Der Städtebund von Tangara > Fanada
Urlaub
Jelena:
Jelena flocht ihre Haare zu einem seitlichen Zopf und betrachtete wie jeden Morgen die Szene vor ihrem Fenster. An klaren Tagen hatte sie einen Blick bis zu den goldenen Kuppeln des Tempeldistrikts. Heute war einer dieser Tage. Die sommerliche Hitze hatte noch nicht eingesetzt und die Frische des Taus lag noch in der Luft.
Zum ersten Mal seit 10 Jahren war Jelena alleine.
Nun, so alleine wie man in einem geschäftigen Kontor eben sein konnte. Aber all die Menschen die ihrem Herzen nahe waren, waren weg. Ihr Sohn war auf die Walz gezogen und hatte Temris mitgenommen. Wydh war in die Wälder gezogen, Alvias bereitete sich an der Akademie auf seine Prüfungen vor. Sasha befand sich auf einer seltsamen Pilgerfahrt und Gorix war auf einem Auslandssemester an der A.C.H.T. in Condra. Wassilji war hoffentlich bei Gerhardt und Gerhardt... der war dort, wo Robert war. Die Göttin allein wusste ob das überhaupt noch auf diesem Kontinent war.
Allein.
Die ersten Tage waren seltsam gewesen und sie ertappte sich bei mehr als einer Gelegenheit dabei wie sie nach Luthor oder einem der anderen rufen wollte. Aber nun genoss sie die Tatsache das sie mit ihrer Zeit tun und lassen konnte was sie wollte.
Und heute wollte sie ausschweifend sein.
Sie ging herunter in die Küche und machte sich die erste Schale Tee für den Tag während sie im Kopf den Plan für den Tag zurecht legte. Sie zählte die Münzen in ihrem Beutel und machte sich auf Richtung Hauptmarkt.
Zum ersten Mal seit Jahren gab sie sich völlig unbeschwert dem Rausch der Märkte und Bazare hin. Sie besuchte nacheinander den Stoff-, Gold- und Pferdemarkt und kaufte nach Herzenslust all die Dinge, die sie sich in den vergangenen Jahren aus Vernunftgründen versagt hatte. Sie ließ die Stapel bunter Stoffe, den Schmuck und den neuen Sattel an das Kontor liefern und setzte ihre Suche nach seltenen alchemistischen Zutaten fort.
Als die Sonne über dem Tempeldistrikt unterging fand sie Jelena in einem privaten Zuber in einem etwas anrüchigen aber hochpreisigen Badehaus und genoss einen Becher mit Myrrhe versetzten Weines. Sie seufzte wohlig und tauchte bis zum Kinn in das nach Vanille duftende heiße Wasser ein. Ein Geräusch ließ sie aufblicken und sie sah den Zuberknecht mit einem Stapel Leinentücher eintreten. Er schien etwas überrascht und senkte den Blick. Die Heilerin betrachtete den muskulösen Mann vor ihr und ein schelmisches Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. Sie winkte ihn zu sich heran und begann die Verhandlung für den kommenden Abend.
Verdammt, ich hätte diese neumodische Sache namens Urlaub viel früher ausprobieren sollen...
Jelena:
Der Mond war schon längst aufgegangen als Jelena leicht beschwippst durch die milde Abendluft nach Hause schlenderte. Sie konnte sich gar nicht daran erinnern wann sie das letzte Mal völlig unbeschwert durch die Straßen einer Stadt gelaufen war.
Natürlich hatte sie in ihrem Gürtel notwendige KLeinigkeiten verstaut und nicht alles an ihrem Körper war Kleidung, aber nichtsdestotrotz war dieser nächtliche Spaziergang der Beweis dafür, dass der Krieg endgültig hinter ihnen lag.
Sie kaufte an einem der Stände gebrannte Nüsse und blieb immer wieder stehen um ein paar Worte mit Nachbarn zu wechseln.
Im Kontor angekommen schickte sie Anica ins Bett und setzte sich dann mit einem Becher Wein auf das Dach unter den Pavillon um die Sterne zu zählen.
Jelena:
Die Wochen vergingen in einer bunten Mischung aus Arbeit und spätsommerlichem Vergnügen. Alle arbeiteten mit Hochdruck um die Lieferungen fertig zu stellen. Die Karavanen bemühten sich Fanada noch vor dem Einsetzen der herbstlichen Regenfälle zu verlassen und so begann der Tag im Kontor meist noch vor Sonnenaufgang und endete wenn der Mond schon lange am Himmel stand.
