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Der Städtebund von Tangara => Fanada => Thema gestartet von: Jelena am 25. Mai 11, 10:27

Titel: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 25. Mai 11, 10:27
Jelena stand wie jeden Morgen an ihrem Fenster und betrachtete das bunte Treiben im Innenhof, während sie ihre erste Tasse Tee trank.
Sie waren seit einigen Tagen zurück in Fanada und versuchten noch alle ihren gewohnten Rhythmus wieder zu finden. Nach all den Jahren des Krieges war es geradezu schwierig "nur" noch ein normales Leben zu führen.
Die Geschäfte waren in ihrer Abwesenheit durch Markus, den Prokuristen und Anica tadellos geführt worden und Jelena dankte Zlatica für das Glück solch gute Menschen in ihrem Dienst zu haben. Sie freute sich unbändig darauf sich in diesem Sommer nur mit ihrem Gewürz- und Kaffeehandel und mit ihrer Familie zu beschäftigen.
Das Wetter war großartig und sie war zutiefst dankbar die morgendliche Meditation wieder auf dem Dach durchführen zu können.
Nachher würde sie die Märkte abklappern und sehen was sie an neustem Klatsch und Tratsch über die großen Handelshäuser hören würde.
Jelena grinste.
Das Leben war zur Abwechslung mal richtig gut.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 26. Mai 11, 21:38
Jelena rümpfte die Nase und steckte den Brief in ihre Gürteltasche bevor sie wieder zu dem Handbeil griff und begann die Rinderknochen zu zerkleinern. Seiden sieden gehörte nicht zu ihren Lieblingsaufgaben, aber sie mochte das Endergebnis. Sie warf die zerkleinerten Knochen in den bereitstehenden Kessel um sie auszukochen und wischte sich die Hände an der Schürze ab, bevor sie zu den Kräutern griff die sie der Seife beimischen wollte.
Ein lautes Krachen ertönte am Tor und Jelena wirbelte herum, in einer Hand das Beil, in der anderen das Messer, der Körper kampfbereit gespannt.
Sie brauchte einen Augenblick bis sie begriff, dass das Krachen von der Ladung Holzscheite stammt, die am Tor abgeladen wurde.
Sie atmete einmal tief durch und entspannte Muskel für Muskel willentlich bevor sie sich wieder umdrehen und die Axt aus der Hand legen konnte.
Jelena schüttelte den Kopf über sich selbst.
Der Krieg mochte vorbei sein, aber was ihr Kopf wusste, war noch lange nicht in ihrem Bauch angekommen.
Sie seufzte und nahm ihre Arbeit wieder auf. Zeit sich mit naheliegenden Problemen zu beschäftigen.
Was zur Hölle ist nun schon wieder Kadegars Problem?
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 31. Mai 11, 19:45
Wassilij saß am anderen Ende des Innenhofes und genoss die Ruhe. Sein Blick schweifte unstet über den Hof und seine Augen verengten sich kurz, als er Jelenas zucken sah. Langsam stand er auf und ging zu ihr hinüber. Ihm war klar, dass Jelena ihn  bemerken würde, sobald er hinter ihr stand. Sie hatte eine Art sechsten Sinn für Wassilij entwickelt. Deswegen gab er sich keine Mühe, sie vorher anzusprechen, sondern trat hinter sie und begann: " Es wird vorbei gehen. Die meisten von uns, werden sich an den Frieden gewöhnen müssen. Und es sollte nicht das schlechteste sein, das wir uns daran gewöhnen."

Ein etwas schiefes Grinsen glitt über sein Gesicht, da es kaum zwei Stunden her war, dass er sein übliches Training beendet hatte.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 31. Mai 11, 20:00
"Hmpf"
lautete Jelenas Reaktion darauf, während sie die letzten Knochen in den Kessel warf und dann nach einem Lappen griff um die Axt zu säubern.
"Ich weiß, das es vorbei gehen wird. Und ja, für viele wird es das richtige sein."
Sie lächelte Wassilji mit einem eigenen schiefen Lächeln an:
"Aber du und ich gehören nicht dazu."
Sie wies mit dem Kinn auf den blubbernden Kessel:
"Rührst du mal um? Vorsichtig, die Dämpfe sind beißend."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 31. Mai 11, 20:08
Wassilij blinzelte kurz, als die Dämpfe in seine Augen stiegen, aber er rührte entschlossen um.

"Nein, wir beide gehören sicher nicht dazu. Auch wenn wir beide unterschiedliche Wege gehen."

Einen Augenblick, schaute er versonnen in den Kessel: "Wobei ich mich wirklich an solch friedvolle Momente gewöhnen könnte."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 31. Mai 11, 20:29
"Wer könnte das nicht?"
Jelena legte die Axt beiseite und begann den Laugenstein zu zerkleinern. Wenn die Knochen ausgekocht waren, würde sie das Fett abschöpfen und in der Lauge aussieden lassen.
"Obwohl ich nichts dagegen hätte die stinkenden Arbeiten in Zukunft jemand anderem zu überlassen..."
Sie grinste und zum erste Mal seit Jahren war es unbeschwert.
"Hast du Lust auf einen Ausflug? Ich brauche jemanden der die näcste Ladung nach Port Valkenstein begleitet. Ursprünglich hatte ich vor es selber zu tun, aber ich glaube es ist besser wenn ich das jemand anderem überlasse."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 31. Mai 11, 20:33
Wassilij überlegte einen Augenblick.

"Dann müsste ich Euch hier alleine lassen. Aber wenn ihr es wünscht, würde ich die Aufsicht übernehmen."

Mit einem leicht schelmischen Grinsen fuhr er fort: "Soll ich jemandem Grüße übermitteln, weil ihr Euch nicht traut?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 31. Mai 11, 20:49
Jelena wies auf den belebten Innenhof und die Stimmen, die aus dem Haus kamen:
"Alleine? Wohl kaum. Bei diesem Lärm hört man ja manchmal nicht mal seine eigenen Gedanken. Ich bin versucht die nächsten Wochen mit einer Queste für Tajna zu verbringen."
Sie verzog das Gesicht als sie Wassiljis Kommentar hörte und schüttelte den Kopf:
"Das hat mit sich trauen nichts zu tun. Ich bezweifle nur, dass sie momentan willkommen sind."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 31. Mai 11, 20:52
Wassilij nickte verständnissvoll.

"Ja, ich verstehe, was ihr meint. Ich wollte selbst nocheinmal in die Berge. Sie erinnern mich an meine Heimat. Und Ruhe würde Euch auch gut zu Gesichte stehen. Aber warum solltet ihr bei Gerhardt nicht willkommen sein?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 31. Mai 11, 21:40
"Gerhardt hat sich dazu entschlossen sich seinen eigenen Dämonen zu stellen. Und er möchte das ohne mich tun. Egal was ich davon halte, ich sollte zumindest seine Wünsche respektieren."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 31. Mai 11, 21:43
Wassilij nickte. "Eine gute Entscheidung! Von Euch beiden. Ich denke, es wird ihm viel bringen und er wird endlich von einem Kämpfer zu einem Krieger. Es wäre ein wünschenswerter Schritt und gut für Euch beide."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 31. Mai 11, 21:50
Jelena stemmte die Rechte in die Hüfte und sah Wassilji mit einem stechenden Blick an, der unmissverständlich klar machte, dass sie seine Meinung nicht teilte:
"Das war das Gönnerhafteste, das du in letzter Zeit von dir gegeben hast, Wassilji, und ich hätte nicht übel Lust dir eins überzubraten! Gerhardt ist ein Krieger und er ist es in manchen Punkten sogar mehr als du! Woher willst du wissen was für ihn oder mich gut sein wird? Hm? Ich will dir sagen, was es ganz bestimmt nicht ist! Und dazu gehört das wir nun, wo wir endlich Zeit miteinander verbringen könnten ohne von Schlachtfeld zu Schlachtfeld zu hetzen, wir es aus irgendwelchen idiotischen Gründen nicht tun!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 31. Mai 11, 22:04
Wassilij schüttelte den Kopf. "Ihr miss versteht mich. Ich habe eine ganze Menge respekt vor Gerhardt und seinen kämpferischen Fähigkeiten. Aber ich frage mich, ob er sich selbst über seine Beweggründe in manchen Situationen im klaren ist."


Der junge Krieger kratzte sich am Kinn und überlegte eine Zeit lang ob er nicht zu viel gesagt hatte. Aber er fuhr fort:" Ich ergreife beinahe jede Möglichkeit und ohne Zweifel finden viele Anstoß daran, wenn sie es wüssten. Was ich aber bei Gerhard meine, ist sein schneller Griff zur Gewalttätigkeit, um Gefangene zu Verhören."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 31. Mai 11, 22:42
Jelenas Schultern sackten ab und sie erinnerte sich an jenen höllisch heißen Tag in den Wäldern als sie auf der Suche nach Gorix Richtung Norden gereist waren. An den Geruch nach Blut, der sich in ihren Haaren festgesetzt hatte, an das Zittern ihrer Hände als sie das Bein des Verwundeten richtete, obwohl sie wusste, dass er die nächste Stunde nicht überleben würde.
An den Blick in Gerhardts Augen als er sein Messer abwischte.

"Er hat nichts getan was du und andere nicht auch getan haben."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 01. Jun 11, 14:01
Jenna saß auf einem Schemel an einem sonnigen Fleck und mühte sich, die neuesten Flecken aus Mallas Lätzchen zu schrubben. Die Kleine bekam jetzt zunehmend Breikost, hatte ihre ersten zwei Zähnchen und begann, sich rollend fortzubewegen. Auch jetzt lag sie quietschend und lallend auf einer Decke zu Füßen ihrer Mutter und spielte mit einem Filzspielzeug.
Jennas Gedanken schweiften ab...
Sie war nun schon einige Zeit bei Jelena - doch würde die Meistrin sie auch weiter behalten wollen, jetzt, da sie in Fanada waren? Hier hatte sie schließlich einen kompletten Haushalt und benötigte wohl keine weitere Magd...
Natürlich hatte man Arbeiten für sie gefunden - sie hatte überall mit angepackt, wo ihre Hilfe erwünscht war. Sie hatte Holz gehackt, Wasser gekocht, Wäsche gewaschen, in der Küche geholfen, Dinge aufgeräumt, gespült, aus altem Leinen Verbände gerissen...
Doch hatte sie immer sehr viel Zeit für sich und Malla gehabt - mehr, als ihr früher zur Verfügung gestanden hatte. Oft war sie im Anwesen herumgewandert, hatte den Reichtum der Heilerin bewundert, die kostbaren Einrichtungsgegenstände, die erlesenen Handelsgüter bestaunt.
Immer wieder war sie bei den Pferden gelandet. Sie wünschte sich, Jabucica und Djecak wären hier. Sie würde Jelena beknieen, den beiden eine Anstellung in ihrem Stall zu geben, würde auf ihren eigenen Lohn verzichten, damit die beiden diese Chance bekämen! Wenn sie doch nur wüsste, wie es den beiden ergangen war?! Hatten sie die Kämpfe überlebt? War Jabucica womöglich bereits vom Vater verheiratet worden, so, wie er es mit ihr vorgehabt hatte? Hatte man sie ihrer Freiheit beraubt, zu gehen, wohin sie wollte und mit den wildesten Pferden Freundschaft zu schließen? Hatte man Djecak womöglich in eine Lehrstelle gezwängt, in die er nicht passte? Gerade er - der er doch so zart und sensibel war, dessen Stärke in seinem sanften Umgang mit jedem Tier lag... Was war aus diesen beiden geworden?
Sie konnte mit niemandem darüber reden, konnte nicht nachforschen, konnte keine Nachricht schicken... und es zeriss ihr schier das Herz!

