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Minas Heimreise

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gutemine:
Der Morgen dämmerte und Mina erwachte, weil sie fror. Kalt war es geworden über Nacht, obwohl sie am Abend vorher noch ohne Mantel am Feuer hatten sitzen können. Vorsichtig richtete sie sich auf und blickte sich um. Alle schliefen noch. Kein Wunder, es war ja auch spät geworden. Beunruhigend waren die Nachrichten gewesen, die Enid und Svenja brachten. Und lange hatten sie darüber gesprochen, was zu tun wäre, wenn sich die Befürchtung oder Hoffnung - das kam ganz auf den Standpunkt an - bewahrheiten sollte, Atos endlich gefunden zu haben.

Doch Mina war nicht Teil dieser Pläne, sie würde nicht dabei sein. Sie hatte versprochen zu gehen. Und zwar jetzt.

Leise erhob sie sich und atmete tief die feuchtkalte Nebelluft ein.
"... ich bin ein klein wild Vögelein und mich kann niemand zwingen..." den ganzen Abend schon, war ihr dieses Lied im Kopf herum gegangen. Die Melodie ließ sie einfach nicht los. Das passierte häufiger, seit sie bewusst auf die Schwingungen, Klänge und das Gesumse der Welt um sie herum achtete...
Ja, niemand konnte sie zwingen. Und eigentlich hätte sie auch vor gehabt, heimlich der Reisegruppe zu folgen, um ihren Freunden, ihrer Familie nahe zu sein. Sie schloss die Augen und dachte an das Lavinia-Spital. An Roberts Tod... und wie sie nur mit Mühe Kydora davon abhalten konnte, sich in blindem Hass auf Atos zu stürzen und ihr Leben sinnlos zu verschwenden. Wer würde sie diesmal daran hindern?

Vorsichtig rollte Mina ihre Decken zusammen. Wäre sie überhaupt die Richtige für diese Aufgabe? Sie dachte daran, wie viel sie gelernt hatte im letzten Jahr. An Pandor und wie lange sie es geschafft hatte, dem Angstzauber zu widerstehen; wie gut sie sich in der Meditation fokussieren und dabei bewusst andere an die Hand nehmen und Emotionen lenken konnte. So hatte sie es geschafft der Wächterin des Wassers Gefühle nahe zu bringen. Und dass sich die Butterpäckchen in ihrem Kopf immer mehr sortierten. Ja, sie hatte gelernt. Aber war es genug?
Fröstelnd dachte sie an Maugrim und wie sie völlig naiv an seine Tür geklopft hatte, in der Hoffnung ihm irgendwie helfen zu können. Sie fühlte sich so gut vorbereitet. Aber es hatte nicht gereicht.
Und sie dachte an Kydoras Brief, dass Ardor Veränderungen in ihrem Gedächtnis gefunden hatte. Was, wenn sie so eine schlechte Empathin wäre, dass sie den Abgrund in der Seele ihrer besten Freundin schlichtweg übersehen hatte?

Mina blickte auf Sasha, die sich seufzend in ihren Fellen auf die andere Seite drehte, und spürte, dass diese bald erwachen würde. Sie musste sich beeilen.
Sasha... sie dachte an ihr Gespräch... bei Käse und Tee nachts im Zelt. "Du hörst doch auch immer auf dein Bauchgefühl" hatte Sasha gesagt, "und ich habe das Bauchgefühl, dass du besser nicht mitkommst." Mina hatte es getroffen wie ein Schlag in die Magengrube. War sie so unfähig, dass sie nur ein Klotz am Bein war? Mina schluckte. Nein, so zu denken war unfair. Schließlich sollte gerade sie mehr Achtung vor der Intuition anderer haben. Besonders vor Sashas. Und selbst wenn sich Sashas Bedenken als unberechtigt herausstellen sollten, sie hatte es ihr versprochen nicht mitzukommen. Und am Ende lief es darauf hinaus. Ganz egal, ob es für Mina selbst sinnvoll war oder nicht, der Respekt vor dem Wunsch der Person, die ihr am meisten bedeutete, gebot es, sich an das Versprechen zu halten. Das gehörte eben auch dazu, innerlich zu wachsen, besser zu werden.

Und sie hatte es Balerian versprochen. Im Grunde war das fast noch viel wichtiger. Darin lag ihre Zukunft und sie wollte ihn auf keinen Fall enttäuschen. Alles war ausgemacht. Sie würde jetzt zurück gehen, zur Taverne am Wegkreuz und dort arbeiten, bis er wieder kam.

Mit leisen Schritten entfernte sich Mina vom Lager ihrer Freunde. Die schon gefallenen Blätter raschelten kaum unter ihren Füßen, so feucht war das Laub vom Nebel.

gutemine:
Es wäre wohl eine Nacht wie viele andere Nächte zuvor auch gewesen in dem kleinen Herbergszimmer, das Mina bezogen hatte, wenn sich ihre Gedanken nicht ununterbrochen um ihre Freunde drehen würden.
Ihre Freunde, die vielleicht genau in diesem Augenblick den Kampf gegen Atos und seine untoten Truppen aufnehmen würden… von denen niemand so genau wusste, wie groß ihre Zahl nun wirklich war.

