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Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches => Gruppen auf Reisen im In- und Ausland => Thema gestartet von: Mel am 26. Sep 11, 22:31

Titel: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 26. Sep 11, 22:31
Unter einer Eiche hatten sie Rast gemacht. Lorainne genoss den Schatten und lehnte sich an den Baumstamm, während sie zusah, wie die Amme die kleine Leah stillte.
Der Säugling war heute sehr anstrengend gewesen und nur ruhig, wenn sie bei Lorainne auf dem arm war und herumgetragen wurde.
Zumindest kurz konnte sie die Ruhe geniessen. Immer wieder fragte sie sich, warum sie sich hatte hinreissen lassen. ja, sie hatte jetzt ein gewisses Druckmittel, aber war es das wert?

Als sie Vanion sah, musste sie lächeln. Der Schalk siegte und sie bot ihm einen Platz neben sich im Schatten an:"Setz Dich zu mir, Vanion, oui?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 26. Sep 11, 23:20
Vanion hatte die Rast sehnlichst erwartet. Mühsam war er von seinem Pferd abgestiegen, er wollte sich ins Gras fallen lassen, als Lorainne ihn herbeiwinkte.
Mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck setzte der junge Mann sich neben seine zukünftige Herrin.
"Oui, madame - was kann ich tun, pour vouz?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 26. Sep 11, 23:49
"Setz Dich zu mir- und bei den Göttern: Ne  m´appele pas madame! Je pense, je suis un peu jeune pour ca! Je suis Mademoiselle ou chevalier."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 27. Sep 11, 00:36
Ergeben setzte Vanion sich hin. Er war erschöpft und war nicht gerade erpicht auf erneute Zurechtweisungen, weil er die Feinheiten der caldrischen Sprache nicht beherrschte.
"Verzeiht mir, mademoiselle." Ein unangenehmes Schweigen entstand, das Vanion kurze Zeit später brach.
"Lorainne, ich habe mich bei den Feierlichkeiten der Yorks mit Bernhard unterhalten. Er hat mir viel von Blanchefleur, Roguefort, Grafen und Baronen erzählt, um genau zu sein, soviel, dass mir der Kopf brummt. Bevor wir also nach La Follye aufbrechen, könnt Ihr mir nicht ein wenig mehr über Eure Heimat erzählen? Natürlich weniger, wie es dort aussieht und dergleichen, sondern eher, worauf ich in Eurem Beisein und auch alleine achten muss." Mehr zu sich selbst grummelte Vanion: "Ein paar Sachen habe ich ja bereits erkannt.."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 27. Sep 11, 10:10
Lorainne grinste. als sie Vanions Gesicht sah, als er sich setzte.
"Schlimme Schmerzen?" Versöhnlich reichte sie ihm ihren Trinkschlauch. "Bois! Mais Fais attention, c´est épicè."
Offenbar war ihm seine letzte Erfahrung mit dem neldanischem brandy noch im Gedächtnis geblieben- vorsichtigtrank er ein paar kleine Schlucke.
"Da wir nicht in Goldbach sind, gibt es gar nicht soviele komplizierte Regeln. Solange Du es niemals an Respekt gegenüber Höhergestellten mangeln lässt, ist alles andere gar nicht so schwer. Vanion, Du darfst alles denken, aber achte auf Deine Worte, beleidige niemanden und wenn Du schlecht über jemanden denkst, dann lass es Dir auf keinen Fall anmerken! Man darf Dir deinen Gedanken nicht im Gesicht ablesen können- und glaub mir, die Strafe, die Du über DIch ergehen lassen musstest, war erst der Anfang. Aus Erfahrung kann ich DIr sagen, dass noch viele folgen werden, gleichgültig, ob Du jetzt den lobenswerten Vorsatz gefasst hast, Dich zu bessern. Du wirst ein lausiger Knappe sein- ich war auch nicht viel besser, aber so lange Du uns beide nicht sehr stark blamierst, könnte aus DIr auch mal ein Ritter werden- ich habs ja auch geschafft- und es war bei weitem nicht leicht. Meine schlimmste Bestrafung habe ich auch nicht durch Simon erfahren, sondern durch den Herrn Algonkin."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 27. Sep 11, 14:27
Vanion genoss das warme Kribbeln in seinem Bauch. Während Lorainne sprach, verschränkte er die Arme hinter dem Kopf und lehnte sich an den Baum. Wie es seine Art war, ließ er seine Gedanken abschweifen, als Lorainne von Strafen und beschwerlicher Ausbildung sprach - angesichts der Sonne und des wunderbaren Vogelgezwitschers war er recht entspannt und zu bequem, um darauf weiter einzugehen.
