Forum des Engonien e.V.
Die Gebiete in Caldrien => Engonia - die einstige Kaiserstadt => Thema gestartet von: Dominic am 18. Mär 11, 23:05
-
Die Stadt lag noch im Dunkel, Nebel schwächte die Sicht und dämpfte die Geräusche der Stadt. Engonia war gerade im Begriff zu erwachen. Kassos wanderte durch die Straßen und die ersten wärmenden Strahlen von Alamars Auge erhellten langsam, aber sicher die Gassen. Er bog um eine Straßenecke, vor ihm erhob sich der große Tempel Tiors und der Priester blieb stehen. Er betrachtete die Schemen, die sich im Nebel abzeichneten und konnte die Anwesenheit seines Gottes fast spühren. Kassos setzte sich in Bewegung und hielt auf das Tor zu, welches offen stand. Als er das Portal durchschritt, meinte er die Geräusche des Kmpfes zu vernehmen, der allen Priestern und Novizen das Leben genommen hatte. Der Tempel stand leer. Er suchte sich seinen Weg zum Altarraum und damit zum heiligen Feuer. Überall sah er Anzeichen eines hastigen Aufbruchs, die Diener Tiors hatten sich sofort auf den Weg zur Bresche gemacht, als diese geschlagen war. Sie hatten sich sicher eine erbittertes Gefächt mit Kassandra, ihren Kriegern, aber auch seinen Novizen und Kriegern geliefert. Kassos war gespannt, was seine Leute zu berichten hatten. Er hatte boten in die Lazarette gesandt und durch die Straßen, sie sollten seine verbliebenen Krieger in den Tempel rufen. Endlch fand er den Rau m den er gesucht hatte und schritt auf das heilige Feuer zu, um dort auf die Knie zu sinken. "Herr über Blut und Feuer, nimm mein Opfer und meinen demütigen Dank", begann er zu sprechen und versank in leise Gebete.
-
"Ich hatte mich schon gefragt wann du auftauchen würdest."
-
Kassos ließ sich Zeit und beendete sein Gebet, dann antwortete er ohne sich um zu drehen. "Und ich habe mich schon gefragt, ob du mich hier erwarten würdest." Er erhob sich und wandte sich Kassandra zu. Er grüßte sie indem er sich auf die Brust schlug und seinen Kopf neigte. "Wie steht es um die Krieger Tiors, wieviele von ihnen sind in seine Hallen gegangen?"
-
Kassandra erwiederte den Gruß.
"Es sind genug geblieben um den Tempel in Besitz zu nehmen. Ich gestehe, ich bin neugierig. Wie kamst du zu Barads Kopf?"
Die Priesterin hatte sich aus ihrer Rüstung geschält und offenbar hatte sie einen Heiler in ihre Nähe gelassen der wusste, was er tat. Ihre Wunden, und es waren zahlreiche, waren sauber verbunden. Sie hatte einen Hieb ins Gesicht bekommen der ihre Tätovierungen sauber spaltete.
-
Kassos betrachtete die Lupa cruenta von Kopf, bis Fuß. Er wollte garnicht wissen, was sie mit demjenigen gemacht hatte, der ihr Gesicht verletzt hatte. Er stellte es sich dennoch vor und verkniff sich mit Mühe ein grinsen. "Ich nahm seinen Kopf in meinem Blutrausch und wollte ihn auf meine Lanze pflanzen, wenn ich durch die Bresche gehe. Ich war wie von Sinnen und schlug ihm den Kopf ab, als er vor mir lag. Ich habe Erions Kopf aus dem selben Grund aufbewahrt."
-
"Erion Barkwin? Also da hatte sich der alte Wolf versteckt..."
Kassandra musterte den vor sich stehenden Priester:
"Also hast du Barad Konar getötet?"
-
Kasoss´ Gesicht verzerrte sich vor Hass und der rote Schleier senkte sich vor seinen Blick, nur mit sehr viel Mühe gelang es ihm, in nieder zu kämpfen.
Kassandra konnte deutlich erkennen, das der Priester zu kämpfen hatte. "Nein", presste er hervor, "Szivar hat ihn vernichtet! Er wies uns Konar aus "seine größte Lüge und sein Geschöpf. Er fragte uns, wer seinen Tod fordert und ich trat vor. Ich wollte Konar fordern und ihn zerreißen, oder gegen ihn fallen, doch ich wurde fest gehalten." Er senkte seinen Blick. "Ich hätte in meinem Zustand niemals gegen ihn bestehen können, ich war viel zu geschwächt. Schließlich erschlug Szivar ihn selbst!"
-
Die brutale Wut die immer nur knapp unter der so trügerisch ruhigen Oberfläche der Priesterin simmerte brach mit einem Heulen hervor und nur Bruchteile eines Augenblicks später war ihre Hand an Kassos Hals.
"Sziiiiiivarrrr?"
Das Grollen in ihrer Kehle verformte den Namen des verhassten Gottes zu einem unheilbringenden Laut.
"Was hast du mit ihm zu schaffen? Was soll das bedeuten?"
Sie presste nicht zu, es war das Äquivalent zu einem Leitwolf der ein Mitglied seines Rudels am Nackenfell packte und schüttelte bis er sich sicher war das er die Drohung auch wirklich verstanden hatte.
"Hast du mich um die Jagd gebracht um in der Gunst des Schlangenherrn zu steigen?"
Die gelben Wolfsaugen fixierten Kassos und er spürte wie sein Blut zu kochen anfing. Die Verbindung zwischen den beiden Priesterin war unmissverständlich und auch Kassandras -noch- vorherrschende Meisterschaft darin. Sie hätte die Mauern um seine Erinnerungen einreißen können aber sie entschied sich zu warten.
-
Kassos hatte sich geduckt, wie es in seiner Position gehörig war, doch konnte er nicht mehr an sich halten, als Kassandra ihm unterstellte in Szivars Gunst steigen zu wollen. Duch seinen Körper ging ein Ruck und seine Muskeln spannten sich fast bis zum zerreißen. Er richtete sich auf und hielt Kassandras Blick gefangen. Er sprach ruhig und gefährlich. "Ich sagte dir einmal, dass ich dich nicht fordern werde. Ich habe Respekt vor dir und nehme deinen Rat gerne an -mitlerweile. Doch höre meinen Schwur: Wenn du mir noch einemal unterstellst, ich würde um Szivars Gunst streiten, werden entweder du, oder ich diesen Tag nicht überleben!" Er schwieg einige Herzschläge um seinen Worten Wirkung zu geben. "Ich habe ihn weder gerufen, noch habe ich ihn willkommen geheißen."
-
Kassandra nickte zum Zeichen das sie den Schwur annahm.