Immer wieder kamen ihr Sashas Worte in den Sinn: „Du hörst doch immer auf dein Bauchgefühl. Wärst du bereit, auch auf mein Bauchgefühl zu hören?“ Mit einem tiefen Seufzen kuschelte sich Mina tiefer unter die Decken und beobachtete den Mond, der durch das halb geöffnete Fenster in ihre Kammer schien. Ihr Lager war warm und weich und doch wälzte sie sich noch lange unruhig hin und her in der absoluten Überzeugung, dass sie in dieser Nacht kein Auge zu bekommen würde.

Und doch schien der Schlaf sie irgendwann übermannt zu haben, denn sie träumte:
 
Sie träumt von einem Raum mit hellen Wänden, ein seltsam diffuser Nebel hängt in der Luft und verschleiert die Sicht. Die Nebelschwaden ziehen ohne die Andeutung eines Windes an Mina vorbei. Sie sieht ein paar Möbel… ein Tisch und Bänke… keinerlei Fenster, die einen Blick nach draußen erlauben würden.

Linker Hand in etwas zehn Schritt Entfernung ist der Nebel besonders dich. Eine undurchdringliche wabernde Mauer, hinter der menschengroße Schemen zu erkennen sind. Sie bewegen sich unstet, leise… als verschlucke der Nebel jegliches Geräusch. Mina kneift die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Und da bemerkt sie die Aura.

Eine stinkende und faulige Aura, eine Aura von Tod und Verwesung. Sie ist überall, dringt ihr in Nase und Mund und lässt sie für einen kurzen Moment würgen, bevor sie die Kontrolle über ihren Körper wieder erlangen kann.

Atos – alles riecht nach ihm – fühlt sich nach ihm an. Überall um Mina herum.

Es ist, als wäre in diesem Traum alles offener und irgendwie direkter. Minas Schutzhütte scheint hier nicht zu existieren, genauso wenig wie der Keller. Sie hat das Gefühl, seine Aura mit ihren bloßen Händen berühren zu können.

Und es ist kalt. So kalt, dass Minas Atem vor dem Mund zu kleinen Wölkchen gefriert. Eine Kälte, die ihr in die Knochen zu kriechen scheint… unnatürlich kalt. Sie schlingt die Arme um ihren Oberkörper um sich warm zu halten, doch bevor sie sich dem eisigen Schauer, der ihre Wirbelsäule entlang kriecht, hingeben kann, ertönt ein Schrei und lässt sie aufschrecken.

Ein Schmerzensschrei.

Die Verzweiflung, die darin mitschwingt, vertreibt die Kälte schlagartig aus Minas Gliedern. Oder vielleicht wird sie auch nur egal… sie kann es nicht genau sagen. Ihr Herz schlägt schneller. Diese Stimme, selbst verzerrt durch Schmerz und Qual, kommt ihr sehr bekannt vor… zu bekannt.

Mina fährt herum, den Mund zu einem Schrei geöffnet, doch nur ein Flüstern verlässt ihre Kehle.
Keine fünf Schritte von ihr entfernt stehen zwei große Gestalten. Zuerst kann Mina sie gar nicht richtig fassen, als wäre da nichts, keine Gefühle oder Leben, nur schwarze Löcher.

Dann erkennt sie jedoch schemenhaft dunkle Plattenrüstungen. Die Gesichter sind hinter Helmen verborgen, doch Mina ist sich sicher, dass sie in ihnen nur leere Augenhöhlen finden würde. Genauso leer und tot wie ihre Auren. Todesritter. Sie halten eine Gestalt fest, die zwischen ihnen kniet. Ihre Kleidung mag wohl einmal hell gewesen sein, doch jetzt ist sie blutgetränkt und zerfetzt. Der Körper bedeckt von blutenden Wunden und schwärzlich verfärbten Verbrennungen, wie von extremer Kälte. Die blonden Haare sind rötlich von getrocknetem Blut, die Spitzen ihrer elfischen Ohren abgeschnitten.

Sasha.

Die Wolfselfe hält den Blick ihrer raubtierhaften Augen auf eine weitere Gestalt geheftet, die vor ihr steht, einen elegant geschwungen Dolch in der Hand, von dem frischen Blut langsam auf den Boden tropft.
Die Gestalt ist blond, schlank und trägt ein blau-weißes Gewand. Deutlich sind die spitzen Ohren zwischen den halblangen Haaren zu erkennen. Und während die Auren der beiden gepanzerten Gestalten sich eher anfühlen wie gähnende schwarze Abgründe, so ist die Aura dieser Elfe anders. In ihrem Inneren glimmt ein Licht, das jedoch von rankenähnlichen Gebilden, die sich um ihren Körper und gleichzeitig um ihre Seele winden, fast gänzlich verdeckt wird. Die Ranken zeigen alle Farben, die Mina je gesehen hat und gleichzeitig keine einzige.