Eine einsame Träne lief Jenna über das Gesicht, während sie weiter über einen Fleck auf dem Lätzchen schrubbte, der schon gar nicht mehr zu sehen war...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 01. Jun 11, 17:50
Wassilij sah Jelena an. Er hatte sie nicht verletzen wollen. Ein wenig gebrochen begann er: "Gerhardt ist ein fröhlicher Mensch, der Albernheiten mag. Darin hat er mir viel voraus. Ihm zolle ich auch sehr viel Respekt."

Seine Stimme versagte kurz und mit einem Gesichtsausdruck, der so wirkte als ob er etwas wieder durchleben würde, sagte er leise: "Ich habe schlimmeres getan. Deswegen würde ich Gerhardt auch nicht verurteilen. auch wenn es sich so angehört haben mag."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 01. Jun 11, 19:31
Jelena legte ihm die Hand auf den Arm und drückte. Der Kontakt zeigte ihm mehr als viele Worte das sie ihm schon längst verziehen hatte.
"Ich weiß. Niemand geht durch das Feuer ohne seinen Geruch anzunehmen."
Sie seufzte und lies ihren Blick wieder über den Innenhof schweifen. Sie vermisste Gerhardt, das war offensichtlich, auch wenn sie so gut wie nie über ihn sprach.
"Ich werde Rogar bitten den Treck nach Port Valkenstein zu begleiten."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 01. Jun 11, 21:52
Wassilij war offensichtlich erleichtert, nicht über diesen Teil seiner Vergangenheit sprechen zu müssen.

"Wie ihr wünscht Jelena. Ich denke, das Rogar ohne Zweifel besser geeignet wäre." Der junge Krieger atmete einmal tief ein und schloss die Augen. "Irgendwie ist es beinahe zu ruhig. Und irgend etwas in mir warnt mich, das dies nur die Ruhe vor dem Sturm ist."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 01. Jun 11, 22:00
Jelena stutzte und legte das Werkzeug beiseite:
"Nein, Wassillji. Der Sturm ist vorüber." sagte sie leise, aber bestimmt.
"Der Sturm ist vorüber und wir haben ihn überlebt. Unsere Wunden verheilen und irgendwann werden auch die Alpträume verblassen. Zögere die Heilung nicht heraus in dem du auf einen neuen Sturm wartest."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 01. Jun 11, 22:24
Wassilij nickte stumm. Ja, der Sturm war vorüber und sie hatten alle überlebt. Die Verletzungen waren nun alle geheilt und selbst Wassilij trug im Kontor nur noch ein Messer. Einzig sein tägliches Training erinnerte daran, das er ein Krieger war.

So ein gutes Leben, hatte er noch nie geführt. Hier im Kontor ging es ihm so gut, wie noch nie. Er begann zu lächeln.

"Danke Jelena! Danke für Eure Worte, die aus Eurem Munde mir gegenüber nicht nötig wären. Und Danke für mein gutes Leben hier bei Euch!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 01. Jun 11, 22:38
"Idiot."
meinte Jelena liebevoll und zupfte ihm das Kopftuch über die Augen.
"Ich sag dir was, Sjeno moja. Morgen früh reiten wir zwei aus und du wirst über mich wachen während ich eine Queste für Tajna erfülle. Das wird uns beiden gut tun."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 01. Jun 11, 22:40
Wassilij nickte begeistert. "Ich freue mich!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 01. Jun 11, 22:59
Jelena lächelte zurück und wandte sich wieder dem seifen sieden zu. Sie arbeitete hochkonzentriert und goß die Seife in hölzerne Blockformen um Blumen und Kräuter beizumengen. Sie drückte ihren schmerzenden Rücken durch und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
"Das sollte für die nächsten Monate reichen!" meinte sie zufrieden und griff nach einem Krug Wasser um ihren Durst zu löschen. Nur um festzustellen, dass er leer war. Sie blickte sich suchend um und erblickte Jenna auf der Bank unter dem Pflaumenbaum:
"Jenna? Bringst du mir was zu trinken, bitte?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 00:48
Offenbar hatten die Worte der Heilerin die Frau aus irgendwelchen Gedanken gerissen - sie zuckte zusammen und ließ die Bürste fallen, mit der sie das Lätzchen bearbeitet hatte. Jenna legte das Babyutensil zur Seite, erhob sich etwas steif aus ihrer Sitzposition und ging zu Jelena hinüber, um den Krug erneut zu füllen.
Als sie nach dem Gefäß griff, schenkte sie Jelena das typische kurze, freundliche Lächeln, das jemand, der gerade aufgewacht und noch nicht ganz orientiert war, auf den Lippen hatte. Eine von ihr offenbar gar nicht registrierte Träne glitzerte auf ihrer Wange und weitere in ihren Augen.
Als sie sich mit dem Krug in den Händen abwandte, zögerte sie kurz, als müsste sie sich daran erinnern, wo sie den Krug auffüllen könnte. Dann lief sie zielstrebig los und schüttelte dabei den Kopf, um die letzten Reste ihrer Gedankenreise loszuwerden.

Malla sah ihrer Mutter nach und begann zu quengeln, als diese sich entfernte. Dann jedoch wurde das Interesse des Säuglings von einer Amsel gepackt, die unweit der Bank landete und nach Würmern zu picken begann...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 10:37
Die Heilerin bemerkte ihren Gesichtsausdruck sofort, sagte aber nichts dazu, sondern beobachtete ihre neue Magd aufmekrsam auf dem Weg zum Brunnen. Sie schien eine Idee zu haben, denn sie sah ihr erwartungsvoll entgegen.
Jelena nahm Jenna den aufgefüllten Krug mit einem dankbaren Lächeln ab. Sie nahm einen tüchtigen Schluck daraus und goß sich den Rest kurzerhand über den Kopf. Als sie Jennas verblüfften Gesichtsausdruck sah, grinste sie breit und spritzte sie mit dem letzten Rest Wasser fröhlich lachend nass. Sie tunkte den Krug in den Pferdetrog und war bereits soweit die nächste "Salve" loszulassen.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 11:08
Jenna war nicht schnell genug. Sie hatte einen Moment zu lange gebraucht, um sich in Richtung des Eimers, in dem sich ihr Lätzchenwäschewasser (was in Anbetracht der ganzen drei bislang gewaschenen Lätzchen noch ziemlich sauber war) befand, zu bewegen. Die Salve der Heilerin erwischte sie voll im Rücken. Atemlos ob des nassen, kalten Wasserschwalls, der ihr durch die Kleidung drang und an ihr herunter lief, kreischte sie auf. Dann drehte sie sich mit einem Schwung herum und schickte ihrerseits eine erste Ladung aus dem Eimer in Jelenas Richtung...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 11:50
Jelena duckte sich gerade noch eben so und statt dessen traf der Schwall Wassilji mit voller Wucht, der gerade aus dem Stall heraus kam um zu sehen was es mit dem Kreischen auf sich hatte.
Binnen kurzer Zeit waren alle im Kontor dabei lachend und kreischend mit Wasser durch die Gegend zu spritzen oder sich Deckung zu suchen.
Jelena lachte schallend als einer der Knechte es schaffte Luthor einen ganzen Eimer in den Nacken zu gießen und musste sich die Seiten halten weil sie keine Luft mehr bekam. Die Heilerin sah aus wie eine Katze die in den Regen gekommen war: die Haare hingen wirr und pitschnass ins Gesicht, das Arbeitskleid klebte am Körper und die Stiefel quietschten bei jedem Schritt.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 11:56
Bei all dem Gewusel und den lauten Geräuschen hatte Malla irgendwann erschrocken zu weinen begonnen, doch Jenna nahm sie einfach hoch, kitzelte und wirbelte sie herum und schon war alles wieder gut. Ein wenig verwirrt sah das kleine Mädchen von einem Erwachsenen zum nächsten, die offenbar ja alle verrückt geworden waren. Schließlich, als habe sie beschlossen, dass sie da nichts mit zu tun haben wollte, begann sie das nasse Hemd ihrer Mutter in den Mund zu stecken und das Wasser heraus zu saugen.
Das Kind hielt Jenna jedoch nicht davon ab, noch ihren Teil am Spaß zu verteilen - sie huschte hin und her, um dem Hauptteil des umherspritzenden Wassers auszuweichen (nass sollte Malla dann lieber doch nicht werden) und spritzte mal von hier mal von dort etwas Wasser auf den Nächststehenden.
Auch sie war mehr triefend als trocken - besonders ihr Oberhemd, aber auch Teile des Rockes waren nass und die Haube drohte, da einseitig durchtränkt und daher schwerer, von der rechten Stelle zu rutschen. Schon hingen einige nasse Strähnen im Gesicht der Magd...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 12:04
Nach einiger Zeit war die Luft raus und alle beruhigten sich, um immer noch kichernd und feixend das Chaos aufzuräumen.
Sie hatten gerade noch genug Zeit um sich fertig zu machen, bevor Anica zum Essen rufen würde. Jelena nahm einen kleinen Korb mit frischer Kleidung und Handtüchern und rief Jenna zu sich:
"Komm, wir zwei gehen ins Badehaus. Dort können wir uns auch die Haare waschen, sonst laufen wir Gefahr den ganzen Tag nach brackigem Wasser zu riechen!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 12:07
Jennas Augen leuchteten auf. Sie hielt Malla kurz hoch:

"Kann ich sie mitnehmen? Sie könnte ein Bad auch mal wieder gut gebrauchen. Und im Badehaus könnte sie sogar ein bisschen plantschen..."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 12:18
"Natürlich. Gib mir ihre frischen Sachen, dann tu ich sie in den Korb."
Nachdem alles verstaut war machten die beiden sich auf zum Badehaus um die Ecke.
Das Badehaus hieß wirklich so und es war auch wirklich um die Ecke des Kontors. Die Heilerin und ihre Familie waren hier Stammkunden und man hatte sie schon zu allen Tages- und Nachtzeiten hier gesehen. Die Angestellten verzogen nicht mal die Augenbraue, als sie sahen, dass Jelena wie eine ersäufte Ratte aussah, schließlich hatten sie die Heilerin schon von Kopf bis Fuß mit Blut, Dreck und noch schlimmerem besudelt gesehen.
Die beiden Frauen wurden in einen separaten Zuberraum geführt und erhielten erst einmal eine Waschschüssel um sich zu reinigen. Die nassen Kleider wurden von den Zubermädchen zum trocknen aufgehangen und schon nach kurzer Zeit saßen die beiden in einem dampfenden Zuber und ließen sich die Haare waschen.
Jelena stieß einen Seufzer aus tiefster Seele aus und schloß die Augen:
"In Augenblicken wie diesen weiß ich wieder warum ich mir die ganze Arbeit im Kontor aufbürde."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 12:24
Jenna war an den Luxus eines Badehausbesuches noch immer nicht recht gewöhnt und tat sich zudem schwer damit, vor anderen ihre Haube abzunehmen. Sie entspannte sich aber zusehends (es war schummerig dunkel in dem Raum, den sie für sich hatten und Jelena schien den Mägden hier zu vertrauen - was sollte da schon passieren) und ließ der Heilerin ihre wohlverdiente Ruhe, während sie selbst Malla wusch und diese dazu ermunterte, das ungewohnte Element zu erkunden...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 12:32
"Hast du dich schon entschlossen ob du bei mir bleiben willst?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 13:52
Die Frage traf Jenna unverhofft und das sah man ihr auch an. Gedanken, Gefühle und Erinnerungen stürzten auf die Frau ein -
ihre Flucht aus Engonia, die Angst vor der Verfolgung, die kranke Malla, die eigene Erschöpfung, Jelena die ehrfurchtgebietende Heilerin, Wassilij, der Malla im Arm hatte, Svenja, die ihr ihren Umhang lieh, Jelena beim Schmusen mit Sudbina, Wassilij, der ihr sagte, sie sei in Sicherheit, die ersten unbeschwerten Lacher und das Gefühl, in dieser Runde willkommen und einigermaßen geschützt zu sein, Luthor, der sie davon zu überzeugen versuchte, sie solle Lesen lernen, Gerhardt und Jelena, die ganzen unterschiedlichen Valkensteiner, Wydh, die einen Hustensirup basteln musste und der sie Spitzwegerich unterschob, Temris mit seiner wunderbar tiefen Stimme im Duett mit Jelena, Gerhardt, der mit Malla schäkerte, Gorix, der trotz seiner großen Macht albern wie ein kleiner Junge sein konnte, Wassilij, der das zweite Stück massiver Nordwachter Schokoladentorte in sich hineinwürgte, Kassos und Jelena - das unwahrscheinliche Paar, Sasha, vor der sie zuerst Angst gehabt und hinter der sie sich nun ohne zu zögern verstecken würde, Jelena, die ihr die fieberheiße Stirn kühlte, Alvias, der beim Reiten einen Ast ins Gesicht bekam, weil er ihr ein Tier im Unterholz zeigen wollte, Jelena, die den Lagerauf- und -abbau überwachte, die überschwängliche Freude aller, als zuerst die Tore, Mauern und Dächer von Fanada und schließlich das Tor zum Kontor vor ihnen auftauchten, das geradezu unglaubliche Leben im Hause Jelenas und ihrer Familie...
Natürlich wollte sie bleiben. Sie war weit, weit weg von Engonia. Sie hatte eine Aufgabe. Die Leute waren wunderbar. Es ging Malla gut und sie würde hier in Frieden groß werden können. Hohe Mauern und mindestens ein Wassilij waren zwischen ihr und jedem anderen da draußen.
Als wäre ihr Gesicht eine Bühne, auf der ein Stück gespielt wurde, konnte man so vieles in Jennas Zügen lesen...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 14:05
Jelena beobachtete Jennas Gesicht aus halb geschlossenen Augen und versteckte ein Lächeln hinter ihrer Hand. Sie war froh sich nicht geirrt zu haben.
"Wenn du nämlich bleiben magst, dann können wir einen permanenten Vertrag aushandeln. Jetzt wo du weißt um was für einen chaotischen Haufen es sich handelt wirst du vermutlich das doppelte an Lohn verlangen."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 14:13
Es dauerte einen kurzen Moment, bis der Scherz an der rechten Stelle angekommen war, dann prustete und kicherte Jenna.
"Mindestens!",
sagte sie grinsend. Dann verwandelte sich der humorvolle Ausdruck in etwas, das viel tiefer blicken ließ.
"Danke.",
sage Jenna nur, doch hinter diesem einen schlichten Wort steckte mehr als ein ganzes Leben...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 14:20
"Gerne."
Jelena tauchte unter und wusch sich die Seife aus dem langen Haar.
"Wir haben noch ein wenig Zeit zu entspannen bevor wir zurück müssen. Ich mag zwar die Herrin des Kontors sein, aber auch ich habe mich der Köchin zu beugen und Anica kann seeeeehr... äh... kreativ sein, wenn sie der Meinung ist man habe das Essen extra kalt werden lassen."
Sie nahm Jenna die Kleine ab, damit sie sich waschen konnte und blödelte ein bißchen mit ihr herum.
"Irgendwann wirst du mir sagen müssen was dich aus Engonia vertrieben hat. Vor allem wenn du Angst hast, dass es dir hierher folgen könnte."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 14:35
Jenna hatte gerade ihren Kopf dergestalt schräg gehalten, dass sie einen Teil ihres unglaublich langen Haares, dessen Farbe im Dämmerlich kaum zu erkennen war, unter Wasser auswaschen konnte. Bei Jelenas letzter Bemerkung verharrte sie in ihrer Bewegung und fixierte die Heilerin mit einem durchdringenden Blick.
Als sie jedoch zu sprechen begann saß sie wieder aufrecht, hielt eine Haarsträhne zwischen den Fingern und betrachtete diese.
"Es ist unwahrscheinlich, dass mir jemand bis hierher folgt. Der Aufwand würde wohl kaum zu rechtfertigen sein..."
Ihr Blick wanderte zu Malla:
"Wenn es auch um sie ginge, vielleicht. Aber nur für mich... "
Jennas Stimme verlor sich, doch offenbar war sie nicht mehr so extrem verschlossen wie früher.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 14:41
"Jenna, sieh mich an."
meinte Jelena leise, aber bestimmt.
"Du musst mir nicht alles erzählen, aber du musst Todesangst gehabt haben, wenn du mit einem Säugling mitten im Winter zu Fuß und alleine durch ein Kampfgebiet geflüchtet bist. Du gehörst jetzt zu uns und wir passen auf unsere Leute auf. Aber wir müssen auch wissen, wovor genau wir sie schützen sollen, verstehst du?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 15:05
Jenna schlang die Arme um sich und sah Jelena ins Gesicht.
"In gewisser Weise haben uns die Kämpfe gerettet. Alle sind ja wie die aufgescheuchten Hühner irgendwo rumgelaufen - entweder um zu flüchten oder um zu plündern. Da fällt es nicht auf, wenn man sich davonstiehlt und erstmal nicht wieder zurückkommt. Und wir haben uns versteckt - in Schuppen und leeren Häusern. Ich habe versucht, den Kämpfen so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Und dann sind wir durch das kleine Tor raus aus der Stadt - ich hab da schon gedacht, wir haben es geschafft. Aber dann waren da draußen doch noch so viele Scharmützel und ich habe Leute aus unserem Viertel sprechen gehört - sie wollten zu den Truppen und sich anheuern lassen. Wir haben uns durchs Gebüsch geschlagen und ich bin in diesem Bachbett ausgerutscht und ganz nass geworden. Und als wir uns in dem Heuschober versteckt haben, konnte ich ja kein Feuer anmachen, das hätte man ja gleich bemerkt..."
Tränen der Verzweiflung und der nicht verarbeiteten Angst kullerten Jenna über die Wangen.
"... und dann begann Malla so zu husten und in der Nacht stieg das Fieber. Da bin ich an die hinterste Außenwand, damit uns von der Straße aus keiner hört. Und am nächsten Tag weiter, wir mussten ja weg da!"
Jenna schniefte und sprach dann weiter:
"Und ständig hab ich mich gefragt, was es wohl kostet, jemanden suchen zu lassen und ab welcher Entfernung es sich nicht mehr lohnen würde. Und all die Verwundeten, Sterbenden und Toten, die wir gesehen haben... Die lagen einfach da - zurückgelassen oder übersehen. Einer hat nach mir gegriffen und mich gebeten, ihm zu helfen... Er hat so schrecklich geblutet, also hab ich Mallas Tragetuch zerissen und ihn bandagiert, aber es hat immer und immer wieder durchgeblutet. Und als ich keinen Stoff mehr hatte und ihm gesagt hab, ich könnte ihm nicht mehr helfen, da hat er gesagt, ich hätte ihn doch schon gerettet und er würde sich ewig an seine Retterin - den Engel mit den langen Haaren und mit dem Kind erinnern. Und da ist mir aufgegangen, dass wir zu auffällig sind und dass ich ein Spur hinterlasse, wenn ich den Leuten helfe. Also bin ich losgerannt... Ich hab ihn liegen lassen, Jelena, einfach so liegen lassen!"
Schluchzer schüttelten die Frau und hinderten sie am Weitersprechen.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 15:37
Jelena glitt vorsichtig durch das Wasser und nahm die schluchzende Frau in den Arm, während sie Mala weiterhin mit dem anderen an sich drückte. Sie hielt sie einfach nur fest und machte beruhigende Laute, bis die Schluchzer leiser wurden und schließlich verstummten.
"Sei nicht so hart zu dir, Jenna. Der Mann wird friedlich gestorben sein, das Bild von dir und der Kleinen das letzte an das er gedacht hat. Eine hübsche Frau und ein Kind, nicht das Gemetzel der Schlacht und die Schreie der Sterbenden. Er hat dich nicht belogen, als er sagte, du hättest ihm gerettet."
Sie machte eine kleine Pause, bevor sie schließlich die Frage stellte, die an ihr nagte seitdem Jenna mit dem Kind im Arm vor der Akademie gestanden hatte:
"Wer würde nach dir suchen lassen?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 16:22
Jenna sah Jelena nicht an. Konnte es nicht.
"M...mein V... mein Vater. Mein ältester Bruder. Vielleicht die Familie des Vaters von Malla."
Trotz des warmen Zuberwassers fröstelnd zog Jenna die Schultern hoch. Ihre nassen Haarsträhnen hingen wie ein Vorhang über ihrem Gesicht, als seien die Worte, die aus ihrem Mund kamen nichts, was man öffentlich zeigen könnte.
"Es war eine nvon den ersten Laviniafeierlichkeiten nach der Wintersonnenwende. Eine Bekannte und ich wollten nicht mit den Grobianen und Schlampen aus unserem Viertel feiern. Sie sagte, sie wüsste von einer Tempelfeier in einem besseren Bezirk.
Wir haben uns also besonders hübsch gemacht - nicht diese eklige Auftakelei, wie sie bei uns üblich ist - mit all dem nackten Fleisch und der dicken Schminke und dem vielen Schmuck... eher etwas schlichter und eleganter - wir haben uns sogar vorher ausgiebig gewaschen - und das im Winter!
Naja, es war dann doch nicht so gehoben, wie ich mir das vorgestellt hatte - hauptsächlichh jüngere Söhne ohne große Erbansprüche und Mädchen wie wir, die in die nächst höhere Schicht aufsteigen wollen... Aber es war wärmer, das Essen und die Getränke waren besser, die Herren nicht ganz so grob - man konnte sich schon vorstellen, wie es bei denen zuhause sein musste, auch wenn sie hier ausleben, was ihnen die Benimmregeln zuhause verbieten. DAFÜR kommen sie gerne in unsere Viertel!...
Sie machen einem nette Geschenke, manchmal einen abgetragenen Mantel, eine Brosche... für sie ist es nichts, aber für uns liegen diese Dinge in der Regel das ganze Leben lang außer Reichweite.
Naja, der Alkohol floss in Strömen, es wurde kuscheliger und wenn man's drauf anlegt, kommt man irgendwann mit irgendwem zusammen. Ich wollte einen schönen Abend haben und mein Gegenüber sah gut aus, war nicht zu überheblich, nicht grob, ein typischer jüngerer Sohn aus reichem Hause - ein Lebemann, der mir alle Getränke ausgab und wusste, wie man Spaß hat. Es war uns klar - wir genießen die Feier und sehen uns dann wahrscheinlich nie wieder. Ich bin keine von denen, die glaubt, wenn einer aus der höheren Schicht mit dir rummacht, heiratet er dich gleich und du wirst 'ne reiche Gattin.
Als ich dann schwanger wurde, war's halt ein Lavinia-Geschenk..."
Jenna zögerte und ihre Stimme wurde leiser.
"Das gab es ja öfter. Aber nicht mit meinem Vater. Als es herauskam, tobte er. Er verlangte, dass ich ihm den Namen vom Vater sage. Er meinte, "Keiner frisst sich durch meine Auslage, ohne dafür zu bezahlen.". Er und mein ältester Bruder haben dann die ganze Nacht überlegt, wie hoch der Preis sein sollte. Sie wollten am nächsten Morgen zum Haus meines Partners von der Laviniafeier gehen und ihn dazu zwingen, zu zahlen und mich zu heiraten. Wir hatten unsere Schlafstelle unter'm Dach - ich hab alles gehört - vor allem weil sie sich Mut angetrunken haben und immer lauter geworden sind..."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 16:38
"Wäre es denn so schlimm gewesen ihn wieder zu sehen? So wie du ihn beschreibst war er doch kein schlechter Mann."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 17:02
Ein freudloses Lachen quetschte sich durch den Strähnenvorhang.
"Nein, das war er nicht.
Es hat viel Streit gegeben zwischen Wulfgars Familie und meinem Vater. Zuerst hat Wulfgar versucht es zu bestreiten, das er mir den dicken Bauch gemacht hat. Schließlich musste er es aber zugeben. Sein Vater lebt nach einem alten Ehrenkodex - er war außer sich darüber, dass Wulfgar die Familienehre verletzt hatte, weil er mir ein Kind gemacht hat, ohne über die Folgen nach zu denken. Dann haben sie um den Brautpreis geschachert. Als mein Vater gesehen hat WIE gut betucht Wulfgars Familie war, hat er den Preis noch mal kräftig nach oben gezogen. Das wollten die natürlich nicht bezahlen - für ein Mädchen aus dem Armenviertel, wo sie doch eigentlich für ihren Jüngsten was Nettes aus der Nachbarschaft suchen wollten..."
Wieder erklang das freudlose Lachen.
"Naja, irgendwann wurden sie sich dann einig. Wulfgar und ich wurden da nicht wirklich gefragt. Eines Abends fand dann sowas wie 'ne Verlobungsfeier statt. Du ättest ihre Gesichter sehen sollen! Wulfgars Eltern sahen aus, als wär's 'ne Beerdigung. Mein Vater und mein Bruder freuten sich über das Geld, meiner Mutter war's egal, Glup hat eh nichts verstanden und sich einfach nur übers Essen hergemacht und Jabucuca und Djecak hatten die Tränen in den Augen. Wulfgars älterer Bruder war erst betont überheblich und freundlich. Seine Frau hat mich mit dieser Mischung aus Mitleid und Hoffnung angesehen - weißt du, da ist es üblich, dass die Söhne daheim bleiben und die Töchter zu ihren Männern ins Haus ziehen. Im Haushalt herrschen harte Ränge - die älteste Frau, also in der Regel die Mutter hat das Sagen, dann kommen ihre Töchter, dann die Frau des ältesten Sohnes, dann die des nächst jüngeren uns so weiter. Die Schwiegermutter bestimmt über alles, was die Frauen machen, solange deren Männer nicht da sind. Sie sind wie Sklavinnen. Und da freut sich die rangniedrigste Frau natürlich, wenn eine neue kommt, die unter ihr ist, auch wenn sie zugleich Mitleid mit ihr empfindet..."
Jenna stockte und man hörte diesem Stocken an, dass das noch nicht alles gewesen war...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 02. Jun 11, 17:13
Jelena winselte mitfühlend. Das hörte sich doch sehr nach Großtante Vladimiras Fuchtel an. Auch wenn bei ihr alle stramm gestanden hatten, egal ob Sohn oder Tochter, eingeheirate oder nur verschwippschwägert.
"Und dann?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 02. Jun 11, 18:01
"Naja, keiner bis auf meinen Vater und zwei meiner Brüder war glücklich, aber irgendwie kamen wir durch diesen Abend. Wulfgar und ich standen uns ein paarmal etwas verlegen gegenüber und haben versucht uns gegenseitig Mut zuzulächeln. Ich glaube, ich hätte auch mit meiner zukünftigen Schwägerin gut auskommen können - sie war ein leidgeprüftes Wesen aus höherem Hause, unsere Schicksale hätten uns, auch wenn ich aus anderen Verhältnissen stamme, wohl verbunden... Mein zukünftiger Schwiegervater hätte uns ganzes 'Gesocks' und Wulfgar wohl am liebsten fortgezaubert, aber ab und an hab ich ihn dabei ertappt, dass er meiner Schwester Malla - sie war da noch ganz klein - abgenommen und sie heimlich geknuddelt hat... und meine zukünftige Schwiegermutter... Sie sah mich immer an wie ein madendurchsetztes Stück Fleisch. Sie rümpfte die Nase... ts, dabei ist sie nie im Laden meines Vaters gewesen... Sie schaute immer wieder von oben bis unten an mir herunter, schüttelte den Kopf und murmelte dann lautstark Dinge wie '...erstmal entlausen...', '...vielleicht nach einer Wäsche...', 'Wenn man erst mal vernünftige Kleidung drüberhängt...', '... nach der richtigen Schule...'. Es war klar, dass ich unter ihr die Hölle auf Erden erleben würde.
Tja und dann wurden nach dem Essen die Getränke gereicht und es vertreute sich ein bisschen und Wulfgar und ich unterhielten uns in einer Ecke beim Kamin und dann ging er kurz weg, um etwas zu holen, glaube ich... Da kam plötzlich mein zukünftiger Schwager auf mich zu, drängte mich gegen die Wand und stieß mit seinem Kelch gegen meinen. Er hatte dieses scheußliche Grinsen auf den Lippen... Er... "
Jenna stockte, man hörte sie um Atem ringen, sie zitterte plötzlich.
"Er... "
Sie schien es nicht erzählen zu können und versuchte, auszuweichen:
"Ich hab es gleich gewusst, als ich ihn das erste Mal gesehen hab. Er ist einer dieser Söhne aus gutem Hause, die einmal erben werden. Denen schon früh eine große Verantwortung auf den Schultern lastet. Sie sind es, die in unserem Viertel den schlechtesten Ruf haben. Sie sind es, die an den Feierlichkeiten mit ihren Freunden auf unsere Feiern kommen und sich über die Mädchen hermachen. Weil ihre Macht sie schützt. Im Falle des Falles steht ihr Wort gegen das eines Gossenmädchens. Niemand verweigert sich ihnen. Und wenn doch, holen sie es sich mit Gewalt - dann macht es ihnen erst Recht Spaß!"
Jennas Stimme war hart und gepresst geworden und sie zitterte heftig am ganzen Leib. All die schöne Entspannung war dahin.
"Er... er drängte sich gegen mich und sagte, er würde sich freuen, wenn ich dann bald zur Familie gehören und mit ihm unter einem Dach leben würde. Dass seine eigene Frau nicht mehr so nach seinem Geschmack wäre und ich... ich wäre ja trotz des Balgs, dass sein Bruder mir gemacht hätte ja noch ganz ansehnlich! Er hat gesagt... er hat gesagt... 'Ich hoffe, du bist nicht zu ausgeleiert!'!"
An dem Punkt konnte Jenna es nicht mehr ertragen, sie sprang aus dem Zuber, rannte in eine Ecke, in der ein Kübel stand und übergab sich.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 03. Jun 11, 01:02
Jelena klappte der Unterkiefer herunter und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Mala jammerte als sie unbewusst etwas zu feste zupackte und sie wechselte den Arm in dem sie das Kind hielt. Eine der Zubermägde huschte herein und erkundigte sich, ob alles in Ordnung sei.
Jelena winkte sie heran:
"Nadia? Sei so lieb und nimm das Kind, da liegt ein Flanelltuch, genau das. Nimm sie mir bitte ab und trockne sie ab, ja?"
Jelena kletterte aus dem Zuber und schlang eines der großen Tücher um sich, bevor sie ein zweites nahm und es um Jennas Schultern legte.
Sie hatte den Großteil ihres Lebens unter Kriegern verbracht und das waren weißdiegöttinnicht prüde Gesellen, Jelena selbst war für manchen derben Scherz bekannt, aber sowas? So was... dreckiges... hatte sie noch nie vernommen.
Und das schlimme war, die Drohung, die hinter diesem fürchterlichen Satz steckte, war eine durchaus erntzunehmende gewesen.
Sie strich Jenna die Haare aus dem Gesicht und machte beruhigende Laute, während sie innerlich beschloß, dass Wassilji demnächst einen Ausflug nach Engonia machen würde.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 03. Jun 11, 17:15
Irgendwann hatte Jenna sich soweit beruhigt, dass sie sich aufrichten, den Mund ausspülen und abtrocknen konnte. Erst als sie ihr wild in der Luft herumfuchtelndes und auf dem Handtuch herumkauendes Baby wieder im Arm hatte, sah sie mit großen Augen Jelena an:
"Du wirst es niemandem erzählen, nicht wahr, Meistrin?",
flehte sie. Kaum etwas bereitete ihr im Moment mehr Unbehagen als der Gedanke, einer der Menschen, die sie so völlig unvoreingenommen in ihrer Mitte aufgenommen hatten, könnte von dieser Geschichte erfahren.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 05. Jun 11, 19:51
"Nichts von dem was passiert ist, war deine Schuld, Jenna!"
meinte Jelena freundlich, aber bestimmt.
"Die Wege Milostis sind unergründlich. Wenn du dich nicht auf den Weg gemacht hättest, dann hätten wir uns nie getroffen, nicht wahr?"
Jelena schlüpfte in Unter- und Oberkleid, das Haar verschwand unter einem Kopftuch.
"Wir werden erst wieder darüber sprechen wenn du es möchtest, aber du solltest wissen, dass es mich schon interessiert wo deine Familie herkommt."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 06. Jun 11, 22:00
Ausgelaugt und in einem Zustand der Bedrückung zog Jenna zuerst die kleine Malla und  dann auch sich an.
Die Herkunft ihrer Famile war eine ganz andere Geschichte, damit hatte sie im Vergleich zu ihrem "Fluchtgrund" weniger Probleme. Zumal jetzt, da sie sich der Meistrin ohnehin schon soweit anvertraut hatte.
Und so erzählte sie auf dem Weg nach draußen und zurück zum Kontor:
"Zu meiner Familie ist eigentlich nicht viel zu sagen. Meine Großeltern kommen ursprünglich aus Medvjedstan. Sie waren dort aber nicht glücklich - es hat wohl viel Strit gegeben. Großvater hat dann beschlossen, in die Fremde zu gehen. Als er hier in Engonia ankam, hat er einen kleinen Laden aufgemacht, wo er und meine Großmutter medvjedstanische Spezialitäten - soweit sie sie hier herstellen konnten - verkauft haben. Den Laden führen nun mein Vater und mein Bruder. Mein Vater wurde hier geboren und er hat eine engonische Frau aus unserem Viertel geheiratet, deren Eltern sich mit den Lebensvorstellungen unserer Familie abfinden konnten..."
Da sie nicht wusste, was weiter dazu zu sagen war, zuckte Jenna mit den Schultern.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 06. Jun 11, 23:51
Jelena runzelte die Stirn, sie konnte sich kaum vorstellen das jemand, der nach den medvjedstanischen Wertevorstellungen erzogen war so ein Verhalten an den Tag legte wie Jennas Vater. Andererseits, wer weiß schon wie sich die Fremde auf das Gemüt auswirkt?
"Leben deine Großeltern noch?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Jun 11, 10:27
"Nur meine Großmutter. Als mein Großvater noch lebte, war sie sehr still und in sich gekehrt - naja, er war ein rechter Tyrann - wir hatten alle nicht viel zu sagen... Aber seit er tot ist, hat sie uns alle unter der Fuchtel. Außer meinen Vater und meinen Bruder Mlad natürlich. Das sind ihre Schätzchen!",
antwortete Jenna, mit einem deutlich genervten Unterton in der Stimme, wie ihn nur diejenigen haben, die all die Zeit ungerecht behandelt wurden und die stets hinter anderen hatten zurückstehen müssen. Nun mischte sich Bitterkeit in ihre Worte:
"Ich weiß noch, wie sie mal mit meinem Vater über unsere Mutter gestritten hat... Ich weiß gar nicht mehr, wie das angefangen hat, aber auf einmal haben sie einander angeschrien und dann hat Baka all diese fürchterlichen Dinge gesagt... Dass meine Mutter nur ein einziges vernünftiges Kind gebracht hätte; Der gute Junge! Und dann? Nur noch Krüppel und Mädchen! Djecak hat sie als Schwächling bezeichnet, der wäre doch kein Junge sondern eine Lachnummer! Naja, wenigstens würde meine Mutter sich ordentlich für den schämen! Dass der und Jabucica ja eigentlich nicht von meinem Vater sein könnten, meinte sie. Dass meine Mutter meinem Vater wahrscheinlich all die Jahre Hörner aufgesetzt hätte, das elende Weib! Bei den letzten beiden würde man’s doch sehen. Sie sagte; Wer weiß für welchen hochwohlgeborenen Schwächling sie da die Beine breit gemacht hat?!“
Betrübt schüttelte Jenna den Kopf:
"Es war alles so anders als hier! Erst hat mein Großvater uns alle runtergemacht, dann meine Großmutter. Und mein Vater war der König über allem, sobald mein Großvater tot war. Und mein Bruder der Kronprinz! Alle tanzen sie nach deren Pfeife! Nur Glup - der durfte immer alles! Ich hab mich immer gefragt, ob das wohl wirklich überall so ist - jetzt weiß ich, dass es auch anders geht..."
Die junge Mutter seufzte schwer, sah dann auf ihr Kind und meinte mit leiser, aber fester Stimme:
"Ich freue mich, dass Malla nicht dort aufwachsen muss!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 07. Jun 11, 17:09
Jelena bemühte sich um einen betont neutralen Gesichtsausdruck als sie Jenna zuhörte und behielt ihre Gedanken für sich. Offenbar waren die Großeltern sehr schwierige Menschen gewesen. War das der Grund gewesen wieso sie Medvjedstan verlassen hatten? Oder hatte die Stadt das aus ihnen gemacht?
Freie Entscheidungen waren jedem Medvjedstani heilig, oder sollten es zumindest sein. Natürlich  freuten sich manche mehr über Söhne als über Töchter, aber eine allgemeine Geringschätzung von Mädchen war einfach nicht vorhanden. Welcher Idiot sah schon auf seine Mutter, Schwester oder Ehefrau herab?
Sie runzelte die Stirn, offenbar waren Jenna ihre jüngeren Geschwister wichtig, ihre Mutter schien bereits aufgegeben zu haben und für ihren Vater und die Großmutter hatte sie nur Angst und Abscheu übrig.
"Du hast Engonia hinter dir gelassen, Jenna. Du und deine Tochter können überall da leben wo auch immer ihr wollt. Wenn es dir einmal nicht mehr bei uns gefallen sollte, dann steht es dir frei zu gehen, das verstehst du, ja?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Jun 11, 23:18
Zunächst sah es so aus, als wollte Jenna rasch irgendetwas antworten, doch dann zögerte sie, las aufmerksam den Gesichtsausdruck Jelenas und sagte schließlich leise, ohne die Heilerin anzublicken:
"Du sagst mir das und mein Kopf weiß es. Und so langsam aber sicher weiß es auch mein Herz. Aber wenn ich wirklich darüber nachdenke, dann finde ich all diese vielen Möglichkeiten, die ich jetzt auf einmal hab, ein bisschen ... überwältigend. Als stünde man an einer Wegkreuzung voller abzweigender Straßen und könnte überall hin, hätte aber keine Ahnung, wohin die Wege führen. Ehrlich gesagt, da bin ich froh, dass ich mich an euch hab anschließen können. Mit dir und den Anderen zu laufen macht, dass ich mich sicherer fühle. Als würd mir jemand erklären, wohin die Straßen gehen."
Unfähig ihre Gefühle in passende Worte zu fassen zuckte Jenna etwas hilflos mit den Schultern. Man sah ihr an, dass das Thema sie anrührte, sie aber zugleich bemüht war, frisch nach vorne zu schreiten und sich neugierig und tatkräftig in ihr neues Leben zu werfen.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 08. Jun 11, 00:00
Jelena grinste ihr breites, herausforderndes Grinsen und nahm Jenna in den Arm während die beiden Frauen zum Kontor zurückliefen.
"Ich bin ziemlich froh das der Wind dich an unser Feuer geweht hat! Also bleib bei mir und hilf mir diesen Chaotentrupp sauber, satt und vor allem gesund zu erhalten, ja? Und nun hurtig, Anica hat bestimmt schon den Gong geschlagen!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 08. Jun 11, 00:23
In etwas eiligerem Schritt, das Kind und die Wäschebündel in den Armen, sauber und nach Badehaus duftend, erreichten die zwei Frauen das Kontor. Von bedrückenden Gesprächsthemen war nichts mehr zu sehen.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 10. Jun 11, 14:52
Nach dem Abendessen zog Jelena sich in ihr Scriptorium zurück und verfasste einige Briefe. Sie zog Kadegars Brief aus der Tasche und las nach wo ihn eine Antwort erreichen würde. Sie siegelte alles mit einem blanden Siegel aus blauem Wachs und rief nach Alrik um die Briefe verteilen zu lassen.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 21. Jun 11, 23:15
Die Sonne kämpfte sich durch einen diesigen Himmel und ließ die Menschen unter einer Decke von schwüler Luft aufstöhnen.
Die Gemüter waren erhitzt, die Menschen im allgemeinen genervt und sogar die Hühner weigerten sich Eier zu legen.
Alles in allem der perfekte Augenblick um die Stadt zu verlassen!
Jelena schnallte ihre Tasche am Sattel fest und rieb sich müde über das Gesicht, sie würde ein Brandopfer darbringen sobald sie den Lagerplatz erreicht hatten, aus lauter Dankbarkeit der Enge der Stadt entkomen zu sein.
Sie ließ Sudbina im Stall, er hatte heute früh beim striegeln nach ihr gebissen und auch wenn es nur eine Drohgebärde gewesen war, so hatte sie im Augenblick keine Geduld sich mit einem zickenden Pferd auseinander zu setzen. Sie klopfte šećers Hals und schwang sich dann in den Sattel.
Mit einem Blick auf Wassilji lenkte sie ihre Stute aus dem Inneren des Kontors und in die belebten Straßen Fanadas.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 29. Jun 11, 18:58
Wassilij ritt auf Matsch durch das Tor des Kontors. Jelena wurde auf dem Travois von ihrem Pferd gezogen und Wassilij führte den Hengst an den Zügeln.

