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Der Städtebund von Tangara => Fanada => Thema gestartet von: Jelena am 24. Jun 14, 10:43

Titel: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 24. Jun 14, 10:43
Der Sommer war eine traditionell sehr geschäftige Zeit für den Kontor: die Gewürz- und Kaffeekarawanen trafen ein, die jährlichen großen Handelsmessen wurden abgehalten, die großen Tempelfeste standen an, Vorräte für den Winter wurden eingeweckt und die Stadt platzte vor Reisenden nur so aus den Nähten.
Während es auf dem Hof und in den Lagerräumen nur so von Menschen wimmelte war es im eigentlichen Haus ruhig. Seitdem die Heilerin aus den Drachenlanden zurückgekehrt war war sie still und in sich gekehrt. Sie schien häufig von Kopfschmerzen geplagt zu sein und verschlief sehr viel Zeit. Trotz allem war sie bei den Geschäften auf Zack und ließ nichts schleifen, aber es war unverkennbar das sie nicht so unbeschwert war wie im vorangegangenen Sommer.
Sasha war mit den anderen Priestern und einem großen Trupp Askarier wieder auf dem Weg ins ewige Eis, Svenja und Wydh hatten sich in die Wälder zurückgezogen und sie hatte keine Ahnung wo Gorix sich augenblicklich herumtrieb. Einerseits etwas einsam, andererseits ganz froh das sie sich nicht übermäßig erklären musste tätigte Jelena ihre Geschäfte und bemühte sich um Normalität.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 24. Jun 14, 13:47
Die guten Geister des Hauses rückten ihr nicht mit Fragen auf die Pelle, aber Sorgen machten sie sich schon. Ein ums andere Mal ertappte man sie dabei, dass sie der Heilerin sorgenvoll hinterherblickten, wenn diese wieder einmal mit ihrer "Kopfschmerz-Miene" durch die Gegend lief.
Wenn Jelena schlief, senkte man im Hause die Stimmen und spekulierte flüsternd, was wohl mit ihr sein könnte.

Die kleine Malla, aufgeweckt wie sie war, bekam dies natürlich sofort mit und gab sich für ihr Alter große Mühe, auch leise zu sein.
Irgendwann jedoch, als ihre Mutter ihr wieder einmal gesagt hatte, sie solle keinen Krach machen, damit die Meistrin sich ausschlafen könne, hielt das kleine Mädchen es nicht mehr aus und schlich zu Jelena in die Kammer.
Dort stand sie und schaute die Frau im Bett nachdenklich an.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 24. Jun 14, 20:43
Bereits nach kurzer Zeit öffnete Jelena ein Auge und sah Mala etwas verwirrt an:
"Hallo Kleines," murmelte sie verschlafen "was machst du hier?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 24. Jun 14, 21:05
"Bist du krank, weil du so viel schlafen musst?", fragte das kleine Mädchen.
Es trat nun auf die Heilerin zu und nahm ihre Hand.
"Ich bin jetzt die Jelena und du bist das Kind, ja?! Ich mach dich wieder gesund!", sagte das Kind zuversichtlich und tat so, als würde es in den Becher, der neben Jelenas Bett auf einem Tischchen stand, Zutaten hineingeben und das ganze umrühren.
"Sooo, hier hast du Medizin! Gleich geht's dir wieder besser!"
Sie reichte der Meistrin den Becher ohne Inhalt und hatte dabei eins zu eins den gleichen Gesichtsausdruck drauf, den auch die Heilerin zur Schau trug, wenn sie jemanden behandelte.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 24. Jun 14, 21:18
Jelena nahm mit ernster Miene den Becher an und "trank" daraus. Ihre Mundwinkel zuckten aber sie schaffte es nicht loszulachen.
"Vielen Dank, das ist nett von dir. Wie kommst du denn darauf das ich krank bin?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 24. Jun 14, 21:23
"Mama sagt, wenn man krank ist, muss man sich erstmal richtig ausschlafen. Und sie hat zu Anica gesagt, dass wir dir Zeit zum Ausschlafen geben sollen, dann sehen wir weiter."
Malla legte ihren kleinen Kopf mit den langen, goldblonden Zöpfen schief.
"Hast du jetzt ausgeschlafen? Kannst du mir bitte etwas vorlesen?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 24. Jun 14, 21:36
"Etwas vorlesen? Eher nicht, aber wenn du magst kann ich dir etwas erzählen. Magst du zu mir ins Bett kommen?"
Jelena rückte etwas zur Seite und half Mala dabei ins Bett zu klettern und sich in die Kissen zu kuscheln.
"Was möchtest du denn hören?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 24. Jun 14, 21:48
"Hmmm... eine Pferdegeschichte!", rief sie fröhlich und kuschelte sich dann in Jelenas Arm.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 27. Jun 14, 08:41
"Eine Pferdegeschichte, was auch sonst..." meinte Jelena lächelnd und überlegte einen kurzen Augenblick. Als sie die Geschichte begann, nahm ihre Stimme einen getragenen Klang an, fast so als ob sie singen würde aber nicht ganz.
"Weit im Osten der endlosen Steppen lebte einmal ein junger Pferdehirt. Er hieß Namdshil.
Und er hatte eine so wunderschöne Stimme, daß die Menschen von weither kamen, um ihn singen zu hören.
Die geritten kamen, stiegen vom Pferde, die zu Fuß kamen, setzten sich auf die Erde und lauschten und staunten und waren wie verzaubert.
"Seine Stimme klingt so lieblich wie die eines Kuckucks", sagten sie und nannten ihn Khökhöö-Namdshil, Namdshil den Kuckuck.

Eines Tages wurde Namdshil zum Militärdienst für den Zaren einberufen. Man schickte ihn an die westliche Grenze der Steppen, weit entfernt von seiner Heimat, und dort blieb er viele Jahre. 
Während dieser Zeit verliebte sich Namdshil in die Tochter des dortigen Fürsten, und diese erwiderte seine Liebe von ganzem Herzen. 

