Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche

Tavernengeschichte und Gerücht

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Ianadil:
Müde und frierend ziehst du den Mantel noch einmal enger um dich. Das nächste Gasthaus kann nicht mehr weit sein. Diese elende Kälte! Wie ein Blitz kam der Winter über das engonische Kaiserreich. Zu früh für deinen Geschmack. Jetzt kleidet ein erstes weiches Schneekleid die Landschaft um dich herum und es dunkelt bald. Leise knirscht der Schnee unter deinen Stiefeln und der Atem steigt Nebeln gleich aus deinem Mund, als du in den kleinen Pfad einbiegst der dich hinauf ins beschauliche Dörfchen Granstedt bringt. Nur noch einige Schritt und du wirst endlich am Feuer sitzen und deinen müden Leib mit warmer Speise stärken. Im Dorf selbst erblickst du niemanden, nur einige fahle Lichtscheine unter den Türschwellen künden von Leben, doch als du dich dem Gasthaus näherst erkennst du wo der Rest der Leute stecken muss. Du betrittst das einfache aber solide gebaute Haus und tritt dir im Vorraum das Eis von den Schuhen. Dann gehst du durch einen ledernen Vorhang in den Schankraum. Der Raum ist gut besucht und einige Besucher prosten dir freundlich zu, als du dich an einigen Tischen vorbei, zur Bank vor dem großen Kaminfeuer durchschlängelst, wenden sich dann allerdings der Erzählung eines älteren Mannes zu. Erst beachtest du ihn gar nicht, doch nach einigen Happen fettem Eintopfes und einigen Schluck Würzwein macht sich in dir der Wunsch nach etwas Unterhaltung breit. Der schon in die Jahre gekommene Mann, mit schütterem schwarzen Haar und einer kräftigen Nase und hohlen Wangenknochen erzählt selbstsicher eine Geschichte die die anderen Leute sehr zu fesseln scheint. Auch du richtest deine Aufmerksamkeit auf den Mann, der seinem Gewand nach ein Kirchendiener der Göttin Aine ist, der Göttin der Weisheit, des Wissens und der Magie. Nachdem er seinerseits einen kräftigen Schluck aus einem dampfenden Becher genommen hatte, nickt er dir wohlwollend zu und erzählt die bereits begonnene Geschichte mit weitausholenden Gesten weiter.

" Und da standen wir nun inmitten des undurchdringlichen Forstes und wir wussten nicht ein und nicht aus. Von den Elben die sonst ja jeden Eindringling in ihren Wald mit Argusaugen beobachten, war keine Spur zu finden. Obwohl wir uns beobachtet fühlten, wer weiß vielleicht haben sie uns auch nur einen Streich gespielt die Herren Elben, doch beileibe keinen trefflichen! Zu allem Unglück hinzu kam noch der Schnee, der mit seinem weißen Griff uns nun auch den Rückweg erschwerte und die sowieso schwierige Orientierung unmöglich machte. Es war so gegen Mitte des Tages würde ich sagen als wir endlich auf einen breiteren Bach stießen, dem wir flussabwärts folgten. Gehörig durchgefroren erreichten wir mehrere kleine Seen und beschlossen erst einmal ein Feuer zu schüren um uns zu wärmen. Nach einigen Fehlversuchen schafften wir es auch ein mittelgroßes Feuer zu entzünden. Und drängten uns alle so eng darum wie es ging. Das Feuer bot nicht nur Wärme, sondern auch Sicherheit. Wenn ihr einmal in diesem von Aine verfluchten Forst des Nachts ward und die Wölfe um das Lager schleichen, dann wisst ihr darum. Der kleine Halfsed ist beinahe gestorben vor Angst. Doch wir haben es überstanden ohne gefressen zu werden. Nun ja, da saßen wir nun und wärmten unsere müden Knochen als auf einmal dichter Nebel über dem See aufzog. Da erschien auf einmal ein Licht im Nebel! Und noch eines! Und noch eines!
Wir saßen gebannt da und blickten dem irren Lichtertanz zu. Fast vermeinten wir ein seltsam schönes Lied aus zunehmen aber wir waren leider oder Aine sei Dank nicht nah genug am Wasser. Allmählich gab ich die Hoffnung auf unseren Bruder in Lorinan zu finden, der am Kloster geblieben ist. Kaum zu glauben daß  einige Mönche einstmals den Schneid hatten im Elbenwald einen Schrein zu errichten! Wo wir doch im Krieg mit den Elben waren! Naja, ist den Armen wohl auch zum Verhängnis geworden, sich so schutzlos den Elben auszuliefern... Nun, ich schweife ab. Auf jeden Fall wurde es uns zu heikel den tanzenden Nebel und Lichtern zuzublicken. Es gibt Geschichten über die Herren der Anderswelt, die ihr arges Spiel mit uns Sterblichen treiben... Aber ich will besser nicht zu viel erzählen...
So gingen wir unseren Weg weiter und ließen die lockenden Lichter hinter uns. Doch den Bruchteil eines Stundenglases später allerdings hatten wir schon den wahren Schrecken vor uns..."