Immer wenn sie versucht, sie genauer zu betrachten, verschwimmen sie vor Minas Augen und wechseln die Form. Die Gebilde fühlen sich nach Atos an…. sie SIND Atos. Und sie scheinen die helle und irgendwie hilflose Aura der Elfe zu durchdringen und sie immer mehr zu zerquetschen.

Im Hintergrund stehen vier weitere Todesritter, völlig bewegungslos, als wären es nur Rüstungen ohne einen Träger.

Die blonde Elfe tritt wieder auf Sasha zu, packt ihre Haare mit der linken Hand und hält sie fest, dreht den Dolch für einen Augenblick in ihrer Hand, den Kopf leicht schief gelegt, als würde sie überlegen.
Dann stößt sie zu, rammt der Wolfselfe das blanke Metall bis zum Heft in die Eingeweide, dreht ihn mit einem Ruck in der Wunde herum und reißt ihn wieder heraus. Mit einem erstickten Scherzlaut sackt Sasha in sich zusammen. Helles Blut spritzt auf den Boden, hätte die Elfe getroffen, wenn diese nicht rasch einen Schritt nach hinten gemacht hätte. Die Todesritter lassen die Wolfselfe los, sie krümmt sich auf dem unwirklichen Boden.

Nein! Sasha!

Mina will zu ihr, ihr helfen, irgendetwas tun! Doch sie kann sich nicht von der Stelle bewegen, sie ist wie festgewurzelt. Egal, wie sehr sie sich anstrengt, sie kann sich keinen Millimeter bewegen und immer noch verlässt kein Laut ihre Kehle. Das einzige, was ihr bleibt, ist hilflos mit anzusehen, wie das Leben aus dem Paladin sickert. Langsam und stetig. Wie ihre Aura schwächer wird, ebenso wie ihre Bewegungen.

Die Elfe lacht leise. Ein kalter, unwirklicher Laut. Es wirkt als würde dieser Laut nicht von ihr ausgehen, als würde jemand anderes lachen. Sie betrachtet Sasha mit einem interessierten und abschätzenden Blick, wie eine Beobachterin bei einem Experiment. Dann lässt sie sich neben der sterbenden Wolfselfe auf einem Knie nieder, berührt sie leicht am Kopf. Ein paar gemurmelte Worte in einer fremden Sprache, ein blaues Leuchten. Und Sasha keucht auf, hustet. Der Blutstrom versiegt gänzlich.

Was? Warum?
Einer der Todesritter zieht Sasha in eine kniende Position. Die Wunde hat sich fast völlig geschlossen, nur noch eine wütend rote Narbe beweist, dass sie einmal da gewesen war.
 
„Sie ist eine sehr gute Heilmagierin.“ Dieser Satz regt sich irgendwo in Minas Hinterkopf. Heiler. Magier. Elfe. Und dann diese Kälte…

Ninim…!!

Minas Eingeweide verkrampfen sich zu einem Knoten, als ihr klar wird, was das bedeutet. Die Frostelfe ist tatsächlich in der Gewalt des Lichs. Und nicht nur das, er bedient sich auch ihrer Fähigkeiten, und das erschreckend erfolgreich.

Rötliche, frische Narben von gerade erst verheilten Wunden auf dem Körper der Wolfselfe sprechen Bände… wahrscheinlich wurde sie schon seit Stunden von Ninim gefoltert und immer wieder geheilt.
Als Mina gerade anfangen will, alle ihr bekannten Götter und Naturgewalten anzurufen um herauszufinden, was dieser Traum wohl bedeuten soll, ändert sich die Szenerie schlagartig. Der Kopf der Elfe… Ninim… ruckt herum, sie starrt an Mina vorbei in den dichten Nebel mit den herumwandernden Schemen. Ein Auge ist hell, das andere schwarz. Ein kurzes, schneidendes Wort von ihr und die beiden Todesritter treten vor, lassen Sasha zurück, die ebenfalls unverwandt den Nebel fixiert. Auch die vier im Hintergrund verharrenden gepanzerten Untoten treten vor, die bewegen sich in völligem Gleichklang.

Mina dreht sich um und schaut mit zusammen gekniffenen Augen in den Nebel, in den Bewegung gekommen ist. Die wabernden Schlieren werden zerfetzt, die darin herumwandernden Schemen streben alle zu einem Punkt in der Mitte.

Und dann, ganz plötzlich, mit einem gewaltigen Stoß, fegt Mina eine Aura von den Beinen, rasend vor Wut und Feuer, einem flammenden Sturm gleich. Sie findet sich auf den Knien wieder, als einer der Schemen, nun deutlich als Untoter erkennbar, mit seltsam verdrehter Wirbelsäule aus dem Nebel geflogen kommt und mit einem klatschenden Geräusch vor ihr auf dem Boden landet, kleine Nebelfetzen hinter sich herziehend.
Und dahinter, mit seinem Kriegshammer Verwüstung unter den Untoten sähend, der Tormentor-Priester Maugrim.

Eine Welle der Erleichterung durchflutet Mina wie eine wärmende Woge. Sie ist sich nicht sicher, ob es wirklich ihre eigenen Gefühle sind oder die von Sasha, aber das ist ihr egal. Sie badet darin und lässt sich ganz von ihnen erfüllen.

