Der Städtebund von Tangara > Ayd'Owl-Akademie
Die Akademie zur Ayd'Owl im Sommer 265 n.J.
Rikhard Kraftweber:
Das heißt, da ist ein Platz frei! Zu schade um den Kerl. Rikhard empfand durchaus Mitleid mit Stella ob ihres Verlusts, doch bewegte es sich in einem unverbindlichen Rahmen. Eher Höflichkeit als ernsthafte Teilnahme. Er hatte den Magier, der da gestorben war, nicht gekannt. Doch rein praktisch mochte die Gruppe um Stella, die anscheinend viel durch die Gegend reiste, wohl Platz haben. Eine gute Gelegenheit für einen ambitionierten und aufgeweckten Kerl wie ihn, etwas von der Welt zu sehen und gleichzeitig zu lernen.
Doch das war kaum der richtige Rahmen, um danach zu fragen. Seine praktische, nüchterne Denkweise würden manche als kalt bezeichnen, und er wusste genau, dass es nun kaum angebracht wäre, das Gespräch in diese Richtung zu lenken. Stattdessen sagte er:
"Meine aufrichtige Anteilnahme und mein Beileid ob deines Verlusts. Ich bete um das Leben des Verwundeten und bitte um Lavinias Segen für den Toten." Die Worte waren durchaus in vollem Ernst gesprochen. Stella war die erste hier, die ihm offenherzig begegnete, und es wurmte ihn, gleich solch eine Nachricht hören zu müssen.
"Ich hoffe, er stand dir nicht zu nah. Gewiss hast du hier viele Freunde, die dir helfen, seinen Tod zu verarbeiten, und wenn ich etwas tun kann, so lass es mich wissen."
Sandra:
"Danke. Aber nein, ich kannte ihn auch nicht sonderlich, er gehörte zum Gefolge einer befreundeten Chevalière, doch habe ich ihn vor ein paar Monden erst nur knapp vor dem Tod bewahrt... Und auch so war er ein Teil der großen Gruppe aus Engonien mit der wir unterwegs waren und man möchte doch auch mit allen wieder heil zurück reisen."
Insgeheim fragte sie sich noch immer, was falsch gelaufen war an dem Abend und was sie vielleicht hätte besser machen können. Viel zu spät war sie oben auf dem Gang angekommen als Benjen nach ihnen gerufen hatte. Doch auch Simon und Yorik waren schwer verletzt. Hätte sie schneller sein können? Was, wenn sie den anderen Aufgang genommen hätte? Wäre jemand anderes rechtzeitig bei Yorik gewesen? Und was, wenn sie auch schon oben in den Schlafräumen gewesen wäre und nicht unten im Museum mit Gorix und Ysander? ...Blöde Kuh, du hättest vermutlich blutend daneben gelegen...
Oder hätte sie schon bei den ersten Angriffen nach oben rennen sollen?
Rikhard Kraftweber:
"Ja, man möchte gewiss wieder mit allen, die ausziehen, zurückkehren."
Rikhards Entgegnung klang lahm, selbst in seinen Ohren. Stella schwieg, sie wirkte in sich versunken und nachdenklich - und traurig. Dabei hatte sie den Toten kaum gekannt, hatte sie gesagt. Machte sie sich vielleicht Vorwürfe? Das mochte gut sein. Sanft tastete er sich vor:
"Ich bin mir sicher, dass alles getan wurde, um den Mann zu retten. Das mag sich hohl anhören, doch in solchen Situationen ist niemand mehr sicher. Nekromantie ist eine sehr mächtige Form der Magie, das weißt du gewiss besser als ich, der ich nur davon gelesen habe. Der Kampf mit dem Tod kennt selten einen Sieger. Aber es ist ans uns, den Lebenden, nicht zu verzweifeln. Im Gegenteil. Jeder Freund, der stirbt, ist ein Grund für uns, besser zu werden in dem, was wir tun. So ehren wir die Toten."
Sandra:
"Weise Worte. Darum versuche ich genau das unablässig." Ihre Stimme war fest und entschlossen. Die Betrübtheit über die Ereignisse war einer inneren Stärke gewichen. Es bestand kein Zweifel daran, dass sie ehrgeizig war und bestrebt danach, ständig besser zu werden.
Doch wenn man vorher schon besser ist, kann man es vielleicht verhindern... Danach ist zu spät. Um besser sein zu wollen brauche ich keine toten Freunde als Grund.
Recht hatte er trotzdem. Es ist eine Art, die Toten zu ehren. So hatte sie das noch nicht gesehen und es bestärkte sie in dem Gedanken.
Mit einem Zug leerte sie den Krug, stellte ihn mit einem lauten *klong* auf den Tisch und sah Rikhard auffordernd an als sie sich von der Bank erhob.
"So, was ist jetzt? Ich könnte jetzt einen guten Schluck vertragen."
Rikhard Kraftweber:
Innerlich seufzte er.
"Ja, warum nicht?" Seinen mittlerweilen leeren Teller schob er beiseite. Er war gespannt, wohin Stella ihn führen würde.
Als er ihr hinterher stiefelte, dachte er über ihre letzten Worte nach. Ihr Tonfall war rau gewesen, fast abweisend. Sie schien jemand zu sein, der gerne allein mit seinen Problemen fertig wurde. Die Art, wie sie den Krug geleert hatte, ließ auf eine gewisse Resolutheit schließen, und die Kraft, mit der sie den Krug auf den Tisch geknallt hatte, wirkte wie ein Paukenschlag, der das Thema beendet hatte.
Seit zwei Jahren hier, und eine Schülerin. So sie von Meister Feuerklinge persönlich unterrichtet wird, ist sie gewiss sehr fähig! Große Magier protegieren oft Männer und Frauen, die sie für fähig halten. Wer weiß, was aus der noch werden wird? Vor allem, wenn sie solche Erfahrungen sammelt.
Im Stillen beschloss Rikhard zu versuchen, Stella besser kennenzulernen. Von ihr mochte er noch einiges Lernen können, und vielleicht würde sie ihn anderen Magiern vorstellen. Wenn sie tatsächlich so ehrgeizig und fähig war, wie er dachte, dann würde es gewiss nur gut sein, ihr hinterher zu dackeln. Kurz wog Rikhard ab - allein bleiben und hier studieren schien ihm nicht gerade reizend zu sein. Außerdem ist sie lustig! Wer weiß, was der Abend noch mit sich bringt. Ich hoffe nur, in den Läden, die sie kennt, gibt es auch etwas gehobenere Tropfen..
Navigation
[0] Themen-Index
[#] Nächste Seite
[*] Vorherige Sete
Zur normalen Ansicht wechseln