Als sie sprach, da war es mit einer ruhigen Stimme die aber noch vom Grollen vibrierte:
"Wie haben beide gewusst das Barad Konar in nicht tiorsgefällige Machenschaften verstrickt war. Aber das Szivar in als sein Geschöpf benennt? Ich will wissen was genau geschehen ist. Ich spüre den Winterwolf und Tormentor in dir... und da ist noch etwas..."
-
Der Priester machte einen Schritt zurück, löste sich damit aus Kassandras Griff und setzte sich auf die Stufen, die zum Feuer führten. Er holte tief Luft und begann zu sprechen, noch immer war seine Beherrschung wacklig. "Ich bekam die Klaue von Aleron von Norngart von Grendar, der wiederum erhielt sie von einem Condrianischen Hydracorgläubigen. Ich fand spührte die Macht dieses Artefaktes und was ich damit zu tun vermochte: Sie gab mir die Kontrolle über jeden Diener Tiors. Jeden! Ich rief den Rat der Priester und Anführer des Zuges zusammen und teilte ihnen mit, welche Macht sich in meinen Händen befand. Wir kamen zu dem Schluss, Konar zu rufen und ich hatte vor ihn zu fordern. Ich führte ein Ritual durch, in dessen Verlauf ich mein Blut, das Blut Konars und das Blut von Tior selbst opferte. Sasha, Maugrimm und auch Lalaith -du weißt schon, die Naduria Priesterin- standen mir zu Seite. Sie fragten mich, ob sie mir helfen könnten und ich erwiederte, dass ich nichts gegen die Hilfe durch Waffenbrüder und -schwestern hätte. Sie beteten zu ihren Göttern und auch Tior ließ sie gewähren. Ich spührte, wie die Macht der vier Götter durch mich floss und das Ritual gelang. Konar tauchte unmittelbar vor mir auf. Doch bevor ich mich wieder gefangen hatte, erschien Szivar und hüllte Konar und sich selbst, in eine magische Hülle. Ich vermochte es nicht, zu ihm vor zu dringen. Szivar fragte, wer Konars Tod vordere und ich trat vor. Die anderen hielten mich fest und in meiner Raserei, hätte ich fast Rania angegriffen, die sich vor mich stellte. Szivar tötete Konar schließlich selbst und raubte mir meine Gelegenheit."
-
Kassandras Augen verengten sich zu Schlitzen als sie zuhörte und sie begann hin und her zu gehen als ob sie die Energie in ihrem Körper los werden müsste.
"So wie es aussieht haben deine Waffenbrüder dich vor dem nächsten idiotischen Handel mit dem Herrn der Schlangen bewahrt. Nichts was er gibt ist umsonst, das müsstest du inzwischen wissen. Wo ist die Klaue?"
-
"Ob du es glaubst, oder nicht: Ich hätte mich auf keinen Handel eingelassen!" Etwas leiser fügte er hinzu: "Nicht noch mal." Er stand auf. "Die Klaue verbrannte, wärend ich geschwächt war, warf sie wohl jemand ins Feuer."
-
Kassandra nickte nachdenklich, es war mehr als wahrscheinlich, dass das Artefakt nach diesem Ritual ausgebrannt war und damit nutzlos. Sie ließ sich die Fakten noch einmal durch den Kopf gehen die sie gerade gehört hatte und stutzte:
"Wo hattest du Barad Konars Blut her?"
-
Ein Grinsen huschte über Kassos Gesicht. "Somit kommen wir zu einer Rolle in diesem Spiel, die ich für eine Nebenrolle hielt. Ich erhielt das Blut von Jelena, der heilerin auf der Tiors Augenmerk schon seit längerem ruht. Ach, und der Condrianer der Grendar das Artefakt gab, war der selbe, der mir das Blute Tiors übergab." Seine Augen leuchteten voller Glauben und Stolz. "Tior ist ein Stratege, der es vermag Zeitalter zu überblicken."
-
Kassandra lachte leise. Es war ein durchaus angenehmer Laut der aber nichtsdestotrotz normalen Menschen den Schweiß auf die Stirn trieb:
"Die Frau verblüfft mich jedes Mal aufs neue. Ich hatte gedacht all ihre Geheimnisse ergründet zu haben... vielleicht sollte ich ihr noch einmal einen Besuch abstatten... sie ist es die ich in deinem Geist spüre, nicht wahr?"
-
Kassandras Lachen überraschte Kassos, erblickte sie unverholen neugierig an. "Ja, ich habe ihre Seele berührt um sie zu retten. Sie hat mich während des Rituals, mit ihrem Blut gestärkt. Ich nahm die Kraft Tiors, die in ihr war auf mich und jetzt besteht eine seltsame Verbindung zwischen uns."
-
"Ist dir schon einmal der Gedanke gekommen das es einen Grund haben wird wieso der Herr des Kampfes sie haben will? Du hast ihr mit deinem Tun nur ein wenig Zeit vor dem Unausweichlichen verschafft. Letzten Endes wird sie sich ihm beugen müssen. Im Leben oder im Tode."
Von draußen ertönten Stimmen und Jevgeni Krummbein betrat den Altarraum.
Er grüßte die beiden respektvoll und berichtete dann die über die Stadt verstreuten Priester und Novizen eingesammelt zu haben.
"Gut. Nehmt den Tempel in Besitz. Verkündet das die Dienerschaft in ihren Dienst zurück kehren kann und weiter Lohn und Brot erhält. Liste die Vorräte und vor allem den Inhalt der Rüstkammer auf."
Der Priester nickte und verließ den Raum wieder.
-
Kassos wartete, bis der Mann den raum wieder verlassen hatte. "Natürlich hat er einen Plan mit ihr, aber er hätte mir nicht gestattet ihr zu helfen, hätte er sie jetzt schon zu sich nehmen wollen." Er gin zu einer Wandhalterung und rückte eine Waffe zurecht, die etwas schief hing. "Wie halten wir es mit dem Tempel, er brauch eine Führung!"
-
"Natürlich braucht er das. Und er wird sie bekommen. Allerdings nicht heute. Es ist niemand von den früheren Lupus dieses Tempels am Leben geblieben. Traditionell hatten sie einen einzelnen Vorsteher den Lupus benniferus. Es kann also keine traditionelle Forderung geben. Tior wird uns einen Weg weisen."
-
"Also gut. Wie gehen wir weiter vor? Ich will, wie in Fanada und Brega, zu den Menschen sprechen. Ich will ebenso die gefangenen und verletzten Krieger des Lupus befragen und ihnen die Gelegenheit geben, Tior die Treue zu schwören. Ebenso möchte ich hier den falschen Weg des Lupus Umbra für vernichtet erklären. Das Volk soll wissen, dass wir uns einig werden und von hier aus wird die Botschaft nach ganz Engonien getragen werden. Die Frage die wir vorher klären müssen ist: Werden wir uns einig?" Er blickte Kassandra fragend an.
