Die Gebiete in Caldrien > Engonia - die einstige Kaiserstadt
Frühjahr 266 n.J., Engonia
Vanion:
Es war fast, als läge noch immer Brandgeruch über der Stadt. Vanion schüttelte unwillig den Kopf. Das bildete er sich gewiss ein.
Engonia. Kaiserstadt.
Die Narben des Brüderkrieges waren verblasst, aber längst nicht verheilt. Überall herrschte rege Geschäftigkeit, auf den Straßen vor der Stadt, in den engen Gassen innerhalb der Mauern, Wortfetzen schallten von hier nach dort - kurzum, das Leben summte hier wie ein Bienenstock.
Lothar und Vanion ritten durch die Straßen Engonias, und während Lothar sie auf ihr Ziel zuführte, erzählte Vanion eine Geschichte nach der anderen.
"Hier, in diesem Viertel, hab ich gekämpft, vor fünf langen Jahren."
Nachdenklich zügelte er sein Pferd.
"Gleich dort vorne erschlug ich einen Mann, der keine zwanzig Winter gesehen hatte. Er war wie ich, doch er trug blau und schwarz und trug den Namen des falschen Kaisers auf den Lippen."
Sein Blick fiel auf die Bardike, die an seinem Sattel herab baumelte. Sanft strich er über den Axtkopf.
"Von ihm hab ich diese Waffe, wenn ich mich recht erinnere. Irgendwo in den Wirren des Krieges hab ich diese Bardike erlangt, und bis heute hat sie mir gute Dienste geleistet."
Entschlossen lenkte er sein Pferd weiter, weg von dieser Gasse. Er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen, aber an den Blick des Jungen, den er dort erschlagen hatte, erinnerte er sich noch heute. Geweitete, ungläubige Augen, die nicht fassen konnten, dass das eigene Leben in diesem Moment endete - und der Schwall Blut, der aus dem leicht geöffneten Mund geschossen kam und über Vanions Rüstung geflossen war.
"Die Schlacht um Engonia war kein ehrenvoller Kampf. Es war ein Metzeln bis zum Tode, und als es vorüber war, da standen wir in den Leichen engonischer Brüder und Schwestern. Die Götter mögen verhüten, dass es jemals wieder zu einem solchen Brüderkrieg kommt."
Während Vanion sprach, nestelte er an seiner Kleidung herum. So gut es eben auf dem Pferderücken ging, wand er sich aus seinem Gambeson heraus. Auf Lothars erstaunten Blick grinste er.
"Wir werden unsere Pferde abgeben. Am besten nimmst du sie mit und suchst diesen Erinha. Ich werde in der Zeit eine Schänke aufsuchen. Mich verlangt's nach Bier und Gesang. Wir treffen uns dort, in Ordnung? Sprich mit Erinha, und dann frag dich zum 'Vollen Mund' durch. Und - komm nicht in deinen feinsten Kleidern."
Skynex:
"Ich habe früher auch gedacht, Ehre wird mit dem Stapel der Leichen bemessen, die man anhäuft. Mittlerweile bin ich der Meinung, Ehre geschieht außerhalb des Kampfes. Wie verhalte ich mich anderen, besonders Schwächeren oder Untergebenen gegenüber.
Im Krieg gewinnt man keine Ehre. Im Krieg verspricht man, sein Land mit seinem Leben zu beschützen und sorgt dafür, das der Bastard auf der anderen Seite für sein Land stirbt. Irgendwie ironisch, nicht war?
Das du die Waffe deines Gegners führst, gereicht dir zu Ehre, da du sie nutzt und nicht als Trophäe zur Schau stellst. Auch wenn das gute Stück schon bessere Tage gesehen hat. Aber jeder geht anders mit der 'Ehre' um, die ihm der Krieg aufgebürdet hat. Mich hat er schlussendlich hierher geführt."
Lothar hebt das Sonnenamulett in die Höhe, das Flamen Magnus Damian ihm zur Weihe einst schenkte.
"'Nicht meine feinsten Kleider' heißt wohl, jemand im Gewand Allamars zieht zuviel Aufmerksamkeit auf sich? Ich könnte meinen alten Gambeson verwenden, wenn der besser ins Umfeld passt, als meine Robe."
Lothar nimmt Vanions Zügel entgegen.
"Mal sehen, ob ich Erinha finde. Wenn nicht, können wir gerne weiter philosophisch die Zeit verbringen."
Lächelnd wendet Lothar das Pferd, um es ruhig die Straße hinab zu führen, tiefer in die Stadt hinein.
Engonien NSC:
Der Volle Mund war heruntergekommen - und das war freundlich ausgedrückt. Schon vor dem Krieg hatte es das Gebäude gegeben, das sich direkt an die Stadtmauer schmiegte, und schon dann hatte es nicht grade gut ausgesehen. Die schwere Holztür stand offen, und das Schild, was darüber baumelte, zeigte eine zu einem grotesken Grinsen verzogene Fratze. Der Wein war sauer, das Bier war schal, und die zwei, drei leichten Frauen, die es hier gab, starrten vor Schmutz und Krankheiten. Die Bedienung war unfreundlich, die Spielleute, die hier aufspielten, schlecht, die Männer ungewaschen und grobschlächtig.
