Die Gebiete in Caldrien > Das Herzogtum Hanekamp
Vor den Toren Ahrnburgs - die Unterkunft der Baronin von Goldbach
Lilac:
Fleur holt wieder einmal den Schemel mit der Waschschüssel und gießt etwas von dem frischen Wasser ein. Da sie davon ausgeht, dass sich die Baronin noch die Hände waschen will, belässt sie die Schüssel zunächst auf dem Schemel, wo sie einfacher zu erreichen ist, als auf dem Boden.
Sie sucht ein neues Handtuch und einen frischen Lappen heraus und eine andere Seife, als jene vom frühen Abend. Dieses Mal wählt sie eine mit Lavendel, Kamille und Rosenblüten - genau das Richtige für die Nacht...
Als die Baronin Schal, Schuhe und Gürtel losgeworden ist (all jene Dinge wird Fleur gleich hinforträumen), steht die Wäschemagd schon bereit, um ihr das Übergewand abzunehmen.
Jelena:
Isabeau wusch sich die Hände und zog sich dann das Übergewand und das Schapel aus. Sie reichte die Sachen blind weiter, so eingespielt waren sie und ihre Magd bereits aufeinander.
Sie nahm in ihrem Sessel Platz und steckte die Füße mit einem erleichterten Seufzen in die Waschschüssel.
"Was wäre ich eigentlich ohne dich und die anderen, Fleur? Ungewaschen und ungekämmt..." wiederholte Isabeau den geheimen Scherz, den sie und die Magd jeden Abend teilten.
Die Baronin von Goldbach war jeder Zoll adlig und niemand sollte den Fehler machen sich anbiedern zu wollen. Aber sie war eine großzügige und faire Oberherrin. Die Familien, die ihr persönliches Gesinde stellten, waren zum großen Teil bereits seit Generationen auf Goldbach und die Barone hatten sich ihre unbedingte Loyalität ebenso verdient wie ihren nahezu sagenhaften Reichtum. Wer zu Goldbach gehörte, der hatte im Sommer Schatten und im Winter Wärme, war gekleidet und beschuht und litt nicht an Hunger. Wer jedoch die Baronin verriet, der verlor unter Umständen nicht nur Privilegien und Heimat, sondern baumelte, wenn er Pech hatte, am nächsten Baum.
Lilac:
Fleur grinst ob des Scherzes und gönnt sich den Luxus, einen alten, aus Tuchbändern gewebten Läufer vor die Baronin und die Waschschüssel zu legen, damit sie nicht direkt auf dem harten Boden knien muss. Dann legt sie sich das Handtuch in Reichweite und kniet vor ihrer Herrin nieder, um ihr die Füße zu waschen und ihr auch eine kleine Fußmassage angedeihen zu lassen.
Beide Frauen, so unterschiedlich ihre Positionen - nicht nur im wörtlichen Sinne - in diesem Moment auch sind, genießen diese allabendliche, fast schon ritualisierte Gemeinsamkeit.
Denn auch, wenn sie aus zwei vollkommen anderen Welten entstammen, so sind wenige Bande so eng wie das von Herrschaft und Leibdienerschaft. Der eine weiß um des anderen innerste Geheimnisse und Gefühle, man kennt des anderen Launen, Wünsche, Vorlieben und Bedürfnisse, wie es kaum ein dritter je erfahren kann.
Und so ist Fleur immer wieder von einem Gefühl der Ehre durchdrungen, wenn sie all diese kleinen Leibdienste für 'ihre' Madame tätigen kann.
Die Baronin nimmt als gerechte Herrin einen festen Platz in Fleurs Herzen ein und sie ist glücklich darüber, dass sie ein derart gutes Leben bei ihr hat. Was hat sie nicht schon von anderen Mägden für Schauergeschichten über deren Herrschaften gehört! Und erst das Kind, das sie unter dem Herzen trägt - unter dem Banner des Hauses Goldbach wird es gut aufwachsen, all die Tugenden von Gesinde und Herrschaft mit der Muttermilch aufsaugen und kennenlernen.
Fleur denkt gerne an die Zukunft ihres Kindes. So viele Vorbilder würden es umgeben. Und die Madame als strahlende Leitfigur allen voran! Und so würden ihre Liebe, ihre Fürsorge, ihre Ergebenheit und ihre Loyalität gegenüber der Baronin einen jeden Tag inder Erziehung des Kindes bestimmen, auf dass es sich dem Hof an dem es aufwächst, der Familie der es entstammt, welche schon seit Jahren dem Hause Goldbach zu Diensten war, und dem inoffiziellen Vater, dessen Art und Weise zu dienen Fleur so sehr an ritterliche Minne gemahnte, dass sie manchmal an der Herkunft des Herrn Aaron zweifelte, würdig erweisen sollte.
Inzwischen sind die Füße der Baronin zwar sauber, aber dennoch nimmt sich Fleur noch die Zeit für eine ausgiebige Fußmassage.
Schließlich - bevor die Haut zu schrumpeln beginnt - wäscht sie die Füße ein letztes Mal mit einigen Händen Wasser ab und trocknet sie dann sorgsam in dem weichen Handtuch ab, bis sie auch wirklich überall trocken sind und eine angenehm-leichte Wärme haben.
Dann räumt Fleur die Schüssel und das Handtuch rasch beiseite und legt den alten Läufer dergestalt zwischen Sessel und Bett, dass die Baronin nicht mehr auf den schmutzigen Boden treten muss, wenn ihr nächster Gang sie ins Bett führt.
Isabeau Lioncoeur:
Isabeau stand auf und ging an Fleur vorbei ins Bett.
Sie nahm die Wange der Magd einen kurzen Augenblick in ihre Hand: "Gute Nacht, Fleur. Bis morgen früh. Ich denke, ich werde einen Ausritt machen. Schlaf gut."
Lilac:
Gerührt von der unerwarteten, liebevollen Geste ist Fleur für einen Bruchteil eines Augeblicks völlig perplex, dann jedoch kehrt wieder der gewohnt freundliche Ausdruck auf ihr Gesicht zurück, sie knickst lächelnd und sagt:
"Bonne nuit, Madame. Ich wünsche Euch angenehme Träume."
Dann räumt sie rasch alles zusammen, sammelt die angefallene Wäsche ein und verschwindet mit einem
"À demain matin. Ich wecke Euch dann."
aus dem Zimmer.
Das letzte was zur Baronin dringt ist das leise Klicken des Türschlosses und vielleicht noch ein paar quietschende Dielenbretter im Flur, dann ist es still in dem Gemach, das nur noch von einer letzten Kerze auf dem Nachttisch spärlich beleuchtet wird.
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