Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium

Das Laviniakloster in Blanchefleur

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Lorainne:
Vanion,

erinnerst Du dich noch an den Tag vor Engonia, als wir über Träume sprachen? In dir erkannte ich mich, stets dem Herzen folgend, bar jeder Vernunft, nur das eine Ziel vor Augen. Du warst mir Stütze in der Zeit, in der Simon nicht an meiner Seite und ich plötzlich auf mich gestellt war. Du warst es, der mir meinen Meister, meinen Vater und freund wiederbrachte. Ich konnte dich einiges lehren, aber eines konnte ich Dir nicht beibrigen: auf die Vernunft zu hören. Doch darum werde ich Dich nun bitten müssen, denn der Brief wird der erreichen, wenn es notwendig geworden ist und ich nicht mehr unter den Lebenden weile.
Ich möchte dass Du das für mich tust, worum Du mich in deinem letzten Brief gebeten hast: den letzten Willen zu achten und dafür zu sorgen, dass dieser Wille befolgt wird.
Doch nicht nur deswegen schreibe ich Dir. Es gibt noch so viel zu sagen, soviel Dinge, die fortan nie mehr ausgesprochen werden können. Keine neue Beleidigung mehr, die erneut einen Riss in unsere beiden Familien reißt.
Verzeih mir, dass du nun nicht mehr Deine Genugtuung fordern kannst. Du magst den Roquefort im Namen tragen, aber Du bist und bleibst der verträumte Maulheld, den ich vor sovielen Jahren in Engonia traf: der Mund ist stets schneller als der Verstand und jeder schimpft seine Ziele dumme Träumereien. aber dieser Bauer gab nie auf, bis er sein Ziel erreicht hatte.
Ich bete, dass auch der Ritter, der aus diesem Bauern geworden ist, niemals aufgibt und weiterhin seinem Herzen folgt.
Du kannst nicht ewig in zwei gerissen sein, zwischen Voranenburg und Firngard. Darum behalte Deine Tochter an deiner Seite, in deiner neuen Heimat, Blanchefleur wird sich nicht dagegen aussprechen.
Leah wird als Savarics Tochter sein Erbe antreten, sorge dafür, dass sie ausgebildet wird, wie ich es tue. erzähle ihr die Geschichte unserer Familien, damit sie den Frieden wahren kann.
Sorge dafür, dass meine Tochter ebenso erzogen wird, dass sie alles lernt, was sie wissen muss, bringe ihr eines Tages das bei, was ich Dir einst beibrachte. Bis dieser Tag kommt, soll sie in Goldbach aufwachsen, denn dort liebt und behütet man sie. Doch soll sie in Verbundenheit mit La Follye aufwachsen. Meine Heimat, für die ich alles opferte, soll für sie nicht ein gesichtsloses Fleckchen Erde sein. Sie soll es besuchen und lieben lernen. Anders möge ihr den meinen geliebten Wald zeigen, die Lager des grünen Ritters, die Grenze zu Marnois, die vor meinem Onkel geschützt werden muss. Steh ihr zur Seite, wenn sie Deiner Hilfe bedarf.
Seid ihr eine Familie, wie ihr meine wart.
Vor allem, kümmere Dich um Anders, sie wird nicht verstehen,was passiert ist, sie wird Lavinia zürnen.
Doch ich mochte nicht, dass ich trauert und zornig seid. Ich möchte, dass ihr von Antoine erzählt, der Ritter werden wollte und von seiner Schwester Lorainne, die es schließlich wurde. Erzählt von Simon de Bourvis, der die erste firngardische Ritterin ausbildete und forderte. Erzählt von Vanion, der Lorainne de La Follye in den Zeiten größter Not beistand. Erzählt, singt Lieder und trinkt.
Erinnert Euch.

Eine Bitte habe ich noch, für mich persönlich: Egal, was geschieht, egal, was Dir versprochen wird, opfere niemals eine Deiner Erinnerungen an mich an das Ainewesen.
Erinnerst Du dich an den tag, als Nicholas starb und mit ihm die restlichen Wächter des schwarzen Mondes. Als wir alle drohten zu sterben? Francois und Gregoire, Du, Gorix, Stella, ich und ich weiß nicht wer sich alles in Gefahr befand. Doch jeder opferte Erinnerungen. Gregoire aus Goldbach opferte die an seine Schwester und ich versprach ihm, dass sie niemals vergessen werden wird. Überbringe ihm und francois meine Briefe und erzähl von dem Mädchen mit den braunen Zöpfen, dass gerne auf Bäume kletterte und sich von ihm auf der Schaukel anschubsen ließ. Erzähl ihm davon, damit er sich erinnern möge, jetzt wo ich es nicht mehr für ihn tun kann.
Und Du, erinnere Dich an die rettung von Simon, an Laura, seine Frau. Du opfertest damals die Erinnerung an das Gefühl, dass du empfunden hast. erinnere Dich eines Tages an dieses Gefühl und dann heirate. werde glücklich.

