Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche
Paeonia Symphonie - Geschichten in der 'Goldenen Nachtigall'
(1/1)
Kydora:
Anfang 269 n.J. - Uld
Von jetzt auf gleich schreckte Kydora aus dem Schlaf hoch und sah sich mit suchendem Blick in dem Zimmer um. Die Kerze auf der Kommode an der gegenüberliegenden Wand war schon lange heruntergebrannt.
Finsternis...
Eine kurze aber bestimmte Geste mit der Hand und ein sanftes schwaches Leuchten begann sich in der kleinen Glaskugel auf dem Tischchen neben ihrem Bett auszubreiten. Nicht genug um den Raum zu erhellen, aber ausreichend um einen wärmenden Fleck in der Dunkelheit zu bieten.
Ihre hin und her huschenden Gedanken beruhigten sich langsam...
Ein paar Augenblicke saß sie einfach dort und schaute gebannt das warme Leuchten an.
Die Finsternis war verdrängt. Doch das eigenartige Gefühl von Einsamkeit blieb.
Geschickt kletterte sie aus ihrem Bett und warf sich einen ihrer Umhänge über, bevor sie sich auf den Weg nach draußen in den Innenhof machte. Kalte und feuchte Luft schlug ihr entgegen. Es war die Zeit der frühen Stunden angebrochen. Zu früh für geschäftiges Treiben, zu spät um noch zur Nacht zu gelten. Fröstelnd zog die Silvanaja den Umhang enger um sich und starrte in den wolkenverhangenen Nachthimmel.
Immer hatte sie versucht für andere da zu sein, anderen zu helfen. Doch nun stand sie hier und nicht fähig dazu. Sie war unfähig zu helfen und wie so oft fühlte sie sich gelähmt. Der Wille mochte da sein, doch immer schien sie etwas zurück zu halten. Sie zu bremsen und zu hindern.
Die Stimmen in der Finsternis hatten Recht gehabt.
Einen leises Seufzen entfuhr ihr und hinterließ eine kleine Dampfwolke in der kalten Luft.
So vieles war zerbrochen. Nach und nach gingen Leute fort und stabile Säulen zerbröckelten.
Wieder machte sich dieses beklemmende Gefühl, das sie zu zerreißen drohte, in ihrem Brustkorb breit. Kydora ging in die Hocke, stützte sich mit einer Hand am kalten Boden ab und atmete bewusst ein und aus.
Ein...
...und aus.
Sachte richtete sie sich wieder auf, streckte den Rücken leicht durch. Vieles mochte zerbrochen sein. Doch wenn immer wieder etwas zerbrach, würde auch irgendwann einfach nichts mehr übrig sein, was noch kaputt gehen konnte.
Ihr Blick glitt zu dem Gebäude und einen kurzen Moment lang schloss sie die Augen. Es gab andere Aufgaben um die sie sich kümmern konnte. Und hier gab es auf jeden Fall genug zu tun. Immerhin musste sie sich schließlich um ihre Leute kümmern. Ein weiteres Seufzen entfuhr ihr und hinterließ erneut eine kleine Wolke in der kalten Luft, bevor sie die Augen wieder öffnete.
Schlaf würde sie heute ohnehin keinen mehr finden und so machte sich Kydora wieder auf den Weg nach drinnen in das Gebäude, um sich kurzerhand in ihr Arbeitszimmer zurück zu ziehen. Es gab einige Bücher und Papiere durchzugehen.
Kydora:
"Ich werde das nie richtig verstehen!" fluchte Kydora und schob das Buch genervt von sich fort. Ihre hastige Bewegung versetzte die Flammen der Kerzen in einen kurzen flackernden Tanz, ehe sie sich - ähnlich wie die Silvanaja - wieder beruhigten. Mit verschränkten Armen saß sie da und schaute auf die Papiere, welche um das Buch herum auf dem Tisch verstreut lagen.
"Nicht wenn Ihr Euch damit so sehr hetzt." kam es mit ruhiger Stimme von der Seite, was Kydora nur mit einem trockenen Lachen quittierte. Ihr Griff ging zu dem Tonkrug vor sich und sie nippte an dem süßen Honigwein.
"Ich möchte es aber möglichst schnell in Gänze verstehen, Adalia." sagte sie und ihre Finger spielten abwesend mit dem Tonkrug in ihren Händen.
"Ich möchte die Geschäfte, die Abläufe und alles was hiermit-" Kydora machte eine ausladende Geste. "-zu tun hat verstehen. Denn nur wenn ich etwas verstehe, kann ich mir brauchbare Gedanken machen, ob man etwas verbessern kann und wie man die vorhandene Stabilität halten kann."
Sie nahm einen weiteren Schluck und stellte den Tonkrug dann wieder zurück auf den Tisch.
Eine Weile blieb es still und nur das Knistern vom Feuer im Kamin war in dem Raum zu hören. Dann erhob sich die Schwarzhaarige zu Kydoras rechter Seite und ging langsam um den Tisch herum. Als sie diesen soweit umrundet hatte, dass sie gegenüber von Kydora stand, breitete Adalia die Arme leicht aus. "Nun, 'das alles' versteht man nicht, wenn man ausschließlich nur diese Bücher liest und sich darin verrennt sie um jeden Preis in der kürzmöglichsten Zeit zu verstehen." Sie faltete die Hände vor ihrem Körper ineinander. "Sicherlich stellen sie einen nicht zu vernachlässigenden Teil dar, die Basis des Ganzen, aber sie sind bei weitem nicht das einzige Wichtige dieses Etablissements." Die Frau beugte sich ein Stück vor und schob Kydora sachte das Buch wieder entgegen. "Seid nicht so ungeduldig mit Euch selber. Lernt die Grundlagen, versteht die Bücher und dann betrachtet Euer Geschäft ein weiteres Mal. Betrachtet es mit neu gewonnenen Perspektive." Ein sanftes Lächeln, das jedoch keinen Widerspruch zu dulden schien zeichnete sich auf Adalias Gesicht ab.
