Der Städtebund von Tangara > Ayd'Owl-Akademie

Die Ayd'Owl, vor den Geschehnissen in der Baronie Feuerklinge

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Rikhard Kraftweber:
Konzentriert saß Rikhard auf einem Schemel. Vor ihm stand ein Schachbrett, und die komplizierte Stellung darauf machte ihm zu schaffen. Sein Gegner spielte wirklich gut - er schien jeden seiner Züge zu kennen, genau zu wissen, wo Rikhard angreifen wollte, und noch besser zu wissen, wo die Schwachpunkte in Rikhards Verteidigung waren.

Seine Leichtfiguren deuteten bereits auf den Königsflügel des Gegners, Läufer und Springer hatten großartige Möglichkeiten! Hätte er doch nur zwei Züge gleich hintereinander, sein großartiger Plan wäre unaufhaltbar. Doch sein Gegner kämpfte verbissen, Zug um Zug, und während ihm nicht nur eine brillante Verteidigung glückte, marschierten seine Türme nach vorne und machten Rikhards Bauern zu schaffen.

Der Magier sah auf, und wenn ihm gegenüber jemand gesessen hätte, würde er ihm jetzt einen anerkennenden Blick zollen und leicht den Kopf neigen, um zu zeigen, dass er den Intellekt und die Finesse seines Gegners schätzte.

Doch er spielte alleine - gegen sich selber.

Der Gemeinschaftsraum, in dem er saß, leerte sich zusehends. Noch immer musste sich Rikhard hämische Bemerkungen von vielen Seiten anhören, aber es war nicht mehr die hasserfüllte Abneigung wie früher, sondern eher eine Art ...vorsichtige Ablehnung. Nach wie vor neidete ihm man seine schulischen Erfolge, und jede noch so wohlgemeinte Bemerkung von ihm war unwillkommen. Aber je schweigsamer er wurde, desto freundlicher wurden die Menschen um ihn herum - oder zumindest weniger feindselig.

Irgendwann fröstelte es ihn, und er warf einen Blick vom Schachbrett weg auf den Kamin, der arg heruntergebrannt war. Unbegeistert stellte er fest, dass es bereits sehr spät war, und die anderen Schüler wohl bereits zu Bett gegangen waren. Er seufzte, dann stand er auf und legte zwei frische Holzscheite auf die Glut, beugte sich vor und blies herzhaft hinein. Wie stets, wenn er diesen charakteristischen, freuigen Geruch in der Nase hatte, und wie stets, wenn er das Knacken und Zischen hörte und die Hitze spürte, glitt sein Geist zurück in die Stätte seiner Geburt.

Dort hätte niemand Schach gespielt... bei diesen ungehobelten, ungeschlachten Barbaren hätte man mich dafür ausgelacht!

Noch einmal seufzte er, dann schritt er zurück zu seinem Schemel, stützte die Ellenbogen auf die Knie und legte das Gesicht in seine Hände. Der Turm.. wenn ich meine Dame opfere, und meinen Läufer - dann kann ich ihn ersticken! Sein König wird fallen!

Dass Kydora immer noch in einer Ecke des Raumes saß und ihn beobachtete, bemerkte Rikhard überhaupt nicht.

Kydora:
Kydora folge mit ihrem Blick Rikhard, der gerade dafür sorgte, dass das Feuer nicht ausgehen würde.

Dann widmete sie sich wieder ihren Kritzeleien auf ihrem Schoß. Doch mit dem Leerwerden des Raumes, schien auch ihre Motivation noch weiter zu Zeichnen zu gehen. Sie seufzte leise. Wäre sie wenigstens müde. Dann könnte sie jetzt einfach zu Bett gehen. Sie fasste einen Entschluss und verstaute dann ihre Sachen.