-
"Zu schnell und nicht durchdacht. Du kannst zu den Menschen sprechen, aber nicht von diesem Tempel aus. Solange der neue Lupus benniferus nicht ernannt wurde wird dieser Tempel keine Position beziehen. Was die Lupus betrifft: ich habe keine Gefangenen gemacht und ich denke du auch nicht. Falls es Gefangene gibt dann werden diese bei den Truppen der Königin, Hanekamps oder den Valkensteinern sein. Willst du zu ihnen spazieren und die Freilassung fordern weil sie Tior die Treue schwören?"
Kassandra schnaubte und verschränkte die Arme:
"Denk nach, Klinge! Diese Männer haben IN Tiors Namen gekämpft. Egal das du und ich wissen das der Fisch vom Kopf her gestunken hat, ihnen wird das kaum bewusst gewesen sein und falls, dann war es ihnen egal. Also was willst du sie schwören lassen? Der Herr des Blutes ist kein Lehnsmann dem man Treue schwört, er ist das Feuer der Schlacht welches in ihrem Blute schwären sollte! Und selbst wenn du einige von ihnen überzeugst dir zu folgen, was dann? Willst du sie in den Dienst des Tempels stellen? Sollen sie Novizen werden? Laienbrüder? Vielleicht... Ordenskrieger?"
Der Sarkasmus beim letzten Wort war unmissverständlich.
-
Kassandra sah ihm deutlich an, dass er verstanden hatte. Doch senkte sich etwas wie Trotz über sein Gesicht. "Viele von ihnen haben garnicht darüber nach gedacht, ob sie Tior folgen, oder nur Konar. Außerdem wussten viele von ihnen noch nicht von den anderen Möglichkeiten, aber ich sehe dass du wieder einmal Recht hast." Leiser fügte er hinzu: "Auch wenn ich die Sache mit dem Orden, nicht unbedingt für schlecht halte."
Er blickte in die Flammen und und seine Kiefermuskeln arbeiteten.
-
"Geduld, Klinge. Das Blut in den Straßen ist noch nicht geronnen. Du willst einen neuen Weg propagieren und bist voller Eifer es sofort zu tun. Aber es würde die Menschen nur gegen dich aufbringen wenn sie sehen das du denjenigen unter denen sie gelitten haben die Hand reichst."
Wieder einmal bewies Kassandra wieso sie das öffentliche Gesicht des Fanadaer Tempel war, sie verstand mehr von Politik als ihr irgend jemand zutrauen wollte.
"Auch dieser Tempel besitzt eine Kaverne. Ich werde mich morgen Nacht dorthin zurück ziehen um Tior um Weisung zu bitten. Jevgeni Krummbein wird mich vertreten. Meine Krieger haben den Ostflügel bezogen, der Westflügel steht dir zur Verfügung. Die Novizen teilen sich die Baracken auf den Übungshöfen."
Der Tempel in Engonia war ein eindrucksvolles Gebäude das sogar den Fanadaer Tempel an Größe übertraf. Der Tempel aus Brega passte ohne weiteres mehrere Male herein.
-
"Und wieder einmal hast du recht!" Kassos wandte sich zur Tür. "Dann werde ich mich zurück ziehen, ich muss morgen unserem lieblings Zwerg einen Besuch abstatten." Bevor er ging, blieb er noch einmal stehen. "Eine Frage hätte ich allerdings noch: Was hälst du von der Legende von Blut und Feuer und das Tormentor einst Destrotep gennat wurde?"
-
"Was ich davon halte ist unwesentlich. Wenn du wissen möchtest ob ich daran glaube, dann: ja, ich glaube daran. Und genauso glaube ich daran das uns diese Wahrheit in naher Zukunft in den Hintern treten wird."
-
"Wie kommst du darauf?" Kassos sah überrascht aus. "Wieso sollte das passieren und wie?"
-
"Weil es zu viele Änderungen in zu kurzer Zeit sind, Klinge. Vielleicht irre ich mich auch. Wir werden sehen was das Ende des Pilgerfriedens bringt."
Kassandra wandte sich nun ebenfalls zum gehen, allerdings führte ihr Weg sie tiefer in den Tempel. Die Priesterin musste müde und erschöpft sein, sonst wäre ihr so etwas nicht einfach rausgerutscht, soviel war klar.
Was bin ich froh wenn ich in meinen Tempel nach Fanada zurückkehren kann und Novizen schleife bis mich jemand fordert...
hatte sie noch vor kurzem in Brega gesagt.
-
"Naja, zumindest gibt es in Damian einen, der das zu verhindern versucht." Er machte wieder einen Schritt auf die Tür zu. "Dann werde ich mich jetzt mal einrichten und dann auf den Übungsplatz gehen." Damit verließ er den Altarraum.
-
Kassandra ging durch die spärlich beleuchteten Gänge bis sie schließlich am Eingang der Kaverne stand, die sich tief unter dem Hauptaltar des Tempels befand. Sie zog ein Messer aus dem Gürtel und lockerte die Schultern, während sie versuchte ihren Geist zu lehren.
Eine Erinnerung kam ihr in den Sinn und sie musste grinsen:
Eleonora Baumherz, die Hohepriesterin der Naduria aus dem Haupttempel in Fanada, war ihr nach der Midwinterfeier begegnet. Die alte Frau hatte sie skeptisch von Kopf bis Fuß gemustert und in ihrer trockenen Art gesagt: Ich werde nie begreifen wieso ihr Tiorsleute nicht einfach am Blutverlust sterbt. Ein kluger Alchemist könnte mit einem blutbildenden Trank alleine für euren Tempel steinreich werden!
Sie schüttelte den Kopf um ihn frei zu bekommen und atmete einmal tief durch. Sie stach die Dolchsptze in die Handinnenfläche und ließ einige Tropfen auf die Schwelle fallen, bevor sie diese übertrat.
"Beginn der blutigen Exerzitien!"
Wann... wann wirst du mir gestatten es zu beenden?
-
Dareios hatte nach der Schlacht endlich die Zeit gefunden, seine Wunden verbinden zu lassen. Er war Kassandra und Kassos in den Kampf gefolgt und hatte das Gefühl des Kampfrausches in seinen Adern genossen.
Der Novize schritt durch die hohen Säulenhallen des Tempels. Bewundernd wanderten seine Blicke durch die Räume, gedankenverloren begab er sich tief ins Innere des Tempels. Als er durch einen kleinen Durchgang schritt,
bemerkte er vor sich die Lupa Cruenta. Er folgte ihr, neugierig geworden, was die alte Wölfin vorhatte. Dareios vermutete, dass sie ihn längst bemerkt hatte - aber da sie nichts sagte, schloss er daraus, dass er wohl willkommen war - wenn man
dieses Wort in so einer Situation denn benutzen konnte. Er trat in den Eingang der Kaverne.