Ninim wendet sich Maugrim zu, auf einen kurzen Wink von ihr treten die vier Todesritter an ihre Seite und erstarren direkt wieder.
 
„Sieh an, sieh an… das hätte ich nun nicht erwartet.“ Sie lächelt ein kaltes Lächeln, welches ihre Augen nicht erreicht. „Nun gut, dann sei es so.“

Mina beobachtet Maugrim. Die Masse an Untoten hat im scheinbar schon ziemlich zugesetzt, sein Atem geht schnell und er nutzt die kurze Pause um wieder etwas zu Kräften zu kommen. Sein Blick wandert zu Sasha, die entkräftet auf dem Boden kniet… und eine tief in ihm sitzende Wut regt sich, die Mina erschaudern lässt.
Dann passieren mehrere Dinge gleichzeitig.

Eine tiefe Stimme, die von überall her zu kommen scheint, ertönt, füllt für einen Moment Minas Geist aus und lässt einen faden Geschmack zurück.

„Dann töte sie eben beide. Jetzt!“

Ninim hebt den Arm und gibt den Todesrittern mit einer kurzen Handbewegung den Befehl zum Angriff. Und Maugrim zieht sich rasch einen Anhänger vom Hals, den er Ninim in einer schnellen Bewegung zuwirft. Die Frostelfte fängt den Anhänger in einer reflexartigen Bewegung auf und betrachtet ihn. Und für einen kurzen Augenblick scheinen die Ranken, die sich um ihren Körper winden zu erstarren, scheint ihre lichte elfische Aura darunter heller zu werden und die Ranken zu überstrahlen. Das musste Ninims Rudelfläschchen sein. Mit großen Augen starrt sie auf den kleinen Gegenstand in ihrer Hand und in diesem Augenblick ist sich Mina sicher, die richtige Ninim zu sehen. Die Ninim, die ihren Freunden besteht und sie heilt, die immer für andere da ist. Die zum Rudel gehört. Einige der Ranken erzittern und lösen sich in durchsichtigen Schwaden auf. Doch der Rest zieht sich nur umso enger um die Frostelfe.

Und dann ist der Augenblick so schnell auch wieder vorbei, wie die sechs Todesritter für einen ersten Angriff brauchen. Sie umreisen den Kriegspriester und dringen erbarmungslos auf ihn ein, Kampfmaschinen ohne die leiseste Rücksicht auf eigene Verluste.

Der Kampf ist schnell und brachial. Wuchtige Waffen treffen auf metallene Rüstungen, die sich kreischend verbiegen, der Boden wird aufgewühlt. Über den Kampflärm hinweg ertönen Maugrims Gebete an Tormentor. Er nutzt alle Fähigkeiten, die er sich im Laufe seiner Jahre als Priester einer Kriegsgottheit und als Mitglied der Valkensteiner Armee angeeignet hat, um die Angreifer auf Distanz zu halten. Doch sie sind in einer deutlichen Überzahlt… und sie haben jetzt gerade nur einen einzigen Zweck: ihn zu töten!

Gebannt starrt Mina auf den hin und her wogenden Kampf. Für einen kurzen Moment sieht es tatsächlich so aus, als hätte Maugrim eine Chance, doch er wird zusehends langsamer. Zwei der unbeseelten Kreaturen in ihren Rüstungen liegen schon zerschlagen auf dem zerwühlten Boden, als einem der Todesritter ein direkter Treffer gelingt, der Maugrim aus dem Takt bringt. Weitere Treffer folgen, lassen ihn immer mehr straucheln. Dann ein schneller schlag, gezielt auf seinen Waffenarm. Der Kriegshammer fällt mit einem lauten Poltern zu Boden. Die Frostelfe lacht hell auf, die Todesritter erstarren, wenden ihr ihre behelmten Köpfe zu.

Aus mehreren schweren Wunden blutend sackt der Kriegspriester auf die Knie, sein Atem geht rasselnd, der Blick ist voller Verzweiflung auf seine Seelenschwester gerichtet, die seinen Blick erwidert. Ninim steht neben ihr, eine Hand in Sashas Haaren, den blutigen Dolch an der Kehle der Wolfselfe gedrückt.

Die Szene scheint tausend Herzschläge zu dauern, sie hat Mina völlig in ihrem Bann. Sie bemerkt kaum, wie sich ihre Fingernägel in den lockeren Boden krallen, als sie versucht, sich irgendwo festzuhalten; mit offenem Mund erwartet sie den finalen Befehl.

Doch stattdessen fängt Maugrim abermals an zu beten. Seine vormals so verzweifelte und wütende Aura wird von fester Entschlossenheit abgelöst. Als hätte er seine Entscheidung getroffen. Eine endgültige….
Er betet zu Destrutep.

Seine tiefe Stimme ist fest und unerschütterlich, als er den kriegerischen Herrn des Feuers anruft. Sashas verzweifelter Aufschrei geht fast in seinem Gebet unter. Als wüsste sie, was er vor hat…. Was wüsste sie, was passieren wird….