"Reden wir über etwas anderes, etwas fröhlicheres." Vanion sah zur Amme. "Es ist schön, frisches, unschuldiges Leben zu sehen. Ihr habt mir nur gesagt, dass Leah ein Findelkind ist - aber warum habt Ihr es immer wieder auf dem Arm? Versteht mich recht, ich war lange Zeit auf Reisen, komme zu Euch zurück - und finde Euch mit einem Kind auf dem Arm vor, zu dem Ihr mir kaum etwas sagt. Wollt Ihr mir nicht erzählen, wie das Kleine zu Euch gekommen ist?" Er musste unwillkürlich lächeln, als er sah, wie das kleine etwas Milch spuckte.
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 27. Sep 11, 15:00
Lorainnes Gesichtsausdruck wurde verschlossen:"Es ist im Laviniakloster zur Welt gekommen und ihre Mutter ist bei der Geburt gestorben. Ich habe ihr mein Wort gegeben, dass ich mich um die Kleine kümmern würde. Und ich hoffe, dass sich das irgendwann auszahlt."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 27. Sep 11, 16:02
Vanion bemerkte, dass er wackligen Boden betrat. Er wusste nicht, inwieweit er weiter in Lorainne dringen sollte.
"In diesem Blanchefleur-Kloster? Oder werfe ich da etwas durcheinander? Ich komme mit den Namen und Ortschaften einfach nicht zurecht." Ein gelungener Themawechsel, dachte er.
"Laviniakloster, das bringt mich zu dieser Ordens-Idee. Wie fest steht Euer Entschluss, dort beizutreten? Was hat es mit diesem Orden überhaupt auf sich?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 27. Sep 11, 17:39
"oui, in Blanchefleur. Das mit den vielen Orten lernst Du schon noch- wie soviele andere."
Nachdenklich schaute sie Vanion an. Was hatte sie dazu getrieben ausgerechnet diesem nichtsnutz eine chance zu geben?Doch natürlich kannte sie die antwort, es war als blickte sie in einen spiegel.
"Der Orden- nun, der Baron von Blanchefleur hat diese fixe Idee einen kämpfenden Orden für Lavinia zu grüden, die Laviniakirche in Blanchefleur ist von der Idee auch nicht abgeneigt, jetzt streiten sie aber über die Interna, wie so ein Orden aufgebaut werden soll, vor allem, was der Preis dafür ist, wenn man in Lavinias Namen eine Waffe in die Hand nimmt. Doch alle sind sich zumindest darin einig, dass auch Lavinia Krieger braucht, die sie und ihre Kirche schützen."
Skeptisch schaute sie zum Baby in den Armen der Amme. Leah war unterdessen eingeschlafen und machte einen satten zufriedenen Eindruck.
"Vielleicht kümmere ich mich deshalb um die Kleine. Um etwas wiedergutzumachen, was sich noch ereignen kann.."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 27. Sep 11, 17:57
"Und was würde das für mich bedeuten? Ich will mir nicht zuviel auf einmal aufhalsen. Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, es ist schwer genug zu erklären, dass ich ohne von Stand zu sein Knappe werde, oder gar dass ich dazu noch in den Diensten einer Ritterin stehe. Wenn Ihr tatsächlich dem Orden beitretet, unterstehe ich als Knappe wohl demselben Orden. Lavinia zu dienen ist nichts schlechtes oder gar schlimmes, versteht mich recht - aber dazu fühle ich mich kaum berufen." Vanion bemerkte Lorainnes seltsamen Blick. Er wirkte mitleidig, aber auch mitfühlend. Er wurde nicht schlau daraus. "Ich hatte vor langer Zeit eine Unterhaltung mit Marius, als er noch sein Noviziat ausübte. Er hat sich lange Zeit ein Schwert für Lavinia gewünscht. Rania fühlt sich auch immer wieder ausgeliefert und hilflos, doch sprach sie davon, dass das Vertrauen auf Lavinia Schild und Schutz genug sei. Für Schwerter sei Tior zuständig."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 27. Sep 11, 18:25
"In erster Linie sollte Deine Loyalität mir gelten, wenn Du mein Knappe sein willst. Dann kommt erst der Orden- wenn ich beitreten sollte, was ich noch nicht weiss. Es sagte nur, dass es EINE Möglichkeit wäre.
