Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium

Burg Goldbach und Umgebung (Frühling 267 n.J.)

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Berengar von Thurstein:
Der Ritter nahm die Pillbox vom Kopf, an der eine schöne Zinnspange in Form eines Eichenlaubes mit Eicheln befestigt war. Als er sprach, strich er mit dem Daumen darüber und sah wieder hinaus auf das Land, so als suche sein Blick etwas in weiter Ferne. "Ich wurde im Königreich Andergast auf dem Kontinent Aventurien geboren, als dritter Sohn des Fürsten von Thurstein. Es war klar, dass ich niemals würde erben können, und so teilte ich das Schicksal vieler spät geborener Kinder an den Adelshöfen meienr Heimat, und wurde einem Rittervater anvertraut, der meinem Vater ein guter Freund gewesen war. Ich diente Schillhardt von Rechenberg viele Jahre und stand ihm in so manchem Waffengang zur Seite. Doch in der Stunde seines Todes konnte ich nur hilflos seine Hand halten und zusehen, wie das Leben aus der Wunde an seinem Hals aus ihm heraus sickerte, welche ihm die Lanze eines Anderen beim Scharfrennen beigebracht hatte. Als es vorbei war und dem Baron von Ebersberg für seinen Sieg alle Habe meines toten Herrn zugesprochen worden war, verbannte er mich aus Andergast. Aus keinem anderen Grund heraus als einer Laune."

Er seufzte schwer, doch blieb seine Stimme fest, ohne dabei leiser zu werden, wie es sonst so oft der Fall war, wenn jemand in sehr weit zurück liegende Erinnerungen zu graben versuchte. "Ich war verloren, entwurzelt, und besaß nichts mehr außer den Kleidern am Leib, die er mir gelassen hatte. Ich ging fort, und würde ich jemals wieder einen Fuß auf Andergaster Boden setzen, so wäre dies mein Tod. Was blieb mir also? Ich hatte keine Referenzen, verdingte mich als Tagelöhner und litt öfter Hunger als dass ich satt wurde. Und so beging ich die erste Sünde in meinem Glauben. Als adeliger Krieger auf dem Weg zum ehrenvollen Ritter wandte ich mich nach meinem Fall dem Söldnerhandwerk zu. Ich focht gegen Sold, egal welche Beweggründe die Feldherren auch haben mochten, und ich beging jede Sünde, die in den Söldnerheeren Tagesordnung ist. Ich war mir sicher bald im Kampf zu sterben, und jung und dumm wie ich war, scherte es mich nicht. Erst mit den Jahren wurde mir klar was ich damit angerichtet hatte. Was ich damit drohte für immer zu verlieren."

Sein Blick suchte wieder den der Baronin. Da war noch so viel mehr, das konnte sie deutlich in seinen Augen sehen.

Berengar von Thurstein:
"Ich bereute was aus mir geworden war. Ich ließ mir meinen letzten Sold auszahlen, und ich ging fort. Der Kor-Geweihte unseres Regiments warnte mich. Er war nie ein Mann großer Worte gewesen wenn es nicht um Taktik, die Rechte der Söldner gegenüber ihren Herren oder das Lob des blutrünstigen Halbgottes ging, doch er warnte mich. Ich hätte die göttliche Löwin hinter mir gelassen und mich dem Drachen anvertraut, und wenn ich nun fort ginge, so würde Golgari mich in der Stunde meines Todes nicht finden. Dann bliebe mir nur noch der Namenlose. Doch ich ging fort. Ich wollte endlich wieder für etwas stehen, dass mehr war als persönlicher Ruhm und niederste Bereicherung."