Kaum war das Tor hinter ihnen geschlossen, gab Wassilij kurze und prägnante Befehle. Jelena wurde in ihre Kammer getragen und Luthor informiert.
Wassilij ließ auch die Pferde versorgen und geleitete Jelena auf der Bare in ihre Kammer.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 30. Jun 11, 03:46
Erschüttert drückte Jenna Malla eng an sich, als sie sah, wie Jelenas ungewohnt reglose Gestalt von den anderen in ihre Kammer gebracht wurde. Es machte ihr Angst, die Frau, die in letzter Zeit ihren starken Schutz gegenüber der Außenwelt dargestellt hatte, auf einmal so verletzlich zu sehen - ganz offenbar nicht in der Lage sie alle, wie sonst, zu beschützen.
Zunächst wollte Jenna ihrem Drang nachgehen, dem kleinen Tross in Jelenas Räume zu folgen, doch sie besann sich anders, da sie nicht im Weg stehen wollte. Es gab wahrlich genug Leute hier, die in einer solchen Situation sicherlich besser helfen konnten!
Einer inneren Regung nachgebend wandte sich die Frau mit dem kleinen Mädchen auf dem Arm zu den Ställen, wo die Pferde, die mit Jelena und Wassilij nach Hause gekommen waren, versorgt wurden und ein sichtlich unruhiger Sudbina in seiner Box umherstiefelte.
Jenna kramte in einer Falte ihrer Schürze und fand eine gelbe Rübe, die sie dem rastlosen Scheckhengst hinhielt, während sie ruhig auf ihn einsprach...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 30. Jun 11, 18:47
Kaum war Jelena in ihrer Kammer untergebracht und heikundige Hilfe, in Form ihrer Lehrlinge anwesend, verließ Wassilij die Räumlichkeiten und betrat den Hof.

