Zu Beginn des 3. Mondes 267 n.J.
Während seiner Reise nach Lodrien hatten Tannjew zahlreiche Sorgen und Fragen in Bezug auf seinen Lehnsherren, Baron Hiltwin von Salmar, geplagt. Er war sich unsicher, ob dieser ihm und Walter von Sangenwalde die Geschichte abgenommen hatte, dass sie nichts zum Verbleib der Männer des Barons wussten. Selbst ob diese damals im Sommer 266 n.J. überhaupt in Norngard angekommen waren sei ihnen nicht bekannt, hatten sie damals dem Baron berichtet. Dies war eine Lüge, und Tannjew war schlecht im Lügen, aber auf der anderen Seite hatte der Baron keinerlei Beweise, dass dem nicht so war. Er hatte jedoch keine andere Wahl gehabt: Marie hatte recht deutliche Andeutungen darüber gemacht, dass Isiria von Pfauengrund bei ihrem nächtlichen Angriff im Namen Szivárs damit geprahlt hatte, dass sie mit Baron Hiltwin von Salmar unter einer Decke stecken würde. Falls das der Wahrheit entsprach herrschte erneut ein sehr gefährlicher Mann in Salmar.
Baron Hiltwin stammte bekanntlich aus Firngard und Tannjew kannte nur eine Person, die ebenfalls von dort kam und der er zumindest halbwegs vertrauen konnte: Lorainne de la Follye des Joux. Er hoffte inständig, dass sie vielleicht mehr über den Mann berichten konnte, der jetzt sein Lehnsherr war.
Er betrat das ehemalige Labor von Kadegar Sonnenwende, dass er nach dem Verlassen des Magiers zu einem einfachen Schreib- und Lesezimmer umfunktioniert hatte und blickte auf die große Landkarte, die an der Wand hing. Ja, die Reise von Firngard nach Norngard und dann von Norngard nach Feuerklinge sollte schaffbar sein, auch mit Gefolge, Frauen und Kindern im Tross. Nachdem er das kurze Einladungsschreiben aufgesetzt und besiegelt hatte betrat er die große Küche, die sich zum gemütlichsten Raum in der Burg entwickelt hatte. Seitdem Marie kochte und buk roch es hier besser als überall sonst auf der Burg, außerdem war es hier immer angenehm warm zudem gesellig, weil sich alle aus genau diesen Gründen meistens hier aufhielten. Auch heute war es so, die Erwachsenen saßen am Tisch und tranken etwas, das mit Sicherheit kein Waldgeist war, während die Kinder mit grob gezimmertem Holzsspielzeug auf dem Boden spielten. Ritter, Prinzessinen und Drachen, wobei Linus scheinbar zu den Drachen gehörte, denn er hatte den Kopf des Ritters im Mund und lutschte darauf rum.
Tannjew richtete sich an seinen Hauptmann der Wache: "Herbrand, ich hab hier eine Aufgabe für dich." Ehe er den Satz zu Ende gesprochen hatte flog das Schreiben schon in hohem Bogen auf den Tisch und landete direkt vor Herbrands Nase. "Diese Nachricht muss schnellstmöglich nach Middenheim. Von dort soll ein Botenreiter die Nachricht zur vorgesehenen Empfängerin, Lorainne de la Follye des Joux, bringen."
"Middenheim, mein Herr? Wäre Salmar nicht viel näher?"
"Das schon, aber ich denke es ist besser so. Wenn Männer aus Salmar in Norngard verschwinden wäre es auch vorstellbar, dass Männer aus Norngard in Salmar verschwinden. Ist das verständlich?"
"Ja, in der Tat, mein Herr. Ich werde jemanden schicken."
"Sehr gut, aber bitte nicht diesen Tünnes. Er scheint mir nicht sehr zuverlässig zu sein."
"Dafür ist er aber ein ausgezeichneter Spieler im Königsspiel."
"Gut zu wissen, dass ich nur ausgezeichnete Talente beschäftige."
Danach wandte sich Tannjew an Marie: "Burg Norngard wird demnächst wieder regelmäßig Gäste bewirten. Allerdings nicht im Kerker. Ich möchte dich bitten ein paar Zimmer herzurichten, in denen auch gehobene Gäste unterkommen können, und auch ein paar für deren Gefolge."
"Gerne, mein Herr, aber das wird etwas aufwendiger werden. Ihr wisst doch selbst, wie es in den verlassenen Zimmern aussieht."
"Ich befürchte du hast Recht. Herbrand, du wirst persönlich morgen nach Middenheim reiten, um den Brief aufzugeben. Und Marie wird dir eine Liste an Dingen mitgeben, die du in der Stadt besorgen sollst."
Das nahmen offenkundig auch die anderen Frauen im Raum als Anlass, ihre Wünsche herunter zu rasseln. Tannjew seufzte und trat auf den Hof. Er brauchte jetzt ein wenig frische Luft, um darüber nachzudenken, wie er das alles bezahlen sollte.