Der Städtebund von Tangara > Fanada
Das Kontor - nach dem Krieg
Lilac:
"Naja, keiner bis auf meinen Vater und zwei meiner Brüder war glücklich, aber irgendwie kamen wir durch diesen Abend. Wulfgar und ich standen uns ein paarmal etwas verlegen gegenüber und haben versucht uns gegenseitig Mut zuzulächeln. Ich glaube, ich hätte auch mit meiner zukünftigen Schwägerin gut auskommen können - sie war ein leidgeprüftes Wesen aus höherem Hause, unsere Schicksale hätten uns, auch wenn ich aus anderen Verhältnissen stamme, wohl verbunden... Mein zukünftiger Schwiegervater hätte uns ganzes 'Gesocks' und Wulfgar wohl am liebsten fortgezaubert, aber ab und an hab ich ihn dabei ertappt, dass er meiner Schwester Malla - sie war da noch ganz klein - abgenommen und sie heimlich geknuddelt hat... und meine zukünftige Schwiegermutter... Sie sah mich immer an wie ein madendurchsetztes Stück Fleisch. Sie rümpfte die Nase... ts, dabei ist sie nie im Laden meines Vaters gewesen... Sie schaute immer wieder von oben bis unten an mir herunter, schüttelte den Kopf und murmelte dann lautstark Dinge wie '...erstmal entlausen...', '...vielleicht nach einer Wäsche...', 'Wenn man erst mal vernünftige Kleidung drüberhängt...', '... nach der richtigen Schule...'. Es war klar, dass ich unter ihr die Hölle auf Erden erleben würde.
Tja und dann wurden nach dem Essen die Getränke gereicht und es vertreute sich ein bisschen und Wulfgar und ich unterhielten uns in einer Ecke beim Kamin und dann ging er kurz weg, um etwas zu holen, glaube ich... Da kam plötzlich mein zukünftiger Schwager auf mich zu, drängte mich gegen die Wand und stieß mit seinem Kelch gegen meinen. Er hatte dieses scheußliche Grinsen auf den Lippen... Er... "
Jenna stockte, man hörte sie um Atem ringen, sie zitterte plötzlich.
"Er... "
Sie schien es nicht erzählen zu können und versuchte, auszuweichen:
"Ich hab es gleich gewusst, als ich ihn das erste Mal gesehen hab. Er ist einer dieser Söhne aus gutem Hause, die einmal erben werden. Denen schon früh eine große Verantwortung auf den Schultern lastet. Sie sind es, die in unserem Viertel den schlechtesten Ruf haben. Sie sind es, die an den Feierlichkeiten mit ihren Freunden auf unsere Feiern kommen und sich über die Mädchen hermachen. Weil ihre Macht sie schützt. Im Falle des Falles steht ihr Wort gegen das eines Gossenmädchens. Niemand verweigert sich ihnen. Und wenn doch, holen sie es sich mit Gewalt - dann macht es ihnen erst Recht Spaß!"
Jennas Stimme war hart und gepresst geworden und sie zitterte heftig am ganzen Leib. All die schöne Entspannung war dahin.
"Er... er drängte sich gegen mich und sagte, er würde sich freuen, wenn ich dann bald zur Familie gehören und mit ihm unter einem Dach leben würde. Dass seine eigene Frau nicht mehr so nach seinem Geschmack wäre und ich... ich wäre ja trotz des Balgs, dass sein Bruder mir gemacht hätte ja noch ganz ansehnlich! Er hat gesagt... er hat gesagt... 'Ich hoffe, du bist nicht zu ausgeleiert!'!"
An dem Punkt konnte Jenna es nicht mehr ertragen, sie sprang aus dem Zuber, rannte in eine Ecke, in der ein Kübel stand und übergab sich.
Jelena:
Jelena klappte der Unterkiefer herunter und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Mala jammerte als sie unbewusst etwas zu feste zupackte und sie wechselte den Arm in dem sie das Kind hielt. Eine der Zubermägde huschte herein und erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei.
Jelena winkte sie heran:
"Nadia? Sei so lieb und nimm das Kind, da liegt ein Flanelltuch, genau das. Nimm sie mir bitte ab und trockne sie ab, ja?"
Jelena kletterte aus dem Zuber und schlang eines der großen Tücher um sich, bevor sie ein zweites nahm und es um Jennas Schultern legte.
Sie hatte den Großteil ihres Lebens unter Kriegern verbracht und das waren weißdiegöttinnicht prüde Gesellen, Jelena selbst war für manchen derben Scherz bekannt, aber sowas? So was... dreckiges... hatte sie noch nie vernommen.
Und das schlimme war, die Drohung, die hinter diesem fürchterlichen Satz steckte, war eine durchaus erntzunehmende gewesen.
Sie strich Jenna die Haare aus dem Gesicht und machte beruhigende Laute, während sie innerlich beschloß, dass Wassilji demnächst einen Ausflug nach Engonia machen würde.
Lilac:
Irgendwann hatte Jenna sich soweit beruhigt, dass sie sich aufrichten, den Mund ausspülen und abtrocknen konnte. Erst als sie ihr wild in der Luft herumfuchtelndes und auf dem Handtuch herumkauendes Baby wieder im Arm hatte, sah sie mit großen Augen Jelena an:
"Du wirst es niemandem erzählen, nicht wahr, Meistrin?",
flehte sie. Kaum etwas bereitete ihr im Moment mehr Unbehagen als der Gedanke, einer der Menschen, die sie so völlig unvoreingenommen in ihrer Mitte aufgenommen hatten, könnte von dieser Geschichte erfahren.
Jelena:
"Nichts von dem was passiert ist, war deine Schuld, Jenna!"
meinte Jelena freundlich, aber bestimmt.
"Die Wege Milostis sind unergründlich. Wenn du dich nicht auf den Weg gemacht hättest, dann hätten wir uns nie getroffen, nicht wahr?"
Jelena schlüpfte in Unter- und Oberkleid, das Haar verschwand unter einem Kopftuch.
"Wir werden erst wieder darüber sprechen wenn du es möchtest, aber du solltest wissen, dass es mich schon interessiert wo deine Familie herkommt."
Lilac:
Ausgelaugt und in einem Zustand der Bedrückung zog Jenna zuerst die kleine Malla und dann auch sich an.
Die Herkunft ihrer Famile war eine ganz andere Geschichte, damit hatte sie im Vergleich zu ihrem "Fluchtgrund" weniger Probleme. Zumal jetzt, da sie sich der Meistrin ohnehin schon soweit anvertraut hatte.
Und so erzählte sie auf dem Weg nach draußen und zurück zum Kontor:
"Zu meiner Familie ist eigentlich nicht viel zu sagen. Meine Großeltern kommen ursprünglich aus Medvjedstan. Sie waren dort aber nicht glücklich - es hat wohl viel Strit gegeben. Großvater hat dann beschlossen, in die Fremde zu gehen. Als er hier in Engonia ankam, hat er einen kleinen Laden aufgemacht, wo er und meine Großmutter medvjedstanische Spezialitäten - soweit sie sie hier herstellen konnten - verkauft haben. Den Laden führen nun mein Vater und mein Bruder. Mein Vater wurde hier geboren und er hat eine engonische Frau aus unserem Viertel geheiratet, deren Eltern sich mit den Lebensvorstellungen unserer Familie abfinden konnten..."
Da sie nicht wusste, was weiter dazu zu sagen war, zuckte Jenna mit den Schultern.
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