Und was Marius und Rania Dir auch immer erzählt haben mögen- in Caldrien, zumindest was vor dem Krieg einmal Caldrien war, besonders im Norden spielt Lavinia eine andere- viel grössere Rolle, als in Tangara oder anderwo. Lavinia ist dort nicht einfach eine Göttin der Liebe- sie ist es, die die Familie zusammenhält. Sie ist es, die den Müttern beisteht, die den Herd erwärmt, die die Ernte segnet, die uns musizieren oder Gedichte und Geschichten erzählen lässt."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 27. Sep 11, 18:38
"Ich weiß viel zu wenig über Sie. Ich bete zu Ihr, jeden Abend. Als wir vor Engonia standen, hab ich mein Leben in Ihre Hände gelegt, ich habe Sie angefleht, mich zu beschützen. Und doch bete ich nicht aus Angst zu Ihr vor Gefahren, die mich erwarten. Sie ist ein wenig zu meiner Mutter geworden, wisst Ihr... auch wenn sich das seltsam anhört, das trifft es noch am ehesten. Lavinia ist eine Göttin des Friedens. Im Frieden weiß man sie nicht zu schätzen, im Krieg misst man sie. Was hat Ihre Hand im Krieg auch verlorn? Der Krieg ist Tiors Reich, der Herd und das Heim Lavinias. Ein Ritterorden, der also in Lavinias Namen Tiors Reich betritt, wird mehr als nur seinen Frieden opfern müssen." Vanion beugte sich gespannt vor und schlang die Arme um die Knie, er war gespannt auf Lorainnes Reaktion.
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 27. Sep 11, 18:57
"Wohl gesprochen Vanion! Sie ist auch für mich eine art Mutter, denn nachdem ich meine verloren ahtte und mein Vater erneut heiratet, waren es die Gebete zu ihr, in denen ich mich aufgehoben gefühlt habe. Irgendwie ist sie ja aucvh unser aller Mutter, denn ohne sie, wäre wohl niemand hier." sagte sie mit einem Augenzwinkern.
"Auch was die Opfer angeht, hast Du recht, soweit ich gehört habe, fordert die Kirche viele Entbehrungen der Ritter und je nachdem was sie tatsächlich durchsetzt, weiss ich nicht, ob ich bereit bin, den Preis zu zahlen und mich völlig in die Dienste Lavinias zu begeben. Meine Schwester zum Beispiel ist im Kloster, allein die art, wie sie dort lebt, wäre nichts für mich, so friedvoll und ersehnenswert ich die zeit dort fand, aber auf dauer?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 27. Sep 11, 19:28
"So wie Eure Schwester habt Ihr Euren Weg gewählt, oder nicht? Ich hab Geschichten über einen Knappen namens Antoine gehört". Vanion zwinkerte bei diesen Worten. "Ich selbst hab den Hof meines Vaters verlassen, weil ich was von der Welt sehen wollte und nicht in seine Fußstapfen als Bauer treten wollte. Ich finde, ich bin durchaus weit, nein, ich bin sogar weiter gekommen als die meisten meines Standes. Aber trotzdem stehe ich noch am Anfang." Vanion zögerte kurz, ernsthafter fuhr er dann fort: "Ich weiß, dass ich mich, obwohl ich mich vor den Göttern bewiesen habe, weiterhin beweisen muss. Ich weiß, dass mich auf meinem Weg Missgunst und Hass erwarten; edle Herren und noch edlere Damen werden mit Verachtung auf mich herabsehen, und das selbst dann noch, wenn ich irgendwann tatsächlich zum Ritter geschlagen wurde. Trotzdem mach ich weiter, um's ganz profan zu sagen. Und ich stehe loyal zu Euch." Vanion schmunzelte. "Wahrscheinlich werde ich als Ritter Ohneland bekannt werden."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 27. Sep 11, 19:59
