Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium
La Follye, 267 n.J.
Jelena:
„Was ist geschehen?“
Berengar von Thurstein:
Die Frage traf ihn wie ein Tritt ins Gesicht, und tatsächlich prallte er beinahe davor zurück. Nach außen merkte man es ihm nur an, weil seine Augen sich einen Herzschlag lang vor Schreck weiteten. Als er begann zu sprechen, zitterte seine Stimme, ebenso wie seine linke Hand... "Sie ist... Jelena ich... dort..." Er verstummte und schluckte schwer. Dann atmete er tief durch und begann von neuen. Seine Stimme war nun fest, aber sehr leise.
"Wir hatten die Inquisition geschlagen und die Tochter des Hauses Voranenburg aus ihren Fängen befreit. Auch das Geständnis, welches sie ihr unter der Folter abgerungen hatten. Und wie stets, folgte der Inquisition die Macht des Täuschers. Oder vielleicht waren es auch die ganze Zeit seine Leute. Es schien, als habe einer seiner Kulte versucht, dort einen neuen schwarzen Mond aufzustoßen." Kurz hielt er inne und sah zu der wie apathisch wirkenden Anders hinunter, strich ihr beruhigend über die Wange.
"Die Magier sagten uns, wir sollten die Geister, die den Ort heim suchten durch magsiche Energien überladen. Auch wenn das alles zu diesem Ort auf dem Hügel übertragen wurde, wo sich der Riss aufgetan hatte... Gorix hat es schließlich beinahe mit dem Leben bezahlt. Sie haben ihn auf der Löwenburg zurück gelassen... Ach... als wenn ich davon wirklich etwas verstehen würde..."
Wieder wurde seine Stimme unsicher und er schluckte erneut schwer. Auf Jelena wirkte es, als ginge er im Geist an einen fernen Ort, und als würde er nur noch durch sie hindurch sehen... "Dann hörten wir in der Schwärze der Nacht seine Anrufungen. Die obszöne Freude weil sein Plan aufzugehen schien. Und wir griffen zu den Waffen und rannten hinaus. Stellten uns dem was da kam... Es war, als habe die Nacht selbst einen Dämonen geboren. Schwärzer als die Dunkelheit, eiskalt wie das ewige Eis und so heiß wie das Blut der Erde. Es warf uns zurück, schnitt unser Fleisch, verbrannte uns die Leiber. Einige, deren Glauben oder purer Willen stark genug waren, konnten es verletzen, andere konnten sich dem Ritual nähern und es schwächen. Lorainne kämpfte mal an meiner Seite, mal verlor ich sie aus den Augen, dann hörte ich ihre Stimme, wie sie zu Lavinia flehte und betete."
Seine Stimme wurde eindringlicher, hektischer, unmerklich erst, dann deutlich lauter. "Und dann verbrannte es mir die Hände, brannte sich in mich bis auf die Knochen und der Schmerz loderte in mir, als hätte man mich auf den Scheiterhaufen der Niederhölle geworfen. Ich konnte nichts mehr sehen, nichts mehr hören, außer meinen Schreien. Ich wurde weg geführt. Hinunter in unser Lazarett, in dem niemand mehr war. Ich kam auf einem Stuhl zu mir. Branwin… der Junge hatte einen bösen Schnitt in der Seite, bis tief in sein Leben hinein. Da war niemand außer uns. Ich musste ihm doch helfen. Und dann Sina... Bei den Göttern. Etwas hatte sich durch ihren Leib gebohrt und das Leben rann aus ihr heraus... ich konnte nicht einfach dabei stehen und nichts tun. Und Algonkin, dessen Wunde bis auf den Knochen reichte, und Enid, der es den Rücken zerrissen hatte... irgendwann versorgte Xadoran meine Hände..."
Tränen rannen seine Wangen hinab und er blickte auf seine Hände, auf denen nur noch ganz hauchzart die Narben zu sehen waren, als sei dieser Abend Jahre her, und nicht wenige Tage. "Jelena... sie war nicht im Lazarett, also war sie doch bei denen, die uns bewachten. Es konnte gar nicht anders sein. Ihr ging es doch gut. Ganz bestimmt sogar." Seine Augen suchten die ihren und fanden sie und da war nichts, was ihn an diesen Ort und diese Zeit zu binden schien. Er war ganz an diesem Ort angelangt, wo man sie ihnen allen fortgerissen hatte...