Stumm marschierte er auf einen der Stallknechte zu und befahlt ihm, Sasha zu holen. Eine innere Stimme sagte ihm, dass sie mächtigere Hilfe benötigen könnten.

Als der Knecht vom Hof ritt, streckte Wassilij sich kurz und atmete tief durch. er hatte alles getan, was getan werden konnte und was in seiner Macht lag. Einen Augenblick, blieb er einfach nur im Stall stehen und sog den beruhigenden geruch der Pferde ein.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 30. Jun 11, 23:02
Da wandte sich ihm Jenna zu, die vor Sudbinas Box stand und ihn mit Karottenstückchen zu beruhigen versuchte. Die kleine Malla saß quietschend und krähend auf ihrer Hüfte und steckte dem riesigen Schlachtross die Fäustchen in die Nüstern...
Zuerst schien es, als wolle Jenna sich bei Wassilij nach Jelena und den Geschehnissen erkundigen, doch schließlich entsann sie sich anders und blieb still. Ganz bewusst ließ sie dem Mann seine persönliche Atempause. Schließlich wusste auch sie die Ruhe hier im Stall zu schätzen und wollte sie nun auch dem anderen gönnen...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 30. Jun 11, 23:43
Wassilij sah Jenna an und musste unwillkürlich lächeln.

"Sie wacht nicht auf. Ich kann nicht sagen, was es war, aber ich weiß, das ich sie nicht beschützen konnte. Es muss eine Art geistiger Angriff gewesen sein."

Nach seiner kurzen Erklärung, kratzte er sich am Kinn. "Ich will hoffen, dass Luthor oder Sasha ihr helfen können."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 01. Jul 11, 00:52
Jenna reagierte auf Wassilijs Lächeln mit einem warmen Funkeln in den Augen, dennoch war ihr Sorge und Anteilnahme ins Gesicht geschrieben. Es musste den jungen Krieger hart angehen, dass er Jelena zuerst nicht hatte beschützen können und auch jetzt nicht viel für sie tun konnte.
Malla hatte sich bei Wassilijs Stimme zu diesem umgedreht und schenkte ihm nun ein strahlendes Lächeln und ein kehliges Glückskrächzen, bei dem man ihre zwei kleinen Schneidezähnchen, die inzwischen am Unterkiefer durchgekommen waren, sehen konnte.
Jenna lächelte verhalten und erhörte dann den Wunsch des wild umherfuchtelnden Babys: sie ging die wenigen Schritte zu Wassilij, damit Malla ihn aus nächster Nähe anlachen und vollquatschen und an ihm herumzupfen konnte...

Um sie herum beobachteten die Pferde das kleine Menschenbündel äußerst neugierig. Auf die seltsamen Laute reagierten sie mit Ohrenwackeln, Kopfrucken und erstauntem Schnauben. Nicht wenige reckten die Hälse, um sogleich wieder zurück zu zucken und sich erneut mit dem Kopf vorzuwagen, wenn Malla plötzlich mit den Ärmchen fuchtelte oder jauchzende Quietscher von sich gab...

Malla indes strahlte Wassilij an, griff nach seiner Nase oder seinem Mund, ließ sich kitzeln und spielte das 'ich-stecke-meine-Finger-in-deinen-Mund-und-quietsche-ganz-laut-wenn-du-mich-beißt'-Spiel. ...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 01. Jul 11, 09:04
Kleine Kinder haben etwas magisches an sich. Und Malla hatte Wassilij verzaubert. Eine Last schien von seinen Schultern zu fallen und er spielte und lachte mit Malla.

Gelegentlich schaute er auch Jenna an und lächelte breit. Schließlich sagte er:" Danke. Ich vergesse stets die Magie kleiner Kinder." Seine Worte ließen etwas düsteres mit schwingen.

