Der Städtebund von Tangara > Fanada
Ein zweites Leben
Jelena:
Jelena zügelte ihr Pferd und blieb auf der kleinen Anhöhe oberhalb Fanadas stehen. Die herbstliche Sonne tauchte die Stadt in Gold und die Dächer des Tempeldistrikts gleißten im Westen der Stadt.
Der Besuch in Brega war schwierig gewesen. Sie hatte die gesamte Reise von Mythodea nach Engonien mit sich debatiert ob sie überhaupt noch einmal zurück kehren sollte.
Sie hätte mit der Grand Expedition ziehen können oder aber nach Medvjedstan zurück kehren. Vielleicht auch auf Mythodea bleiben und dort siedeln, oder eines der vielen Länder besuchen, von denen sie bislang nur gehört hatte.
Aber in diesem einen Augenblick bevor der Stahl in ihre Brust fuhr hatte sie es gewusst. Du bist nichts, wenn du alleine bist.
Es ist wahr, es war ihre Entscheidung gewesen und sie hatte das Opfer gebracht in der Hoffnung ihrem Leben einen würdigen Abschluß zu geben. Und sie stand noch immer dazu: es war billig und recht, dass sie diesen Versuch unternommen hatten.
Es war eine bemerkenswerte Ironie gewesen in dem Augenblick, in dem sie starb niemandem ihrer Familie um sich zu haben. Ihr war völlig klar, dass, wenn jemand dagewesen wäre, sie gar nicht erst die Möglichkeit gehabt hätte dem Ritual beizutreten, genau darin bestand ja die Ironie.
Jelena seufzte und warf einen Blick auf ihren stoischen Begleiter. Frederic war in seiner Stille vergleichbar mit Wassilji, aber sonst?
Sie lachte leise in sich hinein und stubste ihr Reittier sanft an um weiter zu reiten.
In allen anderen Dingen schien er das komplette Gegenteil von ihm zu sein. Es begann bei seiner Waffenwahl und endete damit, dass er seine Loyalität dem Meistbietenden verkaufte. Jelena war es einerlei. Sie hatte Frederic bezahlt um sie sicher nach Hause zu bringen und genau das hatte er getan.
Nach Hause...
Ein seltsamer Begriff. Aber Jelena akzeptierte, dass ihr zu Hause hier, in diesem Land, zu sein schien. Nicht weil Engonien landschaftlich so schön war, sondern weil hier die Menschen lebten, die sie liebten.
Ihre Gedanken sprangen kurz zu Gorix und es tat weh, aber sie weigerte sich jetzt darüber zu grübeln.
Es sprach viel dafür, dass ihre nächste Begegnung in die gleiche Richtung laufen könnte und sie wollte bereit sein, wenn es tatsächlich zur Katastrophe kam.
Und ihr Sohn beschloß nichts mehr mit ihr zu tun haben zu wollen.
<+>
Fanadas Straßen waren genau so laut, voll, staubig und stinkend wie sie sie in Erinnung hatte. Sie führte ihre Packpferde vorsichtig durch das Getümmel und bog schließlich in die ruhige Seitenstraße ein, in der das Kontor stand. Noch bevor sie Anstalten machen konnte von ihrem Pferd abzusteigen öffnete sich das Tor und eine kleine Gruppe laut rufender und lachender Menschen strömte daraus hervor und umringte sie, während sie zum ersten Mal seit nahezu 6 Monaten den Hof des Kontors betrat.
"Die Meistrin ist zurück!"
"Seht nur! Meistrin Jelena ist zurück!"
"Gebt allen Bescheid, die Meistrin ist wieder da!"
Luthor Kaaen:
Die Schreibbude im Obergeschoss war stickig, es roch nach aufgewirbelten Staub der lange auf alten Büchern geruht hatte, dem schwarzen Qualm billiger Talgkerzen die die Wachskerzen nach und nach ersetzt hatten, aber die Fahne von Bier vernahm man nicht mehr die Luthor so lange Zeit begleitet hatte.