Doch einmal hat auch der längste Militärdienst ein Ende, und für Namdshil nahte der Tag des Abschieds. So sehr er sich freute, seine Eltern und seine heimatliche Steppe wiederzusehen, brach ihm doch der Gedanke, seine Liebste vielleicht nie wieder zu sehen, fast das Herz. Die Prinzessin aber schenkte ihm ein Pferd mit Flügeln, die es verstecken konnte, so daß niemand sie sah. Und sie sagte zu Namdshil: "Mit diesem Pferd wird dir kein Weg zu weit sein. Komm auf ihm zu mir geflogen, damit wir uns treffen können.
"
So kehrte Namdshil heim. Er hütete wieder seine Pferdeherde und sorgte für seine Eltern. Nun hatte aber eine Dienerin des Fürsten, dessen Untergebener Namdshil war, beobachtet, daß dieser nachts niemals in seiner Jurte blieb, sondern irgendwohin verschwand. Sie ließ ihn nicht mehr aus den Augen und merkte bald, daß es mit dem Pferd etwas besonderes auf sich haben müsse. 
Eines Nachts war Namdshil wieder einmal zu seiner Geliebten geflogen. Bevor der Morgen graute, kam er zurück, band sein Pferd, damit es ein wenig verschnaufen konnte, vor der Jurte an und ging hinein. Doch er hatte vergessen, die Zauberflügel zu verstecken. Wie nun die Dienerin des Fürsten kam, um Namdshils Pferd näher zu betrachten, entdeckte sie, daß ihm hinter den Vorderläufen zwei Flügel hervorschauten, nahm ihre Schere, schnitt die Flügel ab und warf sie fort. Als sie dem Pferd die Flügel abgeschnitten hatte, starb es. 

Als Namdshil wieder aus der Jurte kam, war sein Pferd tot. Tiefe Trauer erfüllte ihn. 
Doch das Sprichwort sagt: Im Herzen eines Mannes springt ein Pferd mit Sattel und Zaum umher. Und so bezwang Namdshil seine Trauer. Er schnitt seinem toten Pferd die schönen langen Mähnen- und Schweifhaare ab und band sie zusammen. Wo die Haut am weichsten war, löste er ein Stück ab und gerbte es sorgfältig. Alsdann zimmerte er aus Holz ein Kästchen, bezog es mit der gegerbten Haut und fand heraus, wie er dem Kästchen, um es zum Summen zu bringen, eine Seele geben konnte. Im Bergwald fällte er einen jungen Baum, feilte und schmirgelten das Stämmchen, bis es glatt und schön war und schnitzte in sein Ende den Kopf seines wunderbaren, klugen Pferdes, so daß er es niemals vergessen würde. Unterhalb des geschnitzten Kopfes, dort, wo er in den Hals überging, brachte er zwei hölzerne Wirbel an, um die er das Pferdehaar schlang, das er zuvor in zwei Bündel geteilt hatte. Er legte sie über das hölzerne Kästchen und befestigte sie unten an seinem Boden. (Nun hatte er zwei Saiten.) Mit einem dritten Bündel Pferdehaar verband er die beiden Enden eines schlanken Weidenzweiges und hatte nun einen Geigenbogen. Den rieb er mit Kiefernharz ein, so daß schöne, reine Töne entstanden, wenn er damit über sein Instrument strich.

So hatte Namdshil ein Saiteninstrument geschaffen, die Pferdegeige, auf der er zur Erinnerung an sein geliebtes Pferd wunderschöne schwermütige Weisen spielte. Er lehrte sein Instrument, mit der Stimme des geliebten Pferdes zu wiehern und zu schnauben, oder den Schlag seiner Hufe nachzuahmen, so daß es klang, als käme es wie einst zu ihm getrabt. Immer, wenn er auf seiner Pferdegeige spielte und ihr ihre warmen, langen Töne entlockte, erinnerte sich Namdshil an sein geliebtes Pferd, und mit der Erinnerung kam auf wunderbare Weise wieder Freude in sein Herz."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 27. Jun 14, 11:19
"Warum hat die Frau dem Zauberpferd die Flügel abgeschnitten?", fragte Malla nach einem Moment andächtigen Schweigens bedrückt.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 27. Jun 14, 13:00
"Das ist eine gute Frage! Es ist oft so, dass Menschen neidisch sind auf das was sie nicht haben. Und dann denken sie, wenn ich es nicht haben kann dann soll er es auch nicht haben. Was hälst du davon?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 27. Jun 14, 14:23
"Ich hätte den Mann gefragt, ob er mich auf dem Zauberpferd mitnimmt!", antwortete die Kleine mit dem Pragmatismus der Kinder.
"Ist das Zauberpferd jetzt im Himmel? Es hat doch keine Flügel mehr!", sorgte sich Malla.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 27. Jun 14, 19:52
"Natürlich ist es das. Im Gegensatz zu uns Menschen sind alle Pferde von Geburt an gut und wenn sie sterben nimmt die Göttin sie zu sich damit sie die Ewigkeiten in der goldenen Horde verbringen können."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 30. Jun 14, 14:16
"Der Mann braucht ein neues Zauberpferd! Und dann muss er mit der Frau schimpfen!", befand das Mädchen.

In diesem Moment ging die Tür zaghaft auf und Jenna kam ins Zimmer.
"Hab ich doch richtig gehört! Malla! Du solltest die Meistrin doch in Ruhe lassen! Jelena, es tut mir leid...", begann die Frau bestürzt.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 30. Jun 14, 14:58
Jelena wollte Mala gerade zustimmen als sie Jennas bestürzte Stimme hörte. Sie hob die Hand und unterbrach ihre Magd:
"Keine Sorge, Jenna, Mala wollte nur sichergehen das es mir gut geht. Aber jetzt müssen wir zwei aufstehen und mit der Arbeit weitermachen, oder? Was meinst du, Kleines?" fragte sie an das Mädchen gewandt.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 30. Jun 14, 15:08
Plötzlich strahlte das kleine Kind:
"Au ja, Kirschen essen!"