Aber letztlich, waren er nun besser gelaunt und sagte :" Jellena hat bereits viel schlimmeres überstanden! Und spätestens, wenn Sasha hier ist, werden wir ihr helfen können!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 01. Jul 11, 21:22
"Sasha ist wirklich sehr mächtig, nicht wahr?"
In Jennas Stimme schwang Ehrfurcht und ein klitzekleiner Rest der Scheu vor der Askarierfrau mit.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 01. Jul 11, 22:49
Wassilij dachte einen Augenblick nach. "Ich weiß nicht, wie mächtig sie ist. Aber ich weiß, das sie über eine ganz spezielle Macht bei Jelena verfügt. Über die Macht einer wahren Freundin. Und das dürfte die größte Hilfe sein, die wir im Moment nutzen können. Aber sie ist in jedem Fall eine starke Kriegerin und über die Maße Tapfer."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 03. Jul 11, 21:14
Eine neugierige Pferdenase schob sich über Jennas Schulter, beschnoberte ihre Haube, kitzelte sie mit den langen Tasthaaren an der Wange und erkundete dann sanft mit den Lippen ihre Schulter.
Lächelnd drehte sich die Frau zu dem Schmuseeinheiten suchenden Pferd um und kraulte ihm mit der freien Hand den Halsansatz, während sie darauf achtete, dass Mallas kleine Fingerchen nicht versehentlich zwischen den großen Pferdezähnen verschwanden. Einmal mehr wünschte sie sich, ihre beiden Geschwister wären hier...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 03. Jul 11, 21:37
Wassilij bemerkte Jennas veränderte Haltung. Er sah dass sie etwas bedrückte und es stand wohl auch in ihren Augen. Vorsichtig trat er einen kleinen Schritt näher neben sie.

"Was fehlt Euch Jenna?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 03. Jul 11, 22:49
Kaum merklich zuckte die Frau zusammen, als habe Wassilij sie bei etwas ertappt.
Dann wandte sie sich mit einem traurigen Lächeln zu ihm um:
"Mir fehlt nichts, Wassilij. Das ist es ja. Mir geht's jetzt so gut - das würde ich gern mit denen, die ich lieb hab, teilen!",
sagte sie sanft. Sie blickte sich um und machte eine umfassende Geste:
"Alles das hier - die Freiheit, die man hier hat, die Möglichkeiten... seine eigenen Entscheidungen zu treffen und das zu tun, was man am besten kann... die Ruhe und das ganze Friedliche..."
Unfähig das, was sie fühlte mit Worten auszudrücken, zuckte Jenna etwas hilflos mit den Schultern. Sie wandte sich ab und streichelte dem Pferd die samtweiche Nase.
"Es ist einfach schwer, alles hinter mir zu lassen und alles zu vergessen...", meinte sie kaum hörbar.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 04. Jul 11, 00:06
Wassilij schüttelte seinen Kopf.

"Man kann nicht alles einfach so vergessen. Und darum geht es auch nicht." er schüttelte sanft den Kopf. "Jeder von uns vermisst jemanden, der ihm wichtig ist. Freunde und Familie. Aber hier hat jeder von uns genau das wieder gefunden. Genießt es und lasst alles weitere auf Euch zu kommen. Ich weiß nicht, was hinter Euch liegt, aber ihr seid hier in Sicherheit. Ihr steht wie alle anderen unter Jelenas und dadurch auch meinem Schutz. Für Euch und Malla hat nun ein neues Leben begonnen."

Wassilij beobachtete Jenna beim Streicheln des Pferdes und musste unwillkürlich lächeln. Er ließ sich seitlich gegen Pfeiler kippen und lehnte sich dort an.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 04. Jul 11, 16:08
Jenna ließ Wassilijs Worte auf sich wirken. Dass sie unter Jelenas und damit auch unter Wassilijs Schutz stand, ließ ihr warm um's Herz werden. Sie drückte Malla an sich und lehnte sich selbst an den Kopf des Pferdes.
Als dieses in weiteren Erkundungen mit seinen weichen Lippen ihre Haube zu fassen bekam und diese der Frau vom Kopf zog, versuchte Jenna zum ersten Mal, seit sie das erste Mal auf Jelena und ihre Meshpoke getroffen war, nicht ihr Haar zu verbergen, sondern ließ es in all seiner schimmernden, leicht gelockten Pracht über ihre Schultern, bis fast zum Hinterteil herunter gleiten. Mit geschlossenen Augen stand sie da und genoss die Anwesenheit Wassilijs (und damit des Schutzes), die neugierige Pferdenase und die kleine, warme Malla in ihren Armen und dieses ungewohnte Gefühl der Freiheit auf ihrem Kopf...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Wassilij am 04. Jul 11, 22:39
Wassilij beobachtete Jenna einen Augenblick, als er hörte, das sein Name gerufen wurde. Mit einem Schnaufen, entschuldigte er sich kurz bei Jenna und trat in den Hof hinaus.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Jul 11, 12:19
Jenna schalt sich selbt eine hundertfache Idiotin und stopfte ihr Haar rasch wieder unter die Haube. Was, wenn jemand plötzlich in den Stall gekommen wäre?! Verärgert über sich selbst schüttelte sie den Kopf. Sie gab sich einen Ruck, verabschiedete die Pferde und ging dann nach draußen - sie hatte noch einiges zu tun, unter anderem musste sie für Malla Getreide mahlen und Früchte stampfen und dann hatte Anica sicherlich auch noch Aufgaben für sie...
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 06. Feb 12, 22:04
Nach der Rückkehr aus dem Schlafkloster Um die Jahreswende 261/262 n.J.

Jelena war froh wieder im Kontor zu sein. Auch wenn es vielleicht nur für kurze Zeit sein würde. Sie hatte nicht gedacht jemals ein Stück Erde ihr eigenen nennen zu können, aber das Kontor was das, was ihr in Engonien einem "Zuhause" am nächsten kam. Sie freute sich aufrichtig Anica und die Bediensteten wieder zu sehen, ebenso Jenna und Mala, die ihr fröhlich krähend auf noch unsicheren Beinchen entgegen gewackelt kam. Die Welpen waren in der Stadt zerstreut, aber auch sie würden nacher vorbei kommen, sobald sie hörten, dass sie wieder in der Stadt war.
Nachdem sie den Staub der Straße von sich abgespült hatte begab sie sich in ihr Schreibzimmer und ging den Stapel an Briefen durch, die in ihrer Abwesenheit angekommen waren.
Sie teilte sie nach Absendern in unterschiedliche Haufen und zog mit spitzen Fingern einen verdächtig nach Bier stinkenden Brief unter dem Rest hervor. Sie warf einen Blick auf den Absender und grinste plötzlich: war ja klar...
Sie nahm Platz vor dem Kamin und öffnete neugierig den ersten Brief von Robert seit Ende des Krieges.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 07. Feb 12, 17:25
Jelena ließ den Brief in den Schoß sinken und schüttelte etwas amüsiert den Kopf. Egal was geschah, der Kerl schien immer auf den Füßen zu landen. Offensichtlich ging es ihm gut und alleine die Tatsache das er daran gedacht hatte ihr zu schreiben zeigte ihr, dass sie sich doch nicht so sehr in ihrem alten Kameraden getäuscht hatte.
Sie überflog den Brief noch einmal und blieb an Gerhardts Namen hängen.
Schnell stand sie auf und sah den Stapel Briefe noch einmal durch, aber sie fand nichts in Gerhardts gestochen scharfer Schrift. Etwas entmutigt ließ sie die Schultern sacken:
Nahezu 5 Monate und keine einzige Zeile... habe ich denn so falsch gelegen?
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Feb 12, 20:45
Es klopfte zaghaft an der Türe.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 07. Feb 12, 20:55
Jelena murmelte etwas zustimmendes Richtung Tür und begann wieder sich durch die Post zu arbeiten.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Feb 12, 21:32
Jenna kam herein, im Arm ein massives Tablett , das mit einem dicken Krug, von dem Dampf aufstieg und einem Teller herzhafter Kleinigkeiten bestückt war.
Seit der Nachricht von Wassilijs ..."Tat" war Jenna wieder in alte Muster zurückgefallen. Sie war extrem scheu, wagte sich kaum jemals jemand anderem als dem innersten Kreis des Kontors zu zeigen und die einzige Freiheit, zu der sie in der Lage war, verschenkte sie an die kleine Malla, die weiterhin unbeschränkt überall nach Herzenslust toben und spielen konnte, wo sie nicht bei den Abläufen des Kontors störte.

Nun zögerte Jenna nachdem sie zwei Schritte in den Raum getan hatte. Das Tablett mit fest umklammernd fragte sie schüchtern, ohne den Blick von ihrem Gut zu heben":

"Wünschst du einen Becher heißen Tee und ein paar stärkende kleine Happen, Meistrin?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 07. Feb 12, 21:38
"Tee wäre mir sehr willkommen, danke, Jena!"
Jelena sprach ihren Namen wie immer richtig aus, nämlich medvjedstanisch.
"Ich bin froh wieder hier zu sein. War es in meiner Abwesenheit ruhig? Wie war die Reise von Brega zurück? Es war ein Glück dich mit den Laviniageweihten schicken zu können."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Feb 12, 21:59
Jelenas Stimme war freundlich, doch schien es, als prasselten ihre Worte auf Jenna ein wie ein Hagelschauer.
Die Frau wurde immer kleiner und fröstelte.
Zaghaft schritt sie auf die Meistrin zu und stellte den Krug und den Teller in ihre Reichweite. Sie sah aus, als habe diese sie aufgefordert, sich für einen Mord verantwortlich zu melden, statt sie nach der Situation im Kontor und der Reise von Brega zu fragen.
Jenna antwortete schließlich zögerlich:
"Es war ruhig, Meistrin. Die Reise war... gut."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 07. Feb 12, 22:17
Jelena goß sich etwas von dem Tee ein und betrachtete ihre Magd etwas überrascht:
"Was ist los? Was stimmt nicht?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Feb 12, 22:20
Jenna hauchte ein "Nichts", und strafte ihre Antwort gleich Lügen, als sie wegen eines Klapperns draußen im Hof heftig zusammenzuckte.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 07. Feb 12, 22:23
Jelena stellt den Becher wieder ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie sah Jena nicht böse, aber doch etwas vorwurfsvoll an: "Jena? Nur weil ich einige Monate nicht da war bedeutet das nicht, dass ich blind, taub oder blöd geworden bin! Ich bin immer noch die Meisterin dieses Kontors und wenn es etwas gibt, dass unter meinem Dach nicht in Ordnung ist, dann will ich das verdammtnochmal wissen!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 07. Feb 12, 22:40
Auf einmal erinnerte Jenna die Meistrin an ein in die Ecke gedrängtes Pferd. Ihre ganze Körpersprache zeigte ihren Fluchtgedanken an, ihre Furcht, den Wunsch, sich so dünn machen zu können, dass man überall an den beengenden Kräften vorbeischlüpfen konnte.
Und wie ein Pferd, das erkennt, dass es keinen Ausweg hat, Augenkontakt mit seinem Peiniger eingeht, blickte Jenna Jelena nun mit hochgezogenen Schultern und einem als Schutz vor die Brust gepressten Tablett an.
In ihrem Gesicht spiegelten sich die Qualen in ihrem Inneren wieder:
Sich den Dingen, die sie bedrückten zu stellen und sie zu nennen, hieß sich helfen zu lassen. Doch da war auch das Bewusstsein, dass das Benennen und sich stellen gleichzeitig die Akzeptanz dieser Dinge bedeutete.

Wenn ein Fluchttier angegriffen wird, läuft es so lange davon, bis es die Angreifer an seiner Flanke spürt. Dann dreht es sich um und beginnt, sich zu wehren.