Seine Hand an der Brüstung ballte sich zur Faust und er schlug die Augen nieder, bevor er in das innere der Wehranlagen des Chateau blickte, dort hin, wo er Klara vermutete. "Sie sah etwas in mir, das ich selbst aus dem Blick verloren hatte... Diese gütige und gesegnete Frau. Sie nahm mich in ihre Dienste, holte mich heraus aus all dem Zweifel, dem Elend und dem Schmerz. Mögen die Götter ihren Namen in Ehren halten... Ich war bereit für sie zu sterben an jenem Tag auf dem Anwesen ihrer Mutter... Der Herzog von Hammerthal und die Angelithische Kirche von Hammerthal waren gekommen um sie fort zu schaffen, weg von den Häschern derer, die sie aus der Welt tilgen wollten. Ich erinnere mich noch als würde es gerade erst geschehen..."

Die Augen, die nun wieder ihren Blick fanden, schienen durch sie hindurch in einen Traum zu blicken. "Der Herzog und der Herr vom grünen Hügel geleiteten Klara, die Baroness, hinaus aus ihren Gemächern, hin zu der großen Freitreppe die nach draußen führen würde, wo die Eskorte wartete. Ich weis nicht mehr was meinen blick zu dieser Türe lockte, doch ich sah die Klinge dieses Verräters aufblitzen, und als er auf Klara zustürmte um sie zu ermorden, da warf ich mich auf ihn und... dieser Schmerz ist einfach unbeschreiblich. Blind vor Qual stürzte ich mit dem Mann die Treppe hinunter und etwas in mir wollte ihn so endgültig erledigen, dann ich ihm die Finger in die Augen krallte bis er aufhörte zu schreien. Dann weis ich nur noch das man mich forttrug, und das ich viel später wieder erwachte... Da stand dieser Mann... und er sagte ich würde noch gebraucht... sie würde mich noch brauchen... Und ich wurde wieder gesund. Ich weis genau, dieser Kampf um ihr Leben, das war der letzte Segen Kors, der mich befähigte dem Tod zu trotzen, um meinen Auftrag zu erfüllen... Seither habe ich nie wieder sein feuer in mir gefühlt. Er hat mich endgültig gehen lassen. Doch auch das Brüllen der Löwin ist für immer verstummt in mir. Da ist nichts mehr. Sie sind alle fort."

Bei diesen Worten begann er leicht zu zittern, und nur mit einem tiefen Atemzug, der ihn die Augen schließen und an die Brüstung lehnen ließ, bekam er sich wieder in den Griff. "Das Leben wurde besser für mich. Zum Dank gab mir Klara die Würde eines Knappen zurück, doch fand sich kein Rittervater und keine Rittermutter für mich. Rondra hatte mich wahrhaftig verlassen, und jeder den Klara auswählte, entpuppte sich als Fehlschlag. Keine Gnade für den Gefallenen. Und so begann sie mich selbst zu prüfen in den höfischen belangen, und sie fragte andere nach ihren Erfahrungen mit mir. Sie setzte die Welt in Bewegung um zu erfahren ob ich bereit sei. Sie gab mir eine Tochter an die Hand, deren Eltern sie verachteten und verkannten und sie ausgetauscht wünschten gegen einen Sohn... wundervolle Katharina... mein geliebtes Kind... Wenigstens an ihr ist dieser Kelch vorüber gegangen... Wenigstens an ihr..."

Nun hatte er sich wieder vollends im Griff, doch blieb seine Stimme angespannt, so als würde das Schlimmste noch vor ihm liegen. "In Porta Fortuna Nova, dem Inselreich, welches die Dame Papaya sich zur Besiedelung auserkoren hatte, trafen wir im vergangenen Sommer auf einen Feind, der von sterblichen Kriegern und Magiern nicht zu bezwingen schien. Wir leisteten tapferen Widerstand und gaben alles... doch erlag ich eiern List des Feindes und verlor beinahe den Verstand und das Leben durch ein Gift. Andere mussten meinen Platz auf dem Schlachtfeld einnehmen. Ich konnte meine Pflicht nicht tun, sie nicht schützen wie es meine Pflicht gewesen wäre. Unwürdig und schwach... Am Ende war es mir gleich ob ich lebte oder starb, wollte lieber durch den Stahl des feindes gefällt werden als am Gift zu verenden, und so zog ich gegen den feind und wurde nach hartem Kampf niedergeworfen. Am Ende aller Kräfte gab ich mich ihnen hin als Opfer, wenn sie die anderen würden gehen lassen. Doch war es nicht das Ende. Diese Geste besänftigte die Wut des feindes und erkaufte und Frieden. Und brachte mir, nachdem ich geheilt worden war, den Ritterschlag. Auf dem Schlachtfeld zum Ritter geschlagen, doch ohne den Segen meiner Göttin. Da war nichts in mir was ihre Nähe spürte. Keine Gnade für den gefallenen."

