch etwas zum schlafen geben, es wird die Schmerzen..."
Ein Kopfschütteln unterbrach sie:
"Ich will klaren Verstandes sein, wenn er kommt."
Jelena nickte nur.
"Singt noch einmal für mich..."
Jelenas Kehle schnürte sich zusammen, aber sie räusperte sich und es ertönte ihre rauhe, melodische Stimme:

Ja ma, ja malena... a suknja sarena... sava je... dunav je...

Münster:
Die letzten Töne von Jelenas Gesang verklangen langsam, als sich den Beiden eine dunkle Gestalt aus Richtung der Gärten näherte. Vorsichtig, Schritt für Schritt marschierte sie auf Jelena zu und legte schließlich eine behandschuhte Hand auf ihre Schulter.

"Ich habe versprochen zu kommen und hier bin ich!"

Im Widerschein des schwachen Kerzenlichts konnte Jelena Roberts Gesicht erkennen, halb verborgen von einer großen dunklen Kapuze und beschmiert mit Asche und Dreck. Hinter ihm erkannte sie die Schemen von mindestens drei weiteren Personen, die immer wieder mit den Schatten der Ercker und Wände zu verschmilzen schienen. Offenbar war er auf sehr unschönen Wegen bis zum Lazarett gelangt, haftete doch auch ihm der Geruch nach Unrat und Verwesung an. Langsam ging er an Jelena vorbei und beugte sich über den verbrannten Körper, der noch vor kurzer Zeit einer seiner Männer gewesen war, wie er an den Insignien des Feldwaibels erkannte, die sich mit dem Fleisch zu einer einzigen, schwärenden Masse verschmolzen hatten. Dann beugte sich Robert näher und musterte die Reste des Mannes vor ihm genau, bevor der Funke der Erkenntnis in ihm aufging und er mit beinahe väterlicher Stimme zu sprechen begann:

"Ich bin hier Njordin. Dein Oberst ist hier, genau wie Jelena es Dir versprochen hat..."

Jelena:
Jelena verkrampfte sich einen Augenblick, als sie die Gestalt sah und tastete bereits nach einem ihrer Dolche, aber sie erkannte Robert und außerdem wäre sie sowieso zu langsam gewesen.
Sie löste ihre Hand vorsichtig aus der des Soldaten und stand auf.

"Ruht euch etwas aus, Njordin. Ich werde mit dem Oberst sprechen. Ich werde ihm alles erklären. Er wird sofort wieder kommen..."
Es sah so aus, als ob Njordin sprechen wollte, aber sein Körper wurde wieder von diesem fürchterlichen, feuchten Husten gequält, der allen anwesenden die Tränen in die Augen trieb. Als es vorbei war, nickte er nur und ließ sich wieder in die Kissen sinken.

Jelena berührte Robert am Arm und wies ihm mit dem Kopf ihr auf den Gang zu folgen.

Münster:
Robert nickte dem Waibel zu und folgte dann Jelena hinaus auf den Gang. Ein kühler Windhauch umschwebte die Beiden, der jedoch wenig Linderung brachte, wich nun der Geruch nach verkohlten Fleisch dem des Schwefels. Draußen hockten und standen weitere Gestalten, eingehüllt in die gleichen verschmutzten Stoffe, die auch Robert trug, während sie die Umgebung aufmerksam beobachteten. Schließlich lehnte sich Robert an eine der vorstehenden Säulen und zündete sich mit geübten Handgriffen einen seiner Glimmstängel an, die er im Sekretär des Bürgermeisters gefunden hatte. Der aufsteigende Rauch brannte in der Nase, aber letztlich war er noch immer angenehmer als alles andere in dieser verfluchten Stadt.

"Also Jelena, ich höre. Es steht nicht gut um meinen Waibel, das konnte ich sehen..."

Jelena:
Jelena sah Robert nachdenklich an. Hätte sie noch vor ein paar Tagen mit etwas bissigem auf diese groteske Untertreibung reagiert, so war sie jetzt zu müde. Zu müde und zu leer.
Sie sah den Mann vor sich noch einmal genau an und erinnerte sich an viele, gemeinsame Dinge. Viele Gespräche und vor allem viel Streit, der aber letztlich doch immer ihrer Freundschaft und dem gegenseitigen Respekt gewichen war.

"Er war hier, als wir getroffen wurden... Er hatte einen jungen Mann hierhergetragen und ihn in der großen Halle abgeladen. Er rief mir noch etwas zu, das verdächtig nach Schwefelbraut klang..."
Jelena lächelte kurz, bevor sie weiter erzählte:
"Er war keine drei Schritte gelaufen, als das Geschoss uns traf. Es war keine Explosion, es war ein Wasserfall auf Feuer... es muss das Hauptdach getroffen haben, denn die Oberlichter der Haupthalle barsten und das Feuer ergoß sich im Schwall in den Saal, in dem die Verwundeten lagen..."
Ihre Stimme brach und sie wischte ungeduldig die Tränen weg, die ihr über's Gesicht liefen.
"Sie schrien... Robert...  sie haben das ... Feuer... eingeatmet und schrien... alle Priester Alamars und alle Magier, die in der Nähe waren, haben ihre Kraft in das Feuer geworfen und es erstickt, so dass nur noch einige kleine Herde da waren. Ich hatte noch versucht zu ihm zu kommen... Er hatte sich auf dem Absatz umgedreht, als der Tumult losbrach und war wieder hineingestürzt... er wurde von einer Salve erwischt und stand in Flammen...
Ich habe... ich griff den nächstbesten Eimer und goß ihn über ihm aus, warf ihn zu Boden..."
Sie brach ab und atmete einige Male tief durch, bevor sie weiter machen konnte:
"Ich habe ihm wehgetan, Robert... ich habe die Rüstung von ihm runtergerissen, obwohl seine Haut dran hing... sie musste runter, verstehst du? Wenn die Glieder seines Kettenhemdes sich in den Brustkorb gebrannt hätten... aber ich war zu spät..."
Sie sah Robert mit Augen voller Grauen an:
"Etwa 2/3 seiner Haut sind verbrannt. Er hat das Feuer eingeatmet und seine Lungen beschädigt. Er wird seine Beine nicht bewegen können, weil die Muskeln verkohlt sind... und es hat sich entzündet. Ich habe alles versucht, aber der Dreck hatte sich mit eingebrannt, verstehst du? Er verfault bei lebendigem Leibe..."
flüsterte sie zuletzt, so dass Robert sich vorbeugen musste, um sie zu verstehen.

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