Jennas Blick wurde zugleich flehend und anklagend:
"Sag, dass nicht alles in deinem Brief gestanden hat! Sag, dass ihr alles versucht habt! Sag, dass ihn jemand suchen und zurückbringen wird!  Sag, ... Sag, dass er zurück kommt!",
rief sie plötzlich laut und verzweifelt.
Ihre Körperspannung nahm immer weiter zu - Jelena musste befürchten, dass Jenna mindestens fürchterlichen Muskelkater haben würde, wenn sie nicht noch hier verkrampfte!
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 08. Feb 12, 00:19
Also DAS überraschte Jelena nun doch. Sie hatte keine Ahnung gehabt das Jena solch eine starke Verbindung zu Wassilji hatte, geschweige denn... sie wischte den Gedanken weg, darüber konnte sie sich später noch den Kopf zerbrechen.
"GENUG!"
herrschte sie die fast hysterische Frau vor sich an und hoffte, dass es reichen würde und sie nicht auch noch Zuflucht zu Ohrfeigen nehmen musste.
"Hälst du denn so wenig von mir? Glaubst du nicht, dass ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen werde um meinen Schatten zurück zu erhalten?" fragte sie leise und ohne Anklage.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 09. Feb 12, 23:19
Es dauerte. Es dauerte lange.
Doch schließlich schienen Jelenas Worte bis zu Jenna durchzudringen. Was eigentlich nur daran erkennbar war, dass ihr Blick ein wenig abwesend wurde und geringfügig schweifte, so als versuche sie auf die Fragen der Meistrin in ihrem Kopf tatsächlich eine Antwort zu finden. Dass sie sich weder selbst, noch der der ihr gegenüber sitzenden Frau eine Antwort geben konnte, lag primär an ihrem völlig durcheinander geratenen Seelenzustand. Sie konnte einfach kaum einen klaren Gedanken fassen. Auf der einen Seite stürzte soviel auf sie ein - Erinnerungen, Gedanken, Unterhaltungsfragmente, Gefühle - auf der anderen Seite war da diese schmerzliche, Angst einflößende Leere, mit der sie nicht zurecht kam...
Jenna war noch nie gut darin gewesen, ihre Gefühle zu verschließen. Und so konnte Jelena nun auch in ihrem Gesicht lesen, wie in einem Bilderbuch.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Vanion am 10. Feb 12, 00:15
Vanion hatte etwas getan, das er lange Zeit nicht mehr gemacht hatte. Jelena hatte ihn nicht direkt dazu gezwungen, aber ihr Blick, als sie ihm vorschlug, ein Bad zu nehmen, war eindeutig gewesen, obwohl ein schalkhaftes Glitzern in ihren Augen lag. Also hatte er sich kurzerhand in einen Zuber begeben und ein durchaus warmes Bad genießen können.
Er hatte einen Schlafplatz in Luthors Zimmer bekommen, da er wenig Lust verspürte, sich nochmals von seinen Eltern verabschieden zu müssen.
Vanion begann, das Kontorgebäude ein wenig zu erkunden. Neugierig lugte er kurz in die Zimmer des Obergeschosses, die sehr solide und geordnet wirkten. Er wollte sich grade nach unten begeben, als er dumpf durch die Steinwand Jelenas Stimme vernahm. Nur ein Wort, kurz und knapp.
Vanion war verwundert, er hatte Jelena auf der kurzen Reise hierhin kaum die Stimme heben hören. Sie hatte ruhig gewirkt, und keineswegs verschlossen und zerknirscht, sondern eher zufrieden, trotz der widrigen Umstände. Kurzerhand beschloss der junge Mann, herauszufinden, was Jelena nun offensichtlich aufregte. Er machte sich keine allzu großen Sorgen, wenn das Gespräch nicht für seine Ohren bestimmt war, würde Jelena ihn eben kurz hinausschmeißen.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 10. Feb 12, 00:27
Jelena hatte die vergangenen Monate dazu genutzt um ihren Fokus wieder zu finden und ihre Fähigkeiten zu dem präzisen Instrument aufzubauen, das sie vor dem Krieg gewesen waren. All das sorgte dafür das Jennas emotionaler Ausbruch wie unglaublich lautes Tavernengegröhle auf sie wirkte.
Sie verzog das Gesicht als sie die Kopfschmerzen bemerkte, die hinter ihren Augen begannen und überlegte was sie mit der Frau vor sich anstellen sollte.
"Jenna." meinte sie ruhig. "Es tut mir leid, dass dich das ganze so sehr mitzunehmen scheint. Aber Wassilji ist ein Krieger. Sein ganzes Leben ist darauf ausgerichtet Kämpfe auszufechten, für die andere nicht geeignet sind. Es ist unausweichlich das er, oder wir alle, die so etwas tun, verletzt werden oder sogar den Tod finden. Du bist mit einem Säugling auf dem Arm mitten im Winter durch ein Kriegsgebiet geflohen. Dir ist das Gesicht der Schlacht nicht unbekannt. Was also ist nun los, dass du so sehr die Fassung verlierst?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Vanion am 10. Feb 12, 00:44
"...mitten im Winter durch ein Kriegsgebiet geflohen. Dir ist das Gesicht der Schlacht nicht unbekannt." Vanion verstand nur Jelenas letzte Sätze, als er die Tür erreichte.
Er hielt inne. Wer mochte da wohl drin sein? Ein Veteran des Pilgerzuges? Vielleicht ein Valkensteiner, oder ein Askarier?
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 12. Feb 12, 21:26
"Wie seit Ihr hier rein gekommen?" Die Stimme, die an Vanions Ohr drang, stank nach schalem Bier und war mehr ein Grollen als ein Satz. Eine Hand griff ihn rücklinks fest an der Schulter und zerrte ihn grob von der Tür weg. "Wenn Ihr krank seit besucht mich am Vormittag, und schon gar nicht hier obe-" Luthor verstummte mitten im Satz, als er Vanion erkannte.
"Du?" entfuhr es ihm nur und er ließ mit beiden Händen ab; von Vanions Schulter und von dem Griff seines Messers, das in seinem Gürtel steckte. Um das Bild zu vervollständigen rutschte ihm auch die Kraxe mit den Kräuterpaketen vom Rücken und vernichtete damit auch das letzte bisschen Kleiderordnung, was an ihm geblieben war. Überhaupt machte er einen stark übernächtigten Eindruck. Ein Tintenfleck unter seinem rechten Auge auf der Wange zeugte von der Art des Kopfkissens der letzten Nacht.
"Was, wie, was machst du denn hier?" Eigentlich wollte er den Eindringling überrumpeln, an den er sich angeschlichen hatte, aber das ihm bekannte Gesicht warf ihn dann doch aus der Bahn.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Vanion am 12. Feb 12, 21:36
Der feste Griff an der Schulter hatte Vanion mehr als überrascht. Als er in gewohnter Kneipenschlägereimanier zu einem wilden Schwinger ausholte, erkannte er jedoch erst Luthors Gesicht.
Entgeistert sah der junge Mann Jelenas Lehrling an. "Ich - ich, äh.. ich bin mit Jelena hierher gekommen, ich hab sie im Schlafwald gesucht. Und.." Man konnte Vanion anmerken, dass er wohl kaum vor Jelenas Türe lauschen sollte. "Ähm, ich wollte grad hinein gehen." Vanion richtete sich stolz auf. "Vermutlich hat sich Besuch von einem Helden des Pilgerzuges! Zumindest nach dem, was ich grad durch die Türe höre konnte."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 12. Feb 12, 22:04
Es vergingen ganze zwei Atemzüge, nachdem Vanions Satz geendet hatte. Dann ging alles ganz schnell. "Sagtest du JELENA?! Wie hast du … Augenblick" Unklar, ob er die Tür nun mit der Schulter einbrechen wollte oder einfach nur die Klinke verfehlte war er mit einem Satz bei Vanion, donnerte gegen das massive Holz und stolperte dann mit einem zweiten Versuch und einem ärgerlichen Grunzer in das Zimmer, wobei er den ertappten Lauscher fast mit sich gerissen hätte. Dann blieb er stehen, starrte die im Raum befindlichen Personen an als wolle er sich vergewissern, dass sie wirklich da waren und eilte dann auf seine Meisterin zu.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 12. Feb 12, 22:13
Jelena fixierte Jena und wartete auf ein Zeichen, ob ihre Worte durchdrangen.
Vor der Tür zum Scriptorium hörte sie laute Stimmen und sah irritiert zur Tür. Noch bevor sie ihren Gedanken zu Ende denken konnte wurde die Tür aufgestossen und ein ziemlich ramponiert aussehender Luthor rannte auf sie zu.
Ein Lächeln erhellte ihr Gesicht und sie hielt einfach nur die Arme auf.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 12. Feb 12, 22:20
Luthor umarmte sie fest und gestand sich nur für einen Moment ein, an diesem Moment vielleicht ab und an gezweifelt zu haben. Dann betrachtete er sie aufmerksam und nachdenklich, fast schon kritisch und legte den Kopf schief. Jede Frage kam ihm dämlich vor, darum schwieg er. Er blickte kurz zu Jena, versuchte einen Zusammenhang herzustellen und blickte dann wieder zu Vanion, dann wieder zu Jelena. "Ausflug gemacht?" murmelte er sarkastisch.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 12. Feb 12, 22:39
Jelena hatte Tränen in den Augen als sie Luthor betrachtete. Sie nahm sein Gesicht in die Hand und rieb mit dem Daumen über den Tintenfleck.
"Es tut mir leid, Braco." murmelte sie leise.
"Ich brauchte die Zeit. Wäre ich früher zurück gekommen, wäre ich wieder nur halb geheilt gewesen. Es war an der Zeit damit endlich Schluß zu machen."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 12. Feb 12, 22:47
Jenna sah Lutor argwöhnisch an. Auch ihn hatten die vergangenen Ereignisse ganz und gar nicht unberührt gelassen.