Seufzend griff Kydora nach dem Buch und zog es das letzte Stückchen näher zu sich heran. "Geduld ist nicht gerade etwas, das mir liegt..." sagte sie nur leise und begann lustlos ein paar Seiten umzublättern.
"Es muss Euch nicht liegen. Wichtig ist, dass Ihr es in den entscheidenen Momenten anwenden könnt." Die Schwarzhaarige griff nach einer Karaffe auf dem Tisch. "Ich werde uns noch etwas Wein holen, anders sind diese langweiligen Zahlen ohnehin nicht zu ertragen."
"Danke." erwiderte Kydora und sah ihr nach, wie sie den Raum verließ. Dann widmete sich die Silvanaja erneut dem Buch vor ihr. Grübelnd blätterte sie von einer Seite auf die Nächste und versuchte ein Gespür dafür zu bekommen, wie sich welche Dinge letztendlich auf welche Weise gegenseitig beeinflussten.
Kydora:
Mitte des dritten Mondes, 269 n.J. - Uld
Angenehme Düfte von Räucherwerk schwängerten die Luft des Raumes. Reges Treiben war an den Tischen und in den Separees, auch in den hinteren Zimmern war ebenfalls kein Stillstand, doch blieb dieser vor neugierigen Blicken verborgen.
Etwas Abseits an einem kleineren Tisch, saß Kydora und ließ den Blick nachdenklich schweifen. Um sie herum das blühende Leben, lachende Gesichter, Damen die auf den Schößen von Herren saßen und eine nette Unterhaltung boten.
Doch die Hausherrin berührte all dies kaum. Sie sah es, doch konnte es die Schatten in ihrem Inneren nicht vertreiben.
Sie seufzte und griff nach dem Becher mit Met. Ihre Gedanken schweiften zu einem vergangenen Abend. Einen wo sie einige bekannte Gesichter nach längerer Zeit wiedergesehen hatte.
Bekannte Gesichter, ja Freunde ... und dennoch wirkten sie ihr so schrecklich fern.
Es war als ob die Stimmen in der Finsternis recht behalten hätten…
Ein kalter Schauer glitt ihr über den Rücken, und immer noch den Becher in der Hand haltend blickte Kydora auf einen Punkt in der Ferne ohne ihn wirklich zu fixieren. Bilder aus vergangenen Tagen statteten einen erneuten Besuch ab.
Dunkelheit. Einsamkeit. Kälte, die erbarmungslos in den Körper kriecht. Entrissen aus der Wirklichkeit. Am Boden. Stimmen die nicht schweigen. Verzweiflung. Einsamkeit. Ein verzweifeltes Klammern an den Glauben. Ein Griff zum Fläschchen. Den Kopf zum Trotz erhoben. Doch die Stimmen schweigen einfach nicht. Reden immer zu weiter. Nähren die Angst. Reden weiter auf sie ein. Die Hand löst sich langsam. Der Kopf senkt sich. Die Stimmen reden weiter. Resignation. Und die Dunkelheit erdrückt sie immer mehr. Und sie erträgt es... irgendwie... alleine. Und die Stimmen schweigen nicht...
Ihr Kopf schnellte hoch und ihr Blick fixierte die Person, welche Kydora gerade angesprochen hatte.
“Doch, doch alles gut. Ich war nur in Gedanken.” erklärte sie und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: “Ich denke, ich werde mich wohl nun zurückziehen.”
Mit diesen Worten erhob die Silvanaja sich und stellte den Becher wieder hin. Ihr Weg führte sie in den Hinteren Bereich des Hauses und schnell fand sie sich im oberen Stock in ihren eigenen Räumen wieder, blieb unschlüssig im Raum stehen.
War es zu Ende? Dieses Kapitel? Ihre Hand suchte wie so oft wieder nach dem Fläschchen und klammerte sich Halt suchend daran fest.
Kydora horchte in sich hinein, ergründete sorgfältig ihre Gedanken und Gefühle. Doch fand sie nicht, was sie suchte. Es gab Bindungen, die so viel stärker waren.
Es ist Zeit...
Ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab und sie schritt zu einem der Regale. Behutsam entnahm sie ein kleines Kästchen und stellte es auf dem Tisch ab.
Vorsichtige öffnete die Silvanaja die ausgekleidete Holzschatulle, betrachtete sie einen Augenblick lang.
Die Sicht verschwamm, als sich ihre Augen ungewollt begannen mit Tränen zu füllen.
Prüften die Götter sie? Oder spielten sie doch nur ihr grausames Spiel mit ihr?
Zögernd und wie in Zeitlupe streifte Kydora langsam die Kette mit dem Fläschen über ihren Kopf.
Verharrte und hielt das mit Mithril gefüllte Fläschchen in der Hand fest umschlossen.
“Gib auf Kydora acht…” waren damals seine Worte an die Wolfselfe gewesen.
Die Tränen rannen ihr still über die Wangen und ließen die Farbe leicht verlaufen.
Ein tiefes Durchatmen, dann wischte sich Kydora die Tränen fort und legte das Fläschchen behutsam in die Schatulle.
“Du brauchst nicht länger auf mich acht geben…” flüsterte sie in die Stille. “Dich brauchen jetzt andere und den Rest meines Weges schaffe ich auf mich selber aufzupassen. Ich danke dir für alles.”
Ein Klicken und die kleine Kiste schloss sich.
Einige Stunden später war ein Bote unterwegs in die Nacht. In seiner Tasche ein Brief und ein kleines Holzkästchen.
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