Jenna lachte.
"Ich sammle gerade Kirschkerne für Kissen. Malla übernimmt die unglaublich unangenehme Aufgabe, die Kirschkerne von ihrer 'Verpackung' zu 'befreien'.", erklärte die Magd augenzwinkernd.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 30. Jun 14, 16:00
"Das nenne ich wirklich eine schwere Aufgabe. Ich schätze ich werde dir dabei helfen müssen!" meinte Jelena lachend und hob Mala aus dem Bett um dann ebenfalls aufzustehen.
"Na los, lauf voraus und fang schon einmal an, ich muss mich noch umziehen."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 30. Jun 14, 16:22
"JAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAA!", rief die Kleine begeistert und rannte aus dem Raum.
Lächelnd blickte Jenna hinterher und wandte sich dann an Jelena.
"Brauchst du noch etwas?", fragte sie.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 30. Jun 14, 18:20
"Eine Gans die goldene Eier legt und ein starkes Mannsbild um sich nachts anzukuscheln. Und du?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 30. Jun 14, 18:24
Jenna lachte laut auf, schlug sich die Hand vor den Mund und kicherte dann unterdrückt.
"Schon verstanden. Ich warte dann in der Küche auf dich. Möchtest du außer den Kirschen noch etwas 'vernünftiges' essen?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 30. Jun 14, 20:43
"Ich warte aufs Abendessen, jetzt reichen mir die Kirschen und ein paar Haferkekse. Was macht der restliche Haushalt? Ist die aktuelle Ladung schon katalogisiert?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 30. Jun 14, 21:42
"Anica scheucht da unten gerade die letzten durch die Gegend, damit alles an seinen Platz kommt. Inzwischen sollte alles auf der Liste sein. Allerdings befürchte ich, dass es nur eine kurze Verschnaufpause im Hof geben wird; irgendein Karawanenhelfer kam vorhin schon wieder angetrabt und hat die Ankunft der nächsten Karawane angekündigt. Das letzte, was ich mitbekommen hab, war, dass die Stallburschen die Stute mit aller Macht von Sudbinas Box weggezerrt haben... Dein Hengst macht mal wieder schwer Eindruck auf die fremden Pferde!", schloss Jenna mit einem Grinsen.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 01. Jul 14, 08:13
"Wenn sie wissen was gut für sie ist werden sie die Stute nicht mal in ihre Nähe lassen!" brummte Jelena während sie das Unterkleid wechselte und nach ihrer Haarbürste suchte.
"Die Zucht mit Sudbina wurde durch den Krieg rüde unterbrochen und ich habe nicht vor seine Stammlinie durch irgendeine Steinhausmähre verunreinigen zu lassen!"
Was ihre Pferde betraf verstand sie keinen Spaß und wie großzügig und nachsichtig sie ihren Bediensteten gegenüber auch sein mochte, sollte es in diesem Fall zu einer Deckung kommen würden sie sich schneller auf der Straße wiederfinden als sie 777 sagen konnten.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 01. Jul 14, 16:29
Jenna kicherte, denn das war ihr (und den Leuten im Hof) natürlich bewusst.
Dann jedoch wurde ihr Blick etwas ernster.
"Ich glaube ohnehin nicht, dass die Stute Spaß daran hätte; Sudbina ist im Moment sehr unruhig und agressiv. Die Stallburschen sagen, er muss mal richtig raus..."
Wenn es einem der kostbaren Pferde Jelenas nicht gut ging, insbesondere, wenn es sich um ihren kostbaren, temperamentvollen Hengst handelte, war das niemandem im Kontor unbekannt.
Man hatte versucht, dieses Problem von Jelena fern zu halten, aber langsam nahm die Unruhe des Pferdes Ausmaße an, welche sich auf den gesamten Tagesablauf des Kontors auswirken konnte.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 02. Jul 14, 15:08
"Wie bitte? Warum weiß ich davon nichts?"
Jelena fuhr sich mit den Händen durch das Haar und band sie zurück, die Bürste vergessen. Sie zog sich das nächstbeste Gewand über und ließ Jenna einfach stehen während sie die Treppe herunterlief und schnurstracks zum Stall ging.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 02. Jul 14, 21:58
Jelena erntete auf dem Hof erstaunte Gesichter. Zwei Stallburschen zerrten und schoben gerade eine drängelnde Stute in Richtung eines Anbindehakens am anderen Ende des Hofes.
Aus dem Stall drangen die Geräusche eines gereizten Pferdes und die Stimme eines weiteren Burschen: "Ruhig, Junge, ruhig, sie ist ja schon weg. Keiner wird dich heute stören!"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 02. Jul 14, 22:52
"Hej, moj dragi, moj lipi! Pa šta je s tobom, hm? Šta nije u redu? Samo ti meni reci, sve će bit u redu..."
Kaum im Stall angekommen stand sie auch schon vor Sudbinas Box und sprach beruhigend auf ihn ein.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 04. Jul 14, 13:18
Der Hengst schien überglücklich, Jelena zu sehen.
Hektisch rempelte er die Heilerin an, beschnupperte sie von oben bis unten, brachte ihre Haare durcheinander und stubste sie schnaubend an.
Offenbar wusste hier jemand nicht, wohin mit der aufgestauten Energie. Zwar versuchten die Stallburschen, den Tieren täglich Bewegung zu ermöglichen, aber bei einem derart temperamentvollen Pferd wie Sudbina war das nicht immer so einfach. Bevor sich einer der Burschen den Zorn Jelenas auflud, weil ihr kostbarer Hengst durchgegangen war und einen Ausflug auf eigene Faust gestartet hatte, ließen sie den Hengst lieber im Stall.

Inzwischen wurde Sudbina etwas ruhiger - er tastete die Frau mit seinen Lippen ab, wie ein Geliebter, der kontrollieren wollte, ob an seinem Schatz auch alles in Ordnung war. Dennoch zuckten alle Muskeln, wenn Jelena ihn anfasste und es drängte den Hengst immer noch in Richtung Stallausgang...
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 04. Jul 14, 14:43
"Ja, mein Großer, ist ja gut... ich hab dich schon verstanden. Jetzt laß dich satteln, dann verschwinden wir zwei draußen, in Ordnung?"
Jelena winkte den Stallmeister heran und sprach zu ihm ohne ihre Aufmerksamkeit von Sudbina zu nehmen:
"Sattelt ihn bitte, ich gehe mich umziehen und werde dann ausreiten. Und sollte er euch auf den Fuß treten, dann nur zu recht. Nächstes Mal kommt ihr sofort zu mir, verstanden?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 04. Jul 14, 14:48
Der Mann hatte Mühe in seiner Beschämtheit sein "Jawohl, Meistrin!" deutlich auszusprechen. Er scheuchte sofort einen Burschen los, der ihm Sudbinas Putz- und Sattelzeug bringen sollte und machte sich dann höchstselbst an die Arbeit.


Im Haus lief Jelena Jenna über den Weg.
"Ist im Stall alles in Ordnung?", fragte die Magd.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 05. Jul 14, 01:57
"Ja, Sudbina fühlt sich vernachlässigt und das können wir nur durch einen Ausritt wieder gut machen. Ich gehe mich umziehen. Schätze ich werde erst zum Abendessen wieder da sein."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 05. Jul 14, 02:22
Jenna nickte und verschwand in die Küche, wo sie einige Kirschen vor Malla 'rettete' und sie für Jelena beiseite stellte.

In der Küche herrschte gute Stimmung - Malla verteilte Kirschen an alle und besaß eine große Kunstfertigkeit darin, ihr gesamtes Gesicht mit den fast schwarzen Früchten lila-rot zu färben. Zugleich rannte sie von einer Person zur nächsten und hielt diesen die Spuckschale unter die Nase, um die Kerne einzusammeln.
"Schau mal Mama, soooooooo viele Kerne haben wir schon!", krähte das kleine Mädchen, als Jenna hereinkam.