Wieder suchte sein Blick den Ihren, während er wie besessen einfach weiter sprach. So als müsse es endlich alles heraus, fort aus seinem Herzen und seiner Seele, und würde es auch hier in Goldbach für ihn nichts als Schande und einen Prozess für ihn bedeuten. Genügend Schuld hatte er auf sich geladen um viele Male auf das Schafott befohlen zu werden. "Seit ich den Heerbann verließ und anfing Buße zu tun, seit ich als Vasall, dann als Knappe und schließlich als Ritter an Klaras Hof diene, habe ich alles versucht um die Vergangenheit aufzuwiegen, doch wenn ich dereinst vor Rethon trete, dann wird meine Seele gewogen werden. Jede Sünde wiegt wie ein Stein, und jedes Gute wie eine Feder. Und es wird nicht genug sein. Denn als ich die Chance erhielt eine alte Ungerechtigkeit gegen mich zu vergeben, da nahm ich Rache. Ich tötete den Baron von Ebersberg, der meinen Herrn erschlagen und mich verbannt hatte, und inzwischen ein alter Mann war. Ich warf ihn in ein namenloses Grab und löschte seine Existenz aus. Der Letzte Weg zurück zu Tugend und Vergebung für immer versperrt in einem Moment finaler Schwäche... Als ich wieder zu mir kam, da... ich konnte es nicht ungeschehen machen."

Kurz war er versucht den Blick zu senken, doch zwang er sich, ihr stand zu halten. "Ich werfe mich in jeden Kampf, der mir gerecht scheint, werfe mein Leben für die Schutzlosen, die Hilflosen, die Schwachen, Freunde, fremde, Verbündete und gegen jeden noch so grauenhaften Feind ins Feld, doch wird es niemals genug sein. Ich konnte in Otterbachtal nicht an der Seite jener Streiten, die sich dem Kult und dem Golem entgegen stellten, und die frau die ich liebe, erwidert meine Gefühle nicht. Mir bleibt nur noch mein Eid der mir Halt gibt. Dabei weis ich nicht einmal mehr was ich bin... was ich wirklich bin, unter dem Titel, dem Panzer, dem Fleisch und den Knochen... Verstoßen und verflucht..." Als er endete, da war in seiner Stimme nichts mehr, außer Schmerz.

Isabeau Lioncoeur:
Isabeau hörte aufmerksam zu als Berengar von seinem Leben berichtete. Sie runzelte einige Male die Stirn, unterbrach ihn aber nicht. Wenn es schien als ob ihn seine Kraft verlassen würde nickte sie ihm auffordernd zu oder berührte ihn sanft am Arm um zu zeigen, dass sie immer noch da war und zuhörte.
Als er zu Ende gesprochen hatte, breitete sich Stille zwischen ihnen aus. Als Isabeau sprach, da schien es auf den ersten Blick keinen Sinn zu machen, aber ihre Stimme nahm die Kadenz einer Geschichtenerzählerin an und ihre Worte entführten ihren Zuhörer auf ein besonderes Schlachtfeld:
Höret und vernehmet!

Von weit her bin ich gekommen, um euch kund zu tun von dieser Mähr, die geschehen ist unter Alamars Aug’ und meinem.
Lavinia führe meine Zunge und Alamars Zorn treffe mich, wenn ich Unwahrheit verkünd!
So bin ich nun vor euch getreten um euch zu berichten von eines Ritters schwärzester Stund, von seiner größten Tat und schwersten Schuld!

