Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche

Der Flumen Sanguinis, die Grenze zu Tiors Reich

(1/3) > >>

Simon de Bourvis:
Der Flumen Sanguinis, der breite Strom aus Blut, ist die Grenze zu Tiors Reich.

Kalte Strände aus grauem Kies und schwarzem Obsidian, weiße Klippen und dunkle Schründe sind sein Ufer.

Hier warten Unzählige, die mit Tiors Namen auf den Lippen gestorben sind und ihm als würdig erscheinen. Dennoch begegnen sich diese Schatten nie.
Einsam stehen sie am Gestade und warten.

Tiors Reich liegt am anderen Ufer hinter dicken, schweren Nebelschwaden, unsichtbar, unerreichbar.

Einzig der Fährmann setzt die Schatten mit seiner Barke über. Die Bezahlung ist das Silber, das sie um den Hals tragen.

Kassandra Wolfsgeheul:
Schwer atmend lag sie im Schnee, die Sterne über ihr winkten spöttisch. Für einen Alamariten hatte er einen angemessenen Schlag drauf. Die geborstenen Rippen stachen in die Lunge und sie spürte wie sich das Blut langsam in ihr sammelte. Welch' Ironie. Der Grund für dieses Duell war vollkommen hirnrissig und sie hoffte inbrünstig das ihm ein Blitz seinen hochwohlgeborenen alamaritischen Arsch verbrannte weil er Schwachsinn von sich gegeben hatte. Der Hustenreiz wurde schlimmer aber sie unterdrückte ihn weil sie wusste, dass das Blut nur noch stärker sprudeln würde. In ihrem Blickfeld erschien das Gesicht des Firngardes. Sie knurrte. Früher, vor dem Krieg, hätte sie nach einer Waffe gegriffen, denn sie war eine leichte Beute und niemand der anderen Lupus hätte gezögert sie zu Tior zu schicken. Aber jetzt... jetzt war es anders. Die Hand des Firngarders senkte sich auf ihr Herz und Dunkelheit umgab sie

Als sie die Augen öffnete und sah entfuhr ihr nur ein einziges Wort:
"Endlich"

Simon de Bourvis:
Kein Lebewesen hat die Gestade des Flumen jemals gesehen.

Kein Tier, sei es Vogel oder Käfer.
Kein Grashalm und keine Eiche.

Und die, deren Bestimmung es ist dort auf den Fährmann zu warten, sie sind meist Schatten ihrer selbst. Nur die, die besonderen Willen und Hingabe an Tior haben, sind mehr als diffuse Gestalten.

An diesem Ufer erwachte Kassandra Wolfsgeheul, Lupa Cruenta Tiors aus Fanada.

Und sie fand das Ufer so beschaffen, wie geweissagt. Und die Monstrosität des Blutstromes war ihr Verheissung.

Aus dem Nebel klang das rhythmische Platschen der Stange, mit der der Fährmann das Boot ihr entgegen schob.

Heimkehr, Ende der Mühsal und Plage, der Lohn ein Platz an SEINER Kette bis zum Ende aller Tage.

Kassandra Wolfsgeheul:
Nahezu dreißig Jahre ihres Lebens hatte sie dem Dienst an ihrem Gott gewidmet, zerrissen von der Dichotomie stets siegreich zu sein und doch eines Tages mit seinem Namen auf den Lippen zu sterben um in die Ewigkeit einzugehen und zur Erfüllung seines göttlichen Schicksals beizutragen. Die vergangenen Jahre waren seltsam und verwirrend gewesen.
Das Wesen Tiors hatte sich verändert. Sie wusste es, spürte es wenn sie Gefäß seines Willens war, doch wie sehr?
Nichts davon war jetzt wichtig, jetzt war endlich der Zeitpunkt gekommen an dem sie ihre Seele in seine Hände legen würde.

Simon de Bourvis:
Langsam schält sich eine Barke von gräulich verwittertem, uralten Holz aus den Nebeln.

Groß genug gerade für den Fährmann und die verlorene Seele, die er heimführen würde.

Schliesslich am Heck des Nachens der Fährmann. Hoch aufgeschossen, Haupt und Leib verborgen unter langen Gewändern.
Von welcher Farbe sie einst gewesen, vermag man nicht zu sagen, doch befleckt beständig die sprühende Gischt des Flumen das Gewand, wie die Leinwand eines morbiden Malers.

Nimmermüde schieben knorrige Hände die Barke mit der Stange zum Ufer.

Navigation

[0] Themen-Index

[#] Nächste Seite

Zur normalen Ansicht wechseln