Die Frau lächelte liebevoll und strich ihrer bildhübschen Tochter über das blonde Haar. Das kleine Mädchen wuchs im Kontor zu einer tollen kleinen Persönlichkeit heran, die schon so manchen Gast durch das Anwesen geschleift hatte.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 06. Jul 14, 11:50
Jelena zog sich rasch in bequeme Reitgewandung um und machte sich wieder auf den Weg in den Stall. Nachdem sie Sattel und Zaumzeug überprüft hatte schwang sie sich in den Sattel und machte sich auf den Weg durch die Stadt.
Sudbina war unruhig und versuchte mehrfach auszubrechen, was angesichts der völlig überfüllten Straßen ein Desaster wäre. Jelena zwang ihn zu einer angemessenen Schrittart und als ihr schließlich der Kragen platzte, saß sie ab, führte seinen Kopf ganz nah an ihren und meinte gefährlich ruhig:
"Hör zu, due Temperamentsbolzen! Du kannst das besser und das weißt du auch! Willst du das ich dich am Halfter durch die Straßen führe wie ein miserables Städterpferd?"
Die beiden schienen zu einer Übereinkunft zu kommen, denn Jelena stieg wieder auf und nahm den kürzesten Weg zum nächsten Stadttor.
Sobald sie die Mauern hinter sich gelassen hatten schlug sie den Weg zur alten Reichsstraße ein, der sie in einem fast perfekten Kreis einmal um die Stadt herum führen würde.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 06. Jul 14, 23:28
Die Menschen reagierten ganz unterschiedlich auf die Reiterin mit dem unruhigen Scheckhengst - je nach Naturell schüttelten sie verständnislos bis tadelnd die Köpfe oder wichen weiträumig aus.

Als Jelena und Sudbina die Reichsstraße endlich erreicht hatten, gab die Heilerin ihrem Pferd den Auslauf, nach dem es ihm so dringend verlangte. Dabei musste sie ein ganz ordentliches Maß ihres reiterlichen Könnens aufweisen, um nicht von dem Kapriolen schlagenden Tier abgeworfen zu werden.
Völlig begeistert und voller Übermut tobte Sudbina kopfschlagend und schnaubend über die Strecke und war sich für den ein oder anderen Buckler nicht zu schade.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 07. Jul 14, 08:33
Jelena zuckte die Achseln, packte die Zügel und bemühte sich einfach oben zu bleiben. Ihr war völlig klar das sie nach diesem "Ausritt" völlig zerschlagen sein würde und ihre Knochen würde einzeln beim Namen nennen können. Aber sie hatte Sudbina in der letzten Woche vernachlässigt und jetzt hatte er sich das verdient.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 07. Jul 14, 16:03
Es dauerte eine ganze Weile, bis aus dem stürmischen Austoben ein gleichmäßiger, ruhiger Galopp wurde. Nun ging es dem Hengst nur noch um das Auspowern und so lief er in langen, ausdauernden Sprüngen mit klarem Dreitakt über die Straße und wirkte ganz zufrieden.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 09. Jul 14, 09:07
Jetzt begann der Teil wo auch die Reiterin Spaß an diesem Ausflug hatte. Sie ließ Sudbina den Weg suchen und versuchte sich einfach zu entspannen und die Dinge um sich herum zu genießen. Das Wetter war warm und zunehmend schwül, in der Stadt nahezu unerträglich wenn man sich nicht auf die Dächer flüchten konnte um ab und an eine Brise abzubekommen.
Die Wetterauguren sagten Regen voraus aber noch ließ dieser auf sich warten und Jelena war sich ziemlich sicher, dass es dann auch kein sanfter Nieselregen sein würde.
Nach guten zwei Stunden hatten sie Fanada nahezu umrundet und Jelena machte sich auf den Weg zum Westtor um durch den Tempeldistrikt nach Hause zu reiten.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 09. Jul 14, 22:34
Die Menschen auf den Straßen waren durch das Wetter gereizt und so kam das Paar mehrfach an streitenden Fuhrleuten vorbei, die sich gegenseitig oder ihre Zugtiere anbrüllten, wenn es mal wieder Engpässe und Blockaden gab. Fußgänger schnauzten Wagenlenker und Reiter an, während Straßenhändler mit ihren Bauchläden und ihrem Geschrei das Chaos zur Spitze trieben...
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 10. Jul 14, 09:35
Jelena runzelte die Stirn. Eigentlich hatte der Stadtrat ein Gesetz erlassen wonach Fuhrleute nur morgens zwischen der sechsten und siebten Stunde und abends nach der siebten Stunde durch die Straßen fahren durften um genau solch ein Chaos zu verhindern. Offensichtlich stand wieder irgendeine Heiligenfeier bevor und es hatte einen speziellen Dispens für die Fuhrmannsgilde gegeben.
Das Geschrei und die Menschenmenge taten ihrem Kopf nicht gut und ihre Kopfschmerzen kehrten bereits nach kurzer Zeit mit hämmernder Stärke zurück.
Durch den Ausritt angemessen müde benahm sich Sudbina lammfromm und ließ sich mit leichter Hand durch die Straßen lenken.
Jelena seufzte erleichtert auf als die Tore des Kontors in Sichtweite kamen, nachdem Sudbina versorgt war würde sie dem Badehaus um die Ecke einen Besuch abstatten.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 10. Jul 14, 13:51
Die Karawane, von der Jenna zuvor gesprochen hatte, war inzwischen offenbar angekommen und der Innenhof war voller Menschen, Tiere und Waren. Es wurde abgeladen, hin- und hergeschleppt, geflucht, gelacht und getratscht. Packtiere wieherten, brüllten, schnaubten, scharrten, zappelten oder standen geduldig still - je nach Art und Temperament.
Der Leiter der Handelskarawane, ein freundlicher, kleiner, wettergegerbter Mann mit einem kleinen Bäuchlein und staubiger Reisekleidung aus teuren Stoffen, trat auf Jelena zu, als er sie gewahrte. Der Mann versuchte seit Jahren, die Heilerin zu mehr als nur einer Freundschaft zu überreden, blieb dabei aber charmant und bedrängte sie nicht. Stattdessen pries er sie in der blumigen Sprache seiner Heimat und brachte ihr immer wieder schöne Geschenke mit.
"Jelena, Stern von Fanada! Wie schön dich zu sehen!", begrüßte er sie überschwänglich und mit einem breiten Grinsen. Der Schalk blitzte, wie immer, in seinen Augen.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 15. Jul 14, 10:10
War ja klar, dachte Jelena lakonisch als sie den Trubel im Kontor mitbekam. Es würde wohl noch eine Weile dauern bis sie in den Badezuber kam.
Sie saß ab und brachte Sudbina in den Stall um ihn abreiben zu lassen und verfütterte noch einige Karotten an ihn bevor sie sich dem Chaos der Karavane stellte.
Sie musste wider Willen lächeln als sie Tomasz ben Hindi sah. Sie hätte durchaus nichts dagegen gehabt ihn näher kennen zu lernen, aber bisher hatten der Krieg und ihre Beziehung mit Gerhardt dagegen gestanden. Als er sie nun überschwenglich begrüßte, blickte sie demonstrativ an ihren staubigen, durchgeschwitzten und mit Pferdesabber bespritzten Kleidern herunter und hob skeptisch die Augenbraue:
"Stern von Fanada? Naja..."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 15. Jul 14, 12:26
"Eine Rose bleibt eine Rose, ganz gleich, ob eine Wolke ihre Pracht für einen Moment in den Schatten stellen mag!", fegte Tomasz ben Hindi ihren Einwand fort.
Er trat auf Jelena zu, nahm ihre Hand und küsste diese galant, wobei er es sich erlaubte, mit den Lippen sacht über ihre Finger zu streichen. Eine jener kleinen Gesten, mit denen er sein ernstgemeintes Interesse an der Heilerin kundtat.