An zwei Tagen in der Woche öffneten sich seine Tore für diejenigen, die Jelenas Heilerdienste oft nur mit Nahrung oder Arbeit oder manchmal auch gar nicht bezahlen konnten. Auch wenn der Krieg nun vorbei war, so nahm ihre Zahl nicht wirklich ab. Immer noch lebten viele entwurzelte andarranische Flüchtlinge in der Stadt die einfach nicht das Geld für eine Reise zurück zusammen bekamen und oftmals auch einfach Angst hatten was sie denn zu Hause erwarten würde. Bei den vielen neu entstandenen Grenzen wunderte sich Jelena nicht, dass viele von ihnen die relative Sicherheit Fanadas vor einer ungewissen Zukunft bevorzugten.
Zlatica hatte Jelena über alle Maßen gesegnet und so nahm sie die Dienste der Angehörigen der Kranken eher an um deren Stolz nicht zu kränken und nicht weil sie die Bezahlung benötigte. Immerhin bedeutete das, das ihre Ställe makellos sauber, die Dächer des Kontors gedeckt und die Mauern frisch verputzt waren.
Anica erwies sich wie immer als Juwel und arbeitete unermüdlich um die Vorräte des Kontor für den kommenden Winter aufzufüllen. Wenn er auch nur annähernd so streng wurde wie der letzte, dann konnte ein Fass Äpfel mehr oder weniger durchaus den Unterschied zwischen Gesund und Krank bedeuten. Der Herbst stand vor der Tür und die Ernte- und Schlachtzeit stand erst noch bevor, aber Jelena wusste jetzt schon, dass sie im Winter Kirschkompott und eingelegte Pfirsiche haben würde. Unerhörter Luxus wenn der Schnee knietief lag und manche nicht genug Holz zum heizen hatten.
Die Tatsache das sie Menschen hatte auf die sie sich verlassen konnte erleichterte ihr die Entscheidung im Herbst noch einmal auf Reisen zu gehen. Sie wollte zu Beginn des zehnten Mondes in Brega sein. Sie hatte mit ihrer Familie verabredet, dass sie sich dort zum Knollenfest treffen würden oder zumindest eine Nachricht schickten, wenn sie es nicht schafften.
Aufgrund des unsicheren Wetters und der immer noch nicht instand gesetzten Straßen würde der Ritt deutlich länger als die gewohnten 5 Tage dauern. Jelena debattierte immer noch mit sich selbst ob sie sich einer Karavane anschließen oder alleine reisen sollte. Sicherheit war immer in großen Gruppen zu finden aber auch ganz spezielle Gefahren.
Sie wusste immer noch nicht wie sie den Szivargeweihten erkennen konnte wenn er das Gesicht von jemand anderem annahm und wenn sie alleine ritt konnte sie ihr unbekannten Menschen besser ausweichen.
Nachdenklich stand die Heilerin an ihrem Schreibpult und wägte die beiden Möglichkeiten gegeneinander ab.
Lilac:
Jenna war dieser Tage wieder sehr scheu und zurückgezogen. Es behagte ihr gar nicht, dass so viele Menschen im Kontor ein und ausgingen und sich auch in den anderen Bereichen des Geländes aufhielten, um dort ihre "Schulden" gegenüber der Heilerin abzuarbeiten. Also sah man sie häufig gar nicht, weil sie ihre Arbeiten irgendwo versteckt in den privaten Bereichen des Anwesens verrichtete. Sie war unausgeglichen und schreckhaft und mehr als einmal fand sie das ein oder andere harsche Wort, wenn Malla gegen etwas protestierte, sich nicht beruhigen ließ, oder auf das "Nein!" ihrer Mutter nicht sofort hören wollte. Einmal, als Malla nach langem Kampf endlich eingeschlafen war, konnte man Jenna im Hof sehen, wie sie verbissenen Gesichts mit einem Teppichklopfer einen Vorleger verdrosch, der auf einer Wäscheleine zwischen dem schiefen Pflaumenbaum und einer Fackelhalterung an der Stallwand hing...
Jelena:
Etwas irritiert ob des dumpfen Klopfens steckte Jelena den Kopf aus dem Fenster und sah ihre Magd mit aller Kraft auf ihren Bettvorleger eindreschen.
"Ich bin mir ziemlich sicher das er sich bereits ergeben hat, Jenna."
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