-
"Beginn der blutigen Exerzitien!"
Die Priesterin intonierte die Gebete die sie durch die Stufen der Trance führten und entledigte sich nach und nach ihrer Kleider und Waffen bis sie schließlich barfuss in Hemd und Hosen und nur mit dem silbernen Dolch im Zentrum der Kaverne stand. Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern und die Kaverne warf das Echo vielfach zurück so dass der Eindruck eines Chores entstand welcher das Lob Tiors sang.
Sie opferte ihr Blut tropfenweise aus ihren Händen, ihren Armen, ihren Schultern. Aus ihren Füssen, ihren Beinen und der Stelle über ihrem Herzen. Zuletzt, unendlich vorsichtig, durch einen oberflächlichen Schnitt an ihrer Kehle. Sie sank auf die Knie, legte den Dolch mit einer Verbeugung vor sich ab und spreizte die Arme zum Gebet.
Stille senkte sich herab.
Eine vollkommene Stille, die Dareios Atem unangenehm laut in seinen eigenen Ohren erschienen ließ. Etwas in ihm rief ihm zu die Kaverne zu betreten, aber er wusste mit unerschütterlicher Gewissheit das es seinen Tod bedeuten würde. Gleichzeitig konnte er sich nicht von der Schwelle wegbewegen. Es war als ob seine Füsse festgenagelt waren.
Es war eine ungeheure Intimität in diesem Augenblick wo Kassandra sich all ihre Panzer und Fassaden entledigte und ihrem Gott ihr Innerstes offenbarte auf das er über sie richte.
Aus dem Inneren der Kaverne kam Bewegung und noch bevor er sicher sein konnte ob ihm die flackernden Schatten nicht einen Streich spielten schälte sich ein geisterhafter Wolf daraus hervor.
Er schritt auf die kniende Frau zu und begann ihre Wunden zu lecken.
-
Ein Schauder lief über Dareios' Rücken, mit aufgerissenen Augen starrte er auf die beiden Gestalten in der Kaverne.
Er spürte die Macht, die von dem Tiorswolf ausging. Das Tier, wenn es denn eines war, strahlte eine gewaltige Kraft und eine unbändige Wildheit aus.
Dennoch lag in der Art, wie es die Wunden der Lupa Cruenta leckte, fast schon etwas... zärtliches?
Dareios wurde langsam klar, was geschehen war. Kassandra hatte Tior ihr Inneres preisgegeben. Jedes Detail ihrer Seele, selbst den kleinsten Schatten.
Durch das Blutopfer war sie, so vermutete der Novize, in direkten Kontakt mit dem Herrscher über Blut und Feuer getreten.
Der junge Mann empfand nichts als Ehrfurcht vor dem Wolf. Und doch konnte Dareios ein weiteres Gefühl in seiner Seele ausmachen: eine unterschwellige Bedrohung.
Wenn es Tiors Wille oder allein schon der Wille Kassandras war, so würde der Novize den Weg zu Tior finden. Direkt und ohne Umwege.
-
Wieviel Zeit verging war ungewiss. Der Wolf umkreiste die regungslose Gestalt der Priesterin, ob eine Zwiesprache statt fand konnte Dareios nicht erkennen.
Etwas veränderte sich.
Das Licht wurde dunkler, es war als ob die Flammen verlöschen würden. Aber sie brannten unverändert vor sich hin.
Die Qualität der Luft änderte sich, es war als ob alles darauf warten würde Luft holen zu können.
Kassandra regte sich. Der Wolf nahm sachte ihren Nacken ins Maul und wandte sich dann ab um mit den Schatten zu verschmelzen.
Nach einigen Schritten wandte er sich ein letztes Mal um.
Und blickte über Kassandras Schulter hinweg Dareios direkt an.
-
Dareios konnte den Blick nicht von den brennenden Augen des Wolfes abwenden. Er spürte, wie sein Innerstes, wie sein Herz und seine Seele offen lagen. Ein Gefühl der Hilflosigkeit durchfuhr Dareios, gefolgt von einer übermächtig scheinenden Bedrohung, die ihn drängte, wegzulaufen. Und doch blieb er stehen und erwiderte den Blick. Die Zeit schien für den Novizen stehen zu bleiben, jedes Staubkorn, das in der Luft lag, drang plötzlich mit schneidender Helligkeit in Dareios' Bewusstsein. Seine Sinne schienen allesamt seltsam gestärkt, und doch konnte er all die Schärfe nur verschwommen wahrnehmen. Er wusste, dass er nicht weit genug war, um diese Schärfe der Sinne ertragen zu können. Eindrücke sprangen in seinen Geist, er schmeckte die Temperatur, er roch die Kraft, die von diesem Raum ausging. Und er sah jedes Detail in der Pupille des Wolfes.
Nach Jahrzehnten - oder war es nur ein Tausendstel einer Sekunde? - wandte sich der Wolf endgültig ab und wurde eins mit den Schatten.
Keuchend sank Dareios auf die Knie.
-
Die Priesterin verneigte sich bis zum Boden und berührte mit der Stirn den Dolch der vor ihm lag.
Sie erhob sich wieder auf die Knie und dann auf die Füße, verharrte einige Augenblicke lang in der Verbeugung und richtete sich dann auf.
Sie wandte sich langsam um und ging langsamen Schrittes auf den Ausgang der Kaverne zu. Sie legte ihre Kleidung und Waffen mit präzisen Bewegungen an und schritt auf den immer noch knienden Novizen zu.
Sie packte ihn am Nacken und legte seinen Kopf zurück bis seine Kehle entblöst war und sie in seine Augen blicken konnte.
Sie musterte ihn und nickte schließlich bedächtig, als ob sie gefunden hätte wonach sie gesucht hatte.
"Erstaunlich, Flamme. Ich hätte nicht gedacht das du stark genug bist. Solltest du so etwas noch einmal tun werde ich dich mit deinen Eingeweiden erdrosseln."
Auch wenn ihre Stimme ruhig blieb, so war offensichtlich, dass das keine leere Drohung war.
Kassandra akzeptierte Dareios Eindringen weil der Wolf es akzeptiert hatte, aber es war klar das sie solch eine Respektlosigkeit nicht noch einmal durchgehen lassen würde.
-
Dareios wehrte sich nicht gegen Kassandra Griff, wie auch?
Er nahm ihre Drohung schweigend hin. Der Novize verstand nicht ganz, was geschehen war, aber er spürte ein eher intuitives als bewusstes Begreifen der Vorgänge.
Er konnte es nicht in Worte fassen, doch hatte er die Vorgänge irgendwie... in sich aufgenommen.