Du warst mir der Bruder, den ich allzu früh verloren habe.
Du warst mir der liebste Teil meiner Familie, weil Du so warst wie ich. und Durch dich lebe ich weiter.

In Liebe
Lorainne

Vanion:
Auf der Kammer angekommen, bat Vanion Arienne, noch bei ihm zu bleiben. Er wollte nicht alleine sein, und der Gedanke, die, der er angeboten hatte, sein Knappe zu werden, nun abzuweisen, kam ihm schäbig vor. Er strich mit den Fingern über das grüne Siegel. Die Distel, die ihm soviel bedeutet hatte. Die es immer noch tat.

"Früher, da ... da hab ich gedacht, dass ich eines Tages grün und weiß trage. Und vielleicht, irgendwie, die Distel. Ich meine - ich bin kein La Follye, und ihre Farben hätte ich höchstens als ihr Gefolgsmann getragen. An dem Tag, an dem ich den Ritterschlag erhalten würde, hätte ich ihre Farben nicht länger tragen sollen. Schließlich gehöre ich nicht zu diesem Geschlecht, und mir steht es frei, ein eigenes Wappen zu wählen. Ich hatte mir fest vorgenommen, das Grün zum Kern meines Wappens zu nehmen. Damals wusste ich noch nichts von Roquefort, dachte, ich wäre nur ein Bauer, der eine Gnade erhalten hatte, um die viele ihn beneideten. Es gibt so viele Geschichten zu erzählen! So vieles, was ich dir und der Welt berichten möchte von dieser großartigen Frau. Stattdessen sitzen wir nun hier, und ich scheue mich, die letzten Worte zu lesen, die ich in diesem Leben von ihr bekommen werde."

Der Ritter schluckte. Ein Schauer überfiel ihn, als habe eine plötzliche Kälte den Raum befallen.

"Ich - ich wünschte, ich könnte dir eine Stütze sein. Könnte leuchten, deinen Weg erhellen, dich weisen und leiten. Das wäre meine Pflicht als Ritter, dem du dich verpflichtest. Und ich gebe dir mein Wort, dass ich eben dies tun werde. Dass ich dich halten, schützen, weisen und lieben werde, wie Lorainne mich geliebt hat, wie sie mich geschützt hat. Auf diesem letzten Weg, den sie nimmt, bis ihr Leib Ruhe gefunden hat und ihre Seele im Schoße Lavinias ist, auf diesem Weg bist du mir Stütze. An dem Abend, als ihr kalter Leichnam aufgebahrt war, bist du mir nicht von der Seite gewichen. Dafür gebührt dir mein Dank. Nun geh diesen letzten Schritt mit mir."

Dann brach Vanion das Siegel des Briefes und faltete mit zitternden Händen die Seiten auf. Bedächtig begann er zu lesen, und mancher Satz trieb ein Lächeln auf seine Lippen. "Sie ... sie schimpft mich einen Maulhelden", lachte er leise.
Nach den ersten, sehr persönlichen Zeilen wurde Vanion gefasster. Es wunderte ihn nicht, dass Judith in Goldbach aufwachsen sollte, doch dass er sie ausbilden sollte, wenn sie das rechte Alter erreicht hatte, das - "Sie ehrt mich", sagte er mit leiser Stimme. "Und verpflichtet mich ihrem Blut. Es ist an mir, ihren Kindern von Roquefort und La Follye zu berichten, von unserem Streit, und von dem Friede, der von nun an herrschen soll."

Und Anders. Das Schwerste stand noch bevor, und die Tinte erinnerte ihn erbarmungslos an diese Pflicht.

Und dann las er von der Erinnerung, die er geopfert hatte. Er schloss die Augen. Soviel gab es nun zu tun. Das Testament. Die Briefe, an Francois, an Gregoire. Anders. Leah und Judith. La Follye. Das Erinnern, immer und immer wieder. Das Leben ohne Lorainne. Das Leben mit Arienne, für deren Wohlergehen er verantwortlich wäre.

So vieles. So vieles.

