collapse

Autor Thema: Das Wiedererwachen  (Gelesen 4561 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Noxius Armatura

  • Engonier
  • Drachentöter
  • ***
  • Beiträge: 1338
    • Ozzimandias der Schelm
Das Wiedererwachen
« am: 26. Jan 18, 11:36 »
Balthasar befestigte den letzten Riemen an dem alten Artefakt und zog noch einmal daran um die Festigkeit zu prüfen.
Fertig!
dachte er bei sich, als er das Konstrukt noch einmal in Augenschein nahm.
Er strich die Schülerrobe der Schattenwall glatt, die er verpflichtet war in der Akademie zu tragen und verlies den Raum in dem er an dem Artefakt gearbeitet hatte.
Es war bereits spät, die meisten Schüler waren entweder unter sich oder bereits in ihren Betten. So begegnete ihm niemand auf dem Weg zu den Türen hinter denen er noch vor wenigen Monden um seine Aufnahme an der Schattenwall verhandelt hatte.Er klopfte an die Türe, wartete einen gebührenden Augenblick und öffnete sie danach, um einen Blick in den Raum zu werfen.

Snorgad saß in seinem Stuhl und diskutierte mit seiner Stellvertreterin, Karona, die neben dem Tisch stand. Oh wie sehr Balthasar sie hasste. Er wusste, dass sie am längeren Hebel saß und sie war sich seines Hasses sehr wohl bewusst, was sie stets eher noch dazu bewegte, noch süßlicher zu lächeln und ihn zu grüßen, obgleich oder gerade weil sie genau wusste, dass dies seinen Zorn auf sie nur schürte.

Balthasar wollte gerade eine Entschuldigung murmeln und die Türe wieder schließen, da hoben die beiden die Köpfe.
Während Snorgads Gesicht von Gleichgültigkeit überzogen war, zauberte Balthasars Anwesenheit ein süffisantes Lächeln auf Karonas Lippen.

Kommt doch rein, Scolarius Balthasar. Wir waren ohnehin fertig hier.
Karona winkte ihm freundlich zu. Balthasar musste die Lippen zusammenpressen, um kein bissiges Kommentar zu erwidern und trat in den Raum. Karona verabschiedete sich unterdessen von Snorgad und verließ den Raum. Auf dem Weg nach draußen verabschiedete sie sich noch von Balthasar mit den Worten
Wir haben sicher noch später Gelegenheit, über eure neuen Aufgaben zu reden, die Ihr sicher genauso sehr lieben werdet wie eure letzte.
Balthasar entschied sich zu schweigen und ihr nur Blicke zuzuwerfen, die töten würden, wenn sie es könnten.
Karona hatte die Tür erreicht und zog diese hinter sich zu. Balthasar war wieder allein mit Snorgad. Er trat an den Tisch heran und legte das Artefakt auf die darauf liegenden Dokumente.

Ich bin fertig. Das Artefakte sollte in der Lage sein eine nicht-magische Person mit magischer Energie zu versorgen... Vorausgesetzt ihr habt einen geeigneten Fokus mit genug Kraft und eine Person, die diese Energie lenken kann.

Sollte Snorgad sich über Balthasars information freuen, ließ er es sich nicht anmerken. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, in der er einfach nur das Artefakt mit seinen augen fixierte. Dann griff er mit seiner behandschuhten Hand danach, schaute Balthasar kurz an, wendete das Artefakt mehrmals in den Händen um es kurz und scheinbar gelangweilt zu betrachten und es danach in eine Schublade seines Tisches zu stecken.

Schön. Ihr könnt dann zurück an eure Studien gehen, Scolarius

Wieder einmal hatte es der Akademieleiter geschafft Balthasars Selbstsicherheit aufzuweichen und ihn mit seiner ruhigen Art komplett zu verunsichern.

Umm.. und was habt ihr jetzt mit dem Artefakt vor? Wollt ihr es mir nicht erklären? Ich habe es schließlich für Euch umgebaut!

Nein. Ich werde es Euch nicht erklären. Ihr habt Euch mit diesem Artefakt den Zugang zur Akademie erkauft und damit eure Pflicht erfüllt. Und Ihr werdet es noch früh genug erfahren, wenn dieses Artefakt so funktioniert, wie Ihr behauptet. Es wird sich um alles weitere gekümmert werden. Nun geht.

Hätte Snorgad diesen Worten eine größere Emotion beigelegt, hätte es trotzig, spöttisch oder abweisend klingen können. Doch er schien eher gelangweilt. Balthasar war sich nicht sicher ob es die situation besser oder schlimmer für ihn machte.
Er musste sich beherrschen. Er wollte es sich nicht mit der Akademieleitung versauen, nachdem er bereits mit seiner Stellvertretung eine so ... innige Beziehung aufgebaut hatte.
Also nickte er nur kurz dem Weißhaarigen Mann zu und verließ den Raum schweigend.

Kaum hatte sich die Tür hinter Balthasar geschlossen schnappte ihr Schloss zu. Snorgad wollte einen Augenblick allein sein. Er zog das Artefakt wieder hervor und begutachtete es. Es brauchte keine Magie um zu erkennen, dass der Scolarius seine Arbeit gut und gewissenhaft erledigt hatte, jedoch wollte Snorgad wissen, ob das Artefakt wirklich konnte, was es versprach.