Als Kassandra Dareios aus ihrem Griff entließ, fiel Dareios rücklings zu Boden. Mit schwerem Atem stand er wieder auf und blickte die Lupa Cruenta direkt an.
"Ich werde Eure Worte beherzigen und befolgen, Lupa Cruenta. Und ich bitte um Verzeihung für meine Anwesenheit."
Mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck nickte Kassandra nur noch kurz. Dareios verbeugte sich respektvoll, drehte sich um und verließ die Kaverne.
Wieder in den oberen Hallen des Tempels angelangt, war es, als fiele ein gewaltiges Gewicht von den Schultern des jungen Mannes. Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken, als ihm klar wurde,
dass er nur um Haaresbreite dem Tod entronnen war.
-
Kassandra verließ die Kavernen und betrat den Innenhof des Tempels.
Ein Blick in den Himmel zeigte ihr das ein Tag vergangen war seitdem sie sich zurückgezogen hatte. Sie begab sich zu ihrem Gemach und gab Weisung das sie nur gestört werden wollte wenn die Toten sich aus ihren Gräbern erhoben.
-
Einige Zeit nach der Auflösung des Pilgerzuges, wird die Hauptpforte zum Tempel auf gestoßen. Die Novizen die sich in der Halle aufhielten, erkannten Kassos sofort. Er grüßte sie mit einem kurzen Nicken, blieb aber nicht stehen. "Kümmert euch um mein Pferd, es hat einen langen Ritt hinter sich und wo finde ich Kassandra?"
-
Ein Novize eilte ihm entgegen und grüßte ihn mit einem Schlag der Faust auf die linke Schulter.
"Willkommen, Kassos Blutklinge. Die Lupa cruenta befindet sich im Übungshof beim Schwertkampf. Soll ich euch führen?"
-
Kassos erwiederte den Gruß und blieb dann stehen, er gab seine Satteltasche einem anderen Novizen und sagte ihm, er solle eine Kammer herrichten lassen. Dann wandte er sich wieder an den Novizen, der ihn angesprochen hatte. "Bring mich zu ihr und dann lass einen Heiler kommen! Er soll hier in der Halle warten, falls er gebraucht wird. Ich entlohne ihn auch, wenn er unverrichteter Dinge wieder gehen muss."Der Novize sah ihn verwirrt an, wiedersprach aber nicht. Er wandte sich um und führte Kassos durch die Gänge zum Hof.
-
Der Tempel zu Engonia war so groß das er Platz für mehrere Übungshöfe hatte. Neben den halb-öffentlichen auf denen die Söldner und Tiorsgläubigen trainieren konnten gab es auch abgetrennte zu denen nur die Akolythen oder Lupus Zugang hatten. Der Novize führte Kassos zu einem tief im Tempel gelegenen Übungsraum der durch bronzene Türen verschlossen war. Er warf Kassos einen etwas resigniert wirkenden Blick zu und öffnete vorsichtig die Tür. Ohne einen weiteren Blick hinein zu werfen trat er beiseite und ließ Kassos den Vortritt.
-
Kassos schritt ohne ein Wort an den Rand des Platzes. Kassandra war versunken in ihre Übungen und so entschied sich der Priester zu warten. Sie wusste sicher bereits das er da war und sie würde ihn ansprechen, wenn sie fertig war.
-
Die Priesterin war mit Schwert und Schild bewaffnet und trat gegen einen mindestens zwei Köpfe größeren Mann an. Man sah bereits auf den ersten Blick das beide sehr gut waren. Ihre Klingen waren scharf geschliffen und jeder Angriff wurde mit voller Wucht geführt. Beide waren in Schweiß gebadet und schienen sich in einer Art Trance zu befinden: ohne ein einzelnes Wort führten sie Angriff um Angriff durch, parierten, schlugen Finten und wichen aus. Die Schilde wurden als Waffen genutzt und die Schläge darauf hallten in dem gemauerten Hof wieder.
Offensichtlich waren die Grenzen des Kampfes klar gesetzt worden, denn keiner der beiden trat zu oder griff nach weiteren Waffen.
-
Kassos nahm am Rand des Kampffeldes Platz. Er sah zu, wie die beiden Gegner sich umtanzten und immer wieder schnell zu stießen, um sich dann wieder zu umkreisen. Langsam versank auch er und der irgendwann wusste er nicht mehr, wie lange er hier schon saß. Man könnte meinen, sie wird nicht älter und schwächer, sondern immer stärker, dachte Kassos träge.
-
Langsam, fast unmerklich steigerte sich das Tempo der beiden Krieger bis ihren Bewegungen kaum noch mit dem Auge gefolgt werden konnte. Immer furioser knallten die Schwerter auf die Schilde und Funken stoben wenn die Schwerter aufeinander trafen. Die Krieger verkeilten sich ineinander und einen Augenblick lang schien es so als ob der größere Mann seinen Vorteil nutzen und die Priesterin in die Knie zwingen würde.
Dann gab es einen Knall und das Schild des Mannes flog davon. Kassandra schien sich unter den gekreuzten Schwertern hindurchzudrehen und löste mit diesem Manöver ihre Waffe aus der Verkeilung. Sie wechselte das Schwert in die linke Hand, führte einen Bogen und brachte das Schwert eine Haaresbreite vor der Kehle des Mannes zum stehen.
Als sie an sich herunterblickte sah sie das Schwert ihres Gegners an ihrem Bauch.
Die beiden grinsten sich an und lösten sich voneinander um sich angemessen voreinander zu verbeugen.
Kassandra wandte sich um und sah Kassos an. Sie grinste immer noch als sie in ihren Gürtel griff und ohne Vorankündigung einen Dolch zog und nach ihm warf.
Er fuhr eine Handbreit neben seinem Kopf in die Wand hinter ihm und blieb dort federnd im Holz der Verkleidung stecken.
"Willkommen in Engonia, Klinge!"
-
Der Priester hatte sich erhoben, als Kassandra und ihr Gegner sich von einander getrennt hatten. Jetzt besah er mit amüsiertem Blick die federnde Klinge. Mit einem Ruck zog er ihn aus dem Holz und hielt ihn Kassandra, mit dem Knauf vorran, entgegen. "Guter Wurf Lupa cruenta! Außer du hattest auf meine Halsschlagader gezielt, dann musst du diese Kunst noch verfeinern.", sagte er mit einem reizenden Lächeln. Dann fügte er etwas ernster hinzu: "Kann ich etwas von deiner Zeit in Anspruch nehmen? Ich muss mit dir reden."
-
"Deine Reflexe sind die eines Ambosses!"
meinte die Priesterin amüsiert und nahm den Dolch entgegen.
"Wie du es geschafft hast so lange zu überleben wird mir ein Rätsel bleiben. Aber gut."
