Die Gebiete in Caldrien > Das Fürstentum Middenfelz

Die Fehde zwischen Norngard und Salmar

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Tannjew:
Zwei weitere Tage folgte die Karawane der Reichsstraße, die über Middenheim nach Engonia führte, ehe sich die neuen Mitreisenden verabschiedeten. Tannjews kleiner Tross wandte sich nach Norden, um durch die Baronie Auenmark nach Norngard zu reisen.
Während sie, für Tannjews Empfinden viel zu langsam, voran kamen, betrachtete er nicht ganz ohne Neid das prächtige Umland, das von Naduria geküsst zu sein schien und hervorragend für die Land- und Viehwirtschaft geeignet war. Es blieb ihm unverständlich, dass die Answins, denen das Land gehörte, es vorzogen in Donnerheim zu leben. Gleichsam wunderte er sich wie es ihnen gelang, das Land und die Leute so im Griff zu haben, ohne in der Nähe verweilen zu müssen.

Sie verbrachten die Nacht zwischen den verfallenen Grundmauern dessen, was vom Gestüt Auenmark übrig geblieben war, ehe sie weiter zogen. Unruhe ergriff Tannjew, denn morgen am frühen Nachmittag schon würden sie in Georgsweiler eintreffen.

Tannjew:
Als sie in Georgsweiler ankamen bewahrheiteten sich Tannjews Befürchtungen. Die Dorfbewohner erkannten den Ritter auf Anhieb und rasch versammelte sich eine aufgebrachte Menge, die vom vergangenen Angriff auf ihr Dorf berichtete. Es kehrte erst Ruhe ein, als der stolze Minotaure und Schmied das Wort erhob und mit die Einzelheiten des Angriffs beschrieb. So erfuhr Tannjew, dass die Soldaten des Barons weiter nach Norden gezogen seien und Walter von Sangenwalde die Verfolgung aufgenommen hätte. Da sich Hiltwins Männer bereits einmal die Zähne an Georgsweiler ausgebissen hatten entschied er, dass er alsbald mit den drei Hütern aufbrechen würde. Herbrand dagegen sollte zum Schutze von Kehla und den anderen Norngardern hier bleiben.

Tannjew:
Für einen langen Abschied blieb keine Zeit. Als Tannjew in Begleitung von Vigour und den beiden anderenHütern aufbrach blickte er nochmal auf Georgsweiler zurück. Marie hatte die Verwundeten vor dem Brunnen versammelt und  kümmerte sich bereits um ihre Wehwehchen. Der minotaurische Schmied hatte nach dem Angriff zahlreiche Werkzeuge zu behelfsmäßigen Waffen  umgeschmiedet und Herbrand war dabei, die tauglichen Dorfbewohner in der Nutzung dieser "Waffen" zu üben. Varya hatte damit begonnen zwei mutige jungen Frauen am Bogen auszubilden, so wie sie es einst selbst im Tempel der roten Hirsche von den Nedra Priesterinnen gelernt hatte. Kehla und Anna, die Amme, beschäftigten die Kindern. Insbesondere die Märchen aus dem fernen Valkenstein hatten es den Kindern angetan.

Sie folgten der Straße nach Nordosten. Obwohl sie nun deutlich schneller voran kamen als die vergangenen Tage hatte er das Gefühl, dass sie sich nur schleppend Wallheim näherten, so sehr hatte er sich bereits an das Reisen auf der ausgebauten Reichsstraße gewöhnt. Fast war ihm der Zustand des maroden Weges, den die Norngarder eine Straße schimpften, gegenüber den Hütern peinlich. Doch dann fielen ihm wieder die Beschreibungen ein, die er von Robert McManahugh über dessen Heimat kannte. Valkenstein musste mit Ausnahme der Städte wie Weißenthurm und Celestia eine trostlose Einöde sein, gegenüber denen Norngard ein paradiesartiges Land sein musste.

Am frühen Nachmittag erreichten sie die Weggabelung. Obwohl er wusste, wohin sie nun mussten, zog Tannjew nochmal die Karte von Norngard hervor.
Ihm fiel auf, dass sie auf dem Weg hierher gar nicht den Weg wahrgenommen hatten, der zur alten Ruine im großen Forst zwischen Georgsweile und Wallheim führte. Wie überall in Engonien wuchsen die Kinder mit Geschichten über ihre Heimat auf. In Norngard kannten alle Kinder die zahllosen Geschichten über hinterhältige Feenwesen, die Menschenkinder entführten, Elfen aus dem Lorinan, die Bauern verwünschten und natürlich die gruseligen Geschichten von der verfluchten Burgruine im Forst.

Seine Grübelei wurde von Vigour unterbrochen.


"Herr, seht ihr euch die Rauchsäule im Norden?"

Tannjew:
Als sie Wallheim erreichten hing nur noch eine dünne Rauchfahne über dem Dorf und mit einer Mischung aus Erleichterung und Sorge erblickte Tannjew die bewaffneten Bauern neben Walter von Sangenwalde, der sich auf einer improvisierten Lanze abstützen musste, auf dem Wall.

Die Begrüßung fiel kurz und knapp aus. Tannjew wies die drei Hüter an die Wache zu übernehmen und begab sich mit Walter in die Taverne, das als eines der wenigen Gebäude im Ort einem Wunder gleich völlig von den Bränden verschont geblieben war und das notdürftige Lazarett darstellte. Als sie eintraten zeigte Tannjew den Verwundeten mit einem Zeichen, dass sie liegen bleiben sollten, dann setzte er sich mit Walter an einen der wenigen freien Tische und ließ sich von ihm bei einem kühlen Bier über das Geschehene aufklären.