"Ich sehe, du reitest immer noch diese temperamentvolle Kuh! Wann wirst du endlich lernen, dass ein vernünftiges Pferd nur eine Farbe haben sollte?!?", klagte der Mann nun, doch in seinen Augen stand ein Lachen. Tomasz kam aus einer Kultur, in der Schecken unerwünscht waren. Dennoch wusste er natürlich um die hohe Qualität Sudbinas. Es war ein ewiges, nie ganz ernst geführtes Streitthema zwischen dem kleinen Mann und Jelena.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 15. Jul 14, 12:58
"Dann wenn du zugibst das mein Schecke mehr wert ist als all deine Schindmähren zusammen." lautete Jelenas genauso wenig ernst gemeinte Antwort. Schließlich waren die Vollblutstuten die er ritt eine reine Augenweide.
"Komm, ich bin sicher wir finden drinnen etwas um den Staub herunterzuspülen. Unsere Leute werden hoffentlich nicht allzuviel kaputt machen wenn wir sie aus den Augen lassen."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 15. Jul 14, 13:15
"Bitte schenke mir zuvor noch einen deiner kostbaren Momente, oh größte aller Heilerinnen! Ich muss dir etwas zeigen!"
Tomasz machte eine verbeugende Bewegung und zeigte dabei auf den wuseligen Haufen von Menschen, Waren und Tieren im Hof.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 15. Jul 14, 13:27
Jelena schüttelte nachsichtig den Kopf. Wenn sie protestierte würde Tomasz nur noch dicker auftragen und sie wollte ihn nicht noch anstacheln. Also folgte sie ihm.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 15. Jul 14, 13:50
Tomasz ben Hindi wuselte lamentierend mit Jelena durch die Karawane ("Sei vorsichtig damit, du Tollpatsch!", "Na, mein Guter? Jetzt gleich bekommst du deinen Hafer!", "Mach Platz, du Sohn einer Ziegenhirtin!"...) und verschwand dann kurz aus dem Blickfeld.
Wenige Augenblicke später tauchte er wieder auf, ganz auf ein junges Pferd konzentriert, das er nun am Strick mit sich führte.
"Na komm, mein Mädchen, komm!", sprach er ruhig und liebevoll auf das Tier ein.
Es war eine Jährlingsstute, ein Vollblut, wie sie in Tomasz Heimat gezüchtet wurden. Unter den dunklen Resten des Fohlenfells schien bereits die Farbe durch, die das Pferd später haben würde; ein Fuchs-Ton, der Jelena an Zimt erinnerte.
Das junge Tier war dünn, langbeinig und schlaksig, Mähne und Schweif waren kurz und zottelig. Die feinen Ohren spielten unablässig und das Pferdchen machte große Augen.
Tomasz ben Hindi verneigte sich vor Jelena:
"Ich habe dir etwas mitgebracht, oh schönste aller Reiterinnen!"
Und mit diesen Worten übergab er der Heilerin den Führstrick.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 15. Jul 14, 14:01
"ÄH..."
Jelena hätte gerne etwas angemessenes und rhetorisch wertvolles von sich gegeben, aber es blieb bei dieser total uneloquenten Silbe. Sie war sofort hingerissen von dem schlacksigen Etwas vor sich und auch zutiefst überrascht. So ein Geschenk war sehr, sehr wertvoll.
Sie sah Tomasz verwirrt an: "Das kann ich unmöglich annehmen!"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 15. Jul 14, 14:05
Plötzlich wurde Tomasz ungewohnt ernst und es war auch nichts mehr von seiner üblichen blumigen Sprache oder diesem theatralischen Singsang in seiner Stimme.
Er zeigte auf einen Haarwirbel am Hals des Jährlings, direkt unterhalb des Mähnenansatzes.
"Nimm es, Jelena. In meiner Heimat wäre dies sein Todesurteil."

Das Pferdchen hatte inzwischen begonnen, Jelena vorsichtig aber neugierig zu beschnuppern.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 15. Jul 14, 16:12
Jelenas Gesichtsausdruck war in diesem Augenblick nicht der intelligenteste aber glücklicherweise schloß sie den Mund bevor Fliegen hinein- , oder schlimmer, harsche Worte hinausflogen.
Sie schluckte alles herunter und betrachtete das Geschenk vor sich als das was es war:
Ein kostbares, wundervolles Geschenk mit dem der Fuchs vor ihr zwei Fliegen mit einer Klappe schlug.
Sie ließ sich beschnuppern und hielt dem Fohlen die Hände hin während sie Tomasz taxierte, wohlwissend das dessen Karawanentreiber jedes Wort mitbekamen.
Und wenn es jemanden gab der mehr tratschte als die Mägde von Fanada, dann waren das die Karawanentreiber und -wächter.
"Du ehrst mich sehr, Tomasz ben Hindi! Eines solchen Geschenkes bin ich nicht würdig! Hat es bereits einen Namen?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 15. Jul 14, 16:45
"Wie gesagt, bei uns ist ihr Leben keinen... wie sagt man hier?, keinen Pfifferling mehr wert?", der kleine Mann mit dem Bäuchlein zuckte mit den Schultern.
"Ihr Vater ist der kluge Hengst Racheed, ihre Mutter eine göttliche Schimmelstute namens Mayar, Mondschein, und die Großmutter ist Ilayda, die Wasserfee, die von dem großen Hengst Jaleel abstammt. Offiziell durfte dieses Fohlen nicht benamst werden, aber ich weiß, dass die Stallburschen sie heimlich Shyreen, die Süße genannt haben. Es steht dir natürlich frei, ihr einen Namen zu geben, der dir gefällt, oh weise Jelena!"