Aus edlem Geblüt ist er, der Königin verpflichtet und seinem Namen. Vor den Göttern ehrfurchtsvoll, seinen Kameraden treu.
Von Treue will ich euch berichten, unverbrüchlich und grausam, von Ehre, hart wie Stahl, die durch das Herz von Männern drang!

Ein Tag war’s, wie im Sommer licht, als ich den Ort Tiefensee betrat. Ein Ort, der Trauer schon gesehen und Tod. Doch noch war das Maß nicht voll, noch musste geschehen, was Mähr sein wird, wenn wir längst Staub sind, der im Winde tanzt.

Zusammengelaufen war viel Volk an den Ufern des Sees, hingeeilt nach dem Ruf eines Edlen, der die Last eines ganzen Reiches auf seine Schultern nahm. Richard Brin ist sein Name, euch allen wohlbekannt, der sich nicht beugte vor des neuen Kaisers Macht. Doch nur wenige folgten seinem Ruf, aus Angst, dass die Wölfe auch bald vor ihren Toren heulen würden. Und so kam es das der Kommandant der Reichsgarde, Richard Brin von Fingara einen Ruf in fremde Lande sandte, auf das sich kriegerisches Volk sammle und ihren Mut, ihre Kraft und ihr Wissen in die Waagschale warf, die sich immer weiter zu Gunsten des Höchsten der Wölfe neigte. Doch wer sollte die fremden Mannen führen?

Brin selbst?

Nein, er konnte die Geschicke in niemandes andere Hände legen, sein Platz ist in Fanada, wo alle Fäden zusammenlaufen.

Wer dann?

Ich werde euch sagen wer an seiner Stelle trat!

Simon de Bourvis, Sohn von Rainould und Isobelle, Sohn von Rodegar de Coly, der in jener schicksalhaften Schlacht am Forret d’Artroux sich einen Namen machte und ihn gleichzeitig verlor…. Doch wie er an den Hofe Blanchfleur gelangte, das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.

Simon de Bourvis empfing nun die Kämpfer die aus allen 4 Windrichtungen gekommen waren und ihm zur Seite stand der Orden des Askar, allen voran Miguel, sein 1. Ritter und Sasha, sein 1. Paladin!

Bereits einige Kämpfe waren geschlagen, doch die Götter gönnten uns eine Ruhepause und mehr als einer genoss die Strahlen Alamars auf seinem Gesicht, denn wer wusste ob er sie am darauf folgenden Tag noch spüren würde?

Da betrat ein Junker das Lager, stolz und aufrecht sein Gang, klar sein Blick und minniglich seine Statur. Stolz prangte der schwarze Löwe auf rotem Grund und wies ihn von edlem Geblüt aus. Er erblickte Simon de Bourvis und ein schallendes „Simon, du räudiger Hund!“ ertönte!
Es wurde still im Lager, den alle wussten, dass Simon de Bourvis kein Mann war, der Beleidigungen ungeahndet ließ!
Simon wandte sich um und als er den Ritter sah, rief er voller Freude aus: „Jacques, Sohn eines stinkenden Ziegenbocks!“
Groß war da das Gelächter und auch ich stimmte mit ein, denn hier trafen Familienbande aufeinander und voller Freude umarmten sich die Männer, die so lange Zeit voneinander getrennt waren.

Und Simon, voll des Stolzes, führte ihn zu seinen Gefährten und stellte ihn vor: „Begrüßet Jacques de Molet, meiner verstorbenen Frau Bruder, der mein Knappe war und mir dereinst als Herr von Bourvis folgen wird!“

Scherzworte flogen hin und her, Simon erkundigte sich nach der Lage an der Droor und hieß seinen Pagen Antoine Mundschenk sein.
Dieser brachte feinsten Wein und Silberbecher und Simon füllte die Kelche eigenhändig und reichte Jacques den seinen, voll der süßen Fülle aus ihrer beider Heimat Blanchfleur.

