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Das Kontor - Nach Jahreswechsel 266 n.J.

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Jelena:
Jelena drückte stöhnend ihren geschundenen Rücken durch und griff geistesabwesend nach dem Becher mit Tee der ihr gereicht wurde.
Sie lief ein paar Schritte auf und ab um ihre Muskeln zu lockern und horchte mit einem Ohr auf die Geräusche aus dem Zimmer.
Aus irgendeinem Grund entschieden sich die meisten Kinder nachts zur Welt zu kommen und bei Lorainnes war es nicht anders gewesen.
Jelena grinste und trank vorsichtig einen Schluck von dem noch heißen Tee. Die Kleine war ein Kind ihrer Mutter, wieso war sie eigentlich überrascht? Immerhin war es in einem richtigen Bett zur Welt gekommen und nicht in irgend einem Heuschober neben der Reichsstraße.
Sophie kam selig lächelnd aus dem Zimmer und trug die verschmutzten Laken und die Nachgeburt fort, sie würde die restliche Nacht bei Lorainne bleiben und darauf achten, dass sie nicht anfing zu bluten.
Sie trank ihren Becher aus und steckte noch einmal den Kopf in das Zimmer: Mutter und Tochter kuschelten entspannt miteinander und schienen zu dösen. Leise zog sie die Tür wieder hinter sich zu und ging in ihr eigenes Bett.

Lorainne:
Die bevorstehende Geburt hatte sich am nachmittag schon durch Rückenschmerzen angekündigt und im Laufe des Abends kamen die Wehen. Je weiter die Nacht fortschritt, deto kürzer wurden die Abstände.
Sophie und Jelena erinnerten sie an das richtige Atmen, was Lorainne zu einem sarkastischen Kommentar zwischen zwei Wehen brachte, der in einem Schrei endete.
Dann ging alles ziemlich schnell und plötzlich hatte sie dieses verschrumpelte und verschmierte Etwas schreiend auf ihrer Brust liegen.
Instinktiv legte sie das neue Menschlein an und es begann gierig zu saugen.
"Ein Mädchen", lächelte Jelena.
Lorainne murmelte nur noch Unverständliches vor sich hin, und döste samt Kind an ihrer Brust ein.

Sie konnten nicht lange geschlafen haben, Lorainne fühlte sich erschöpft und seltsam verwundbar. Nach keiner ihrer Verletzungen im Krieg, ja selbst nicht mal durch die Erfahrungen mit Savaric de Roquefort, hatte sie sich so geschunden und verletzt gefühlt.
Das Mädchen in ihrem Arm, jammerte leise vor sich hin und Lorainne legte sie erneut an und spürte, wie ihr ganzer Leib zu krampfen schien.
Erschrocken seufzte sie auf, entspannte sich aber gleich wieder.
Im Haus rumorte es leise, offenbar wurden die Bewohner langsam wach, doch es war nicht das geschäftige morgendliche Treiben, an das sie sich in den letzten Wochen gewöhnt hatte.
Ein Schleier schien über allem zu liegen, es war alles sehr viel ruhiger, leiser und langsamer, als ob sich die Welt und sie Zeit an das neue Lebewesen anpassten.

Jelena:
Die Tage nach der Geburt waren angenehm ruhig und erlaubten allen sich an den neuen Säugling im Haus zu gewöhnen. Das letzte Kind in dem Alter war Mala gewesen und die war schon 5 und stolze Gänsehirtin des Kontors.
Lorainne und das Kleine hatten alles gut überstanden, so dass man die Ritterin bereits wenige Tage später mit dem Bündel im Arm durch den Kontor spazieren sah.
Es war ruhig um diese Jahreszeit. Auch wenn der Winter nur eine Stippvisite gemacht hatte, so waren die Regenfälle im Gebirge stark genug um den Handel nahezu zum Erliegen kommen zu lassen. Der Gewürzmarkt öffnete weiterhin jeden Morgen seine Tore und die steigenden Preise zeigten den zunehmenden Mangel an bestimmten Waren an.
Jelena hatte den Morgen an ihrem Stand verbracht und kam gerade rechtzeitig nach Hause um Lorainne bei ihrer Runde durch den Küchengarten abzupassen.
"Hallo Lorainne, wie fühlst du dich?"

Lorainne:
Sie hatte zwar noch nicht ihre alte Ausdauer, und Sophie hätte sie lieber noch im Bett gesehen, bis das Wochenbett wirklich ganz vorbei war, aber Lorainnes Laune hatte alle zu dem Schluss gebracht, sie regelmäßig aufstehen und kleine Runden durch das Kontor machen zu lassen.

An diesem morgen hatte Lorainne ihre Tochter in ein Tragetuch geschlungen und genoss die Kühle Luft.
Auf Jelenas Ansprache blicke sie auf, die Wangen rosig und die Augen leuchtend.
"Ca va bien. Der Wochenfluss wird immer weniger, meine Brüste sind so fest und prall, ich könnte noch ein Kind nähren. Mein Leib zieht sich zusammen, bald werde ich wohl wieder kämpfen können, so es nötig ist." Solche Worte hätten ihr vor noch gar nicht so langer Zeit Schamesröte ins Gesicht getrieben, doch jetzt sprach sie unbefangen darüber.

Jelena:
Jelena grinste.
Einen Augenblick lang stand der Knappe Lorainne vor ihr, damals, in der fast unerträglichen Hitze von Ahrnburg, und sah sie aus großen Augen an, als sie ihr erklärte wie es war wenn Mann und Frau zusammen lagen. Und jetzt? Eine erwachsene Frau, von Kämpfen und Niederlagen gezeichnet, narbenübersät und mit einem Kind an der Brust.
Bin ich wirklich schon so alt geworden?

"Gib mir die Kleine, ich hatte noch keine Gelegenheit sie heute im Arm zu halten."
Sie nahm das Kind von ihrer Mutter und wiegte es langsam, bis es sich in den neuen Armen zurecht gefunden hatte.
"Hast du schon entschieden in welchem Tempel du sie segnen lassen wirst? Wer ihr Pate sein wird?"

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