Der Jährling hatte inzwischen begonnen, Jelena vorsichtig mit der Oberlippe am Oberarm zu kraulen, um sie zu einer Pferdefreundschaft einzuladen. Das Stütchen war wirklich süß!
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 15. Jul 14, 20:52
Jelena kraulte das Fohlen ausgiebig und ließ sie ihren Geruch aufnehmen: sonnengebleichtes Leinen, Lavendel, Zimt und ganz fein, so dass es keine menschliche Nase es vernehmen konnte, der Geruch nach Blut.
Sie nahm es am Halfter und führte sie langsam Richtung Stall, während sie sich weiter mit Tomasz unterhielt:
"Ich kann verstehen wieso sie ihr diesen Namen gegeben haben, aber sie kann ihn leider nicht behalten. Ich besitze bereits eine Stute mit ähnlichem Namen. Ich werde mir einen neuen für sie überlegen wenn ich sie besser kennen gelernt habe."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 15. Jul 14, 21:34
Die kleine Stute blickte sich aufmerksam um und ließ sich brav von Jelena führen.

Tomasz nickte bedächtig. "Es ist nicht gut, wenn zwei Damen, die zusammenleben, ähnliche Namen haben. Wie gesagt, es ist nicht üblich, Pferde zu benamsen, die keine Zukunft haben. Aber ich hätte sie nach dem Wetter ihrer Geburtsnacht benannt: Asifa. Es bedeutet Sturm oder Gewitter. Nun ja, sie gehört nun dir, Strahlende! Und ich weiß, dass ich eine gute Tat getan habe und ein kleines Pferdeleben gerettet und dir ein Lächeln auf das Gesicht gezauber habe!"
Tomasz verneigte sich, bevor Jelena mit der Stute den Stall betrat und wartete dann draußen.

Im Stall begrüßte der Jährling die anderen Pferde mit einem zarten Wiehern.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 16. Jul 14, 09:20
Jelena schüttelte den Kopf über Menschen die sich freiwillig so in ihren Möglichkeiten einengen ließen aber andere Menschen, andere Sitten.
Nachdem sie sicher war, dass das Fohlen sich im Stall wohl fühlte ging sie zu Tomasz zurück und die beiden machten es sich unter dem Baldachin auf dem Flachdach gemütlich um Neuigkeiten auszutauschen.

Die nächsten Tage vergingen wie im Flug und der Trubel im Kontor schwoll und ebbte mit den kommenden und gehenden Karawanen auf und ab. Irgendwann platzte Jelena der Kragen und sie beschloß die nächste Kaffeelieferung persönlich nach Brega zu bringen. Sie verkündete eines Morgens das sie am nächsten Tag aufbrechen würde und bestimmte unter anderem Jenna, dass sie sie begleiten sollte. Wie in einem Reiterhaushalt üblich waren die persönlichen Dinge schnell gepackt und bereits der nächste Sonnenaufgang sah eine kleine Kolonne von Reitern und Packtieren das Kontor verlassen.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 16. Jul 14, 14:41
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Jenna seufzte dankbar, als der Kontor endlich vor der Gruppe auftauchte. In wenigen Minuten wäre sie wieder bei ihrer kleinen Tochter.
Jelenas Magd hatte sich inzwischen zwar an die Reiterei gewöhnt, aber sie machte ihr nicht halb so viel Freude, wie den anderen.
Jenna blickte hinter sich auf ihre Geschwister und schüttelte zum tausendsten Male ungläubig den Kopf. Dječak und Jabucica ritten nebeneinander auf ihren Pferden und sahen sich neugierig um.
Dass diese beiden hier waren...
Jenna dachte an Wassilij und eine leichte Röte überzog ihre Wangen...
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 16. Jul 14, 15:10
Auch Jelena schüttelte den Kopf. Wie zum Kuckuck kam es immer dazu, dass sie neues Gesinde bekam obwohl sie nicht danach suchte?
Die Göttin treibt Scherze mit mir, beschloß sie innerlich und zuckte schicksalsergeben die Achseln. Sie hatte sich in Jenna nicht getäuscht und hoffentlich würde sie sich auch bei den beiden nicht täuschen. Sie waren noch jung genug das man ihnen die Sprache und Gebräuche der Heimat beibringen konnte.
Und selbst wenn nicht, so hatte sie nun zwei weitere Pferdeknechte die nicht völlig ignorant waren wie ihre Fandaer Gegenstücke.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 16. Jul 14, 15:34
Wieder im Kontor ließ Jenna sich von Großväterchen gleiten und wurde sofort von Malla angesprungen.
"MAMA! MAMA, MAMA, MAMA! Endlich bist du wieder da! Ich habe dich soooooooo vermisst!", rief das kleine Mädchen und quietschte vor Freude.
Beim Abschied hatte es dramatische Szenen gegeben; Malla hatte darum gebettelt und gefleht, mitgenommen zu werden. Doch nun war alles wieder gut.
Jenna setzte ihre Tochter auf Großväterchen und führte sie ein paar Runden im Hof herum ("Haaaallo Jelena, schau mal, ich bin hier oben!"), dann nahm sie das Mädchen wieder herunter und übergab das brave Pferd an einen der Knechte.

Dječak und Jabucica hatten derweil geholfen, die Tiere zu versorgen. Nun jedoch rief Jenna nach ihnen und stellte ihnen ihre Nichte vor, die sich zunächst scheu am Kleid ihrer Mutter festhielt.
"Schau mal Malla, dass sind deine Tante Jabucica und dein Onkel Dječak. Das letzte Mal, als sie dich gesehen haben, warst du noch ein Baby.", sagte Jenna.
Jabucica beugte sich vor und lächelte das kleine Mädchen an: "Hallo Malla! Unglaublich, wie groß du geworden bist!"
Der Bursche ging in die Hocke und schenkte seiner Nichte ebenfalls ein Lächeln. "Hallo Malla, das ist aber schön, dass wir uns wiedersehen!"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 16. Jul 14, 16:03
Die Heilerin lächelte nachsichtig und winkte zurück als Mala sie rief und ließ sich derweil von Anica auf den neuesten Stand bringen. Die Geschäfte ruhten nie und so gab es mehr als genug Dinge die ihre Aufmerksamkeit erforderten.
Nachdem alles erledigt war das keinen Aufschub mehr duldete schnappte sie sich einen der Badekörbe und machte sich auf den Weg zum Badehaus um sich den Staub von der Reise abzuspülen.
Da es häufiger passierte das Jelena schmutzig und blutbefleckt nach Hause kam war man dazu übergegangen immer einen Korb mit frischer Wäsche, Handtüchern, Seife und Kleingeld in der Küche zu deponieren, so dass sie gar nicht erst ins Haus musste um Dinge zusammen zu suchen.
"Will jemand mit?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 16. Jul 14, 16:22
"Ja, wir kommen mit! Gib mir einen Moment, um Mallas Sachen zu holen!", rief Jenna.
Sie wies ihre Tochter an, bei Jelena zu bleiben und huschte rasch los, um den Beutel mit der besonders sanften Seife und dem kleinen Becher, mit dem Malla im Wasser gerne spielte, zu holen. Unterwegs griff sie sich noch ein Extrahandtuch und zerrte kurzerhand ihre Schwester einfach mit.