Er hatte sich rasiert, die Haare kürzen lassen und trug ein schlichtes Wams, einen Dolchgurt und eine Leinenhose mit Stiefeln. Nur die blau-braun geteilte Gugel auf seinen Schultern verriet mit einem Wappen auf der Herzseite seinen Stand und seine Herkunft. Zwei Schädel standen auf dem Tisch vor ihm auf einem Teppich aus aufgeschlagenen Büchern, Papier und Mappen. Sein Blick wirkte angestrengt, beinahe so als würde er eine große Last heben, dabei hielt er nur den einen Schädel in den Händen und drehte ihn wieder und wieder, veränderte den Winkel und hielt ihn ins Licht.
Als unten im Hof Lärm ausbrach hob er verärgert den Kopf und erhob sich um ans Fenster zu treten. Verletzte waren in den letzten Tagen die Aufgabe der Tempel geworden, nur in Krankheitsfällen und besonderen Notfällen hatte er zugestimmt, sie zu ihm zu bringen. Er hatte keine Zeit mehr sich um jeden verlorenen Finger oder gebrochenen Arm zu kümmern. Nach dem Gerücht von Jelenas Tod war nicht nur seine Welt zusammengebrochen, auch die Restliche hatte sich auf den Kopf gestellt und entlud nun jeglichen Trog Scheiße über ihm. Halsabschneider aus dem Umland kamen, witterten ihre Chance und erfanden Schuldbriefe, die er nun in dem Namen Jelenas zurückzahlen sollte. Nachdem er dem ersten die Nase gebrochen und den Zweiten ein paar Tage danach die Schulter ausgekugelt hatte, lernte er langsam sein Temperament zu zügeln und die Sache so anzugehen wie es ihn gelehrt wurde. Das alles waren aber nur Hindernisse den Studien gegenüber, in die er sich warf, vielleicht auch um zu verdrängen und sich abzulenken.
Die Worte, die jedoch zu ihm hinaufdrangen, ließen sein Herz stocken und fast hätte er sich übergeben, so voll war sein Bauch auf einmal von heißen Steinen dass er sich an der Wand festhalten musste.
Kadegar hatte berichtet dass sie wieder leben würde, dennoch hatte Luthor ... er wusste nicht was er hatte und dachte, nur was er tat, aber das war nun nebensächlich. Sein Gesicht nahm eine ausdruckslose Miene an, er griff nach einem kleinen Lederetui im Regal, schob es neben den Dolch hinten unter seinen Gürtel und mit wackligen Beinen stieg er die schmale Treppe hinab die zum Hof führte.
Jelena:
Jelena ließ sich aus dem Sattel gleiten und nahm eine lachende und weinende Anica in den Arm.
Sie begrüßte die anderen Mägde und Knechte mit Namen und schüttelte viele Hände, aber ihre Augen suchten den Hof nach einem ganz bestimmten Gesicht ab.
Lilac:
Auch Jenna war mit Malla bei den Begrüßenden.
Jenna ließ ihren Emotionen vergleichsweise aufällig ihren Lauf - Tränen rannen lautlos über ein ungläubig-glückliches Gesicht, das die Müdigkeit der letzten Wochen wiederspiegelte, während sie ihre Tochter an sich drückte.
Malla hingegen war zu abgelenkt von den lauten, fröhlichen Menschen um sie herum, um den stummen Ausbruch ihrer Mama mitzubekommen. Schwankend zwischen der ansteckenden Freude der anderen und Befremdung ob der plötzlichen Unruhe in dem sonst so ruhigen Haushalt, klammerte sie sich einerseits an ihre Mama, andererseits wandte sie sich mit strahlendem Lachen und klarem Stimmchen der heimgekehrten "'Lena! 'Lena!" (=Jelena) und den "Verde! Verde! Ihihihi!" (=Pferden) zu.
Dominic:
In einem dunklen Zimmer, auf einer Burg weit entfernt, lächelte jemand glücklich und wusste nicht wohin mit seinen Gefühlen. Bis er langsam seine Sinne fand und verstand. Das Lächeln wurde zu einem Grinsen, bevor er wieder in den Schlaf sank.
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
Zur normalen Ansicht wechseln