Der Städtebund von Tangara > Brega

Nach dem Frühlingsfest, 20. Tag des 3. Mondes 264 n.J.

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Vanion:
"In Ordnung. Aber das ist vereinfacht, nicht wahr? Wie verhalte ich mich, wenn Höhergestellte im Raume sind? Begrüße ich sie zuerst? Lasse ich sie tun, was immer sie tun wollen? Sollte ich vielleicht selbst mich beleidigt fühlen, wenn mich jemand von der Seite anquatscht, der nicht gerade mein Freund ist? Was muss ich beachten, wenn ich mit einer Dame spreche? Sollte ich stets ehrlich sein, oder doch lieber charmante Lügen aussprechen?"

Vieles ging Vanion durch den Kopf. Einige Sachen waren selbstverständlich. Wenn er nicht das Gespür dafür hatte, was wann zu sagen war - nun, dann sollte er eben besser den Mund hallten. Dennoch - die Courtoise war nicht einfach nur ein Almanach von Höflichkeiten. Die Courtoise war eine Tugend - aber weshalb? Diese Frage stellte er Lorainne.

Mel:
"Das ist sehr vereinfacht. DIe Courtoise geht über einfache Benimmregeln hinaus. Hinzukommen Tanz und Minne, die Musik..."
Lorainne spach, während Leah sich auf ihrem Schoß zusammenrollte und den Kopf an ihre Brust lehnte.
Sie erinnerte sich daran, wie sie Simon zugehört hatte, als er über die Courtoise gesprochen hatte, am Abend, als der Pilgerzug ausgerufen wurde. Doch das schien schon Ewigkeiten her.
"Courtoise ist allein deshalb schon eine Tugend, weil es ein Idealbild ist. Eine Tugend ist ein Ziel, um das Du dich bemühen solltest, aber wahrscheinlich wirst Du es nie vollends erreichen. So ist das mit den meisten Tugenden. Sie sind erstrebendwerte Ideale, aber nur selten werden sie erreicht, was einen nicht davon abhalten sollte, es zu versuchen. Das gehört zu den Tugenden dazu. Sie ernsthaft  um sie zu bemühen."

Anders:
Ein leises Rascheln ertönte aus dem Heu des Heuschrobers als Anders sich daraus befreite. Die Kenderin gähnte laut und streckte die Glieder. Heu war wirklich etwas feines. Es duftete wunderbar nach Wiesen und Blumen und war so weich und anschmiegsam. Nicht wie Stroh, das pickste und stach nur. Wenig später meldete sich ihr Bauch. Leise seufzend blickte sie sich um.
"Manchmal wünschte ich ich wäre ein Pferd. Dann würde mir Heu genügen."
Sie wusste wie es im Moment in ihrem Geldbeutel aussah.
"Ich hab hunger... Vielleicht ist noch etwas in meiner Tasche."
Schnell tauchte sie wieder in den Heuberg und wühlte nach ihrer Ledertasche. Allerdings war nicht viel darin. Nichts essbares auf jeden Fall.
Sie seufzte leise.
Naja irgendwo würde sie schon etwas finden.
Sie hängte sich die Tasche wieder um und stand auf. Dann klopfte sie sich das Heu aus den Kleidern. Wo war ihr Umhang?
Ach dort. Auch vergraben unter dem Heu.
Schnell zog sie ihn hervor und Kletterte dann hinab auf den Hof. Wo war Kassos? Simon hatte ihr gesagt sie solle mit ihm zur Burg. Und gestern war er nicht dorthin aufgebrochen. Da hatte sie aufgepasst.
Beim Gedanken an Simon lächelte sie.
Sie mochte ihn. Sehr. Er war ein sehr schlauer Mann und obwohl sie bisher nichts für ihn getan hatte, half er ihr.

Vanion:
"Also geht es immer nur um Ideale. Was für ein Ideal vermittelt Höflichkeit und Benehmen? Welcher Idee eifert man damit nach?" So recht verstand Vanion die Gründe dafür nicht. Ob man einen Mann nun mit Höflichkeit begrüßte oder unanständig war, was hatte das mit dem Rittertum zu tun? Rasch überlegte er, um sich die Frage vielleicht selbst zu beantworten, doch schaffte er es anscheinend nicht. Dennoch sah ihn Lorainne lediglich aufmerksam an, und so sponn er seine Gedanken fort:

"Ein Ritter folgt gewissen Idealen. Er folgt Ideen, der Idee des Edlen, des Guten, der Idee der Liebe, der Tapferkeit. Es geht also vielleicht nicht nur darum, wie stark man mit seinem Schwert ist, sondern auch darum, was man repräsentiert, wofür man steht. Der Ritter ist Schild und Schwert der Imperatorin, die Imperatorin ist der Inbegriff aller Ideale, überstrahlt nur von der Herrlichkeit der Götter. Könnte es das sein?"

Mel:
Lorainne nickte langsam:"Richtig. Damit wären wir fast schon bei der Nobilité, dem Standesbewusstsein. Der Ritter weiss um seinen Stand, wer über ihm steht und unter ihm. Da spielt natürlich auch die Courtoise eine große Rolle. Der RItter muss ja wissen, wie er sich wem gegenüber zu verhalten hat, n´est pas?"
Vorsichtig stand sie auf und legte die schlafende Leah ins Bett, bevor sie sich streckte.
"In gewisser Weise hängt natürlich alles zusammen. Natürlich soll er milde, ehrenhaft und so weiter sein. Aber um seinen Stand zu repräsentieren, muss er auch gewisse Dinge bekommen, wenn er besonderes geleistet hat. Ein Ritter sollte dann dafür von seinem Lehnsherrn beschenkt werden, er bekommst bestimmte Ehren, wie zum Beispiel einen guten Platz an der Tafel, Jagdrechte oder eben andere Zuwendungen; das ist auch Milde, Largesse. du hast von Isabeau den Ring geschenkt bekommen, das war largesse. Verstehst du, was ich meine?"

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