Kurzum, Vanion fühlte sich hier wohl. Es musste für ihn ganz wie früher sein.
Lautes Gebrüll drang bereits an sein Ohr, als er auf den Eingang zuschritt. Drinnen stank es nach alter Asche, der Abzug über dem offenen Feuer im Kamin war teilweise verstopft. Das Dachgebälk war voller Ruß, der Boden klebrig - einige Bretter verdeckten die feuchtesten Stellen, aber der Schankraum schien zum größten Teil aus festgetretenem Lehm zu bestehen. Der Wirt lehnte an der Theke und wischte mit einem verdreckten Lappen halbherzig über verschiedene Krüge, während eine gelangweilte, vollbusige Schankmaid alles mögliche tat, außer die Gäste zu bedienen.
Hier schien das Leben traurig zu sein, heruntergekommen und langweilig. Hier versammelten sich Leute, die nach dem Krieg nie mehr auf die Füße gekommen waren: Versehrte, Männer, die alles verloren hatten und in Selbstmitleid versunken darauf warteten, dass der Alkohol sie ein ums andere Mal betäubte, Tagelöhner und Tagediebe, Mietschläger, kurzum, der Bodensatz der Bewohner Engonias. Es gab zwei oder drei dieser Art von Tavernen in diesem Viertel; der Volle Mund war noch die Kleinste der drei - und wahrscheinlich auch die ordentlichste.
Nur wenige der Gäste interessierten sich für den Neuankömmling, doch der Wirt warf einen Blick auf Vanion, als er hereintrat. Die Augen des dicken Mannes verrieten eine geistige Gewandheit, eine gewisse Intelligenz und Wachsamkeit, die hier, an diesem trostlosen Ort, sehr fehl am Platze wirkte.
Jeremias:
Der Alamartempel Engonias, in den letzten Jahrhunderten immer wieder erweitert, war ein prächtiges Gebäude, dass seinesgleichen in Engonien suchte. Die prächtige Kuppel, die von goldenen Bändern umgeben war, dominierte das Auge des Betrachters und die weitläufigen Stufen aus weissem Stein führten viele Bittsteller und Gläubige in das Innere des prächtigen Baus. Doch Lothar wandte sich nicht in diese Richtung, denn heute wollte er nicht seine Verehrung an der mächtigen, bernsteinverzierten Statue des Sonnengottes bekunden, sondern er begab sich zu dem schlichten, aber eleganten Haus, was direkt neben dem Tempel stand. Über der Tür waren die Symbole Alamars, Sonne und Greif angebracht, und neben der Türe stand auf einer Plakette schlicht "Archiv des Alamartempels zu Engonia".
Als er durch die Tür des Archivs betrat, führte der direkte Weg zu einer kleinen Rezeption, hinter dem ein junger Akolyth saß. Lothar zeigte ihm sein Novizensymbol und fragte nach Erinha. Der Akolyth führte ihn daraufhin zu einer Studierstube im hinteren Bereich des Archivs. An der Tür stand in kleinen Buchstaben "Juristische Schriften und Verträge". Der Akolyth öffnete die Tür: "Flamen Erinha? Ein Besucher für sie, Novize Lothar." Erinha, ein rundlicher, grosser Mann mit wilden roten Haaren, hob den Blick von einem Schriftstück, das er gerade studierte. "Hrm. Nun gut, Novize, was kann ich für euch tun?"
Lothar wartete, bis der Akolyth den Raum verließ und sagte dann: "Flamen Magnus Damian schickt mich. Ich soll mit euch sprechen?" Erinha hob eine Augenbraue. "Soso. Der Flamen Magnus? Was hat er denn für eine wichtige Frage an mich einfachen Archivar?" Lothar wurde bewusst, dass Erinha ihn deutlich überragte und seine Hände eher aussahen wie Pranken als wie weiche Schreiberhände. Und genau dieser Bär von einem Mann warf ihm einen stechenden Blick entgegen, als ob er irgendetwas erwartete.
Skynex:
"Neben seinen Grüßen soll ich euch zuvorderst und wörtlich wissen lassen, das 'nach 100 Stunden Kerzendienst fiel dir damals auch keine Losung mehr ein'."
Lothar wartete einen kurzen Augenblick auf eine Reaktion seines gegenübers, ehe er fortfuhr.
"Flamen Magnus Damian möchte Wissen, welche Unterstützung die Inquisition in der Stadt und insbesondere bei den hiesigen Machthabern genießt. Zudem hat er mir aufgetragen sehr diskret zu sein, um euch als alten Freund nicht zu gefährden."
Lothar neigt leicht sein Haupt als Ehrerbietung bei den Worten und wartet gehorsam ab, was dieser Bär von Mann ihm nun zu sagen hat.
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