Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche
Ein Dorf.
Vanion:
"Verflucht!", zischte Vanion, als der Ritter mit dem Gesicht zuerst nach Vorne in den Matsch fiel. Der Knappe eilte zu dem Ritter, drehte ihn um und drückte eine Hand auf die Wunde. Das Blut quoll gradezu hervor, Vanion hatte genug gesehen, um zu wissen, dass nur noch sehr viel Glück den raschen Tod aufhalten konnte. Er winkte Jacques herbei. "Er hat keinen Knappen bei sich! Kümmere dich um ihn, versorge ihn!" Vanion fürchtete nicht Konrads Tod, er hatte ihn schließlich gefordert. Doch war dieses Duell von Anfang an unsinnig gewesen, aus den falschen Gründen geführt worden. Gemeinsam mit Jacques schaffte er den erstaunlich leichten Körper in die trockene Scheune neben der Taverne.
Jacques wusste einiges um die Kunst der Feldscherei, doch war Vanion sich nicht sicher, ob diese Kunst überhaupt noch anwendbar war in diesem Fall. Als Jacques ihn mit einem Grummeln wegscheuchte, stand er auf und wischte die blutigen Hände kurzerhand an einer alten Satteldecke ab.
Erst jetzt fühlte er, wie das Adrenalin nachließ. Er zitterte ein wenig. Diesen Kampf hab ich nicht gewonnen. Diesen Kampf hat er vielmehr verloren. Dieser sture Idiot! Der Knappe drehte sich wieder um und sah mit unergründlichem Gesichtsausdruck auf den Ritter nieder.
Tobi:
Jeder Herzschlag drückte mehr Blut aus der Ader und damit mehr Leben aus dem Ritter heraus. Jaques arbeitete stumm und verbissen und kurz regte sich der Jeldrike wieder, versuchte wohl irgendwie nach Vanion zu greifen, schaffte es aber nicht seinen Arm zu heben.
Er versuchte irgendwas zu sagen, war aber schwach und Jaques drückte an seinem Hals herum, so dass seine Worte nicht unbedingt so heroisch klangen, wie es vielleicht beabsichtigt gewesen war.
Wan immer Vanion nachdachte, was das wohl für Worte gewesen waren glaubte es etwas wie "Szivar hat nur so viel Macht über dich, wie du ihm gibst." gehört zu haben.
Jaques zuckte nur mit den Schultern. Er hatte wohl nichts gehört.
Kurze Zeit später gaben der barsche "Feldscher" und der Verwundete auf. Der eine starb und der andere zuckte mit den Schultern, setzte sich etwas abseits hin und blickte den Knappen seiner Herrin fragend an, was nun geschehen sollte.
Vanion:
Vanion stand nach wie vor und blickte mit leerem Blick Jacques an.
Dann kniete er sich neben den Toten und schloss ihm die nun blinden Augen.
Ohne ein weiteres Wort wandte der Knappe sich an Jacques.
"Ich werde dir morgen alles erklären. Lass uns zunächst den Leichnam begraben."
Mitsamt den wenigen Habseligkeiten, die Konrad von Hirschsprung bei sich gehabt hatte, und mit seinem Schwert auf der Brust wurde Konrad auf dem Friedhof des Dorfes Schlagbaums noch in derselben Nacht begraben. Vanion sprach ein kurzes Gebet für den Toten, im Namen von fünf Göttern Engoniens. "Möge auch Jeldrik nun auf dich herablächeln", sprach er am Schluss.
Einzig den schmutzigen und verblichenen Wappenrock der Jeldriken nahm Vanion an sich. Auf Jacques fragenden Blick erklärte er: "Sein Orden hat es verdient, von seinem Tod zu erfahren. Auch von der Art seines Todes. Ich bin sicher, Lorainne würde nicht anders handeln."
___
Das erste, was am nächsten Morgen erwachte, waren die Gerüchte. Schnell war die Rede von dem nächtlichen Kampf, das frische Grab blieb nicht unentdeckt. Ein schon früh betrunkener Tunichgut sprach gar von einem Mord, was Jacques ihm prompt mit einer gebrochenen Nase dankte.
Am Vormittag erzählte Vanion Jacques von dem Gespräch, von den seinen Äußerungen und denen des Ritters. Für Jacques war die Sache klar: "Er 'at mademoiselle chevalière und die Imperatorin geschmäht. Dü 'ast rischtig ge'andelt. Lorainne wird das nischt anders sehen."
Noch am selben Tag beschlossen die beiden aufgrund der Ereignisse, abzureisen. Mit dem ersten Licht am darauffolgenden Tage ritten die beiden los, in Richtung Norden, Richtung Caldrien.
Vanion warf einen letzten Blick zurück in die kleine Mulde, in der das Dorf lag. Fast das ganze letzte Jahr hatte er hier verbracht. Zeit, in die Welt zurückzukehren. Zeit, Knappe zu sein.
Mel:
Sie hatten gerade die Droor überquert, als sie endlich den Reiter hörten und die große Staubwolke sahen, die ihn einhüllte. Der Mamm musste schnell wie der Wind geritten sein, denn nur wenige Augenblicke später sprang er behände vom Pferd und wischte sich den Staub aus dem Gesicht.
Er verbeugte sich vor Vanion und holte noch einmal tief Atem, bevor er sprach:" Junger Herr, die verehrte Mutter Oberin schickt mich. Eure Herrin sitzt den ganzen Tag in der Schreibstube, anstatt am Brautunterricht teilzunehmen. Die hohe Mutter ist in Sorge, dass Eure Herrin nicht rechtzeitig für die rituellen Waschungen bereit ist."
Vanion:
Vanion tauschte einen kurzen Blick mit Jacques aus. Der Kerl war von der 'Mutter Oberin' geschickt worden, nicht von Lorainne, und er hatte die beiden sofort erkannt, obwohl Vanion nur den Wimpel mit Lorainnes Wappen am Gürtel trug - und keinen Wappenrock. Beim Reiten konnte dieser Wimpel nicht gerade gut sichtbar gewesen sein.
Mit der Hand am Messer fragte der Knappe: "Von wo schickt sie Euch denn? Und warum äußert die Mutter Oberin Ihre Sorgen mir gegenüber, und nicht meiner Herrin?"
Er ging einen Schritt auf den Mann zu und wechselte ganz bewusst die Anrede.
"Hast du nur diese Nachricht für mich? Wer bist du überhaupt?"
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