Sie legte Schwert und Schild auf der Bank ab und goß sich den Inhalt eines Wasserkruges über den Kopf. Prustend schüttelte sie den Kopf und griff nach einem Leinentuch um sich das Gesicht abzutrocknen. Ihr Gegner hatte sich mit einer nochmaligen Verbeugung stumm verabschiedet und der Novize, der Kassos hier hergeleitet hatte war verschwunden.
"Du willst reden? Dann rede!"
Sie ließ sich auf der Bank nieder und griff nach ihrem Schwert um es sorgfältig zu reinigen.
-
"Ich war noch nie für meine Reflexe bekannt, ich bin eher für meine Stärke gefürchtet!", gab er grinsend und mit gespielt überheblichem Ton bekannt. Er nahm neben Kassandra Platz. Als er begann zu sprechen, war der Schalk aus seinen Augen verschwunden. "Es ist viel geschehen, in der letzten Zeit. Ich bin nicht mehr länger der Tempelvorsteher des Tempels zu Brega! Ein junger Priester hat mich gefordert und geschlagen. Er ist ein begnadeter Kämpfer und ein brillianter Stratege. Er wird seine Sache gut machen!"
-
Kassandra erstarrte mitten in der Bewegung und hob den Kopf um Kassos mit milder Überraschung anzusehen:
"Ich hätte schwören können du hast mir gesagt, dass du eine Forderung um die Leitung des Tempels in Brega verloren hast. Aber du sitzt vor mir. Also kann das nicht sein."
Ihre Stimme war überraschend gelassen, aber der Griff um den Schwertknauf zeigte weiß vortretene Knöchel und ihre Körpersprache zeigte das sie gespannt wie eine Feder war.
-
Kassos atmete tief durch, ich wusste doch, warum ich den Heiler bestellt hab,dachte er. "Für den Kampf galten die Regeln meines Tempels und der Kampf ging nicht bis zum Tod. Warum sollte er einen Freund und Waffenbruder töten, warum sollte ich einen großartigen Krieger töten? Warum die Ressourcen Tiors sinnlos erschöpfen?"
-
Unendlich vorsichtig legte Kassandra das Poliertuch und ihr Schwert beiseite. Als sie sprach, da klang es, als ob sie mit einem begriffsstutzigen Kind sprechen würde. Es war klar ersichtlich das sie das eigentlich tat um sich selber unter Kontrolle zu halten:
"KLINGE! Seit Jahrhunderten messen sich die Krieger Tiors im Kampf gegeneinander. Um sinnloses Bekriegen untereinander zu vermeiden sind diese Regeln etabliert worden! Wer den Tempel leiten will, der fordert den alten Wolf in einem Kampf auf Leben und Tod! Wie kannst du es wagen damit zu brechen? Soll ich jeden dahergelaufenen Idioten davonkriechen lassen weil er mich fordert? Ausgerechnet DU!"
Sie zeigte mit einem vor Wut zitternden Finger auf Kassos:
"Ausgerechnet du brichst diese Regel?"
-
Kassos erhob sich und trat einen Schritt zurück. "Ja, ich breche diese Regel! Eine Regel von Kleingeistern gemacht und von Blinden Ignoranten befolgt! Ich bringe eine Neuerung, eine neue Zeit, in der sinnloses Morden an Brüdern und Schwestern ein Ende hat! Was nutzt es uns, eine Waffe zu zerbrechen, eine Waffe in Tiors Hand, wenn ich sie bereits besiegt habe? Eine ganze Generation von Priestern ist erwacht, erwacht in dem Bewusstsein, dass es Zeit ist für Änderungen, neue Ansichten, neue Wege! Und, bei allem Respekt, du wirst das erste mal einem Feind entgegen treten, dem du nichts entgegen zu setzen hast: Revolution!" Er trat einen halben Schritt auf sie zu. "Ich werde meine Ideale verbreiten und sie werden Gehör finden! Tiors Segen habe ich bereits und ich hoffe auch auf deinen, aber ich werde es auch ohne ihn tun!"
-
"Sinnlos? Kein einziger Tropfen Blut der im Namen Tiors oder in einem seiner Tempel vergossen worden ist IST SINNLOS!"
Kassandras Stimme hallte von den Wänden des Übungshofes wieder und unterstrich die danach einsetzende Stille umso mehr.
"Kleingeister? Ignoranten? Du sitzt auf einem sehr hohen Ross, Kassos Blutklinge. Wo wärest du und dein neuer Weg wenn es den alten nicht gegeben hätte? Woraus hättest du Kraft geschöpft wenn nicht aus dem Flumen sanguinis der deinen Durst während der Schlacht gestillt hat? Ich will es dir sagen! Du wärest ein ignoranter Bauer auf den Feldern Firngards. Oder schlimmer noch, du wärest ein Hund an Szivars Leine, bereit auf sein Geheiß hin zu zubeißen!"
-
Der Priester baute sich vor Kassandra zu seiner vollen Größe auf. Offenbar war er bereit, diesen Weg bis zum Ende zu gehen. Ihr Ausbruch hatte ihm die Luft genommen und er war verwirrt einen Schritt zurück gewichen, nun jedoch hatte er sich wieder gefangen. "Wir haben auch verdammtnochmal nicht um die Führung des Tempels gewürfelt! Blut ist geflossen, wir haben dem Fluss viel von unserem Blut gegeben!" Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. "Ich kann dir sagen wo ich wär wenn es den alten Weg nicht gäbe: Zuhause, auf meinem Feld, mit meiner Familie! Aber es gibt ihn. NOCH!" Kassos verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, offensichtlich zerrte dieses Gespräch mit aller Macht an seiner Beherrschung. "Ich wäre sicher nicht an seiner Leine, weil ich nie seine Aufmerksamkeit erregt hätte, beim Kartoffeln ausgraben!" Das Feuer des Zorns brannte in seinen Augen und kündigten eine fatale Wahrheit an: Kassos war kurz davor zum Berserker zu werden! Und doch war er sich mit dem letzten Rest seiner Vernunft bewusst, was das bedeuten würde: Er würde mit Kassandra brechen. Er riss sich zusammen, aber lange würde er das nicht mehr aus halten. "Hast du nicht gesagt mein Weg ist nicht neu? Er ist es nicht, doch hat euer Weg nur zu sinnlosem Töten und unsinnigen Regeln geführt! Es ist mein Schicksal, mein Weg, diesen Schwachsinn richtig zu stellen!"
-
Kassandra blähte die Nüstern und ein raubtierhaftes Lächeln stahl sich in das vernarbte und tätowierte Gesicht:
"Da ist sie, Kassos, die Wut... Spürst du sie? Wie berauschender Wein... So leicht ihr nachzugeben, nicht wahr? Sich einfach in das Feuer sinken lassen und alles um sich herum vergessen, sich von der Wut tragen lassen bis sie dein ganzes Wesen auslöscht und du nur dafür atmest sie von kampf zu Kampf zu tragen."