LAs Vanion Antoine erwähnte, erwiederte Lorainne sein Lächeln:"Ja, so war es. Keine Tat, mit der ich mich rühmen kann, aber sie hat mir einen gewissen Weg bereitet. Nach dem Tod meines Bruders war dieser Weg erstmal eine Notwendigkeit, aber für mich auch eine Chance. Es war- ist nicht leicht, aber die Götter scheinen mir meistens wohlgesonnen. Und was Deinen Weg angeht: Du bist sehr weit gekommen, aber hätte ich Dich in Engonia nicht kämpfen- und anschliessend um Deine Freunde weinen gesehen- ich weiss nicht, ob wir dann heute hier sitzen würden. Es liegt noch viel Arbeit vor uns, aber auch Diamanten muss man schleifen. Und wenn UD dein Ziel erstmal erreicht hast, wird niemanden mehr Deine Vergangenheit interessieren. Ein von mir sehr geschätzter Ritter hat einen ähnlich schweren Weg wie Du gehabt und heute fragt niemand mehr danach. Du wirst es sicher noch etwas schwerer haben, aber Du musst den Weg ja nicht alleine gehen."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 27. Sep 11, 20:29
"ein von Euch sehr geschätzter Ritter? Wer? Und überhaupt, was genau muss ich lernen? Außer caldrisch.." Vanion erging sich in einer Flut von Fragen. Er wollte soviel wissen, über das Rittertum, die Tugenden, den Werdegang eines Ritters... Ihm war aufgefallen, dass er zwar nun Knappe war - aber nichtmal wusste, was überhaupt die Aufgaben eines Ritters waren. Der junge Mann nahm einen Schluck aus seinem Lederschlauch. Das Wasser erfrischte ihn. Er schüttete sich gleich etwas über den Kopf, wobei er darauf achtete, Lorainne nicht nass zu machen. Eine Art Euphorie hatte ihn erfasst. Er hatte den Flößerssohn gefunden, er war bei seinem Ritter, und er hatte die Queste erfüllt. Es galt, nur noch Damian zu finden! Und was auch immer Lorainne ihm androhte, was für schlimme Szenarien seiner Ausbildung sie ihm auch beschreiben mochte - Vanion war bereit dazu. Er spürte, dass er vor Engonia die erste wirklich richtige Entscheidung seines Lebens getroffen hatte, und er freute sich gradezu auf die Konsequenzen daraus.
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 27. Sep 11, 20:41
"Vanion! Vielleicht eine Frage nach der anderen, oui? Erstmal werden wir sehen, ob Deine Queste erfüllt wurde und das kann nur Damian entscheiden, denn ich werde mir nicht anmaßen erkennen zu wollen, was die Götter beabsichtigen. Als Priester ist das eher Damians Gebiet. Außer Nordcaldrisch solltest Du prinzipiell auf Deinen Sprachgebrauch achten, zumindest, wenn Dir nicht irgendein Knecht gegenübersteht. Und die ritterlichen Tugenden- weisst Du wovon ich Rede?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 28. Sep 11, 12:37
"Ich hoffe nur, dass Damian in Brega sein wird...oder irgendwo, Hauptsache, er ist zu finden!" Vanion schaute sich nach dem Flößerssohn um, erleichtert sah er ihn im Gespräch mit Bernhard am Boden sitzen.
