„Stella, wir müssen weiter! Zum Portal!“
Die Worte der Laviniapriesterin hallten in ihrem Kopf wieder wie ein Echo, Tränen rannen ihre glühenden Wangen herab während sie beim Gerichtsgebäude auf der Straße standen und die Menge an ihnen vorbei zog. Leonie zerrte verzweifelt an ihrem Arm während Stella den Gedanken aussprach, der die ganze Zeit in ihrem Kopf kreiste und ihren Drang nährte, sich durch die Menschenmengen zurück zu kämpfen, die ihr entgegenströmten.
„Aber die anderen…!“
Die dunkelste Stunde ist vor dem Sonnenaufgang
Ein paar Stunden zuvor:
„Hast du noch Kraft, geht es dir gut?“ Etwas unsicher sah sie Kassos an, der sehr angespannt wirkte als er ihr die Frage stellte. Verwunderlich war das nicht, immerhin hatten Sasha, Maugrimm und ein paar andere ihn eben erst aus den Niederhöllen gerettet. Was er dort wohl durchleiden musste? Sie wollte es sich gar nicht vorstellen. „Jaaaa?“
„AHHHHHHHH“
Innerhalb von Sekundenbruchteilen prasselten Unmengen von Bildern und Gefühlen auf sie ein. Gier nach Blut und Leben, Hunger, Wut, Ungeduld. Eine riesige Spinne, bedrohlich nah. Dann acht Bilder gleichzeitig, die sich gierig auf ihr Opfer richten. Als sei sie selbst die Spinne. Ihr Kopf schien zu platzen von der Vielzahl der Eindrücke und ein heftiger Schmerz durchfuhr sie.
Schreiend brach sie schließlich unter der Flut der Bilder zusammen, die sich innerhalb kürzester Zeit in ihren Geist fraßen und alles um sie herum wurde schwarz.
Langsam drängte sich ein kleiner Funken zurück aus der Dunkelheit. Ihre Glieder fühlten sich schwer an wie Blei und es kostete sie viel Kraft, langsam die Augen zu öffnen. Fetzen von Stimmen drangen an ihr Ohr, aber zu verstehen was sie sagten war ihr zu anstrengend. Verschwommen nahm sie etwas neben sich wahr. Ein goldener Schimmer, der sich langsam zu einem Gesicht formte, das ihr vertraut war. Lyra.
Vorsichtig versuchte sie sich aufzusetzen und ihre Kräfte zu sammeln, aber sie fühlte sich schwach. Lyra hielt ihr die Hand hin, entschlossen griff sie sie und schwankend kämpfte sie sich zurück auf die Beine. Irgendwo hinter ihr hörte sie Kadegars Stimme wie von ganz weit weg: “Bring sie zum Nexus.” Selbst noch nicht fähig den Inhalt zu erfassen und zu entscheiden merkte sie nur, wie Lyra sie mit sich zog, sie halb stützend und je näher beide dem Nexus kamen desto mehr spürte Stella seine Kraft, seine reine Magie, die sich hier konzentrierte - fast schon wie ein Kribbeln auf der Haut.
Im Umfeld einer solch großen Kraftquelle hatte sie noch nie meditiert und sie sollte vorsichtig sein. Zitternd setzte sie sich in etwas Entfernung zum Herzen Weltenwachts neben Lyra auf den Boden und versuchte, ihre innere Ruhe zu finden, doch immer wieder schossen ihr die schrecklichen Bilder von eben durch den Kopf und ließen sie nur schwer Ruhe finden.
In ihrer Hand lag ihr Fokus, die Triskele mit der sie schon so oft meditiert hatte. Unruhig fuhren ihre Finger über die Form, nahmen sie kaum wahr.
Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Konzentriere dich! Einatmen. Tief in den Bauch. Spüre jede Faser deines Körpers. Ausatmen. Komm schon! Spüre das Gleichgewicht um dich herum, die Kraft dieses Ortes, seine Magie. Einatmen. Ausatmen.
Langsam wurde ihre Atmung ruhiger, bewusster. Ihre Finger folgten nun langsam und entspannt den Formen ihres Fokus die ihr so vertraut waren. Je ruhiger sie wurde umso mehr spürte sie die Kraft dieses Ortes und wie auch sie durch den Ort und die Meditation langsam wieder zu Kräften kam.