Die Stimme Kassandras war hypnotisch. Es war die Stimme, die Kassos vom sicheren Tod zurück geholt hatte, die Stimme, die auf allen großen Schlachtfeldern gebieterisch erklungen war.
"Ich habe niemals den neuen Weg in Frage gestellt. Ich mahne dich dazu den alten nicht vorschnell zu verlassen. Oder gar, ihn zu vergessen. Wenn du mich fordern willst, dann tu es. Aber dann sei dir bewusst das du Lupus benniferus sein wirst. Hier, in diesem Tempel. Und was du auch glauben magst, dieser Tempel brigt seine eigenen Wege."
-
Kassos spührte mit jedem Wort die Wut, die Macht in seinem Körper. Je mehr er sich auf Kassandras Worte einließ, um so mehr wurde er sich der Kraft bewusst, die Tior ihm geschenkt hatte. "Ich vergesse den alten Weg nicht. Ich folge dem ältesten aller Wege, bevor er von zu vielen unwissenden geprägt wurde!", brachte er gepresst hervor. "Und ich werde dich nicht fordern! Ich habe andere Pläne. Ich werde einen Orden gründen! Einen Orden in Tiors gefallen. Ich habe die Löwenburg erhalten, als Ordensburg."
-
Einen Augenblick lang standen die beiden Priester sich wortlos gegenüber. Die Luft war gesättigt mit Macht und Blutlust und es schien ein Funke würde reichen um einen verherenden Feuersturm zu entfachen.
Kassandra nickte langsam und entspannte ihre Schultern. Sie würde nicht zurückweichen, das konnte sie nicht. Aber sie konnte die Wut aus dem Geschehen nehmen. Falls Kassos es zuließ.
"Ich habe es vernommen. Welches Ziel verfolgst du?"
-
Kassos nahm etwas Spannung aus seinem Körper, er hatte verstanden. "Ich werde Schutz bieten, den Handelswegen und dieser Stadt. Mein Orden wird die Gesetze und das Wort Tiors verbreiten. Mein Ziel ist es, das Ritter wieder in Tiors Namen eingeschworen werden. Und mein Wunsch ist es, das die Schwertbruderschaft Tiors und Askars anerkannt wird." Der Priester fand langsam seine Beherrschung wieder. "Und ich möchte das der Orden und der Tempel zu Engonia, Seite an Seite kämpfen."
-
Kassandra kräuselte die Lippe als sie den Namen des Winterwolfs vernahm, ging aber darüber hinweg.
"Du willst also den Prinz des Krieges also wieder auferstehen lassen? Du willst die Gesetze und das Wort Tiors verbreiten? Meine Antwort darauf ist die gleiche wie ich sie dir bereits vor Wochen gab: stell dich dem Konklave. Überstehst du sie, dann gilt dein Weg als gesegnet und dein Tempel als anerkannt. Ob nun Tempel oder Ordensburg, es sind Orte der Macht. Und solange du deine Legitimation nicht vor den Tempeln bewiesen hast, solange wirst du auf Widerstand stoßen."
Kassandra grinste:
"Wahrscheinlich danach ebenso, aber so ist nun einmal unsere Natur."
Sie drehte die Handflächen nach vorn, zum Zeichen das sie keine Waffen trug und diesen Kampf als beendet ansah.
"Es steht noch nicht fest wer der neue Lupus benniferus werden wird. Von ihm wird abhängen ob dein Orden und dieser Tempel die Klingen kreuzen oder sich gegenseitig den Rücken decken."
-
Auch Kassos zeigte seine Handflächen. Er hörte Kassandra aufmerksam zu und überlegte dann einige Herzschläge lang. "Ich werde mich stellen und ich werde sie überzeugen, oder für meine Überzeugung sterben, wenn es sein muss! Und ich sage dir auch wieso: Weil ich in dem Bewusstsein sterben würde, das der Weg geebnet ist! Meine -unsere Brüder und Schwestern, die neuen Priester, werden sich nun Novizen suchen die unsere Ansichten teilen und so wird es weiter gehen, egal ob ich lebe, oder nicht. Der Glaube an das, wofür Tior nun steht, wird wie ein Feuersturm über Engonien fegen und mein Tod würde ihn nur noch heißer brennen lassen." Nun begann auch Kassos zu grinsen. "Und mit Widerstand habe ich immer zu kämpfen gehabt, das schreckt mich nicht." Er nahm seine Habe auf und schulterte sie. "Hast du schon einmal darüber nach gedacht, diesen Tempel zu leiten?"
-
Kassandra nahm Schwert und Schild auf und ging durch die bronzenen Türen in den Tempel zurück. Sie hatte Kassos den Rücken zugekehrt, so dass er ihren Gesichtsausdruck nicht sah. Ihre Stimme klang wie immer ruhig und beherrscht:
"Ich bemühe mich an so etwas keinen Gedanken zu verschwenden. Es kommt wie es kommen muss. Und ich spüre das wir bald eine Antwort haben werden."
Ein Novize kam auf sie zugerannt und was auch immer er in Kassandras Gesicht sah, es ließ ihn abrupt stoppen und grau im gesicht werden. Er neigte das Haupt vor ihr und murmelte etwas halblautes:
"Lupa, die Jeldriken bestehen..."
"Aha." lautete ihre einsilbige Antwort.
"Trag meine Waffen in meine Räume zurück. Ich werde sehen worauf genau sie bestehen wollen. Klinge? Wir sehen uns zum Mitternachtsgebet."
Sie nickte ihm noch einmal zu und verschwand dann in den Gängen des Tempels.
-
Dareios schritt langsam durch die Hallen des Tempels. Er trug eine schlichte schwarze Robe mit einem breiten roten Stoffgürtel und hatte einen etwas über einen Meter langen Holzstab in der Hand.
Sein Ziel war der Übungshof, wo er sich den Übungen der anderen Novizen anschließen wollte.
Als er den Kampfplatz erreicht hatte, stellte er sich zu den anderen Novizen. Sie hatten eine Reihe gebildet und schauten zwei Novizen, Kerdrak und Bran, bei ihrem Übungskampf zu. Die meisten hatten ebensolche Stöcke wie Dareios, einige längere, einige kürzere. Dareios war von Brans Waffenkünsten fasziniert. Der Novize führte im Grunde einen Speer, nur ohne eiserne Spitze. Kerdrak hatte einen ebensolchen Stab wie Dareios. Sofort wurde der junge Mann in den Bann des Kampfes gezogen.