"Ich habe Luka versprochen, ihn zu Damian zu bringen. Er ist wohl jetzt schon erstaunt genug, auf Euch getroffen zu sein. Ich glaube, er hat bis zuletzt ein kleines bisschen an meiner Geschichte gezweifelt." Ein wenig Stolz blitzte in Vanions Augen auf. "Nun, die Tugenden... Ein Ritter muss doch immer wie Wahrheit sagen, oder? Und.. und.." Vanion druckste ein wenig herum. "Er muss sich immer ehrenhaft verhalten! Und..Großmut zeigen gegenüber den Armen, und demütig sein muss er!" Vanion sah nochmal nach, was sein halbwissender Kopf hergab, doch vielmehr kam da nicht. "Bon, ma chevalière, je pense que j'ai eine Menge non savoir."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 28. Sep 11, 14:31
Vanions letzter Satz liess Lorainne in schallendes Gelächter ausbrechen, was wiederum Leah aufschreckte, die umgehend anfing zu weinen.
mehr durch den bösen Blick der Amme, als von schlechtem Gewissen getrieben, nahm sie das kleine Mädchen auf den Arm und wanderte um den Baum herum, während sie sprach.
"Es gibt eine Menge Tugenden, die ein Ritter haben sollte, aber am wichtigsten ist die Mäßigung, die du in deinem Verhalten zeigen solltest. Das bedeutet, dass Du höher gestellten keine Wiederworte geben solltest, überlegt handelst und redest, ohne vor jedem zu kriechen... Ebenso ist es nicht recht, wenn ein Ritter ein prachtvolles Leben führt, während seine Leute hungern. Allerdings soll er auch seinem Stand gemäß leben."
Leah beruhigte sich ein wenig und Lorainne liess sich wieder im Schatten neben Vanion nieder.
"Mäßigen solltest Du vor allem Deine Reden, sonst endet das noch einmal sehr böse mit Dir.."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 28. Sep 11, 22:28
"Mäßigung, ja. Das ist wohl der größte Punkt von allen. Ich glaub aber, dass ich das schon schaffe. So schwer kann es doch nicht sein, die Zunge mal im Mund zu halten, denselben verschlossen und die Lippen aufeinander zu lassen. Mais ich fürchte trotzdem, que das ein steiniger Pfad sein wird; aber das ist doch oft genug gesagt nun. Darf ich fragen, was, abgesehen von dem Erlernen der Tugenden natürlich, meine Aufgaben sein werden als Euer Knappe? Ich hab recht viel mit Bauern, Knechten und dergleichen mehr verkehrt - Knappen waren selten darunter. Muss ich Eure Rüstung polieren und Euer Pferd nun striegeln? Im Kampf Euren Schild halten?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 28. Sep 11, 23:30
"Ich bin überzeugt, dass Du das schaffen kannst, solange Du erst denkst, bevor Du handelst oder sprichst. Mach also nicht diegleichen Fehler wie ich und mache es umgekehrt."
Manche Erinnerung an ihre eigene Knappenzeit wurde wachgerufen und Lorainne starrte geistesabwesend vor sich hin. Sie war zwar kaum erst ein halbes jahr Ritter, aber es kam ihr vor, als wäre der Ritterschlag ewigkeiten her. Und auch wenn sie es nur schwer zugeben konnte- oft fehlte ihr Simons schützende Hand und erst jetzt fiel ihr auf, wieviel Verständnis und Geduld er ihr entgegengebracht hatte.
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 29. Sep 11, 23:44
"Simon fehlt euch, n'est-pas?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 30. Sep 11, 08:55
Obwohl sie nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass ihr der väterliche Freund und Vertraute fehlte, fühlte sie sich ertappt.
"Weisst Du Vanion, bei uns im Norden ist alles ein wenig anders. Die Winter sind kälter und länger, im Herbst regnet es mehr und im Frühling, wenn der Schnee schmilzt, dann ist alles voller Schlamm, so das man eher schlecht als recht reisen kann. Dadurch ist man oft sehr einsam, und die Familie spielt eine bedeutendere Rolle. Simon war meine Familie. Ich hatte so oft Heimweh, besonders, als ich noch als Antoine unterwegs war. Und vor jeder Schlacht, jedem Kampf hab ich mir fast in die Hosen gemacht, vor Angst. Aber er hat das alles ein wenig erträglicher gemacht."
Verlegen lächelte sie.
