Der Städtebund von Tangara > Ayd'Owl-Akademie

Geteilter Hausarrest ist (nicht) halber Hausarrest

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Kydora:
Fassungslos starrte Kydora das Buch an, das nun vor ihr lag. Sie war aufgestanden und an den Tisch gegangen, um es besser sehen zu können. "Belohnen?" Das war das einzige, was Kydora darauf zu sagen wusste. Als sie dann auch noch Rikhards Gesichtsausdruck sah, atmete sie merklich ein. *Dieser arrogante eingebildete... Naaarf* Ein kurzer Moment verging, in dem niemand was sagte. Er reichte aus, dass Kydora sich sammeln konnte. Sie streckte den Rücken durch und sah Rikhard an. Es kam nicht oft vor, dass man bei Kydora diesen Gesichtsausdruck zu sehen bekam, aber auch bei ihr sah man jetzt eine leichte Überheblichkeit im Blick.
"Rikhard, du hast echt absolut keine Ahnung, wie man mit Menschen umgeht, oder?" Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr sie fort. "Wenn jemand bereit ist, mir dir zu reden, dann tut derjenige das aus freien Stücken und du kannst dich glücklich schätzen, dass mit dir überhaupt wer redet. Das ist nichts, was man 'belohnen' müsste. Im Gegenteil Rickhard. Im Gegenteil. Durch solche Verhaltensweisen, wie du sie an den Tag legst, machst du es dir eher kaputt." Sie deutete auf das Buch und hatte sich mittlerweile warm geredet. "Wenn du mir einen Gefallen tun willst, dann schenk es mir doch einfach, so wie jeder andere es auch tun würde. Menschen tun sich einander Gefallen und nette Gesten. Da gibt es keine Verhaltensweisen, die man 'belohnen' müsste." Sie deutete auf einen Holzanhänger, der an einer Kette um ihren Hals hing. "Den zum Beispiel habe ich geschenkt bekommen mit den Worten 'Ich habe ihn gesehen und dachte er könnte dir vielleicht gefallen'. Einfach so. Dieser Mensch wollte mir einen Gefallen tun. Nett sein. Nichts weiter." Kydora wurde wieder ruhiger und ihr Blick trübte sich etwas bei dem Gedanken an die Person, von der sie den Anhänger bekommen hatte. Dann wandte sie sich wieder Rikhard zu. "Menschen sind keine Tiere, die du zu irgendwas erziehen musst, Rikhard. Und du bist in keinster Weise was besseres als ich, auch wenn du dich gerne so aufführen magst. Lern erstmal wie man mit Menschen umgeht. Ich mag vielleicht geduldig sein, aber andere sind es nicht. Und irgendwann wirst du alleine sein, und niemand wird da sein, der sich um dich sorgt. Schau, dass du Freunde findest, aber merke dir: kaufen wirst du sie nicht können." Ihre Hand war auf das Buch gewandert und strich behutsam über den Ledereinband. "Ich würde ohne meine Freunde jetzt nicht hier stehen können..."

Rikhard Kraftweber:
Rikhard wich zurück, bis er an sein Bett stieß, das Gleichgewicht verlor und wenig elegant auf seiner Matratze landete. Im Sitzen wirkte er sehr würdelos, also stand er rasch wieder auf, um Kydoras wütendem Blick zu begegnen. Nett sein - Anhänger - Freundschaft - aber - aber ich wollte doch wirklich nur nett sein!

Wut erfüllte ihn. Dieses Buch hatte ihn mit Abscheu erfüllt, ihn an seine Herkunft erinnert, aber auch an Kydora. Anstatt dieses Buch wegzuwerfen, hatte er es ihr schenken wollen, denn ihr würde es doch gefallen - und vielleicht würde sie nach der Lektüre dieses Buches auch endlich einsehen, wie unmäßig primitiv diese Stammessitten sind! Wie undankbar sie doch war! Wie kalt und undankbar. Und wie sie überhaupt mit ihm sprach, dieser Tonfall, den verbat er sich!

Aber er schwieg. So wütend er war, er schwieg. Er traute sich nicht, auszusprechen, was er dachte. Er hatte Angst, Kydora würde den Raum verlassen. Und er würde, wie so ziemlich jeden anderen Abend auch, alleine sein. "Schau, dass du Freunde findest, aber merke dir: kaufen wirst du sie nicht können." In ihm brannte ein Kampf, zwischen dem arroganten, überheblichen Rikhard, und dem Rikhard, der einfach nicht noch einen Abend alleine, schweigend in seiner Kammer verbringen wollte.