Dann öffnete er die Augen, und mit neu erwachtem Mut und frischer Hoffnung sah er Arienne an. "Lass uns zu Bett gehen. Morgen wird das Testament verlesen, und dann geht es nach La Follye, das kaum einen Tagesmarsch entfernt ist. Unsere Reise ist bald beendet, und wir brauchen unseren Schlaf."

Je suis prest.

Arienne:
Arienne hatte genickt: "Wenn du mich darum bittest, dann bleibe ich, selbstverständlich." Dann war sie ihm zum Tisch gefolgt und hatte sich neben den Ritter gesetzt.
Seine offenen Worte ließen sie verlegen werden. Diese Verlgenheit schwang in ihren Worten mit "ich möchte ehrlich. Ich habe anfangs als du an Lorainnes Totenbett am Boden warst nicht gewusst was ich tun soll. Es hat mich Überwindung gekostet dir bei zustehen. Dein Dank ehrt mich." Sie lächelte Vanion verlegen an. "Ich verlange auch gar nicht das du jetzt stark für mich bist. Wenn überhaupt habe ich eine Bitte an dich: Lass nicht zu dass Leere dich erfüllt, das der Verlust von Lorainne dich kalt werden lässt. Vorhin im Saal..." Arienne fixierte mit ihrem Blick Vanion..." wie du Gedankenverloren und mit leerem Blick da gesessen hast. Das hat mir Sorgen gemacht."
Sie seufzte und hoffte dem Ritter mit ihrem Anligen nicht zu nahe getreten zu sein, dann nickte Sie:  "Wenn es dein Wunsch ist dann bleibe ich, bis du mich verschickst."
Als Vanion dann das Siegel brach und den Brief als verfolgte sie aufmerksam seine Mimik. Seine Kommentare ließe die junge Frau teils schmunzeln teils zeigte sich ein nachdenklicher Blick bei ihr.
Sie musste gähnen und war gerade fertig als Vanion sich ihr zuwandte. Müde lächelnd sah sie den Ritter an: " Schlafen gehen ist eine gute Idee." Arienne stand auf und schulterte die Tasche. Dann wandte sie sich den Ritter erneut zu: "Eine Sache noch: ich glaube ich und du wir sollten uns selbst mehr zutrauen. Lorainne vertraut dir die Erziehung ihrer Tochter an. Du kannst ja mit mir üben, dann hast Übung sobald eure Kinder alt genug sind. Und Wenn du füchstest es nicht alleine hinzubekommen. Ich kenne mindestens einen der dir gerne hilft. Hilfe und Rat anzunehmen hat noch niemandem geschadet." Ein freches Grinsen stand auf ihren Lippen und ein Lacher entfuhren ihr, die aber aprubt von einem schweren Seufzer unterbrochen wurden: "Entschuldige ich hoffe du fühlst dich nicht angegriffen durch meine letzten Worte."
Sie neigte den Kopf. " Gute Nacht. Bis morgen." Damit drehte sie sich zur Tür und verließ den Raum.
Sie lag noch eine Weile wach und dachte über Vanions Worte nach.

Berengar von Thurstein:
Am nächsten Morgen ging Berengar sehr zeitig zum Brunnen im Hof, nachdem er aufgestanden war, goss sich mehrere Schöpfkellen eiskalten Brunnenwassers über den Kopf um wach zu werden, und machte sich dann fertig, um seine Gebete zu sprechen. Hätte er einen Widder gehabt, um ihn der Göttin zu opfern, so hätte er es getan, doch stattdessen ging er mit dem kleinen Bündel, welches er für seine religiösen Verrichtungen bei sich führte vor die Mauern des Klosters, um dessen sakrale Ruhe nicht zu stören, säuberte einen Baumstumpf außer Sichtweite so gut es ging, entzündete eine kleine Feuerschale mit einem Stückchen Kohle darin, und opferte nach seinen Morgengebeten einige Tropfen seine Blutes in den Flammen, um der Göttin ihren Tribut zu entrichten.

Danach verband er die Wunde in seiner linken Armbeuge sorgfältig und löschte das Opferfeuer, um bald darauf im Kloster der Morgenvesper beizuwohnen, und dann der Verkündung des Testamentes der verstorbenen Freundin beizuwohnen.

Vanion:
Vanion grüßte Berengar freundlich, als er sich neben ihn setzte. "Ich hoffe, du hast gut geschlafen, Freund?"

Der Ritter selbst hatte nur wenig Schlaf gefunden. Träume suchten ihn heim. Träume, in denen ein Mantel vorkam, purpur und golden. Träume, die er schonmal geträumt hatte, vor langer Zeit, und die ihn damals wie heute mit vielen Fragen bedachten.

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