Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche

Fort

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Mel:
Fast mitleidig schaute sie auf ihn hinab:"Vanion Bachlauf ist damals in meine Dineste getreten. Vanion Bachlauf hat seine Aufgabe bewältigt, allein Vanion Bachlauf ha sich als würdig erwiesen, während mich Vanion de Roquefort im Stich gelassen, verraten und meinem Wort nicht vertraut hat. Und Du fragst, welche Herkunft die ehrenvollere ist? Du sagt, Du hast nur dieses Leben hier in Fanada?"
Sie chüttelte den Kopf.
Nichts mehr war von der Freude des Wiedersehens zu spüren.
"Und wenn es keinen Ritter in Caldrien gibt,dann vielleicht anderswo. Und auch der Einfluzss eines Damians und einer Baronin von Goldbach reicht nicht bis ans Ende der Welt. Vielleicht nimmt dich ein Ritter ausMiddenfelz, oder Hahnekamp. Vielleicht auch fernab von Engonien."
Schliesslich deutete sie den Hauch eines Lächelns an:"Und die Befreiung La Follyes hat nicht zuviel gekostet. Selbst wenn Savaric überlebt hätte, hätte man erst Deinen Anspruch geltend machen müssen. Was also hat es gekostet? Es herrscht dort oben Frieden. Und um mehr ist es nie gegangen."

Vanion:
Mich hat La Follye zuviel gekostet. Und dich auch. Unverwandt starrte Vanion auf das unverkennbare Zeichen der Schwangerschaft. Aber eines konnte er nicht leugnen: 
"Du hast Recht. Vanion de Roquefort starb, als Savaric de Roquefort starb. Doch der Mann, der nach La Follye zurückkehrte, der an deine Seite zurückkehrte, war Vanion Bachlauf. Derselbe Vanion Bachlauf, der unverbrüchlich zu dir gestanden hat. Der mit dir und für dich geblutet hat, gelitten hat, gefeiert und gelacht hat. Das Schicksal dieses Mannes steht in den Sternen geschrieben. Du sagst, ich bin zu mehr berufen, als nur Felder zu bestellen und Dreck unter meinen Fingernägeln heraus zu kratzen. Die Götter wissen, wozu ich berufen bin, und sie werden es mir kaum zeigen. Vor Jahren hab ich die Gebeine der Flamina Agathe erkämpft, im Namen Alamars. Nun hab ich mich gegen Lavinia versündigt. Vielleicht liegt dort meine Aufgabe. Dich hat sie zu den Waffen gerufen, doch was die Mutter mir auferlegt hat, das muss ich noch herausfinden. Ich werde in mich gehen und beten, mit Priestern sprechen. Du wirst ein Schild für alle guten Menschen sein. Was ich sein werde, wird sich zeigen."

Er nickte, und es wirkte fast so, als würde er sicherer werden.

"Ich weiß, dass der Täuscher in dieser Welt nicht aufhört zu wirken. Ich kenne die Wunden, die er geschlagen hat, die er anderen und auch mir zugefügt hat. Der Zweifel, den ich verspürte, als ich dich verriet - diesen Zweifel hat er in mir gesät. Lavinia schickte mir Silas, und ich schlug ihre Hand aus und spuckte auf die unendlich kostbare Gabe, die sie mir durch sein Opfer schenkte. Doch die Gabe Lavinias, das Leben, will verdient und geehrt sein. Diese Pflicht werde ich gewiss erfüllen."

Nun endlich verbeugte er sich tief und höfisch.

"Chevalière Lorainne, die Jahre mit Euch waren eine Ehre. Möget Ihr nun den Frieden haben, den Ihr Euch und den Euren endlich erkämpft habt. Ehrenvolle Taten mögen Euren Weg im Dienste Lavinias zuhauf säumen." Auch Anders und Sophie sagte er ein paar freundliche Worte des Abschieds, dann schritt er davon. Erst, als er Isabelle und Jeanne, die bereits vorgegangen waren, wieder erreicht hatte, drehte er sich um und sah den Reitern nach, die auf ihren Pferden aus der Menge hervorstachen.