Ninim runzelt die Stirn und beobachtet den Priester interessiert, die Todesritter warten immer noch auf ihren Befehl. Minas Bick wird wie von selbst zurück auf den Tormentor-Priester gezogen, der mittlerweile wieder auf beiden Beinen steht. Keine Spur von Kontrollverlust, wie Mina immer befürchtet hatte, geleitet wird er nur von seinem eisernen Willen. Es kommt ihr vor, als würde er von innen heraus leuchten, als würde ein Feuer in ihm brennen, das die Kälte von diesem Ort, die Kälte aus deinen Gliedern vertreibt.

Und doch, das angenehme Gefühl bleibt nicht lange bestehen, die Temperatur steigt stetig an, bis Mina nicht mehr Maugrim vor sich sieht, sondern nur noch loderndes Feuer. Die Zeit hat sie schon völlig vergessen, sie ist belanglos geworden. Mina könnte Sekunden da knien oder Jahre… es ist ihr gleichgültig.

Dann erreicht Maugrim mit immer lauter werdender Stimme den Höhepunkt des Gebetes….
… und die Welt um Mina wird in eine Meer aus Flammen getaucht. Das aufbrandende Feuer ist überall, rauscht tosend und fauchend durch den Raum um alles zu verzehren.

Mina verbrennt…. Und bleibt doch unversehrt. Sie schreit… sind das wirklich ihre eigenen Schreie?
Schmerzen, Verzweiflung, Wut… und Entschlossenheit.

Dann wird es dunkel.

Mina weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, bis sie die Augen wieder öffnet, doch das ist immer noch gleichgültig.

Es ist still.

Das Feuer ist vergangen, nur noch glimmende Stellen und die verbrannte Einrichtung zeugen von der zerstörerischen Kraft, die hier eben noch gewütet hat. Der Geruch von verbrannten Materialien liegt in der Luft. Und von verbranntem Fleisch. Von den Todesrittern ist nicht viel mehr übrig als mehrere Häufchen Asche und einige Rüstungsteile.

Ninim kniet mit völlig fassungslosem Gesichtsausdruck neben Sasha in einem fast schon komplett weggeschmolzenen Kreis aus Eis, die Hände noch immer zur Abwehr erhoben. Die letzten Fetzen der Ranken, die sich um ihren Körper und ihre Seele gewunden haben, lösen sich mit einem Knistern auf, bis auch die letzten Reste verschwunden sind. Weggebrannt. Und die leuchtende Aura bahnt sich langsam ihren Weg an die Oberfläche. Beide Elfen sind von den Flammen völlig unberührt geblieben.

Mit einem dumpfen Geräusch bricht Maugrim auf dem Boden zusammen.

„Nein! Maugrim!“ Die Stimme der Wolfselfe ist heiser vom vielen Schreien. Erstaunlich schnell ist sie bei ihm, lässt sich neben dem Kriegspriester auf die Knie fallen.
Plötzlich kommt es Mina so vor, als wäre sie Sasha, als würde sie Maugrim mit Sashas wölfischen Augen

Für einen Augenblick ist sie Sasha.

Angst, Verzweiflung, Panik….
Große Teile seines Körpers sind verbrannt. Doch am schlimmsten sind die inneren Verletzungen. Es ist, als wäre das Feuer aus ihm heraus gebrochen, hätte seine Organe als erstes verzehrt und zerstört. Der Atem des Kriegspriesters geht mühsam, als er sie mit einem noch intakten Auge fixiert.

Einsicht, Verstehen…
Mit einer unerschütterlichen Erkenntnis, die sich schmerzhaft in Sashas Eingeweide gräbt, wird ihr klar, dass Maugrim sich selbst geopfert hat. Um die Beherrschung, die auf Ninim lag, zu brechen.
Um sie zu retten…
Das Feuer hatte ihr nichts anhaben können. Maurgim hatte seine letzten Kräfte dazu genutzt, sie und Ninim davor zu schützen anstatt sich selbst. Die Eiswand der Frostelfe hatte ihr übriges getan.
Sie will ihn anschreien, dasss er hier bleiben muss, ihn anflehen, dass er sie nicht alleine lassen soll…

Verständnis, Akzeptanz…
Doch kein Ton kommt aus ihrer Kehle. Denn es ist seine Entscheidung gewesen. Ein schwaches Lächeln erscheint auf seinem halb verbrannten Gesicht. Als wäre er nur noch hier, um zu sehen, dass sie überlebt hat und in Sicherheit ist. Und ein letztes Mal spürt sie die Berührung seiner Seele, als er alle Schilde, die das Feuer überstanden haben, auf sie überträgt.
Ums sie noch ein letztes Mal zu schützen. Vor dem Unvermeidlichen.
Ein letzter rasselnder Atemzug, eine letzte Bewegung.

Dann stirbt Maugrim.
 