"Ritterliche Tugenden sind ein Ideal, dem Du nacheifern sollst- Simon war sehr nahe dran, er hat sie nahezu gelebt. Als kleines Kind war er schon mein Held, mein Vorbild."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 30. Sep 11, 14:09
Vanion wechselte nun zum vertraulicheren Du.
"Wenn ich dich so reden höre, wünsche ich mir, ich hätte ihn eher kennen gelernt. Aber was geschehen ist, ist geschehen, er liegt nun in Lavinias Hand. Die Frage ist, ob Sie ihn irgendwann wieder freigibt.
Aber wir sollten nach Vorne schaun, da kommt noch genug auf uns zu! Die Zeit zu trauern ist erst, wenn Simon wirklich tot ist." Auch wenn er das wohl längst ist. Vanion sprach seinen Gedanken nicht laut aus, er glaubte nicht an Simons Genesung, wollte Lorainne aber nicht weh tun. "Simon wäre eine enorme Verstärkung im Kampf um La Follye. Ohne ihn wird es schwerer." Ganz bewusst wechselte Vanion wieder zum förmlichen, sachlicheren 'Ihr'. "Mit welchen Männern wollt Ihr eigentlich von Brega dorthin aufbrechen? Wir beide allein, auch wenn wir natürlich große und tapfere Helden sind", Vanion zwinkerte Lorainne zu, "werden nicht allzuviel ausrichten können, oder?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 30. Sep 11, 14:27
"Er wäre sicher eine Verstärkung gewesen. Zwar haben mir ein paar seiner Leute Unterstützung versprochen, aber es wäre noch nicht genug gegen Roquefort. Er weiß nämlich ganz genau, dass mich alle in LaFollye unterstützen würden, wenn ich mich dort blicken ließe, immerhin waren unsere Leute immer loyal zu meiner Familie. Aber jetzt hat er fremde Söldner angeheuert, die die Bevölkerung dort einschüchtern und ich kann nicht hin, weil ich meine Leute nicht unnötig in Gefahr bringen möchte. Ich werde mir etwas einfallen lassen, am liebsten würde ich Roquefort fordern, aber er besitzt keinerlei Ehre und ist ein unbeschreiblicher Feigling... Und wir werden nicht direkt von brega aus nach LaFollye reisen. Wenn ich MEIN Land und Lehen zurück haben will, brauche ich einen klaren Kopf und solange Simon... in diesem Zustand ist, habe ich ihn nicht."
SIe schaute versonnen auf die kleine Leah.
"Zumindest lässt er meine Leute weitestgehend in Ruhe und terrorisiert sie nicht, so lange ich das richtige Druckmittel habe. ABer lange kann ich nicht mehr warten. Umso wichtiger ist es, dass wir Jelena in Brega treffen und sie überzeugen können, Simon irgendwie zu helfen. Sonst werde ich wohl nachhelfen müssen- jedenfalls werde ich nicht zusehen, wie er dahinsiecht!"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 30. Sep 11, 14:31
"Je länger ein Mann über ein Gebiet herrscht, dass ihm nicht gehört, desto schlimmer kann es nur werden. Entweder wird er die Daumenschrauben bei Eurem Volk anziehen, das Volk muss also mehr Leid erfahren, je länger Roquefort da ist - oder, was viel schlimmer wäre: Die Leute werden irgendwann anfangen, an Ihn zu glauben und Euch zu vergessen. Es kann Jahre dauern, bis Simon genesen ist, vielleicht wird das auch nicht-" Vanion brach ab. Er hatte wieder zuviel gesagt.
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 30. Sep 11, 14:38
"Wag es ja nicht weiterzusprechen oder auch nur daran zu denken!"
Die freudschaftlich vertraute Unterhaltung fand ein jähes Ende.
"Los, pack die Sachen zusammen, wir müssen weiter. WIr haben hier sowieso schon zuviel Zeit vertrödelt."
Wenn man Lorainnes Launen kannte, war es umso überraschender, dass sie nicht augenblicklich wütend über Vanions unbedachten Worte geworden war.
jetzt war sie bestimmt und die zusammengepressten Lippen verrieten grimmige Entschlossenheit, aber es fehlte jede Spur des so berüchtigten firngardischen Zorns.
