Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche
Ein Dorf.
Tobi:
"Sollten wir ihm dann nicht dafür dankbar sein?"
Vanion:
Vanions stimme war völlig ruhig. Ungefahr so ruhig und scharf und gefährlich wie eine Rasierklinge, die grade Barthaare an einer entblößten Kehle stutzte.
"So, sollten wir das? Für die Feuer von Brega sollten wir Szivar danken? Für das Schlachten in Ahrnburg, für die toten Kinder Engonias? Für all die Söhne, die deren Väter zu betrauern haben, für all die Töchter, die nun ohne ihre Väter aufwachsen? Wir sollten Szivar danken für den Tod der Sturmrufer?! Sollte ich, der ich mit den Sturmrufern befreundet war, Szivar danken, dass er sie tötete? Sollen die Yorks Szivar danken, dass er Richard von York vom Leid des Lebens erlöste?
Ihr habt nicht genau zugehört! Der Täuscher bezeichnete Konar als sein Geschöpf! Nicht als Tiors Auserwählten! Wie könnte der Auserwählte Recke Tiors sterben, wenn nicht durch Tior selber? Doch ihr habt Recht." Vanions Stimme troff nun geradezu vor Ironie. "Lasst uns Szivar danken! Für das geteilte Engonien gebührt ihm Dank. Für den Ausruf des Imperiums, das sich nun, wie jeder sehen kann, im Lichte Alamars erhebt und Frieden und Wohlstand einem jeden verspricht. Lasst uns dem Täuscher danken, für all die milden Gaben, für die fauligen Geschwüre in meinem Bein! Ich danke ihm, für diese Narbe!"
Vanion schwieg kurz, die Augen fest auf den Blick des alten Ritters gerichtet.
Dann sprach er leise:
"Nein. Dem Täuscher gebührt kein Dank. Dem Täuscher gebührt das, was er gebiert: seine Kinder sind Hass, Zwietracht, Furcht und Fäulnis. All das will ich ihm von Herzen gönnen. Aber ihm für Konars Tod danken? Nein. Man dankt dem Henker nicht ob seiner Axt."
Tobi:
Eine Augenbraue des Ritters ging überrascht hoch, fast so als hätte er damit nicht gerechnet. Es schien so, als würde er etwas antworten wollen, besann sich aber dann eines besseren.
"Viel Schlimmes ist in Szivars Namen geschehen. Doch sag mir, wem wir die Toten der Schlachten zu Last legen sollen. Die toten Soldaten, Ritter und Krieger. Oder anders gefragt, denkst du, es fällt auch nur ein Mensch in der Schlacht, ohne, dass es Tiors Wille ist? Der Wille des Herren des blutigen Gemetzels, der auf den Häuten seiner toten Feinde schläft, der, der in Ketten geschlagen wurde, damit er die Welt nicht in den Untergang stürzt.
Tior stand bis zum Tag des Wolfes auf Seiten Barad Konars und erst als der neue Weg Tiors erschien gab er beiden Seiten seine Gunst.
Wie ich schon gesagt habe hat Engonien zwei gute Götter, zwei Neutrale und zwei Böse. Von diesen Zweierpaaren ist jeweils einer ein Kämpfer und einer ein ... Leiser.
Ist Kampf und Krieg ein Mittel des Herren der Korruption, des Meuchelmordes und der Lethargie? Sind Armeen im Feld ein Werk des Täuschers, Ränkeschmieders und Herrn des Chaos?."
Vanion:
"Ich lege die Toten Szivar zur Last. Der Brüderkrieg war ein perfides Spiel des Täuschers, und am Ende, als ein Zug im Namen von fünf Göttern Engoniens dieses Spiel beendete, deckte er seine Karten auf. Und die Karte, die ihn gewinnen ließ, war Konar. Die Götter haben sich von ihrem Bruder täuschen lassen, seht ihr das nicht? Der Listige, der Meister des Ränkeschmiedens brachte seine Brüder dazu, einander zu misstrauen. Anhänger Alamars gegen Anhänger Tiors, die sanften Hände Lavinias versuchten die faulenden Wunden Nadurias zu heilen, während die Wildheit Nadurias auf Aines fein gelenkte Adern traf. Dieser Krieg ist nicht wegen Tior ausgebrochen. Konar wurde von Szivars Klaue geführt, manipuliert, und nur so tat er, was getan wurde.
