Forum des Engonien e.V.
Der Städtebund von Tangara => Fanada => Thema gestartet von: Engonien NSC am 15. Feb 07, 10:47
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Der Südfriedhof trägt auch den Namen "Alter Friedhof", denn er existiert schon seit Gründung der Stadt. Mittlerweile befindet er sich innerhalb der Stadtmauern und dienst als Begrebnisstätte für die bedeutenden städtischen Persönlichkeiten sowie den Mitgliedern der wohlhabensten Handelshäuser. Schon tagsüber begegnet man auf dem Südfriedhof eher selten einem Mitmenschen, doch Nachts ist der Friedhof menschenleer.
In der heutigen Nacht herrscht fast Neumond, dessen milchiges Licht kaum in der Lage ist die Namen auf den Gräbern zu erhellen, zwischen denen ein leichter Bodennebel den Boden bedeckt. Nach kurzer Suche stößt Hegen endlich auf die Gruf der Familie van Teuben. Die gußeiserne Tür zur Gruft leicht geöffnet und zwischen dessen matten Streben fließt der Nebel hinab in die Dunkelheit.
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Ob das wirklich eine gute Idee war? Ich hätte wenigstens irgendjemandem Bescheid geben können, wo ich hingehe. Verdammt. Verdammt! Verdammtverdammt. Das ist gar nicht gut.
Hegen hat seinen Eisenhut auf und sich als Schutz gegen die Feuchte einen Schal um den Kopf geschlungen, so dass nur die Augen zu sehen sind. Er trägt eine abgedunkelte Laterne bei sich und schaut sich noch einmal mistrauisch um, ob er nicht doch jemanden hier sieht, oder ihn jemand.
Der Nebel hat kleine Tröpfchen auf der Eisenkrempe gebildet, die leicht hin- und herrinnen, wenn er den Kopf bewegt.
Schliesslich fasst er sich ein Herz und dann die Tür zur Gruft und öffnet sie langsam weiter, bis die Öffnung groß genug ist, dass er hindurch passt, dann schlüpft er hindurch und hinein.
Ignis, steh mir bei!
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Sechs Stufen führten in die Tiefe der Gruft. Die Dunkelheit wich nur langsam zurück, wie zähflüssiges Öl schien es in Spalten und Ritzen zu versickern. Unten herrschte Stille - und gähnende Leere. In der Mitte der Gruft befand sich eine hüfthohe Säule, auf dessen Kopf ein leeres Becken stand. Jeweils sechs Grabnischen befanden sich in den Wänden zur Linken und zu Rechten, in der Wand gegenüber gab es drei davon. Wirklich, die Gruft war leer oder schien zumindest leer zu sein. Ein quietschendes Geräusch, bei dem sich Hegen die Nackenhaare aufstellten, ertönte von oben...
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Was zum...
Er verdunkelt die Laterne wieder, und geht langsam und leise die Stufen wieder herauf, um einen Blick auf den Eingang zu werfen.
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In der Tür ist gegen das schwache Mondlicht die Silhouette einer Gestalt zu erkennen.
"Den Göttern zum Gruße, Herr Hegen. Ich beglückwünsche Sie. Sie haben unserer Einladung Folge geleistet. Aber bitte, bleiben Sie da unten stehen."
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Hegen schluckt und versucht, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
"Guten Abend. Darf ich fragen, mit wem ich die Ehre habe?" spricht er vom Fuße der Treppe hinauf.
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"Ein Freund, Herr Hegen, ein Freund. Aber ich möchte schnell zum Punkt kommen, ehe man Sie hier entdeckt. Das gäbe doch ein sehr merkwürdiges Bild aber, oder nicht?"
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"Ich bin hier, um dem ehrenwerten verstorbenen Bürgermeister meine Ehre zu erweisen."
Er grinst schief.
"Aber kommen wir zum Punkt, gerne. Was ist das für ein Angebot, das Sie mir machen wollen?"
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"Herr Hegen, Sie sind ein gebildetet Mann. Mit Sicherheit haben Sie die Tangara Postille gelesen, darf ich annehmen."
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"Ich habe den Artikel über die Suche nach einem Erben gelesen, ja."
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"Sehr gut, das bringt uns ungemein weiter. Sie teilen mit meinem Auftraggeber das gleiche Interesse: Dieser Lupus Umbra darf auf keinen Fall das Lehen erhalten!"
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"Und dass der Neffe dieses Barons nicht das Lehen erhält, ist schon das ganze Interesse Ihres Auftraggebers?"
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"Es ist mir nicht gestattet, Ihnen sämtliche Interessen meines Auftraggebers vor Augen zu führen, selbst wenn ich sie kennen würde. Es reicht zu wissen, dass er Sie mit dem Lehen und dem Rittertitel beglücken wird und dass der Lupus Umbra leer ausgeht."
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Hegen zieht es ein wenig den Magen zusammen. Sollte es tatsächlich erreichbar sein?
"Ich möchte Ihnen natürlich keine Aussagen entlocken, die nicht für meine Ohren bestimmt sind."
Hegen deutet eine Verbeugung an.
"Worauf ich hinaus will, ist dieses: Liegt es tatsächlich in der Macht Ihres Auftraggebers, mich mit Lehen und Titel zu beglücken? Und ist ihm die Tatsache, dass nicht ein Lupus Umbra, sondern ein Lupus Rubeo", er hebt kurz das Amulett mit dem roten Wolf auf seiner Brust hoch, "dieses Lehen bekommt, schon Grund genug, oder verlangt er etwas dafür?"
