Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche

Middenfelzer Hinterland, Frühjahr 265 n. J.

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Kassandra Wolfsgeheul:
Wenn es nicht so angsteinflößend gewesen wäre, dann hätte es eine verdammt gute Geschichte abgegeben. Aber so...
Volker schüttelte den Kopf und klopfte seine Pfeife aus, mehr eine nervöse Angelegenheit als alles andere, da ihm der Tabak schon vor einigen Tagen ausgegangen war. Er  besuchte den Tiorsschrein jetzt schon seit Jahren auf seiner Runde durch den Wald und hatte sich bei den Wanderpriestern und Asketen recht wohl gefühlt.
Der Schrein war zu klein um einen ständigen Priester zu haben aber immer mal wieder suchten ihn alte Wölfe auf um Zeit hier zu verbringen. Volker war bereits sein ganzes Leben der Holzhändler in dieser Gegend und erfüllte inoffiziell die Funktion eines Dorfschulzen, da er der einzige war der regelmäßig seine Runden drehte und jeden noch so entlegenen Köhler kannte. Ihm fiel auf wenn jemand abhanden kam und er war derjenige der Waren und Werkzeuge vom Markt in den Wald brachte. Zu seiner Runde gehörte auch der Tiorsschrein im Herzen des Waldes.
Volker wusste nicht genau zu welcher Gelegenheit der Schrein dort aufgestellt worden war oder wann man es getan hatte, aber innerhalb der Priesterschaft schien er bekannt zu sein, denn es vergingen selten einige Wochen in denen nicht mindestens ein Geweihter, Asket oder Novize dort anzutreffen waren.
Der letzte hatte den Schrein unmittelbar nach dem Jahreswechsel verlassen und bisher war sowohl der Schrein als auch die kleine Wohnhütte leer gewesen wenn Volker vorbeigeschaut hatte.
Heute war es auch so gewesen und er hatte achselzuckend die Tür wieder geschlossen und darauf geachtet das die Fensterläden gut befestigt waren. Er war so vertieft in die Arbeit gewesen, dass er nichts gehört hatte.
Als er sich umdrehte stand sie vor ihm.
Blutüberströmt, darunter kreidebleich, die Augen eingeblutet so dass nichts weißes mehr zu sehen war. Gestandener Mann hin oder her, in diesem Augenblick hatte er gekreischt wie ein kleines Mädchen und war mehrere Ellen in die Luft gesprungen.
Sie hatte ihn regungslos angesehen und gewartet bis er sich soweit beruhigt hatte das er nicht mehr Gefahr lief einen Herzklabaster zu bekommen. Ihre Stimme war rauh und krächzend, wie bei jemandem der sich die Seele aus dem Leib geschrien hatte.
Er hatte die Hütte für sie geöffnet und das Feuer am Schrein entzündet, hatte einen Eimer Wasser von der nahe gelegenen Quelle geholt und versprochen Besorgungen zu erledigen.
Er klopfte wieder seine Pfeife aus und begann dann nervös an dem Stiel herumzukauen. Er war froh wenn er im Wirtshaus saß und sich den Schreck von der Seele reden konnte.
Er schnalzte und trieb seine Pferde zu einer schnelleren Gangart an.

Engonien NSC:
Die Klause einfach zu nennen, wäre schon eine Übertreibung.

Vier Wände, ein Dach, eine Pritsche, genug Platz, das sich ein Hund darin umdrehen kann.

Oder ein Wolf.

Sie ist offensichtlich zurück, so trostlos, wie dieser Ort ist nicht einmal das Reich der Schatten.

Aber die Schlichtheit hat auch Vorteile, nicht lenkt ab, nichts fordert ihre Aufmerksamkeit.

Nur sie, der Schrein und die Frage, wie es weitergehen soll.

Kassandra Wolfsgeheul:
Sie war sich nicht sicher ob sie wieder da war.
Die Dinge um sie herum schienen manchmal still zu stehen, so als ob die Zeit selbst darauf warten würde ob sie sich für eine Ebene entschieden hatte.
Sie war immer methodisch gewesen, einer der Gründe weshalb sie so schnell die Leiter im Tempel erklommen hatte. Das und das Feuer das immer in ihr loderte, sorgsam gehütet und kontrolliert, wie ein Biest das an der Kette gehalten wurde.
Nachdem der verdatterte Mann die Lichtung verlassen hatte sah sie sich um und entschloß sich die Quelle zu suchen um das Blut abzuwaschen.

Sie stand vor der Quelle und sah das sie einen Teich bildete der tief genug war um ein Bad zu nehmen. Wie genau sie hierhin gekommen war wusste sie nicht, aber eine innere Stimme sagt ihr, dass es auch im Augenblick nicht wichtig sei.
Sie löste die blutverkrusteten Schnallen an der Rüstung und nahm sie ab, schälte sich aus der Kleidung und den Stiefeln bevor sie in das Wasser trat.

Die Klause hatte einen Herd, so dass sie ein Feuer entzünden konnte. Sinnend starrte sie in die Flammen ohne ihre Gedanken zu ordnen.
Es war noch zu früh dafür.

Kassandra Wolfsgeheul:
Die Tage vergingen und sie erkannte das sie wahrhaftig im Hier und Jetzt war. Der Mann brachte Vorräte und Neuigkeiten, manchmal verirrte sich ein Pilger und blieb über Nacht. Sie versorgte den Schrein, hielt Exerzitien ab, meditierte viel.
Wäre sie ein eitler Mensch gewesen, dann hätte sie sich zutiefst verletzt gefühlt. Nach einem Leben rückhaltloser Hingabe und Selbstaufgabe hatte ihr Gott sie zurückgestossen.
Warum?
Ihre Wunden heilten mühsam während ihr Verstand versuchte den Sinn zu ergründen der hinter all dem stecken musste.
Es musste einen Sinn geben, alles andere war zu schrecklich um es in Betracht zu ziehen.

Simon de Bourvis:
Die Reise nach Haubach war anstrengend gewesen, vor allem die Seereise hatte erschöpft, das Meer würde ihm wohl nie Heimat werden,  egal wer seine Vorfahren gewesen sein mochten.

Es hatte einige Zeit gebraucht sie ausfindig zu machen, nach Fanada war sie nie zurückgekehrt,  also hatte er sich von Tempel zu Tempel, von Schrein zu Schrein begeben, herumgefragt und gebetet. Ohne Erfolg.

Erst die zufällig überhörten Gespräche in einem Gasthof in der Gegend hatten ihn auf ihre Fährte geführt.

Mühsam liess er sich vom Pferd gleiten und stapfte auf den Schrein zu.

Zeit diese Sache endgültig zu erledigen.

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