Der Lupus war, das wisst ihr so gut wie ich, nicht immer gehasst! Manches Dorf sprach von einer ordentlichen, von einer gerechten Verwaltung und Regierung. Wenn Tior durch Konar die Welt in Blut tauchen wollte, dann hätte er den offenen Weg beschritten. Feldschlachten, keine Morde, aufrechte Kämpfe, keine Gemetzel an Unschuldigen und Wehrlosen. Tior hätte es nicht zugelassen, dass Konar sich in Engonia versteckt, hinter magischem Schutz! Der Auserwählte Tiors, sich versteckend hinter Aines Röcken? Pah!"
Vanion bemerkte, dass er laut geworden war, und dass einige neugierige Blicke auf die beiden Männer gefallen waren. Etwas leiser fuhr er fort:
"Nein, Szivar hat für all das gesorgt, dessen bin ich mir sicher. Glaubt Ihr nicht, dass die Trümmer Engoniens, rauchende und schwelende Ruinen, Schlachtfelder voller Kadaver und blutbespritzten, im Rausch schreienden Sieger eher Tiors dunkles Herz erfüllen würden als das Engonien, das wir jetzt haben? Das Engonien, das sich langsam erholt, das seine Wunden leckt, und gleichzeitig in Hinterzimmern leise und heimlich darüber berät, welche Landesteile wem gehören sollen? Das Engonien, das Ränkespiele und Intrigen gerade jetzt, wo soviel neu zu verteilen ist, mehr begünstigt als die Sonne die Ernten im Sommer?
Tior war blind! Er sah nur die Schlachten, er freute sich! Alamar war blind, er sah die gerechte Sache, für die seine Kinder eintraten im Kampf! Lavinia war blind, sie sah nur Wunden, die es zu heilen gab, Herzen, die mit neuer Hoffnung zu füllen waren. Aine war blind, ihr Blick auf die Magie in all ihrer Vollkommenheit gerichtet! Naduria war blind, entfesselt in all ihrer edlen Wildheit! Nur Szivar sah die Geschehnisse mit all ihren Aspekten, er sah das Spielbrett, auf dem die Figuren zogen, und er zog die Fäden.
Vielleicht denkt Ihr deshalb, dass die Götter fern von uns Menschen seien, dass sie uns verlassen hätten. Vielleicht habt Ihr deshalb all Eure Hoffnung in eine Reinkarnation Jeldriks gesetzt, in Richard Brin, in Flamen Damian. Doch ich bin sicher, dass der Täuscher nun selbst über uns beide verhalten in sich hineinkichert, wie wir im Dunkeln umhertapsen, um einen Funken seines Spielbrettes auch nur zu erahnen."
Tobi:
Der Jeldrike schüttelt nur ganz leicht den Kopf.
"Hm, ja, vielleicht ist er wirklich gerade recht amüsiert. Nun vielleicht sollten wir ihm dann nicht direkt danken, wie ich eben vorgeschlagen habe, aber fürchten sollten wir ihn ganz gewiss. Immerhin ist er ja so mächtig und schlau, dass er seine 5 Geschwister täuschen und für seine Ziele einspannen konnte, ganz zu schweigen von allen anderen Göttern und Halbgöttern. Ich fürchte wirklich wo das hinführen wird, aber ich bin sicher, dass ich seine neueste Marionette schon kenne.
Die Königin von Donnerheim tanzt sicher an seinen Fäden. Warum sonst sollte sie Jeldrik verraten, Engonien beenden, um das Imperium wiederauferstehen zu lassen und Fremden, mit ihren ketzerischen Göttern, Teile Andarras schenken ohne jemals ein Recht darauf zu haben?"
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