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"Mein Auftraggeber besteht einzig darauf, dass Sie den Part, der Ihnen zufällt, zu seiner vollsten Zufriedenheit erfüllen. Sie müssen kaum etwas tun, nur die Lorbeeren, oder vielmehr den Titel und das Lehen, einstreichen. Das ist ein sicheres Geschäft, selbst ein Tölpel könnte mit der Unterstützung meines Auftraggebers dieses Lehen bekommen. Doch es ist uns nicht daran gelegen, dort einen Tölpel zu wissen, verstehen Sie? Alles ist arrangiert. Sie, Herr Hegen, müssen nur noch den Wunsch äußern, diesen Titel zu erhalten und in das Geschäft einschlagen."
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"Und was mag zu seiner vollsten Zufriedenheit beitragen? Ich meine, Sie reden von einem Geschäft, aber was Sie beschreiben, ist ein Geschenk. Was ist es denn nun?"
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"Das wichtigste Interesse meines Herren ist einfach jenes, dass das Erbe nicht in die Hände des Lupus Umbra fällt. Sollten Sie unser Angebot annehmen, müssen Sie offen gegen Barad Konar Stellung beziehen und ihm die Gefolgschaft verweigern, die er in seinem Edikt eingefordert hat. Aus gut unterrichteten Quellen kann ich Ihnen sagen, dass Sie damit in Ahrnburg in guter Gesellschaft wären. Der Orden des heiligen Jeldrik wird das gleiche tun. Diese Entscheidung wird natürlich Krieg bedeuten.
Aber der Krieg wird so oder so ausbrechen. Es bleibt allein die Frage, auf welcher Seite dieses Rittergut stehen wird.
Aus dem Grund kann man es drehen und wenden wie man will, dieses Angebot ist gleichsam ein Geschenk, ein Geschäft, aber auch eine Bürde.
Mehr kann und darf ich nicht sagen. Eine Entscheidung ihrerseits sollte aber ob der Konsequenzen mit dem Herzen getroffen werde.
Achja, ehe ich es vergesse. Da mein Herr ein sehr angesehener Händler hier in dieser Stadt ist, wären wir über ein paar exklusive Handelsverträge natürlich sehr erfreut. Aber alles zu seiner Zeit."
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"Ich fürchte, ich teile diese Einschätzung, was den Krieg angeht. Und ich stimme zu, dass der Einfluss des Lupus Umbra nicht größer werden darf, sondern zurückgedrängt werden muss. Ich habe schon zuviel gesehen, was diese Fanatiker anrichten können, und am eigenen Leib erfahren."
Er zögert einen Moment und holt tief Luft.
"Ich nehme an. Ich bin sowieso deswegen hier, und wie es scheint, sind die Ziele Ihres Auftraggebers in diesem Falle auch die meinen. Über den Handel können wir reden, wenn es soweit ist."
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"Eine kluge Einschätzung der Dinge, Herr Hegen. Im Sarg des verstorbenen Bürgermeisters werden sie ein Päckchen mit nützlichen Dingen und Unterlagen finden. Und mit Ablauf eines halben Jahres können Sie schon als Herr ihren Bauern bei der Ernte zusehen."
Mit einem Male war der Schatten verschwunden und silbernes Licht erhellte die Stufen.
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Was für ein Verständnis vom Adel hat der Kerl eigentlich? Nicht alles Standpack sind degenerierte Fauljackel! Na, einige schon...
Hegen dreht sich ins Innere der Gruft um und entfernt die Blende von seiner Laterne, dann sucht er den Sarg des verstorbenen Bürgermeisters und betrachtet ihn sich genau.
Muss das eigentlich unbedingt in einer Gruft stattfinden? Herrdumeineslebens!
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Der Sarg des Bürgermeisters befindet sich am Kopfende der Gruft in der mittleren Nische. Eine dünne Staubschicht liegt auf dem glatten Eichenholz.
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Hegen bleibt vor dem Sarg stehen.
Jetzt muss ich auch noch ein Grab plündern? Warum ist hier schon Staub? Seit wann wissen die denn davon? Und was soll da drinnen sein?
Ach, ich werde es nicht erfahren, wenn ich nicht nachsehe. Und besser schnell, bevor noch jemand kommt.
Er stellt die Laterne ab, dass sie den Sarg beleuchtet, und macht sich an dem Deckel zu schaffen. Bevor er ihn anhebt, holt er tief Luft...
Tagashim, verzeih.
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Der Deckel hebt sich geräuschlos und der süßliche Duft von Verwesung quillt Hegen scheinbar greifbar entgegen. Auf der Brust des Toten liegt ein in Wachspapier eingeschlagenes Bündel, darauf ruhen die knochigen Leichenhände.
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Das gibts doch gar nicht...was mache ich hier eigentlich?
Mit zitternder Hand greift Hegen nach dem Bündel.
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Fast als wolle der Tote Hegens Begehr nicht hergeben leistet das Bündel anfänglich Widerstand, um sich dann mit einem Ruck zu lösen.
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Hegen bekommt allmählich Atemnot, aber versucht noch, die Hände des Toten wieder halbwegs ordentlich hinzulegen, bevor er den Sargdeckel wieder schließt.
Dann schnappt er sich seine Laterne.
Keine Zeit...
Er hastet die Stufen hinauf und schütelt dabei die Laterne, bis sie ausgeht. Oben saugt er gierig die frische Luft in seine Lungen.
Ahhhh.....
An der Tür wartet er einen Moment, um sich zu vergewissern, dass die Luft rein ist (ohja, das ist sie, köstlich!), und macht sich dann leise aus dem Staube, Richtung Gasthaus.