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 30. Sep 11, 14:54
Mit betroffener Miene sprang Vanion auf. Er wollte grade ihre und seine Satteltaschen packen, als er Lorainnes mehr von Trauer und Angst als von Zorn geprägten blick sah. Sie schien Angst vor dem endgültigen Verlust Simons zu haben - und wirkte gleichzeitig so, als ob die Pforten der Hölle selbst sie nicht davon abhalten könnten, Simon aus seinem Schlaf zu prügeln.
Vanion sah plötzlich erneut Lorainnes Gesicht vor sich - im Fackelschein, verweint, die edlen Gesichtszüge verzogen angesichts einer hilflosen Trauer. Als sei es in der gestrigen Nacht erst passiert, sah Vanion die klaffende Wunde in Simons Brust vor sich, in der sich sein Blut mit Lorainnes Tränen vermischte. Vanion hatte selbst geweint. Er hatte geweint um einen Mann, um den ersten Mann, der ihm vor allen andren Respekt erwiesen hatte. Ein Ritter, der seinen Mann gestanden hatte, immer und immer wieder, und der ihm die Hand zur Freundschaft geboten hatte.

Vanion senkte den Kopf, bis er mit der Stirn den Pferderücken berührte. Er atmete tief ein, dann drehte er sich um.
"Chevalière Lorainne, ist es mir erlaubt, noch etwas zu sagen?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 30. Sep 11, 14:57
"Was denn noch?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 30. Sep 11, 15:11
"Ihr habt nach dem Duell um Simon geweint. Man hielt ihn für tot. Nun klammert Ihr Euch an die Hoffnung. An den Gedanken, dass er aufstehen könnte, dass Eure Familie wieder vollständig ist. Aber Simon ist gestorben, damit Ihr, vormals Antoine, nun Chevalière Lorainne de la Follye des Joux, leben könnt. Eure Ausbildung ist abgeschlossen, Ihr seid nun ein Ritter. Glaubt Ihr, dass er, der die Tugenden so sehr hochgehalten hat, seinen Eid brechen wird? Noch als sie über seinen Körper gebeugt war, sagte Jelena doch, dass er nicht zurückkehren wolle." Vanion wurde nicht laut, im Gegenteil. Er sprach sanft zu Lorainne, vorsichtig tastete er sich voran. "Lorainne, dieser unselige Eid, den Simon schwor, hat sich erfüllt. Sein Körper mag noch funktionieren, aber seine Seele hat ihren Frieden gefunden, in Lavinias Arm."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 30. Sep 11, 15:30
"Dann werde ich ihn ihr wieder entreißen!"
Lorainne war laut geworden, so dass Leah wieder aufwachte und weinte.
Lorainne beugte sich über das Kind, was nur Glück für Vanion war, denn wie sich das Kind beruhigte, beruhgte sich auch Lorainne.
"Er ist irgendwo, die Götter allein wissen wo. Aber er war schon im Kloster mehrmals davor aufzuwachen. Dann ahtte er Fieberträume, ich weiss nicht, was ihn zurückhält, aber so geht das nicht weiter.
Die Götter wissen, dass ich auf seinen Tod vorbereitet bin. Und wenn es sein muss, wird er durch meine Hand seinen Frieden finden, aber erst dann, wenn ich alles versucht habe, ihn zurückzubringen."
Lorainne schnaubte und reichte den Säugling wieder der Amme auf den Karren. Bernhard und Luka gingen neben dem Pferd, das den KArren zog her, und führten das Pferd.
Lorainne war nicht nach weiterreiten zu Mute, ausgerechnet jetzt hatte sie Lust auf einen Kampf.
Sie stapfte neben ihrem Pferd, das sie am Zügel führte her, verbissen schweigend.
Unvermittelt nahm sie den Faden wieder auf:" Solange sein Herz noch schlägt und er atmet ist er noch nicht tot und niemand soll sich wagen, etwas anderes zu behaupten. Ich weiss das es schwer ist, Hoffnung zu haben, wenn es aussichtslos erscheint, aber in diesem Krieg schien sehr viel aussichtslos und trotzdem haben wir gesiegt. Bei Simon wird es ebenso sein. Und von Dir erwarte ich diesselbe Haltung, sonst..."