Leb wohl, Lorainne.. bis zu unserem nächsten Wiedersehen.

Anders:
Da war es wieder... Vanions Konflikt mit seiner Herkunft. Anders musste sich zum aller ersten mal zusammen reißen um nicht den Kopf zu schütteln und fragte sich gleichzeitig, was verdammt nochmal mit ihr los war. Fest stand nur, dass es Vanion eigentlich noch gut getroffen hatte mit seiner Herkunft. Der einzige der etwas für seine jetzige Situation konnte war er. Und nur er allein! Herkunft und keine Chance.
Wenn man ihr vor zwei Jahren gesagt hätte, dass sie eines Tages das Wappen einer Ritterin tragen würde um mit ihr ihren Bräutigam zur Rechenschaft zu ziehen den hätte sie ausgelacht. Ein Kender der neben einem Ritter reiten durfte. Das klang ebenfalls verdammt nach Märchen. Aber so war es eben mit Soltair... man musste sich alles erarbeiten und erkämpfen. Das Vanion jetzt über seine selbst verschuldete Lage so redete, machte sie wütend. Wenn sie es geschafft hatte, konnte er das doch auch verdammt nochmal. Schließlich hatte er keine Spitzen Ohren.
Was war nur los mit ihr... irgendwas hatte sich ganz, ganz doll verändert.
Tief in Gedanken lenkte sie ihr Pferd hinter dem von Lorainne her, nachdem sie ihm noch kurz gewinkt hatte. Für einen kurzen Moment waren ihre Augen wieder sehr hart geworden. Jetzt wirkten sie eher leer.
Kurz sehnte sie sich nach der Stille des Waldes in den lärmenden Straßen.
"Sind wir bald da?"

Mel:
Innerlich schüttelte Lorainne den Kopf.
Vanion war der stete Zweifler. Er hatte einen gewissen Ruhm erlangt, sich selbst erarbeitet. Und doch zweifelte er immer noch an sich. Und allen anderen, ob es die Götter waren oder Freunde.

"Nicht der Täuscher hat dich zweifeln lassen, Vanion. Du allein warst es, der zweifelte. Er hat das lediglich ausgenutzt, so wie er immer unsere Schwäche ausnutzt."
Ihre Stimme war sanft, es würde ohnehin nichts bringen, ihn belehren zu wollen. Er war in ein schwarzes Loch gefallen, aus dem er sich selbst befreien musste. Dies würde wohl die härteste Prüfung sein, die die Götter ihm auferlegt hatten.


Als er sich verbeugte, nickte sie.
"Vanion Bachlauf, beschreite Deinen Weg weiter, egal wie steinig er sein mag. Bergauf zu gehen ist schwieriger als bergab, aber wenn Du erst oben bist, sehen wir uns bestimmt wieder und begegnen uns auf Augenhöhe. Mögen die Götter Deinen Weg segnen und dir die Ohren vor den Einflüsterungen des Täuschers verstopfen."

Damit wandte sie endgültig ihr Pferd, auf dem Weg, den er ihr beschrieben hatte.

Vanion:
Später saß Vanion in einer kleinen Laube etwas außerhalb seines Hofes. Lorainnes Worte hatten ihm zu denken gegeben, wie so Vieles in der letzten Zeit. Es schien fast so, als hätten die Götter ihn vor ein Rätsel gestellt. Nur, was war des Rätsels Lösung? Auf der einen Seite wusste er, dass er das Zeug zum Ritter hatte. Auf der anderen Seite war ihm der Weg nach Caldrien ein für alle mal verschlossen. Mit mächtigen Widersachern wie der Baronin von Goldbach war nicht daran zu denken, in die Dienste eines Caldriers zu treten. Die Baronin selbst würde ihn hängen lassen, wenn er Goldbach betreten würde, da war er sich sicher. Doch Lorainne hatte von Middenfelz gesprochen, von Hahnekamp. Ersteres hatte einen bitteren Beigeschmack. In Middenfelz gab es Ritter, ja, doch Viele hatten im Lupus Umbra gedient, dem alten Feind Engoniens. Und Hahnekamp hieße, auf gut Glück in eine unbekannte Welt vorzustoßen. Dort würde man ihn verlachen, wenn er von seiner Geburt und seinem Werdegang erzählen würde.