Jenna war sich dessen nicht bewusst, aber sie hatte nicht lange gebraucht, um sich im Schutze der Gruppe um Jelena sicher und geborgen zu fühlen. Nun war dieses Gefühl der Sicherheit wieder fort und das zog ihr den Boden unter den Füßen weg. Sie hatte sich auf diese Geborgenheit verlassen und sich fallen lassen, wie sich ein zuvor verunsichertes Kind zum ersten Mal voller Vertrauen in die Arme einer mütterlichen Frau fallen lässt - nur um plötzlich festzustellen, dass auch diese Mutter nicht alles auffangen kann.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Vanion am 12. Feb 12, 23:10
Breit grinsend trat nun auch Vanion ein. Ihm lag bereits ein frecher Spruch auf den Lippen, als er im letzten Moment seine Zunge im Zaum hielt.
Das Wiedersehen der Beiden wollte er nicht stören, es kam ihm so intim vor, dass Vanion sich fast schämte, in diesem Moment anwesend zu sein.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 13. Feb 12, 15:55
Luthor wollte etwas auf Jelenas Worte erwidern, wurde sich dann aber wie Vanion der Situation bewusst und nahm sich vor, die wirklich wichtigen Fragen für eine spätere Stunde aufzuheben. Stattdessen schluckte er den Kloß herunter, der ihm im Hals steckte und umarmte sie noch einmal wie um sicherzugehen, dass sie wirklich wieder da war.
"Den Eindruck machst du auch, Sestra. Dass du es endlich geschafft hast, meine ich." meinte er dann schwach lächelnd und sah ihr fast schon suchend in die Augen. Dann erhob er sich räuspernd und fuhr sich mit einer Hand durch das Gesicht, wobei er Vanion fixierte. "Du hast eben etwas von einem Schlafwald gesagt?!"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Vanion am 14. Feb 12, 15:52
Unfreillig zuckte Vanion ein wenig zurück, als Luthors alkoholgeschwängerter Atem in seine Richtung schwang.
"Äh, ja." Er warf einen Blick auf Jelena. "Ich kann dir kaum sagen, was sie da gemacht hat. Ich hab sie nur dort angetroffen, als sie bereits auf der Heimreise war."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 14. Feb 12, 16:28
Jelena runzelte die Stirn als sie das Bier in Luthors Atem roch.
Bier? Um diese Uhrzeit?
Sie warf einen Blick auf Jena und dann auf Vanion und schien zu überlegen welches Problem sie in zuerst in Angriff nehmen sollte.
"Vanion? Sei so gut und hilf in den Ställen bis zum Abendessen, ja? Ich habe bemerkt das dein Pferd auf dem rechten Hinterhuf nicht richtig auftritt. Lass dir von Alrik erklären was man in einem solchen Fall macht. Falls es morgen nicht besser wird, dann werden wir zum Hufschmied müssen bevor wir nach Norden aufbrechen."
Sie wartete bis Vanion wiederstrebend nickte und den Raum verließ, bevor sie sich zu Jena wandte.
"Jena, ich werde nicht so tun als ob ich verstehe was hier eben passiert ist. Aber was es auch war, wir müssen es aus der Welt schaffen. Bitte geh und hilf Anica das Abendessen vorzubereiten, wir sprechen heute Abend weiter."
Sie nahm die Frau kurz in den Arm und schob sie sanft zur Tür raus.
Als sie die Tür hinter sich zumachte fixierte sie Luthor mit einem fragenden Blick:
"Bier? Um diese Uhrzeit?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 14. Feb 12, 18:09
Er sah Vanion kurz hinterher und nahm sich dabei vor, ihn später an diesem Tag noch einmal ansprechen zu wollen. Ihm waren da noch einige Fragen geblieben. Auch Jena stellte ihn vor einige Fragen. Generell war viel passiert und er wollte die gesamte Geschichte erfahren. Der Alkoholkonsum, die nächtelange Arbeit über Tabellen, Rezepten und Briefen und Alpträume bereiteten ihm gnadenlose Kopfschmerzen.
Als er mit Jelena allein im Raum war und sie ihn auf das Bier ansprach, zuckte der Feldscherer-Geselle beinahe teilnahmslos mit den Schultern und nestelte an einer Tasche an seinem Gürtel herum. "Um ehrlich zu sein habe ich jedes Tag- und Nachtgefühl verloren, für mich macht es keinen Unterschied ob und wann ich trinke." murmelte er, besann sich doch eines Besseren und blickte auf "Ich bin über der Arbeit eingeschlafen und habe seitdem nichts mehr gegessen oder anderes getrunken." sagte er dann mit fester Stimme. "Für ein Frühstück war einfach keine Zeit."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 14. Feb 12, 18:44
Jelena warf einen Blick auf die Nachtmittagssonne und dann wieder auf Luthor.
"Setz dich." meinte sie mit einer Geste zu dem Stuhl ihr gegenüber. Sie nahm einen weiteren Becher und goß Tee ein.
"Hier, trink das und iss mit mir zusammen. Zumindest das können wir auf die Schnelle beheben. Und dann erzähl mir warum du keine Zeit zum essen hast. Läuft das Kontor Gefahr Bankrott zu gehen?"

Was auch immer Jelena in den letzten Monaten gemacht hatte, es schien ihr gut getan zu haben. Verschwunden waren die Schatten aus ihren Augen und die permanenten Sorgenfalten in ihrem Gesicht, zurückgekehrt war die Ruhe und Gelassenheit die Luthor früher immer an ihr so bewundert hatte.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Lilac am 15. Feb 12, 19:45
Jenna ging und half Anica. Sie machte Abendessen, reinigte geitesabwesend die Arbeitsflächen in der Küche und beschäftigte sich mit Malla. Diese war genervt, weil ihre Mama sie so oft in den Arm nahm und drückte. Sie wollte jetzt nicht kuscheln! Sie wollte spielen und toben!
Wenigstens wurde Jenna so zwangsweise ein wenig von ihren eigenen Gefühlen abgelenkt.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 15. Feb 12, 21:00
Ein Grinsen konnte er nun nicht mehr verbergen. Es schien zu stimmen, dass sie ihre Bürde, die sie so erfolgreich vor ihnen verborgen gehalten hatte, endlich überwunden hatte.
Er nippte am Tee und verzog das Gesicht ob der Hitze des Getränks. Dann sah er gespielt gekränkt auf "Was denkst du von mir? Nein, du hast es geschafft dass das Kontor fast von alleine läuft, außer die Ware zu überprüfen und ab und zu etwas nachzukaufen um den Bestand zu decken ist nicht viel zu tun, und selbst das haben die Hausleute hier eigenständig im Griff, könnte man sagen." Noch einmal trank er einen Schluck, diesmal nachdem er gepustet hatte "Ich habe mich einfach versucht über die Zeit abzulenken, habe mich viel umgeschaut und die alltäglichen Wunden und Krankheiten der Leute hier versorgt. Es ist halt nur nicht einfach, nach dem Bürgerkrieg einfach so zu tun als sei alles in Ordnung."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 15. Feb 12, 23:23
"Nein, das ist es wahrlich nicht." stimmte Jelena zu und nahm selber einen kleinen Schluck.
Sie ließ sich in den Stuhl zurücksinken und betrachtete den jungen Mann vor sich. Ihr Blick schien alle Kleinigkeiten zu registrieren, all die nächtlichen Alpträume und die Versuche vor ihnen zu fliehen.
"Das gute ist jedoch, dass wir nun nicht mehr so tun müssen als ob. Wir haben jetzt tatsächlich die Zeit um sich um uns zu kümmern. Es tut mir leid das ich dich alleine gelassen habe, sine moj."
Sie griff über den Tisch und legte ihre Hand fast flehend auf seinen Arm:
"Es war eine der schwersten Entscheidungen für mich. Ich habe gesehen wie sehr du gelitten hast, aber ich war in keinem Zustand um dir helfen zu können. Ich war so zerrissen... ich hätte dir nur noch mehr Schmerzen zugefügt. Hoćes mi oprostiti?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 17. Feb 12, 17:02
Der Geselle betrachtete kurz die Hand seiner Meisterin auf seinem Arm, dann tätschelte er mit seiner die ihre. Dann musste er grinsen "Es gibt nichts, wofür ich dir verzeihen müsste." meinte er "Es war das einzig Richtige, was zu tun war. Aber das muss ich dir ja nicht sagen."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 17. Feb 12, 18:13
Jelena wirkte erleichtert:
"Doch, das musst du. Du warst so voller Wut nachdem was in Tailon Orikos geschehen ist. Wut und Selbsthass... Ich hatte Angst das du es gegen mich richten würdest, weil ich dich alleine gelassen habe."
Sie sah ihn mit einer Mischung aus Mitgefühl und Erleichterung an: "Ich bin  so froh das dem nicht so ist. Wie geht es Dir, Luthor? Und wo steckt Wydh?"
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 18. Feb 12, 12:19
Luthor sagte nichts dazu sondern beschäftigte sich mit seinem Tee. "Es gab andere Mittel und Wege, damit fertig zu werden." meinte er "Aber es wäre egoistisch und falsch gewesen, es auf dich zu schieben, du hattest selbst wichtigere Probleme"
Er ließ sich auf seinem Stuhl zurücksinken und musste dann lachen "Mir geht es gut. Auch wenn die Stille hier manchmal unerträglich war und es draußen immer etwas los ist. In den Tavernen und Gasthäusern gibt  es vielerlei Gestalten, die Ärger suchen. Auch wenn sie dem alten Temris nicht das Wasser reichen können." Als er den Blick seiner Meisterin auffing, wurde ihm klar wie das klingen musste "Aber es ist ja nicht so dass ich Nacht für Nacht in Schankräumen sitze. Das waren eher die Ausnahmen. Nur manchmal kann der Kontor sehr erdrückend sein." Er machte eine Pause "Du kennst Wydh. Sie ist immer mal wieder hier, aber nicht beständig. Wo sie jetzt im Moment ist kann ich dir gar nicht sagen."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 18. Feb 12, 18:03
Jelena Gesicht zeigte den Schmerz um Wydhs Verlust. Die Elfe war am Leben, aber sie schien für Jelena so unerreichbar zu sein wie der Mond. All die gemeinsamen Erinnerungen waren fort und damit auch das Gefühl der Verbundenheit zwischen ihnen.
Sasha hatte ihr erklärt warum es geschehen war, aber es änderte nichts daran das es wieder jemand war den ihr dieser verdammte Konflikt entrissen hatte.
Sie seufzte und wischte die Gedanken beiseite. Eins nach dem anderen.
"Jetzt bin ich ja wieder da. Auch wenn vorerst nur für kurze Zeit. Aber dieses Mal nehme ich dich mit. Wir reisen nach Norden und sehen was wir für Simon tun können. Und bis dahin habe ich Zeit nur für dich da zu sein.2
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 19. Feb 12, 22:13
Als sie Simons Namen nannte sah er überrascht von seiner leeren Teetasse auf. "Ist es soweit? ... Ich meine, glaubst du dass wir aktiv helfen können?"
Das Seelenleiden des Ritters nagte nun schon seit fast einem ganze Jahr an ihm, er hasste es, etwas nicht abschließen zu können. Nur leider war Seelenheilkunde kein Fach, das man aus Büchern lernen konnte und irgendwann war auch die Meditation ein begrenztes Ausbaugebiet.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 19. Feb 12, 23:03
Jelena nickte und wies Luthor mit dem Kinn an mehr zu essen.
"Wenn er bis jetzt überlebt hat, dann gibt es noch Dinge die abgeschlossen werden müssen. Wir sollten ihm dabei helfen. Es gibt nur zwei Wege dies zu Ende zu bringen. Entweder wir retten ihn oder wir erlösen ihn."
Sie seufzte und goß Tee nach.
"Es wird nicht einfach werden. Ach, was sage ich. Es wird sogar sehr schwer werden. Aber wir schulden es Simon es zumindest zu versuchen. Das bedeutet aber auch das wir zwei in guter Form sein müssen. Auf unseren Schultern wird der Großteil der Arbeit lasten. Also iss auf und dann schnapp dir frische Wäsche für das Badehaus. Ich kümmere mich um alles hier. Und heute Nacht bin ich da und wache über deinen Schlaf. Versprochen."
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Luthor Kaaen am 21. Feb 12, 12:07
Bei ihren Worten verging Luthor der Hunger und er starrte wieder auf seinen Teller "Hmhm ... Hoffen wird das Beste." murmelte er. Dann nickte er, stützte sich mich beiden Händen am Tisch ab und stand auf. In seinem Kopf drehte sich alles, er steckte sich den Rest auf seinem Teller in den Mund und stieg umständlich über die Bank. "Du brauchst auch mal eine ruhige Nacht in deinem eigenen zu Hause. So wie ich mich gerade fühle werde ich heute Nacht auch wie ein Stein schlafen." grinste er dann und verließ sich den zerzausten Hinterkopf kratzend das Zimmer.
Titel: Re: Das Kontor - nach dem Krieg
Beitrag von: Jelena am 22. Feb 12, 04:31
Jelena nickte zustimmend. Sie würde sich später an sein Bett setzen und dafür sorgen das es tatsächlich so war.
Sie ließ den Blick über ihr Scriptorium gleiten und Zufriedenheit nistete sich in ihr ein: endlich wieder da...
Sie blickte durch die offene Tür und sah Jenna in der Küche stehen.

Eins nach dem anderen...

Sie sammelte das Geschirr ein und ging herüber.