Dieser berichtete,  dass vor knapp einer Woche ein Bursche aus Georgsweiler am Tore der Burg geklopft und von einem Angriff auf sein Dorf berichtet habe. Als Ritter blieb ihm, Walter, daher nichts anderes übrig als die verbliebene Burgwache zur Verteidigung der Burg zurück zu lassen und alleine los zu ziehen, um diese Schläger zur Rede zu stellen.

Auf dem Weg nach Georgsweiler kam er am Gasthaus zur Alten Schmiede vorbei und erfuhr, dass es auch hier einen gewaltsamen Vorfall gegeben hatte. Bewaffnete Männer seien dort eingekehrt und hätten Streit gesucht. Dabei hätten sie den Mundschenk Ordric, der sich abfällig über den Wein aus Salmar geäußert hatte, erst übel zusammen geschlagen und dann verschleppt.  Nach kurzer Befragung war Walter damals zu dem Schluss gekommen, dass es Soldaten aus Salmar gewesen sein mussten, da der Bauer das doch recht auffällige Wappen eindeutig beschreiben konnte.

Erst nachdem er auch vom Rest seiner Reise über Georgsweiler bis nach Wallheim erzählt hatte erläuterte Tannjew ihm den Grund, weshalb es zu diesem Angriff kam. Das Erstaunen auf dem Gesicht seines einstigen Rittervaters war groß, denn offensichtlich hatte sich die Neuigkeit über die Fehde nicht bis nach Norngard, dem Ziel dieser Fehde, durchgesprochen.

"Wenn die Fehde erst dann vorbei ist, wenn diese Hunde ein Dutzend Leben gefordert haben, wird deren… Recht… schon bald genüge getan worden sein," schnaufte Walter wütend, "denn bei ihrem Angriff auf Georgsweile gab es zehn Tote, darunter zwei Frauen und drei Kinder! Und wenn man den verschleppten Ordric dazu rechnet haben sie das Dutzend fast voll!"

"Vor dem Fürsten haben sie dieses Recht," erwiderte Tannjew resigniert, "aber das bedeutet nicht, dass wir es ihnen leicht machen müssen und uns nicht wehren dürften. Das Motto meines Hauses lautet non venandus sed venans, und getreu dem Motto werde ich nicht zulassen, dass man uns weiter jagt und selber die Jagd aufnehmen. Was macht dein Bein, kannst du mich, Vigour und seine Männer begleiten?"

"Was für eine Frage, das ist nur eine Fleischwunde! Wenn du einen Stier verletzt machst du ihn wild und tust gut daran sein Feld zu verlassen… und werde nicht umsonst der Bulle von Norngard genannt! Ich bin dabei!"

Eine Stunde später nahmen sie die Verfolgung auf.

Tannjew:
Vigour und die beiden anderen Hüter waren glücklicherweise ausgezeichnete Spurenleser, denn anderenfalls hätten die beiden Ritter bereits nach wenigen Stunden die gezielte Verfolgung aufgeben und auf ihr Glück hoffen müssen. So aber eilten sie ihren Führern hinterher und schwiegen.
Bei dem Tempo, das die drei vor gaben, wären Unterhaltungen eh schwierig gewesen - Tannjew merkte, dass er alt wurde und ein wenig bewunderte er die Willenskraft seines Rittervaters, der trotz der offensichtlichen Strapazen und Schmerzen nicht zurückfiel. Sie zogen immer weiter in Richtung Südwesten und erreichten bei Einbruch der Dämmerung den Waldrand.
Tannjew war sich nicht sicher, ob es noch ein Teil des Lorinan war oder ein bloß Ausläufer, der nicht zum Herrschaftsgebiet des schwarzen Satyr gehörte, der die Elfen des Lorinan aus ihrer einstigen Heimat vertrieben hatte.

Sie betraten den finsteren Wald und es dauerte eine Weile, bis Tannjew wieder etwas sehen konnte. Die dichten Wipfel der Bäume schirmten das fahle Licht des Vollmondes weitestgehend ab, so dass er davon ausging, dass die Gruppe sogleich ihr Lager aufschlagen würde. Die Hüter jedoch schritten weiter voran. Im Stillen zu Nedra betend, dass sie ihren Weg durch das dichte Unterholz sicher gestalten möge, folgte er ihnen und auch Walter bemühte sich Schritt zu halten.

Sie waren bereits eine ganze Weile durch die Dunkelheit geirrt und langsam gewöhnten sich seine Sinne an die Finsternis. Dennoch war er sich nicht sicher, ob die drei Hüter ein festes Ziel vor Augen hatten. Tannjew wollte zum Sprechen ansetzen, Vigour aber gab ihm ein Zeichen zu schweigen. Die Hüter zogen ihre Waffen und die beiden Ritter taten es ihnen nach.

Vigour deutete auf seine Ohren und wollte Tannjew scheinbar so fragen, ob er etwas gehört hatte. Tannjew deutete auf den Kauz, der über ihnen im Wipfel saß und eben noch Laut gegeben hatte, doch Vigour meinte offenbar etwas anderes. In dem Moment wurde er auch der Rufe gewahr, die aus der Dunkelheit vor ihnen herüber hallten.  Dann schlichen sie vorsichtig weiter.

Geduckt erreichten sie den Rand zu einer große Lichtung und die Männer brachten sich in Deckung. Walter zog zwischen die Luft ein und Vigours Hand griff nach dem Amulett mit dem Zeichen Tormentors. Das, was Tannjew auf der Lichtung erblickte, ließ sein steinernes Herz gefrieren.

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