Er beobachtete, wie Bran weit ausholte und auf Kerdrak eindrosch, der den Schlag parierte, indem er seine Waffe mit je einer Hand an den Händen hielt. Sofort zog Bran sich zurück, Kerdrak setzte nach. Mit wuchtigen Schlägen trieb er Bran zurück. Der ließ sich zurückfallen, machte plötzlich einen Sprung nach hinten und schien dabei das Gleichgewicht zu verlieren. Siegessicher stürmte Kerdrak auf ihn ein, nur um plötzlich das Ende von Brans Speer mit voller Wucht in die Magengrube gerammt zu bekommen. Der Novize klappte lautlos zusammen. Es war nun an Bran, den nächsten Gegner herauszufordern. Er ging kurz die Reihe der Novizen entlang, dann tippte er mit seinem Stab Dareios an.
Die beiden umkreisten sich anfangs, sie belauerten sich. Bran stieß nach Dareios, der behende zur Seite auswich, woraufhin Bran den Stab herumwirbelte und nun mit beiden Händen in der Mitte festhielt. Dareios' Angriffe wurden leicht pariert, ohne Mühe wischte Bran sie zur Seite. Plötzlich duckte sich Dareios und hieb dabei nach Brans Beinen. Der ging nur einen Schritt zurück und zog Dareios spielerisch den Stab über den Schädel. Der wich ein paar Schritte zurück und richtete sich auf. Zorn erfüllte den Novizen. Er sah Brans grinsendes Gesicht und starrte ihm in die Augen. Das Grinsen wich einem Ausdruck der alarmierten Wachsamkeit. Mit einem Schrei stürmte Dareios nun auf Bran ein und schlug wild auf ihn ein. Nach links zuckte sein Stab, nach rechts unten, dann ein schneller Stoß, eine kurze Parada, eine Finte auf die rechte Schulter - endlich ein Treffer, der Stock prallte wuchtig auf Brans Bein. Der fiel zurück, ging ein wenig in die Knie. Vanion hob seine Waffe, Brans Kopf war vollkommen ungedeckt! In diesem Moment trafen sich ihre Blicke. Und Dareios wusste, dass er verloren hatte. Nur einen Sekundenbruchteil später traf ihn die Spitze des Speeres haargenau an der Stelle, wo es seinen Novizenbruder im vorigen Kampf erwischt hatte. Dareios klappte zusammen. Der Kampf war vorüber.
-
Kassos hatte sich lautlos dem Übungsplatz genähert und hatte den Kampf beobachtet. Nun betrat er den Platz und schritt auf Bran zu. "Hochmut", sagte Kassos laut, "steht einem Novizen Tiors nicht gut zu Gesicht! Ihr sollt stets daran denken, dass da einer ist, der stärker ist als ihr. Nur so wird euer höchstes Bestreben immer sein, eure Körper und euren Geist zu härten." Der Priester schritt zu einem der Waffenständer und nahm zwei der Speere zur Hand. Er schritt in die Mitte des Platzes und warf einen der Speere Bran zu. Er ging in Stellung und wartete bis Bran es ihm gleich getan hatte. Die geschliffene Spitze von Kassos´ Speer zuckte auf Bran zu. Der Kampf hatte begonnen.
Nur mit Mühe fing Bran den ersten Hieb ab, nur um dann das spitzenlose Ende der Waffe in den Magen gerammt zu bekommen. Der Novize besann sich auf das, was er gelernt hatte und ging leicht in die Knie. Er nahm einen festen stand ein und erwartete den nächsten Angriff. Ein Speer ist eine Reichweitenwaffe, nimm dem Gegner seinen Vorteil. Den Speer unterlaufen, dann wird er sich selbst behindern, dachte Bran. Kassos stürmte vor, hielt den Speer in beiden Händen und zielte mit dem Stichblatt auf Brans Schulter. Der Novize lenkte Kassos Stich ab, lies den Speer abgleiten und drehte sich in die Kurzreichweite des Priesters. Der junge Novize zog seinen Ellenbogen hoch und rammte ihn mit voller Wucht gegen Kassos Brust. Der Priester nahm den Schlag hin und umschlang den Novizen, in dem er seine Waffe mit der rechten Hand um Brans Brust schlug und mit der linken zu griff. Kassos schlug seinen Speer mit Wucht nach unten und entwaffnete Bran damit. Ein kurzes Zucken und der Schaft der Waffe, war auf Brans Kehle gepresst. "Du bist besigt!", sagte der Priester und ließ von Bran ab. "Deine Überlegung war im Prinzip die richtige, doch was hättest du als nächstes getan? Diese Taktik nutzt nur etwas, wenn du ein Kurzschwert führst. Oder du zumindest einen Dolch trägst, den du ziehen kannst." Kassos schritt die Reihe der Novizen ab. "Speer gegen Speer, beide Gegner mit der selben Reichweite. Wer kann mir sagen, was die beste Taktik wäre?"
-
"Werfen. Treffen."
-
Dareios hatte sich aufgerappelt und wieder eingereiht. Er war gespannt, was nun geschehen würde.
-
Ein Grinsen verzog Kassos Mundwinkel. Er hatte damit gerechnet, dass Kassandra es sich nicht nehmen lassen würde. "Richtig! Aber natürlich nur, wenn man noch eine zweite Waffe bei sich hat. Ansonsten wäre es wiederum hochmütig, davon aus zu gehen, man würde auf jeden Fall treffen."
-
Die Priesterin verzog eine Augenbraue:
"Der Speer ist nicht meins. Ich würde mich niemals auf ihn als alleinige Waffe verlassen."
Sie machte eine auffordernde Handbewegung, offenbar wollte sie hören was Kassos den Novizen beibringen wollte.
-
Der Speer als Nahkampfwaffe, nicht als Wurfwaffe, wird schnell und hart geführt. Er hat eine große Reichweite und ist leicht und im besten fall, ist der Kampf schnell vorbei. Es ist fast unmöglich, mit dieser Waffe eine Wuchtwaffe zu parieren und auch ein Schwert wird, wenn richtig geführt, den Schaft zerschlagen. Wichtig ist es präziese vor zu sein!" Er nahm den Speer in eine Hand und stach vor sich in die Luft. "Ein gezielter Stich über einen Schildrand, oder darunter." Er packte die Waffe mit beiden Händen. "Eine andere Waffe mit dieser Reichweite, wird mit der stumpfen Seite Ab gelenkt, oder pariert, um dann mit der scharfen Seite den Stoß zu versetzen."
-
Am Folgetag wanderte Kassos durch den Tempel und suchte die Novizen aus Brega. Er bereitete seine Abreise vor, einige der angesprochenen Novizen wollten ihn begleiten und dem Orden dienen. Auf dem großen Gang vor dem Altarraum, sah er Dareios und schloß zu ihm auf. "Ich möchte nach dem Abendritus mit dir sprechen. Ich erwarte dich in der Taverne auf der anderen Seite des Platzes, vor dem Tempel." Damit betraten sie den Altarraum, der Abendritus begann.