Nur wenige Augenblicke später stand sie wieder im Hof, eine etwas verdutzte Jabucica hinter sich herziehend.

In der Zwischenzeit hatten sich Jelena und Malla unterhalten. Gerade erzählte die Kleine begeistert: "Mama hat in Brega sooo schönen Stoff gekauft. Da macht sie ein Kleid von. Ganz für mich! Ist das nicht schön?!"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 17. Jul 14, 08:05
"Dann hast du ja bald mehr Kleider als ich!" meinte Jelena scherzend.
Als alle alles beisammen hatten machten sie sich auf den kurzen Fußweg zum Badehaus um die Ecke. Dort angekommen zahlten sie den notwendigen Obolus und ließen sich zwei Zuber nebeneinander geben, einen für Jelena und einen für großen für die beiden anderen Frauen. Mala würde sowieso mit Begeisterung überall mitplanschen.
Nachdem sie sich den gröbsten Dreck abgeschrubbt hatten ließen sich alle mit einem erleichterten Seufzer in den Zuber gleiten.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 17. Jul 14, 22:09
Jabucica war völlig begeistert. Zuber waren ihr nicht fremd, aber in derartigem Luxus hatte sie noch nie geschwelgt.
Malla hatte gelernt, im Badehaus leise zu sein und es fiel ihr nicht schwer, die Erwachsenen nachzuahmen, die sich seufzend nach hinten lehnten und das warme Wasser genossen. Die Kleine hielt sich an Jenna fest, ließ ihre Haare im Wasser schweben und atmete tief durch. Gelegentlich kniepte sie durch fast geschlossene Augen, um zu sehen, ob die Frauen irgendetwas anders machten.
Irgendwann wurde es ihr zu langweilig und sie begann leise vor sich hin summend mit einem Schwamm und ihrem Becher zu spielen...
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 18. Jul 14, 09:02
Jelena ließ sich die Haare waschen und genoß die kundigen Hände der Zubermagd. Die kannte sie inzwischen lange genug um zu wissen das der Nacken und die Schultern der Heilerin meistens steinhart und schmerzend waren, so dass sie sich vornehmlich darauf konzentrierte.
"Jenna? Stell sicher das deine Geschwister ordentlich gekleidet und beschuht sind und erklär ihnen wie der Kontor funktioniert, ja? Ich sehe mir einige Wochen an wie sie arbeiten und dann sprechen wir über einen Vertrag für ihre Dienste."
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 16. Okt 14, 16:59
Jennas Augen strahlten, als sie auf Jelenas Worte mit einem beglückten "Ja, natürlich, Jelena!" antwortete.

Sie sah ihre Schwester an und schüttelte erneut überwältigt den Kopf.

Wortlos reichten sich die Frauen die Hände und drückten feste zu, als wollten sie sich versprechen, nie wieder den Kontakt zu einander zu verlieren.

Jabucica hatte so viele Fragen auf den Lippen, doch sie wusste nicht, wie sie Jelena einschätzen sollte. Selbst ihre Schwester hatte etwas fremdes an sich. Kein Wunder - schließlich waren fast vier Jahre vergangen und nur die Götter wussten, was sie in der Zwischenzeit erlebt hatte.

Auch Jenna war bei aller Überwältigung dabei, ihr altes Bild mit der aktuellen Version ihrer Schwester zu vergleichen.
Jabucica war gebräunt von der Reise, ihr bis eben noch hochgebundenes Haar war von der Sonne aufgehellt, die tägliche Reiterei hatte ihren schlanken Körper gestählt und ihre Hände waren voller Schwielen, alten, fast verheilten Blasen und Katschen und Kratzern, die ihr der Greifvogel beigebracht hatte.
Hinfort das schmale Mädchen mit den zarten Händen, den offenen Haaren und dem träumerischen Blick, das sich so zauberhaft gut mit Pferden verstand und in ihrer Familie wie ein falsch ausgeliefertes Schmuckstück auffiel.

Malla sprach die neue Frau schließlich neugierig auf ihre Hände an:
"Wo hast du dir denn so weh getan?", wollte das kleine Mädchen wissen.

Jabucica erzählte ihr von der Reise und von dem jungen Rotmilan, den sie in Brega bei einem Falkner zurückgelassen hatte. Als die junge Frau den typischen Ruf des Tieres sehr gekonnt nachpfiff, klatschte Malla begeistert in die Hände.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 17. Okt 14, 10:09
Jelena debattierte mit sich selbst ob sie sich noch eine halbe Stunde im heißen Wasser gönnen könnte, aber der Tag war schon weit fortgeschritten und es wartete ein Berg Arbeit auf sie.
Sie hörte den beiden Schwestern zu wie sie Geschichten austauschten und rief schließlich nach der Zubermagd.
Es dauerte nicht lange bis alle abgetrocknet und angezogen waren, die Haare wurden unter Tüchern versteckt und würden zu Hause ausgekämmt werden.
Wieder im Kontor angekommen dauerte es nicht lange und die Geschäfte vereinnahmten Jelena vollständig, so dass sie in ihrem Schreibzimmer verschwand und sogar zum Abendessen nicht mehr erschien.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 17. Okt 14, 13:36
Die nächsten Tage verbrachten Jabucica und ihr Bruder damit, im Kontor anzukommen.
Jenna zeigte ihnen, wo sie schlichte, aber qualitative Kleider und Schuhwerk bekamen, um ihre Habe etwas aufzustocken. Ebenso machte sie ihre Geschwister mit den verschiedenen Personen, Abläufen und Bereichen des Kontors bekannt.
Rasch gehörten die beiden wie selbstverständlich zu den Pferdeknechten, standen früh auf, misteten Ställe aus, behandelten kleinere Blessuren, maßen Futtermengen ab und halfen den Karawanenleuten mit ihren Tieren.