Und beide erhoben den Kelch und riefen: „Auf den Kaiser!“
„Auf Barad Konar!“
„Auf Jeldrik!“

Und es war Totenstille im Lager und mein Herz wurde schwer, denn ich wusste, das, noch bevor Alamars Auge im Westen versank, ich die Totenklage anstimmen würde…

Die beiden Männer, die sich voll Freude und Liebe begrüßt hatten, standen sich nun fassungslos und erstarrt gegenüber. Simon erholte sich als erster: „Du brichst den Eid gegenüber der Königin?“ verlangte er harsch zu wissen, doch Jacques antwortete nicht minder wütend: „DU brichst den Eid gegenüber dem Kaiser!“
„Wie kannst du in deinem Alter noch so ein Narr sein?“
„Wie kannst du in deinem Alter noch so naiv sein?“

Doch alle Worte waren unnütz und sie beide wussten es.
Wieder war es Simon, der als erster sprach: „Wann soll das Treffen sein?“
„Hier und Jetzt!“
„Welche Waffen sollen es sein?“
„Die Axt und das Schild!“

Miguel, der 1. Ritter des Askar, erfüllte die minnigliche Pflicht des Herolds und trat vor um vor den Göttern und der Welt zu bezeugen weshalb diese beiden Männer, durch Blut geeint und durch Eid getrennt, sich auf dem Felde treffen würden.
Und bald schon würde das Feld von edlem Blute getränkt sein und nur einer würde es verlassen.

Simon und Jacques sanken auf die Knie und hielten Zwiesprache, der eine mit Alamar, der eine zu Tior. Worum sie baten?
Ich weiß es nicht…

So erhoben sich nun die beiden Edlen und drangen aufeinander ein. Wuchtige Schläge drangen auf die Schilde, man hörte das Treffen von Stahl und den Atem der Kämpfenden. Jacques Schläge zeigten die Kraft der Jugend, die von Simon die Erfahrenheit des Alters.

Bald schon splitterten die Schilde und die Kämpfer warfen sie fort, die Äxte waren schartig und sie tauschten sie gegen ihre Schwerter ein. Unverdrossen schlugen sie aufeinander ein und das Volk fieberte mit: „Für Bourvis! Bourvis für die Königin!“ erscholl es allenthalben.

Doch da!
Ein gar mächtiger Hieb von Jacques und Simon verliert das Schwert! Ein aufgebrachtes Raunen entwich der Menge und Sasha, Simons Schwertschwester, hielt es nur mit Mühe auf ihrem Platze.
Simon stürzt sich auf Jacques und wie tollwütige Hunde verkeilen sich die beiden ineinander, der Kampf wogt weiter hin und her, jeder Schlag, jeder Tritt, jeder Hieb wird mit gleichem vergollten.
Doch seht, seht!
Simon ist zu Boden gestürzt, benommen schüttelt er sein edles Haupt und Jacques steht mit erhobenem Schwerte über ihm.
Ein Schrei entwich der Kehle von Jelena, der Heilerin und allen griff die kalte Hand der Furcht an ihr Herz.
„Alter Mann...“ ertönt Jacques Stimme, voller Trauer „Wie konntest du glauben, dass du diesen Kampf gewinnen würdest?“

Simon blickt auf und Jacques Schwert saust auf ihn herab!
UND SIMON FÄNGT DAS SCHWERT MIT SEINER LINKEN AB!

Mit einem Schrei unmenschlicher Qual hält er Jacques Schwert, greift sein eigenes und stößt es seinem Schwager in die Brust!

Eine unwirkliche Stille lastete über dem Felde, als Jacques in Simons Armen lag. Mit zitternder Hand strich er ihm das Haar aus dem Gesichte und hielt ihn, als sein Auge brach. Er griff an Jacques Hals und bald hörte man seinen verzweifelten Ruf: „Jacques, Jacques, wo ist deine Münze? Du Narr, wo ist sie? Wie willst du den Fluss überqueren...“
Mit der unversehrten Hand zog er die Münze von seinem eigenen Hals und legte sie auf die Lippen von Jacques de Molet, seinem einstigen Knappen, seinem Schwager, seinem Erben...