"Und dann wurde die Frage laut, ob jemand Lorainne gesehen hatte. Sie war nicht bei uns im Lazarett, sie war nicht bei der Wache... und dann stürmten einige hinaus und... und... Ich wusste es nicht Jelena. ICH WUSSTE ES NICHT!" Nun war er wieder da und sah sie an als wären die Häscher hinter ihm her... "Sie ist auf dem Schlachtfeld verblutet. Ich wusste es doch nicht... ich wusste es nicht... Ich... ich habe sie im Stich gelassen... oder nicht? So muss es wohl sein..." Im schein der Kerzen schimmerte und funkelte die Distel an seinem Barett, welche so lange den Wappenrock Lorainnes geziert hatte... Und Berengar sah Jelena an und schien innerlich zu fallen... tiefer und immer tiefer...
Anders:
Die Kenderin hob den Kopf. Sie kannte... diese Tonlage. Sie kannte diese Geräusche. Sie drangen klar durch den Nebel der sie zu umgeben schien auch wenn sie nicht genau wusste um was es ging wusste sie was diese Geräusche bedeuteten.
Jemand ging verloren... jemand ging an einen Ort an den man ihn nicht mehr erreichen konnte.
Das durfte nicht passieren!
Sie konnte nicht noch jemanden verlieren! Ihr Herz begann zu rasen. Nicht noch jemanden, nicht noch jemanden, nicht noch jemanden.
Jemand brauchte Hilfe. Jetzt!
Kurz schien es als würden ihre Augen einen Moment aufklaren, erfassen was gerade passierte und wo sie sich befand. Ihre Finger lösten sich aus dem Stoff in den sie sich gekrallt hatten, fuhren den Ärmel hinab und griffen nach Berengars Hand. Hoffentlich war er noch nicht zu tief in der Dunkelheit. Ihre Finger verschränkten sich mit den seinen und sie drückte zu.
//Komm zurück! Sofort. Geh da nicht hin... Bitte... geh da nicht hin. Geh nicht....Geh nicht!//
Sie wollte es sagen... aber nichts kam heraus.
Also blieb sie stumm, starrte den Ritter ängstlich an und versuchte ihn irgendwie festzuhalten. Dabei bewegte er sich gar nicht von der Stelle.
Jelena:
Jelena hörte einfach nur zu, ohne ihn zu unterbrechen.
Ihr Herz blutete, als sie Berengar zuhörte. Sie kannte sie, diese knochentiefe Panik, diese unerwartete Verantwortung für andere, dieser Zwang alles zu geben. Denn wie könnte man mit dem Wissen leben, dass man jemanden hätte retten können und nicht alles gegeben hatte?
Sie nahm seine freie Hand in ihre und zog ihn sanft zu den Stühlen vor dem Kamin, um dort Platz zu nehmen.
Sie wartete bis er seine Erzählung beendet hatte und sich sein gehetzter Blick zu ihrem hob.
Ihr Blick war offen, die graublauen Augen voller Mitgefühl, aber keineswegs Mitleid. Sie strahlte diese Ruhe in den Raum aus, bis er auf die anderen überzugehen schien.
"Es war nicht deine Schuld."
Berengar von Thurstein:
Als er wieder ganz zu sich kam saß er auf einem der Stühle, Anders Finger in die seinen verschränkt und Jelena, die ihm in die Augen blickte und ihm sagte, es sei nicht seien Schuld gewesen... "Ich weis nicht was ich hätte tun können... vielleicht gar nichts. Vielleicht auch doch. Ich werde es nie erfahren. Es ist nun, wie es ist..." Er holte Anders in eine Umarmung und hielt sie fest. Und auch Jelenas Hand lies er nicht los.
"Algonkin trug sie zu uns zurück und legte sie auf einen Tisch, der an eben jener Stelle stand, wo vor Jahren ihre Insignien der Ritterwürde auf ihren Ritterschlag gewartet hatten... ein geschlossener Kreis... Da lag sie nun, so nah... und für immer so weit fort." Er drückte die Finger der Heilerin sacht und sah ihr wieder fest in die Augen. "Es tut mir leid, Jelena. Mehr als ich je in Worte fassen könnte. Es tut mir leid..."
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