Der Mönch der den letzten Satz mit ersterbender Stimme gesprochen hat, legt augenscheinlich eine dramaturgische Pause ein, doch das einfache Volk, daß in der Regel abergläubisch ist scheint wesentlich mehr eingeschüchtert als du und es ist kein Laut in der Taverne zu hören. Dann kann ein halbwüchsiges Mädchen mit kupferroten Haar die Spannung nicht länger aushalten: " Was passierte dann? Was habt ihr gesehen?"

"Eis", sagt der Gottesdiener dunkel. "Nichts als Eis. Wir hatten gerade einen weiteren See erreicht als wir zu unserer linken Bäume und Sträucher ausmachten die mit Rauhreif und Eis bedeckt waren. Sicher es hatte geschneit, doch der Grad dieser Vereisung war... unnatürlich. Bis zu den Spitzen der Bäume umklammerte das Eis sie. Mir wurde mulmig, als ich in der Ferne einen eisblauen Felsen ausmachte. Langsam zogen weiße Nebelschleier wie Leichentücher um ihn. Klirrend kalt war die Luft. Noch heute verfluche ich unsere Neugier. Nun ja ihr könnt euch schon denken was wir taten...
Der Felsen war in eine Steilwand eingelassen und reichte die Herrin mag's wissen wie weit in den Boden hinein. Keiner von uns sagte etwas, totale Stille lag über allem. Dann sah ich wie Johann langsam sein Messer aus der Scheide zog. Er zeigte auf etwas vor sich. Eine Stelle im Eis die zu leuchten schien. Etwas war unter dem Eis, ein silbriger Schimmer der die Umrisse von etwas länglichem umrahmte. Wir dachten wir hätten so eine Art Schatz gefunden," sagt er und seine gespielt freudige Miene wandelt sich langsam in eine Ernüchterte. " Nun ja, ich Narr nickte im zu, als er zu mir zurück sah. Er setzte das Messer an und hebelte ein Stück Eis heraus. Mit einem scharfen weithin hallenden Laut brach es ab. Wir erschraken und blickten uns gegenseitig in die Angesichter, an solch einem Ort so viel Lärm zu machen war nicht ratsam... Einige Sekunden verharrten wir wie Salzsäulen, doch als nichts geschah lächelte mir Halfsed eingeschüchtert zu. Doch in dem Moment hatte Bruder Grómfried etwas erblickt. Er starrte gebannt in die Tiefen des Eises. Zuerst konnte ich nichts ausnehmen, doch dann sah ich das etwas kam...
Sofort ging ich einige Schritte zurück, auch Bruder Narjes und Halfsed wichen zurück. Nur Johann blieb wie gebannt stehen, das Messer in der Hand. Dann löste sich aus dem Eis etwas, was mir noch heute schwerfällt zu beschreiben. Es sah aus wie eine wunderschöne Frau, die aus Eis ist. Leicht bläulich und an manchen Stellen von seltsamen schwarzen Schlieren verunreinigt. Ihr Kleid war mit Schwarz-violetten Eiszapfen besetzt.
Da stand sie und blickte Bruder Johann so seltsam an , der immer noch das Messer in der Hand hielt. Ich weiß nicht genau was Johann getan hat da ich hinter ihm stand, doch es war das letzte was er tat... Ich sah nur das sie die schneeweiße Hand ausstreckte und Bruder Johann an der Schläfe berührte. Dann blies sie ihn mit ihrem Atem an und augenblicklich überzog sich sein Körper und seine Kleidung mit wilden Eisblumen. Immer dichter wurde der Panzer aus Eis der sich um ihn bildete. Wir starrten gebannt zu, unfähig uns zu rühren, unfähig zu schreien. Doch dann blickte sie auf uns drei. Da bekamen wir so große Furcht, daß wir in Panik davonrannten. Nie werde ich ihre Augen vergessen! Nie! Wir rannten so schnell unsere Füße uns trugen, hörten nur noch wie hinter uns etwas laut klirrend wie Glas zerbarst. Wir rannten und rannten bis wir vor Erschöpfung nicht mehr konnten. Bruder Narjes ist irgendwann ausgeglitten und hat sich wohl ein Bein bei dem Sturz gebrochen, doch Halfsed und ich hatten nicht genug Schneid um ihn zu retten...", der Mönch schließt einen Moment die Augen und schüttelt langsam den Kopf, dann beginnt er mit gebrochener Stimme weiterzuerzählen: "Ich denke, die Wölfe haben ihn wohl geholt. Halfsed wird noch heute von Seelenheilern behandelt. Ihn umfiel der Irrsinn. Nun, was aus mir wurde wisst ihr ja," sagt er mit einem schiefen Lächeln. "Das trug sich in Lorinan zu, das ist die ganze Geschichte. Bleibt nur zu hoffen, daß ihr nie den Fuß in den verfluchten Forst setzt..."

Ianadil:
http://www.lorinan.de/Geruechte.html

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