Trauer senkte sich über das Volk ob dieses Bildes, doch noch war das schreckliche Werk nicht vollbracht, noch war die Ehre nicht befriedigt.
Schleppenden Schrittes ging Simon de Bourvis zu Hubert, Jacques Knappen und fragte mit hohler Stimme:
„Hältst du deinem Ritter und Herren die Treue?“
Und der Knabe, kaum 14 Lenze alt, kniete nieder, zum Zeichen das er sich seines Schicksals bewusst war.
Und Simon hob die Axt, doch seine Wunden waren zu viele und kraftlos sein Arm.
So rief er Antoine, seinen Pagen und wies ihn an, sein Werk zu tun, den Hubert musste seinem Herrn ins Grab folgen, damit der Ehre grausamer Zoll entrichtet war.
Antoine, selbst noch ein Knabe, sträubte sich, doch auch er wusste, dass es geschehen musste. Und so hob er die Axt und mit einem geschluchzten „Für die Königin!“ vollendete er das blutige Tagewerk.

Jelena Jakovljeva, die Heilerin aus fernen Landen, sie wusch die Leichen und richtete sie her, band die Wunden und schlang sie in das Leichentuch.
Das kriegerische Volk rüstete sich, um diese beiden Männer, die der Ehre höchsten Preis gezahlt hatten, zu Grabe zu geleiten und gar minnigliche Kämpfer waren es, die die Last ihrer Leichen trugen.

Und ich?
Ich, ich stand ein wenig abseits und besah mir dies, auf das ich euch berichten möge von eines Ritters schwärzester Stund, von seiner größten Tat und schlimmsten Schuld."

Berengar von Thurstein:
Berengar sah der Baronin tief in die Augen. Etwas lag in seinem Blick, als sei er in weiter ferne, an einem anderen Ort, zu einer anderen Zeit. Als er schließlich sprach, war etwas von seinem alten Selbst in ihn zurück gekehrt. "Eide und Ehre sind es, neben unseren Herzen, die uns ausmachen. Und eben jene Eide und Ehre bringen das Beste in uns zum Vorschein. Und das Schrecklichste. Wie kann ein Mensch bestehen in diesen finsteren Zeiten..."

Isabeau Lioncoeur:
"Wir Firngarder sind in vielerlei Hinsicht immer noch ein eigenes Volk, auch wenn der Rest Engonien uns als Caldrier sieht. Um unseren Zorn im Zaum zu halten und so etwas wie Zivilisation entstehen zu lassen nahmen wir die ritterlichen Tugenden und machten sie uns zu eigen, hämmerten sie in den Stahl unserer Schwerter und Schapelle und lehrten unsere Kinder ihnen ohne wenn und aber zu folgen."
Augen voller Schmerzen blickten Besengar an und ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab:
"Egal welchen Schmerz es uns bringt oder welches Opfer wir bringen müssen, die Eide binden uns an das Wort der Königin."
Sie schwieg eine Zeitlang und blickte auf ihr Land herab, als wolle sie sich jede Einzelheit einprägen.
"Ihr, Berengar von Thurstein, habt ohne Schuld euer Geburtsrecht verloren. Doch anstatt die euch auferlegte Prüfung anzunehmen habt ihr den einfachen Weg gewählt. Ihr habt etwas getan, was Anathema für jeden Firngarder ist: einen Eid gebrochen."
Ihre Augen waren unergründlich als sie Besengar musterte:
"Eure Queste ist schwer, Herr Ritter, und ohne Beistand der Götter um ein vielfaches schwerer. Ihr habt euch eine Frau Minne erwählt... doch ich bin mir nicht sicher ob dies die richtige Wahl war. Ihr setzt euer Leben aufs Spiel, in der Hoffnung mit einem großen Opfer eure Schulden aufzuwiegen. Doch ihr scheint eines auch nach all dieser Zeit nicht begriffen zu haben:
Das wahre Opfer ist nicht euer Tod.
Das wahre Opfer ist euer Leben und der Kampf den ihr jeden Tag mit euch selbst führen müsst."

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