Der Todesschock, der die Wolfselfe über das Seelenband überflutet, der an ihr zerrt um sie mit in die Dunkelheit zu reißen, nur gelindert durch den Schutz, den Maugrim auf sie übertragen hat, katapultiert Mina wieder in ihren eigenen Körper zurück.
Vermutlich zu ihrem Glück…
Sashas Körper verkrampft sich, sie stößt ein hohen Jaulen aus, das sich anhört, als würde man einen Hund treten. Dann bricht sie neben Maugrim zusammen.
Mina bleibt nur, fassungslos auf das Geschehene zu starren, eine unwirkliche Leere in ihrem Inneren. Offensichtlich weint sie, denn nur undeutlich erkennt sie durch einen Schleier aus Tränen, wieder Nebel abermals zerreißt und eine größere Gruppe von Leuten mit panischen Rufen den Raum flutet. Minas Freunde.
Alles ist unwirklich, passiert wie in Zeitlupe… Mina hört Rufe, sieht Heiler, die sich sofort ans Werk machen, die Rufe werden panischer, die Bewegungen der Leute hektischer.
Dann ein hoher Klagelaut, wie nicht von dieser Welt.
Jelena.
 
Mina erwachte. Schweißgebadet schreckte sie von ihrem Lager auf, das Herz drohte aus ihrer Brust zu springen und nur mühsam bekam sie ihre Atmung in den Griff. Mit zitternden Händen zog sie fahrig ihre Bettdecke glatt, nur um eine vertraute Bewegung zu machen.
Und dann wartete sie auf das Gefühl der Erleichterung, wie es einen nach einem bösen Traum überkommt, wenn man erwacht und merkt, dass das Erlebte gar nicht wahr ist.
Doch so sehr sie es sich wünschte…. dieses Gefühl stellte sich nicht ein. Und mit einer schmerzhaft deutlichen Erkenntnis wurde Mina klar:

Das war kein Traum.
 
 

gutemine:
Mina versuchte zu atmen, aber es ging nicht. Die Kehle war wie zugeschnürt, die Lungen wie verbrannt... auch wenn sie wusste, dass das nicht sein konnte. Hektisch riss sie die Fensterläden auf, um die kühle Nachtluft einzuatmen... sie hustete... das reichte nicht. Panisch ging sie an, ihre paar Habseligkeiten in einem Bündel zu verschnüren. Ihre Hände zitterten. So langsam wurde ihr übel. “Ich muss hier raus” Schwankend stolperte sie die Holztreppe der Herberge  hinunter. Unten im Schankraum war das Feuer fast erloschen. Kalter Rauch hing in der Luft. Mina musste würgen. Sie stürzte aus der Tür und erbrach sich auf den Stufen des Gasthauses.

Sie zweifelte so oft selbst an ihrem Verstand, aber diesmal nicht. Es hatte keinen Sinn, zu hinterfragen, ob sie nicht vielleicht doch geträumt hätte. Nein, es war Wirklichkeit gewesen. Und nicht nur wirklich auf einer anderen Ebene, wie damals, als Sasha sie in der Meditation herausgefordert hat und Maugrim am Ende eingreifen musste.. Maugrim... alles zog sich zusammen... Mina rappelte sich auf und fing an zu laufen. Sie konnte jetzt keinen anderen Menschen ertragen, sie musste allein sein, nur mit ihren eigenen Gefühlen. Sie überquerte die Dorfstraße und rannte in den Wald hinein, immer tiefer ... es war dunkel, nur wenige Sterne ließen erahnen, wo sich vielleicht ein Wildpfad befand, dem sie folgen konnte. Ihre Haare verfingen sich in den Zweigen, der Mantel riss an einem Dornenbusch und wie immer stolperte sie irgendwann über ihren verfluchten Rocksaum und schlug sich das Knie auf... der Schmerz tat gut. Er lenkte sie von diesem Hämmern in ihrem Kopf ab.

Sie wusste nicht wie lang sie gegangen war, aber so langsam wurde der Wald dämmrig. Mina hatte keine Ahnung, wo sie sich befand, aber das war auch egal. Sie kam an einen kleinen Wildbach und wusch sich das Gesicht. Das Wasser war eiskalt und klar. Sie füllte ihren Wasserschlauch  und sah sich um. Der Bach schien im Frühjahr öfter Hochwasser zu führen. Einige Meter weiter stand an seinem Ufer eine mächtige Buche, deren Wurzelwerk die Flut fast zur Hälfte frei gespült hatte. Mina kroch in diese Höhle aus Lehmboden und Wurzeln, zog den Mantel eng um sich zusammen und warte darauf, das es Tag wurde.

Bloß nicht schlafen.... nicht denken... am besten auch nicht fühlen

Mina begann zu summen und machte sich langsam auf in ihren Keller...

gutemine:
Sie atmete ein und atmete aus... feuchte, erdige Luft füllte ihre Lungen als sie langsam hinüber glitt in ihre Halle, die eigentlich ein Wald ist, jener Wald in dem sie erst vor wenigen Tagen mit Maeve auf dem Boden gesessen hatte, und gemeinsam ihre Gefühle der vergangenen Stunden heraufbeschworen hatte. Da war er noch grün und voller Blumen und Vögel gewesen. Jetzt sah es hier aus wie nach einem Waldbrand. Mina schmeckte die bittere Luft und konzentrierte sich auf den Kellereingang. So wie es hier aussah, machte es keinen Sinn zur Hütte zu gehen. Mina schleppte sich durch die verwüstete Halle und öffnete mit letzter Kraft den Eingang zu einem langen Gang, ihre Galerie, wie sie ihn liebevoll nannte.

