Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium
Burg Goldbach (Herbst 268 n.J.)
Francois:
Eine Stunde später war der Hof grau-orange bevölkert. Auch von den Knechten und Mägden sowie anderen Bewohnern der Burg hatten sich einige eingefunden. Offenbar hatte sich herumgesprochen, dass es keine herkömmliche Musterung würde.
Die Rotten standen in Doppellinie nebeneinander, die Prima Plana auf ihren Positionen innerhalb der Formation.
Nur auf dem linken Flügel stand niemand von ihnen. Der Waibel stand vor der Truppe.
Er begrüsste „seine“ Leute, ließ einige Dinge der letzten Zeit Revue passieren und gab Verhaltensanweisungen für bestimmte Situationen, in welche die Gardisten in nächster Zeit kommen könnten.
Hiernach führten er und Reynard die Inspektion durch. Der eine oder andere fiel trotz der vielen Zeit, die zur Materialpflege zur Verfügung stand, noch immer auf. Sei es drum, das erleichtert die Diensteinteilungen...
Und dann folgte, worauf wahrscheinlich viele gewartet hatten. Francois zitierte die Gardistin Julienne vor die Front.
Lilac:
Julienne atmete einmal tief ein und wieder aus.
Dann schritt sie mit eiserner Miene nach vorne.
Francois:
Francois deutete ihr, neben ihm Aufstellung zu nehmen, damit sie die Truppe sah.
„Die Gardistin Julienne wird mit Ablauf dieser Woche aus unserer Garde ausscheiden. Sie hat in den letzten Jahren treu und tapfer für das Haus Goldbach gestanden und gekämpft. Jeder von uns, der mit ihr gedient hat, weiss, was er an ihr hatte. Wir werden sie nicht ganz verlieren, da sue einen Posten in einem anderen Bereich des Hauses Goldbach annimmt.“
Über die genauen Hintergründe dieser Massnahme verlor Francois kein Wort. Es tat nichts zur Sache und mit der Zeit würde es eh publik werden, oder auch nicht...
Er übergab Julienne ihre Ausmusterung. „Der restliche Sold wird bei Abgabe von Soldbrief und Soldmarke ausgezahlt. Ich erwarte die dazu in der Schreibstube. Vorher Wappenrock- und Ausrüstungsabgabe beim Waffenmeister.“
Dann wandte er sich an die Truppe.
„Zum Abschied unserer Kameradin: FOI JUSQU’AU...“ worauf die Garde mit einem lauthals „DERNIER!“ antwortete.
Er ließ Julienne in die Linie zurücktreten und die Rottmeister übernehmen. Diese richteten noch ein paar Worte an ihre Rotten, dann lichtete sich das Bild.
Lilac:
Julienne strich sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, als sie wieder an ihrem Platz stand.
Als sich die Gardisten verstreuten, kamen nicht wenige auf sie zu. Manche wollten wissen, warum sie aus der Garde ausschied, andere drückten sie einfach nur wortlos oder dankten für die gemeinsame Zeit und die durchstandenen Einsätze. Einige der neuen Gardisten reckten neugierig die Hälse, doch sagten nichts lautes. Es würde genug Geflüster geben.
Nesrine stellte sich neben Julienne und drückte ihre Hand. Dankbar blickte Julienne sie mit einem etwas verunglückten Lächeln an. Sie würden später reden. Juliennes offizieller Austritt aus der Garde könnte für die beiden Frauen einen Neuanfang bedeuten. Ohne Heimlichkeiten. Aber das würde sich zeigen.
Joscelin, Juliennes Schwester, die in der Küche arbeitete, kam herüber und raunte der Noch-Gardistin etwas ins Ohr. Diese nickte und umarmte die Küchenmagd. "Merci", sagte Julienne leise zu ihr. Joscelin machte eine zustimmtende Kopfbewegung und verschwand dann wieder. Auch Ciel, ihr älterer Bruder, der ebenfalls Gardist war, kam zu ihr und nahm sie in den Arm. Sie hatte sich mit Ciel von all ihren Geschwistern immer am besten verstanden, auch wenn er 14 Jahre älter war, als sie.
"Mes meilleurs vœux!", wünschte Ciel und Julienne kamen wieder die Tränen.
"Merci, ma frère.", sagte Julienne heiser.
Ciel drückte sie nochmal, zwinkerte Nesrine zu und begab sich dann zu seinen Garde-Freunden.
Julienne wimmelte alle ab, die nach den Gründen fragten. Doch als die kleine Amelíe zu ihr kam und sie fragte, ob sie Geburtstag hätte, hockte sie sich nieder und erklärte dem Mädchen, was da grade passiert war.
"Und warum bist du jetzt keine Gardistin mehr?", wollte Amelíe wissen.
"Weisst du Kleinös, isch bekommö einö neuö Aufgabö. Isch werdö in Zukunft mit den Greifvögäln arbeitön."
Amelíes Augen wurden groß. "Oh, das kannst du doch so gut! Das ist doch toll!"
Julienne schniefte und nickte. "Du 'ast völlisch Rescht, Amelíe. Das ist toll!"
Das Mädchen blickte ernst in Juliennes Gesicht.
"Aber warum weinst du dann?", fragte es.
"Tja, Veränderungön sind manschmal nischt ganz einfach. Isch war gernö in der Gardö. Isch werdö die Leutö vermissön und allös, was dazu ge'ört.", antwortete Julienne.
"Darfst du denn weiter auf Hexe reiten? Oder musst du die auch abgeben, wie deine Garde-Sachen?"
Julienne zuckte zusammen. Das war noch nicht konkret besprochen worden. Denn offiziell gehörte die Stute der Baronie, auch, wenn nur sie das Pferd wirklich reiten konnte.
"Wir werdön se'ön...", sagte Julienne vage.
"Ich fänd's doof, wenn du sie nicht mehr reiten dürftest!", sagte Amelíe und stemmte die Händchen in die Hüften.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, hopste das Kind davon...
Julienne richtete sich wieder auf. Sie hatte noch ein paar Tage Zeit. Und dann würde sie sehen, wie es weiterging...
Amelíe war in der Zeit losgelaufen und suchte den Weibel auf...
Francois:
Francois stand an einem der Küchenfenster und lies sich gerade einen Kaffee rausgeben. Er beobachtete das Treiben, welches nach dem Wegtreten entstand. Als er den laufenden Meter auf sich zukommen sah, verzog er kurz das Gesicht. Die Kleine war an sich ganz nett aber manchmal einfach anstrengend und altklug. Aber Gerüchten zufolge waren Kinder in dem Alter so... da er selbst keine hatte, konnte er das nicht weiter bestätigen.
Die Magd in der Küche musste sein Gesicht gesehen haben und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Die tut nichts, Sergeant. Die will nur spielen“
Die hochgezogene Augenbraue reichte ihr als Antwort.
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