Sie brach ab. Was hatte es für einen Sinn ihm zu drohen? Das hatte sie auch nie wirklich eingeschüchtert.
"Wenn Du jetzt schon Knappe wärst. hätte ich Dich zu einem Übungskampf gefordert. So hat es SImon auch immer gemacht- in diesen Kämpfen habe ich gelernt, mich zu verteidigen."
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 30. Sep 11, 15:38
Vanion dankte den Göttern für Leah. Es hatte jede Menge Mut gekostet, so offen zu reden. Der angehende Knappe dachte über Lorainnes Worte nach. Irgendwo hatte sie recht. Die Hoffnung war ein hehres Gut, das Herzen länger und stärker wärmen konnte als der schwerste Branntwein. Auch er hatte Hoffnung in seinem Herzen, der Wunsch nach Simons Rückkehr war groß. Aber alles, absolut alles sprach dagegen! Und selbst wenn Simon erwachte, was wäre dann mit seinem Eid? Lorainne wäre Ritter, und beide am Leben? Vanion beschloss, das alles auszublenden. Er erkannte, dass er Simon tot gesprochen hatte, weil er sich in Brega bereits von ihm verabschiedet hatte. Simon war für Vanion ein weiterer Toter unter den vielen, die der Bürgerkrieg gefordert hatte. Auf seine Genesung zu hoffen, hieß, ihn erneut verlieren zu können. Als er dies verstanden hatte, blieb ihm nur noch Bewunderung. Bewunderung für Lorainnes Loyalität, für ihre bedingungslose Härte gegen sich selbst. Für ihre Bereitschaft, für den kleinsten Hoffnungsschimmer mit den schwersten Schmerzen zu bezahlen.

Er führte sein Pferd ebenfalls am Zügel und ging neben Lorainne her. Ihr seine Gedanken zu erklären, hätte sie wohl nur noch mehr aufgebracht, also schwieg er etwas. Nach einigen Minuten erst sagte er:
"Dann will ich zu Lavinia beten und sie anflehen, Simon zurück zu schicken. Mehr kann ich nicht tun." Vanion sah, wie Lorainnes Hand immer wieder an ihrem Schwertknauf spielte.
Ach, was soll's. Schaden kann es nicht, sie wird mich schon nicht umbringen. "Un exercice? Pourquoi pas?"
Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Mel am 30. Sep 11, 15:55
Hätte sie es gekonnt, hätte Lorainne jetzt eine Augenbraue hochgezogen- wie sie es so oft bei Simon gesehen hatte. Mal wieder fiel ihr auf, wie sehr er sie geprägt hatte, wieviel sie von ihm übernommen hatte.
"Eine Übung? Das wäre nicht ritterlich, ausserdem bist du noch kein Knappe. Ich könnte dir aber den Arschversohlen lassen, für Deine Reden, eh? Gerhard ist zwar nicht da, aber Bernhard übernimmt das sicher gerne!" bemerkte sie spitz.
"Abgesehen davon, was habe ich DIr über die Mäßigung erzählt? Ich bin gerade dabei mich in ihr zu üben! Und Du bete weiterhin zu Lavinia! Sobald Du wirklich mein Kanappe bist, werden wir sehr viel üben, immerhin ist der Krieg vorbei und so müssen wir das Kämpfen eben unter uns üben."
Es war reiner Galgenhumor, der aus ihr sprach. Doch auch dadurch wurde die Stimmung nicht wirklich entspannter, zu sehr hatte der Krieg in Engonien gewütet.

Titel: Re: von Sterjak nach Brega
Beitrag von: Vanion am 30. Sep 11, 16:24
Nach diesem Rüffel wusste Vanion, dass das Gespräch endgültig beendet war. Er half Lorainne beim Aufsitzen, dann stieg er selber auf sein Pferd. Es galt, noch ein Stück Weg gutzumachen heute. Brega sollte rechtzeitig erreicht werden.