Er hob an zu sprechen, öffnete den Mund, doch kamen keine Worte heraus. Rikhard Kraftweber war - sprachlos.

Kydora:
Ihr Blick glitt von dem Buch unter ihrer Hand zu Rikhard herüber. Sie bemerkte, wie er ansetzte, um etwas zu sagen, aber es kam nichts. Kydoras Blick wurde weich. Irgendwie tat er ihr... leid? *Er kann ja nichts dafür, dass er keine Ahnung hat.* Sie seufzte. *Was tu ich hier eigentlich gerade?* Sie griff das Buch und hielt es Rikhard mit einem Lächeln hin. "Los, versuchs nochmal...und versuch das Wort 'belohnen' dieses Mal zu vermeiden. Wir üben das jetzt." Sie meinte diese Geste wirklich aufrichtig und in ihr war keine Spur von Überheblichkeit zu sehen. Abschätzend wartete sie Rikhards Reaktion ab.

Rikhard Kraftweber:
"Das meinst du völlig ernst, nicht wahr?"

Rikhard seufzte, dann ließ er sich auf seinen Stuhl fallen. Mit einer Hand strich er über den Einband des Buches.

"Silvanaja. Es verkörpert alles, was ich hasse, und gleichzeitig ist es meine Herkunft. Ein Mann wird durch seine Kindheit geprägt. Das weiß ich. Durch seine Familie, seine Freunde, sein Umfeld, einfach alles. Kulturelle Sitten, Manierismen, 'Habilitas', all das macht einen Menschen aus. Und dadurch wird ein Mensch eingeengt in ein enges Korsett. Man handelt, wie es einem beigebracht wurde. Alles, was ich gelernt habe, ist, dass Menschen einen verachten, einen fürchten, wenn das, was man ist und was einen ausmacht, nicht in den Begriff von Normalität passt, der grade vorherrscht. Ich, ein Magier, ein Mann von Welt, gebildet, intellektuell, klug, von rascher Auffassungsgabe, habe in einem Dorf von Wilden nichts verloren. Und doch bin ich dort aufgewachsen. Und vertrieben worden. Nun komme ich hierhin, an die Akademie. Ein heiliger Ort des Wissens, der Bildung, der Magie, umrankt von Legenden, voller Macht! Hier gehöre ich hin. Ich bin mit dem Wissen aufgewachsen, der Klügste zu sein. Der Beste. Schlicht besser als alle anderen. Und hier ist es immer noch so: ich bin klüger. Fleißiger. Die Lehrer sind voll des Lobes über mich. Aber wieder sind die anderen neidisch. Kleingeister, so wie - " Du. Das verkniff Rikhard sich rasch. "Delwin. Ja, so wie Delwin."

Wieder und wieder glitt seine Hand auf dem Einband auf und ab. Schließlich ballte er sie zur Faust. Mit einem Ruck stand Rikhard auf.
"Nimm es schon. Es gehört dir. Silvanaja ist deine Herkunft, nicht meine."

Kydora:
Geduldig beobachtete Kydora ihn bei seinen Ausführungen. Es tat ihr Leid ihn so zu sehen. Sie wusste, wie sehr er seine Heimat hasste, das hatte er ihr bereits deutlich gemacht. Und dennoch. Von allen Schülern war sie es nun, die in seinem Zimmer stand und mit ihm redete. Eine Silvanajerin. Das Schicksal spielte manchmal merkwürdig mit einem. Freudig nahm sie das Buch an sich. "Danke dir. Ich freue mich wirklich sehr über das Buch." Neugierig fing sie sofort an, in dem Buch zu blättern. Sie blieb an einer Zeichnung hängen, die einen Teil der silvanajischen Landschaft zeigte. In Gedanken versunken murmelte sie: "Und vor allem kommt es genau zur richtigen Zeit, wo ich doch momentan in dieser Akademie festsitze..." Schlagartig gefroren ihre Gesichtszüge und sie verharrte in der Position. *Mist.* Schnell hatte Kydora sich wieder gesammelt und blätterte jetzt weiter in dem Buch. Sie ignorierte, dass ihr der letzte Satz rausgerutscht war, so versuchte sie doch, das Thema möglichst zu vermeiden.

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