Etwas mehr als eine Stunde später ging Snorgad über die Flure der Schattenwall. Es war mittlerweile so spät (oder war es bereits so früh?), dass er weder Schülern noch Lehrpersonal begegnete. Er lenkte seine Schritte zum Labor für Transmutation, wo seit der Verschlechterung der Kondition des Magisters dessen Körper versteinert aufgebahrt lag. Es war an der Zeit dies zu ändern.
Hinter verschlossener Türe zog Snorgad das gegurtete Artefakt aus den Falten seiner Robe und legte es auf die Herzgegend des versteinerten Körpers.
Dann war der Moment gekommen:
Snorgad von Schattenwall legte eine Hand auf die Brust des Magisters und griff in das geflecht des Zaubers, der den Körper in Stasis versetzte. Seine behandschuhten Finger woben routiniert das Gefäß und füllte es mit den benötigten Komponenten, um den versteinerungszauber aufzuheben. Kurz bevor er das gefüllte Gefäß in die Zaubermatrix der Versteinerung einwob studierte er noch einmal die gequälten, versteinerten Gesichtszüge.
Bald ist es vorbei, alter Freund
Dann neutralisierte er die Versteinerung. Körper und Kleidung des Magisters im Schülerkörper des Scolarius Gartholos wurden wieder zu dem was sie waren, die Brust stemmte sich nur leicht gegen die aufliegende Hand des Akademieleiters und fiel dann zurück auf die Liege, immer noch bewusstlos, so wie er versteinert wurde. Von der versteinerung befreit, richtete Snorgad den leblosen Körper leicht auf, um die Gurtung des Artefakts zu festzuzurren. Anschließend legte er ihn wieder ab. Dann griff Snorgad mit der Hand in seinen Ärmel und zog einen Edelstein hervor, nicht größer als ein Daumenglied. Behutsam platzierte er ihn in der Apparatur auf der Brust des Magisters, die sich kaum merklich und ungleichmäßig hob und senkte.
Die krallenartigen greifer des Artefakts schnappten zu und packten den kleinen Kristall, beinahe wie begierig darauf ihr Werk zu verrichten. Die Basis des Artefakts begann zu leuchten. Was zuerst wie ein dumpfes brummen in der Luft lag, wurde mit jeder Sekunde intensiver bis selbst der Boden des Raumes anfing zu vibrieren. Unentwegt von der Kraft des magischen Edelsteins zehrend und in den geschwächten Körper des Magisters übertragend, bildeten sich feine, leuchtende Risse in der Haut des leblosen Magisters. Das Beben des Bodens schwoll weiter an und das Surren in der Luft wurde unerträglich. Snorgad war zwei schritte zurückgetreten, schien sich aber ansonsten nicht groß von dem Lärm beeindrucken zu lassen. Einige Tiegel und Flaschen fielen aus den Regalen an den wänden und zersprangen am Boden. Die Tür zum Labor wurde aufgerissen und Karona stürzte in Begleitung von zwei Wachen in den Raum. Natürlich hatte sie es mitbekommen, einer Hellsichtmagierin kann man nichts verheimlichen. Aber die Schutzmechanismen des Raumes schienen immer noch zu funktionieren, da bisher niemand sonst auf den Plan gerufen wurde. Karona presste ihre Hände auf die Ohren um nicht von dem Sonoren Brummen übermannt zu werden. Zu dem Brummen mischte sich der lange und laute, schmerzerfüllte Schrei, der dem Körper auf der Liege entglitt, während dieser innerlich zerrissen und wieder neu geformt wurde und ein knirschendes Geräusch von den Wänden als diese in ihrer eigenen Frequenz resonant anfingen zu vibrieren.
Dann, ganz plötzlich, Stille. Der Körper fiel zurück auf die Liege, das Vibrieren hörte genauso schlagartig auf. Nur das leichte, verbliebene Leuchten des Artefakts, die Unordnung im Raum und das schnelle, stoßweise aber flache Atmen des Körpers auf der Bare zeugten davon, was eben passiert war. Balthasar hätte vermutlich einiges dafür gegeben Karona so verstört und fassungslos zu sehen.

WAS hast du getan?
fuhr sie Snorgad wütend an. Dieser jedoch reagierte nicht auf sie.
An seiner Stelle antwortete ihr eine noch ziemlich schwache Stimme von der Liege:
Er hat uns den Arsch gerettet.
Die Gestalt setzte sich auf und hustete trocken. Dann schaute er an sich herab auf das Artefakt.
Und offenbar hat sich Hilfe geholt. Dieses Artefakt trägt nicht seine Aura.
Dann schaute er Karona an
und deine auch nicht.
Das junge Gesicht des Schülers war durch die lange Erkrankung und durch die erschöpfung scheinbar um jahre gealtert. Nichts was etwas Erholung und Zeit nicht heilen könnte, aber dennoch wirkte die Gestalt gerade fürchterlich alt, aber irgendwie auch erleichtert.

Snorgad ignorierte Karonas ausbruch, die sich bereits wieder gefasst hatte begann ihre vom Schlaf unordentlichen Haare wieder grob in Form zu bringen, und trat einen Schritt auf den wiedererwachten Magister zu.
Lass es langsam angehen. Du hast einige Zeit geschlafen. Erhol dich erst einmal, alles weitere klären wir später.
Willkommen zurück, alter Freund.