Aus dem Wald betrat sie nun eine große lange steinerne Halle. Weit oben drang durch runde Bögen das dämmerige Licht eines längst vergangenen Tages und beleuchtete eine schier endlose Galerie riesiger Bilder, meist überlebensgroße Porträts, wie sie vielleicht in der Ahnengalerie uralter Schlösser zu finden sein mögen. Hier bewahrte Mina die Orte, aber vor allem die Personen, die ihr wichtig waren, auf. Da war das Bild eines vierseitigen Hofes aus grob behauen Steinen, der sich am Ufer eines kleinen Flüsschens gegen einen Bergkamm drückte... der Gasthof ihrer Eltern... das Porträt eines kräftigen Mannes in den Vierzigern mit wettergegerbtem Gesicht und schon silbernen Schläfen, der aus dunklen Augen liebevoll auf sie herabblickte.. ihr Vater. 

Weitere Bilder folgten. Ihre Stiefmutter.. Jontev... an seinem Bild ging Mina schnell vorbei, sie wollte nicht sehen, dass es mittlerweile schon ziemlich verblasst war. Da war Minas Freundin Kathinka und dann kam auch schon Kydora. Als sie es das letzte mal aufmerksam betrachtet hatte, saß da eine schweigsame Frau in grün brauner Kleidung auf einen Schamanenstab gestützt am Feuer. Jetzt lächelte ihre Freundin sie an, immer noch Farbe im Gesicht aber mit graublauem Rock und Federn im Haar. Eine Hand lag auf ihrer Schulter. Wem sie gehörte, war nicht genau auszumachen, aber Mina war doch ziemlich sicher, dass es Roberts Hand war. Seufzend ging Mina weiter.

Vorbei an Anders und Stella, Lorainne und Vanion. Vor Vanions Bild stutzte sie kurz... Vanion saß auf einem Stein, mit grüner Gugel und braunem Hut und polierte seine Axt. Das Bild schien sich nicht verändert zu haben, merkwürdig. Mina ging weiter. Da war Yorik... dann Merle und Kaleb und weitere... Mina brachte kaum die Konzentration auf weiter zu gehen, aber weit konnte es nicht mehr sein... bis zu den Bildern, die sie im Moment am heißesten ersehnte und auch am meisten fürchtete... da war es: es zeigte praktisch nur ein Gesicht: große, raubtierhafte Augen blickten sie an. Sie schienen zu lächeln und blickten doch stechend scharf in ihr Innerstes. Sasha.
Weiteratmen... ein und aus... bloß nicht denken... erstrecht nicht fühlen... weiter gehen....

Mina lief los und nur kurz erreichte Maugrims Porträt ihr Blickfeld. Ursprünglich hatte es viel weiter vorn in der Galerie gegangen. Aber irgendwann war es neben Sashas gewandert, Kassos zu seiner rechten. Mina begann zu rennen... vorbei an Eolan, von dem sie gern gewusst hätte ob er noch da war oder schon zu Balerian geworden war, vorbei an Falk und Klara... und dort hinten war die Galerie auch schon zu Ende. Auf einem der letzten Bilder prostete Mäh mit ihrem großen runden blauen Kelch ihr zu. Mina hastete atemlos durch den Türbogen. Eine Hand am Handlauf, die andere an den Mittelpfeiler gelegt, ging es auf festen Stufen eine Wendeltreppe hinunter. Immer tiefer und tiefer. Mina schloss die Augen und ließ sich leiten.

Er stand immer noch da, die Arme verschränkt, eine Augenbraue hochgezogen, als wolle er sagen: „Los, spucks aus, Mina!“

Tränenblind stolperte sie in den Raum der sich plötzlich vor ihr öffnete. Er wurde von einem großen Kamin erhellt, in dem ein warmes Feuer prasselte. Erstaunt stellte Mina fest, dass es Wärme und Geborgenheit spendete, alles war gut. Die Bache lag vor dem Kamin und schlief. Sie schien erschöpft zu sein. Neben ihr stand diesmal ein großer, gemütlicher Sessel mit einer Decke aus Schaffellen. Mina ließ sich zitternd nieder und kuschelte sich ein. Mit einem Blick zurück vergewisserte sie sich, dass die Tür verschwunden war.

Hier war sie jetzt sicher. Niemand konnte sie finden und niemand konnte ihr weh tun. Außer dem Schmerz, den sie selbst mit hier hinein gebracht hatte.

gutemine:
Minas Gedanken wanderten weit zurück. Bilder tauchten vor ihrem inneren Auge auf und gingen... manche blieben unscharf, manche waren so stechend klar, dass es fast weh tat.
Georgsweiler taucht auf... Kassos.. wie Maugrim und Sasha ihn festhielte.
Emotional hatte sie das, was da passierte, völlig unvorbereitet von den Füßen gerissen ohne dass sie damals auch nur annähernd hätte ahnen können, warum...