Fast fünf Jahre. So lange war es her, dass Engonias Mauern gefallen waren. Vor fünf Jahren hatte Vanions Reise begonnen, und der Weg hatte sich als ein Kreis herausgestellt. Aber Kreise konnte man durchbrechen! Das hatte er bereits getan. Zunächst, als Marius fortgegangen war und er sein Leben als Trinker und Tunichtgut beendet hatte. Dann, als er im Krieg an seine Grenzen stieß. Er erinnerte sich noch an ein Gespräch mit Kassos, nur wenige Tagesmärsche vor Engonia, als er über seine Angst, zu sterben, gesprochen hatte. Doch auch das hatte er verwunden, den Selbstzweifel besiegt. Dann die Zeit mit Lorainne, die zwei langen Jahre im Dienste der Priester Alamars. Auch hier war es hoffnungslos gewesen, und auch hier hatte er gesiegt!

"Willst du das alles wirklich wegwerfen?", murmelte er leise. "Willst du das aufgeben?" Er seufzte, dann hob er den Blick. Die Blätter der Haselsträucher, die die Laube bildeten, hatten sich schon gelb gefärbt, und der Nachmittagsregen hatte dicke Tropfen auf ihnen hinterlassen. So fühlte er sich auch: ausgebrannt, erschöpft. Er sah auf seine Hände, die furchig, vernarbt waren.
Doch nach dem Herbst folgt der Winter, und danach ein neuer, frischer, hoffnungsvoller Frühling.
Vielleicht war sein Leben grade wie die Jahreszeiten. Es ging auf den Winter zu, Altes starb. Doch der Winter würde das neue Leben nicht ersticken, nein, sondern würde es behüten, sodass im Frühling endlich aufs Neue die Pflanzen erblühen könnten.

Vanions Herbst war angebrochen. Das Ende der Knappenzeit bei Lorainne hatte er gebracht, den Tod seines Onkels hatte er gebracht, und sein altes Leben hatte er zertrümmert. Doch er war immer noch ein Roquefort! Vanion de Roquefort! Lorainne hatte La Follye zurückgewonnen, aber es war nur für ihre Kinder und für ihre Familie gewonnen und nicht für sie. Vanion hatte gar nichts gewonnen, außer der Gewissheit, mit seiner Rückkehr das Richtige getan zu haben.

Also warum nun aufhören? Warum versteckst du dich hier, wenn du vor wenigen Wochen erst von hier aufgebrochen bist?

Lorainne hatte Recht. Es gab nicht nur caldrische Ritter. Ein Ritter definierte sich nicht über sein Lehen, und ein wahrer Ritter war man nicht, weil man einen verbrieften Adelsbrief hatte. Und seit Westmynd wusste Vanion, dass man selbst diesen kaufen konnte. Die Götter hatten ihn dazu bestimmt, Ritter zu werden, den Idealen dieses Standes zu folgen. Und Vanion wusste nun, dass er dies auch wollte: nicht nur selbstlos sein und Ritterliches tun, sondern auch die Anerkennung, den Respekt, der diesem Stand entgegen gebracht wurde. Denn das war das Einzige, was ein Ritter erhoffen konnte: Ruhm zu erlangen, Teil einer Geschichte zu werden, indem er selbstlos handelte und sich aufopferte. Vanion war Teil der Geschichte Lorainnes gewesen. Er hatte sich stets zurückgestellt, und die einzige Entscheidung, von der die Menschen nun redeten, war eine falsche gewesen. Diese Kerbe galt es, auszuwetzen.

Ich werde wieder als Knappe dienen. Nur.. welchem Ritter? Dann erinnerte er sich an einen Brief, den Lyra ihm geschickt hatte. Plötzlich verzog sich sein Gesicht zu einem schiefen Grinsen. Das wird eine harte Zeit werden. Eine harte, aber gerechte Zeit. Und wahrscheinlich unkomplizierter...

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