Ruhig ging sie die kurze Strecke zu dem Silvanajer herüber. Bliebt stehen und beobachtete, wie er offenbar angestrengt über etwas nachzudenken schien. Ihr Blick fiel auf das Brett, das vor ihm auf dem Tisch lang. Sie hatte schonmal gesehen, wie andere Leute ähnlich nachdenklich vor so einem Brett saßen. Aber es waren immer zwei gewesen. Rikhard hatte den ganzen Abend alleine hier gesessen und offenbar mit sich selber gespielt. Wenn es denn überhaupt ein Spiel war. Dafür wirkte es doch irgendwie zu ernst.

Dann nahm Kydora gegenüber von Rikhard Platz.

"Das ist Schach, oder?", fragte sie freundlich. "Ich hab das schon mal gesehen, aber da haben immer zwei an einem Brett gesessen..."

Rikhard Kraftweber:
Rikhard zuckte zusammen, als Kydora ihn ansprach, und stieß dabei die Figuren um. Die Stellung (die für ihn so gut - oder auch so schlecht) ausgesehen hatte, zerbrach, als die kleinen Figürchen zu Boden fielen.

Einen Fluch verkniff er sich. Er murmelte irgendetwas unverständliches zu Kydora, dann glitt er rasch auf alle Viere herunter und begann, unbeholfen auf dem Boden nach den Figuren zu fischen.

"Ja, das - ach, komm schon, wo ist der Springer? - Das ist Schach. In zivilisierteren Teilen der Welt kennt man es, und man spielt es tatsächlich zu zweit. Aber ich bin ein wenig zu gut in diesem Spiel, mit mir will niemand spielen."

Kydora:
Kydora zuckte ebenfalls kurz zusammen als Rikhard sich erschrak. Dann ging sie ebenfalls runter zu Rikhard um ihm zu helfen die Figuren einzusammeln.

"Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken... Man kann so gut sein, dass keiner mit einem spielen will?"

Sie nahm eine Figur vom Boden auf und betrachtete diese nachdenklich. "Was macht das Pferd?"

Rikhard Kraftweber:
Rikhard richtete sich auf, dann sah er Kydora prüfend an. Schlau war sie, keine Frage. Und Schach konnte ihr gewiss helfen, sich ein wenig adäquater zu benehmen. Und der Herr Stauffer würde es bestimmt gerne sehen, wenn Kydora sich endlich mal bewusst würde, dass sie immerhin als Teil der Akademie wahrgenommen wird und auch nach außen diesen Eindruck vermitteln sollte...

"Also, das Pferd. Auch Springer genannt. Du siehst dieses Feld hier?" Er wies auf das Schachbrett. "Es hat vierundsechzig Felder. Der Springer kann jeweils zwei Felder in eine grade Richtung gehen, ganz gleich, ob vor oder zurück, links oder rechts. Und wenn er das gemacht hat, kann er noch ein weiteres Feld zu einer Seite gehen, entweder links oder rechts. Außerdem ist er die einzige Figur, die über andere Figuren hüpfen kann - weswegen er nunmal nicht Pferd, sondern eben Springer heißt. Verstanden?" Rikhard führte ein paar Züge vor, wobei er verschiedene Figuren zur Hand nahm.

"Das hier ist der Turm. Der geht nur grade Linien..." Nach und nach erklärte Rikhard Kydora die Figuren. Er ließ sich Zeit, und Kydora musste sich die ein oder andere bissige Bemerkung über Silvanaja und den Mangel an Bildung in diesem Volk anhören.

Doch sie war schnell. Selbst die Feinheiten, wie die Rochade, oder das en-passant-Schlagen einer Figur, hatte sie bald verstanden. Widerwillig musste Rikhard eingestehen, dass Kydora wirklich nicht so dumm war, wie sie in seinen Augen aussah.

Als er fertig war, nahm er wieder Bezug auf das, was Kydora ganz am Anfang gesagt hatte:
"Ja, man kann so gut sein, dass niemand mit einem spielen will. Ich glaube, hier gibt es keinen Schüler, der mir auch nur ansatzweise das Wasser reichen kann in diesem edlen Spiel. Bisher konnte es jedenfalls noch niemand."
Amüsiert sah er sie an. "Möchtest du es ausprobieren?"

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