Das Fest der Grenzen, als Kydoras und Stellas Lebensband getrennt wurde. Kydora fühlte sich so furchtbar ... ihre Einsamkeit war kaum zu ertragen. Und niemand hat es gemerkt!
Der Nachhall dieser Empfindung war immer noch so stark, dass es ihr den Magen zusammen zog.
Damals hatte Sasha sie angesprochen, sie hatte gesehen, wie sehr Mina mitlitt und Mina war nicht weggelaufen. Sie folgte ihr, um sich endlich helfen zu lassen. Denn der Schock von Tiefensee, als sie zum ersten Mal die Inquisition getroffen hatten, saß immer noch tief. Ihre Vergesslichkeit nahm immer mehr zu, sie hatte Jontev die Treue gebrochen. Es wurde Zeit.

Die Bilder wirbelten in Minas Kopf weiter und plötzlich fand sie sich auf der Lichtung wieder, der Abend an dem Sasha sie mit ihren eigenen Ängsten konfrontiert und ihre Ausbildung begonnen hatte. Was hatte sie noch gesagt?

„Es gibt Techniken, mit denen du deine Fähigkeiten kontrollieren kannst. Einen Teil davon kann ich dir beibringen, einen anderen Teil wirst du selbst finden müssen. Dies ist ein Teil von dir und nicht von mir.”

Ein Teil von dir... die Worte hallten wie ein Echo in Minas Kopf... aber nein, jetzt nicht! Erst wollte sie sich erinnern.

Dieser Abend auf der Lichtung, der große tiefschwarze Wolf, der sich schützend vor den weißen gestellt hatte als Mina wütend wurde... ja, das war immer schon so gewesen. Mina wäre niemals auf die Idee gekommen, dass es irgendwann nicht mehr so sein könnte.

Sie dachte an den Abend zurück, als sie zum ersten Mal von Destrutep gehört hatte... die Sorgen, die sie sich gemacht hatten, nachdem Maugrim die Räuber verbrannt und seinen Hammer eingeschmolzen hatte als Sasha bei Gorix Hochzeit vergiftet danieder lag... sein Ausraster beim Frühlingsfest der Äxte... die Gegenmaßnahmen, die sie sich überlegt hatten.... Mina war dabei gewesen, als Kadegar die Notbremse gebaut hatte, sie selbst hatte zum ersten Mal in ihrem Leben jemanden aufgeschnitten und Mithril in Maugrims Schulterblatt gegossen, damit er die Verbindung zum Rudel nicht einfach entfernen konnte. Und sie hatte in Weißenthurm im Tempel gesehen, wie hart Maugrim daran gearbeitet hatte, diese Kraft zu kontrollieren. Es hatte funktioniert und doch hatte Mina immer noch entsetzliche Angst davor... wie am Schwarzen Mond, als sie fest davon überzeugt war, dass sie alle brennen werden... jetzt kam es ihr wie ein böses Omen, eine dunkle Vorahnung vor.
„Gewöhn dich dran” hatte Sasha gesagt. Wie bitter... Nein, daran würde sie sich niemals gewöhnen. Jetzt erstrecht nicht mehr. Sie war sich sicher, dass sie selbst niemals auch nur einen Feuerfinger-Zauber zustande bringen würde.

Immer wieder tauchten die Bilder aus der Vision vor ihrem Auge auf, so eindringlich...  In den Gestank von geronnen Blut, Tot und Verwesung mischte sich immer wieder der von verbranntem Fleisch... Überall war Blut, Sasha... mit abgeschritten Ohren und herausgerissenen Fangzähnen, ein Schatten ihrer selbst.... Wie es ihr wohl jetzt ginge? Sie musste furchtbar geschwächt sein. Sie hatte viel Blut verloren. Unwillkürlich griff Mina nach dem Armband aus Hämatit in ihrer Tasche, als wolle sie sich daran festhalten. Ja. Das waren alles Dinge, die man heilen konnte, wo sogar sie etwas hätte tun können. Viel schlimmer waren die Verletzungen der Seele. Sie hatten oft darüber spekuliert, was wohl passieren würde, wenn einer das Seelenband verließe, aber irgendwie war der Gedanke so ungeheuerlich gewesen, dass niemand fähig war, ihn wirklich zu Ende denken zu wollen.
Und doch war es jetzt so. Maugrim war gegangen. Er hatte ein letztes Mal seine Kraft eingesetzt, um Sasha und auch Ninim zu schützen. Mina wollte gar nicht wissen, was das für Sasha bedeutete, der Gedanke paralysierte sie förmlich. Es würde nichts wieder wie vorher sein... würde überhaupt noch etwas sein?

Und plötzlich schlugen sie wie eine riesige Welle über ihr zusammen und rissen Mina fort... ihre eigenen Emotionen. Die Angst vor der entsetzlichen Macht des Feuers, die unendliche Trauer um Maugrim, die Angst um Sasha, dass sie diese vielleicht auch noch verlieren könnte und ihre grenzenlose Hilflosigkeit, denn ihr war klar, dass sie nichts würde tun können um das irgendwie zum Guten wenden zu können. Um Mina wurde es dunkel.

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