Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium

La Follye, 267 n.J.

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Vanion:
Er fühlte sich so nutzlos. Um ihn herum waren alle mit ihrer Trauer beschäftigt, und auch er selbst spürte das Loch, das Lorainnes Tod gerissen hatte. Aber gleichzeitig war es, als würde er als Unbeteiligter auf die Szenerie blicken, die sich ihm bot.

Er wusste genau, dass er weder Berengar noch einem der anderen, die dort gewesen waren, eine Schuld zusprechen konnte. Aber er wusste auch, was er selbst getan hätte, hätte er Lorainne fallen sehen. Er wäre dort geblieben. Er hätte bis zu seinem letzten Atemzug über ihrem Körper gestanden, so, wie sie es für ihn getan hätte. Wie oft hatte er sein eigenes Leben hintenangestellt, wenn sie in Bedrängnis gewesen war? Wie oft hatte sie sich erneut in den Kampf gestürzt, ihre Wunden nicht achten, wenn er selbst am Boden gelegen hatte? Mochte er sie gehasst haben dafür, dass er sich wegen ihr zwischen seinem Onkel und seinem Eid hatte entscheiden müssen. Mochte sie ihn gehasst haben dafür, dass er den Eid gebrochen hatte, dass er ein Roquefort war - sie hatten einander geliebt. Familie.

Auch Simon gehörte zu ihrer Familie. War wie ein Vater für sie.
Und er schämte sich, dass er an den alten Chevalier de Bourvis kaum einen Gedanken verschwendet hatte. Wie es ihm wohl geht? Gewiss weiß er es bereits, warum ist er nicht hier?

Die Worte, die sie alle sprachen, dienten nur dazu, einander zu beruhigen, Trost zu spenden, und er wusste genau, er sollte sich anschließen. Sollte für Anders da sein. Aber sie ruhte in Berengars Armen, und wie er ihr Wärme gab, gab sie ihm Wärme. Jelena trug die Nachricht mit Fassung, und der Ritter rechnete es ihr hoch an, dass sie stark war.

Hier gab es nichts für ihn zu tun, und alles, was er sagen könnte, war schon gesagt worden. Und so machte er sich auf, und bedeutete Arienne, ihm zu folgen. Es gab noch etwas, was noch nicht gesprochen worden war, und nun war die Zeit dafür.

Isabeau Lioncoeur:
Das Abendessen wurde aufgetragen und Isabeau nahm es in ihrem Zimmer ein. Der Lärm von Gesprächen und Liedern war hörbar, gedämpft durch die Dielen und bekräftigten ihre Entscheidung sich noch nicht zu zeigen.
Die anderen sollten sich durch sie nicht gezwungen fühlen ihre Gefühle zu unterdrücken.
Nach dem Essen begab sie sich früh zu Bett, die Reise noch in den Knochen.

Mitten in der Nacht verließ sie das Bett und wickelte sich in eine Decke, bevor sie sich an ihren Mägden vorbei schlich und langsam nach unten ging. Es war ruhig, alle waren schlafen gegangen um Kraft für den morgigen Tag zu sammeln. Sie betrat den Raum in dem Lorainne aufgebahrt war und schritt langsam auf sie zu.
"Bonne nuit, Lorainne. Je suis désolé je suis en retard..."
Sie nahm einen Stuhl und setzte sich zu ihr, griff nach ihrer Hand, eiskalt und steif durch den Zauber der auf ihr lag.
"Oh Lorainne, pourquoi? Tu tête de mule! Pourquoi ne m'as-tu pas écouté?"
Tränen liefen ihr über das Gesicht und sie wischte sie mit dem Ärmel weg. Jetzt, wo sie alleine war, konnte sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen, musste keine Fassade aufrecht erhalten, durfte einfach nur sie selbst sein.
Sie hatte noch keine Einzelheiten erfahren, aber das konnte auch warten. Wut, Entsetzen, Rache... alles das würde im Lichte Alamars seinen Platz haben, aber jetzt, mitten in der Nacht, jetzt konnte sie trauern und verzweifelt sein.

Vanion:
Das Essen, das Fulk hatte auftragen lassen, hatte er nicht mit seiner Anwesenheit geehrt.

Stattdessen war Vanion gemeinsam mit Arienne zu Lorainnes aufgebahrtem Leichnam zurückgekehrt, und dort hatte er Worte gesprochen, einen Eid geleistet, den allein die tote Tochter von La Follye und die junge Tochter von Mühlenbruch bezeugt hatten.

Dann hatte er Arienne geschickt, sich zu stärken und ihn zu entschuldigen. Er würde wachen, diese letzte Nacht an Lorainnes Seite verbringen, und der Zeiten gedenken, die die Götter ihnen beiden auf dieser Welt geschenkt hatten.

Vanion sah zu, wie Isabeau Abschied von ihrem Mündel nahm. Er machte nicht auf sich aufmerksam, sondern ließ ihr alle Zeit, die sie brauchte.

Doch ziemte es sich nicht, zu lauschen, und so schälte sich die Gestalt des Ritters aus der Ecke des Raumes, in der er an die Wand gelehnt gesessen hatte, als Isabeau sich aufrichtete. Sein Gesicht war gezeichnet von der späten Stunde, und man brauchte kein helles Licht, um zu erkennen, dass die letzten Stunden ihren Tribut gefordert hatten.

Isabeau Lioncoeur:
"Putain de merde!"
entfuhr es Isabeau als Vanion auf einmal aus den Schatten auftauchte und sie griff sich an die Brust. Offenbar hatte Vanion sie gut erschreckt.

Vanion:
"Pardonnez-moi, madame. Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu erschrecken. Doch wollte ich Euch auch nicht ... stören."

Er sah zu Lorainnes Leichnam, dann zurück zu der merklich erschrockenen Baronin. Er neigte respektvoll den Kopf und schlug die Augen nieder.
"Es tut mir so leid."

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