So schnell sie mit den Zug- und Tragtieren klarkamen, so unsicher waren sie manchmal im Umgang mit den Menschen im Kontor. Jabucica war es nicht gewohnt, so viele Männer um sich zu haben, die mit ihr scherzten oder ihr (mehr oder minder ernst gemeinte) Avancen machten.
Und Dječak musste sich erst mal daran gewöhnen, nicht als 'ungeliebtes Kind' gesehen zu werden. Hier wurden seine Arbeit und auch die seiner Schwester ehrlich geschätzt. Niemand störte sich daran, ganz im Gegenteil, beide bekamen Lob und Anerkennung, ihr Wissen und ihre Ratschläge wurden gerne gehört und man ließ sie ganz natürlich an den Erfahrungen der anderen teilhaben.

Im Gefüge des Personenkreises rund um Jelena zeigten sie aber die größte Unsicherheit. Für die Geschwister war Jelena unermesslich reich und ihre Freunde, über die Jenna zu berichten wusste, unglaublich mächtig.
Allein die derzeitig im Stall stehenden persönlichen Pferde und die Berichte der Stallknechte über die anderen Reittiere der Personen, die Jelena nahe standen, sprachen für sich.

So verwunderte es auch nicht, dass sowohl Dječak, als auch Jabucica Sudbina, Jelenas Scheckhengst, geradezu vergötterten.
Dječak begann zusätzlich sich mit dem Jährlingsstütchen zu beschäftigen, das ihm sofort das Herz gestohlen hatte. Oft konnte man ihn dabei sehen, wie er das junge Pferd ausgibig kratzte, bis es vor Wonne mit der Oberlippe zuckte und die Augen verdrehte.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 17. Okt 14, 13:46
"Versuchst du sie mir abspenstig zu machen?"
ertönte Jelenas Stimme leise hinter ihm. Sowohl der Tonfall als auch das Lächeln machten klar, dass sie diese Frage nicht wirklich ernst meinte.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 17. Okt 14, 14:03
Das Stütchen streckte den Hals vor, um Jelena sachte mit dem Maul anzustupsen.
Dječak drehte seinen Kopf und lächelte Jelena an. "Sie ist eine kleine Göttin, du wirst dich daran gewöhnen müssen, dass sie viel Anhänger haben wird, Meistrin!", sagte der Bursche liebestrunken.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 17. Okt 14, 15:34
Ahhhhhhhhhhhhhhhhhhhhh...
Auf Jelenas Gesicht erschien ein breites Grinsen.
Wenn die Göttin dir etwas ins Ohr brüllt...
Sie war noch nicht so lange der Heimat fern um nicht zu erkennen was hier vor sich ging. Offensichtlich hatte Crni entschieden das die beiden zusammengehörten und was geschah wenn man den Göttern nicht ihren Willen ließ war auch klar.
"Soso, eine Göttin, hm? Und woran erkennst du das?"
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 17. Okt 14, 15:45
Offenbar schien Jelenas Reaktion den schlanken, jungen Mann mit den blonden Haaren, den man mit entsprechender Kleidung auch durchaus in eine Kiste mit zarten Höflingen und Barden werfen könnte, zu verunsichern.

"Äh... naja... sie... sie ist einfach... überwältigend! So schön und so lieb und so anmutig und wenn sie auch nur annähernd so wird, wie sie jetzt vermuten lässt, dann... "
Dječak sprach den Satz nicht zuende. Hatte er sich gerade vor der Frau, in deren Dienste er treten wollte, lächerlich gemacht?
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 17. Okt 14, 16:04
Jelenas Miene blieb freundlich, aber man konnte ihr sonst nichts anmerken.
"Was hältst du davon, dass der Mann der sie mir geschenkt hat sie als wertlos bezeichnete weil sie einen Makel hat?"
Sie wies auf den Nackenwirbel knapp unterhalb der Mähne.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 17. Okt 14, 16:25
Dječaks Kopf ruckte zurück, als habe jemand versucht ihn zu schlagen.

"Was ist das für ein Irrsinn? Das ist ja wie diese Leute, die vollkommen gutes Essen verschmähen, weil pflanzliche und tierische Zutaten nicht getrennt gegart wurden!"

Stirnrunzelnd wandte er sich noch einmal zu der kleinen Stute um.
Er versuchte, sie mit einem anderen, objektiveren Blick zu sehen.
Aber egal, was er sich anschaute - sie war ein perfekter Jährling. Sicherlich nicht als schweres Streitross geeignet um in Kriegszeiten vollgerüstete Ritter in die Schlacht und in Friedenszeiten ambitionierte Tjoster zu tragen. Doch ihre Wendigkeit, Schnelligkeit, ihr Durchhaltevermögen und ihre Intelligenz würden ihren Reiter mindestens genausogut schützen, wie eine Plattenrüstung.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Jelena am 18. Okt 14, 20:18
"Andere Länder, andere Sitten."
Lautete Jelenas neutraler Kommentar.
"Mir gefällt was du in diesem Fohlen siehst. Auch wenn du nicht so erzogen wurdest wie es dir zustand, so zeigt sich doch das Erbe unseres Volkes. Du bist jung genug um zu lernen..."
Sie schien einen Augenblick zu überlegen.
"Ich will das ab jetzt ausschließlich du dich um sie kümmerst."
Sie nickte noch einmal bekräftigend und verschwand im Stall bevor Dječak etwas antworten konnte.
Titel: Re: Der Kontor ab Sommer 264 n. J.
Beitrag von: Lilac am 21. Okt 14, 20:04
Dječaks Unterkiefer klappte herunter. Damit hatte er nun überhaupt nicht gerechnet.
Er hockte sich vor der kleinen Stute hin und kraulte ihren gesenkten Kopf.
Heiße Freude durchströmte ihn, seine Brust wollte platzen vor Stolz und seine Ohren sausten vor Ungläubigkeit.
Zugleich aber stubste ihn in der Magengegend ein garstiges kleines Zweifelchen, ob er der Aufgabe wirklich gewachsen war.

Jabucica war gerade dabei, einem Pferd die Hufe auszukratzen, als die geballte Ladung der Gefühle ihres Bruders über sie herein brach. Sie hielt einen Moment inne, ließ den Huf fahren, erhob sich aus der Hocke und lehnte sich an die Stute, mit der sie gerade beschäftigt war.
Dieses Glück! Nur einmal hatte sie bisher etwas derartiges bei ihrem Bruder gefühlt; als Wassilij ihnen die Pferde geschenkt hatte.
Sie kostete die Empfindung aus - ihren Grund würde sie später erfahren - und widmete sich dann wieder dem Pferd vor ihr.
Nun sprach sie nicht mehr beruhigend auf die Stute ein, sondern summte mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen vor sich hin...