Die Gebiete in Caldrien > Das Herzogtum Hanekamp
Der Sitz des Grafen von Voranenburg
Jeremias:
Die Burg des Grafen von Voranenburg lag auf einem Hügel inmitten der Stadt Voranenburg. Der Kern der Burg, bestehend aus grauen Granit und Feldsteinen, stand schon seit fast 400 Jahren. Die Herren der Burg hatten über die Jahre hinweg den ursprünglichen Bergfried erweitert und verstärkt und heute war die alte Burg ein trutziges Mal der Macht des alten Voranenburger Geschlechts.
Lange aber hatte das Gemäuer nur Frieden gekannt, der Kampf mit den Lupus Umbra vor ein paar Jahren war eine seltene Ausnahme gewesen. Nichtsdestotrotz wurde die Burg von den Gardisten des Grafen bewacht, die mit Piken, schweren Gambeson und Eisenhüten durchaus formidabel aussahen.
Vanion zeigte dem Hauptmann der Torwache seine Einladung und wurde von einem Gardisten zur Haupthalle im alten Bergfried geführt. An der Balustrade hingen die Banner Voranenburgs, eine goldene Waage auf grünem Grund und an den Wänden standen Tische und Bänke für Bankette bereit. Am Ende der Halle stand auf einer kleinen Plattform ein verzierter Stuhl, ebenfalls verziert mit dem Wappen Voranenburgs. Daneben stand Damian, der auf Vanion zuging und dem Gardisten zunickte. Der verbeugte sich und verließ die beiden. Damian reichte Vanion die Hand. "Schön dich zu sehen. Mein Vater wartet mit meinem Bruder in seinem Arbeitszimmer. Lass uns gehen."
Damian führt Vanion zu einer unauffälligen Tür neben dem Grafenthron, durch einen kleinen Korridor. Kurz spürt Vanion ein Kribbeln, als sie über eine Rune treten. Damian dreht sich um und grinst. "Grafen haben Geld und können sich schützen. Ohne mich wären dir unangenehme Dinge passiert." Am Ende des Korridors öffnet Damian eine der beiden Türen und bittet Vanion herein.
Im Zimmer sitzt an einem schweren eichernen Tisch ein älterer, weißhaariger Mann von vielleicht knapp 60 Jahren, mit einfach geschnittener Kleidung aus edlen Stoffen. Vor ihm liegt eine Grafenkrone, mit der er geistesabwesend spielt. Neben ihm steht ein weiterer Mann, hochgewachsen, mit grauen, kurzen Haaren, offensichtlich Damians Bruder. Im Gegensatz zu seinem Vater trägt er ein Schwert und Sporen. Damian stellt sich neben Vanion und verbeugt sich kurz. "Vater, wenn ich dir Vanion von Roquefort, Neffe des Ritters Savaric, vorstellen darf. Vanion, dies ist mein Vater, Heinrich von Voranenburg, Graf von Voranenburg und mein Bruder Rutger von Voranenburg, Erbgraf von Voranenburg."
Heinrich lehnt sich vor und schiebt dabei die Grafenkrone beiseite. "Junger Mann. Wir sind hier unter uns, eben damit wir die Formalitäten ein wenig laxer handhaben können. Mein Sohn spricht Gutes über euch, nichtsdestotrotz ist euer Onkel ein Szivarsverehrer und ihr habt ihn umgebracht. Ich möchte euch daher gerne etwas besser kennenlernen, bevor ich euch zum Ministerialritter in meinen Diensten mache oder euch die Aufgabe übertrage, meinen zukünftigen Baron zu schulen. Erzählt mir doch etwas von euch, beginnend damit wie ihr euch selbst vorstellen würdet, wenn ihr durch meinen Willen die Sporen erhalten hättet."
Heinrich lächelt freundlich, der weiße Bart und die brauen Augen lassen ihn fast etwas großväterlich wirken. Doch ein Blick durch das Arbeitszimmer zeigt, dass kein Stuhl für die übrigen Anwesenden im Zimmer steht und Rutger Vanion mit kühlem Blick taxiert. Vanion erinnert sich, dass Damian ihm von dem schicksalhaften Tag erzählte, als sein Vater kühl und gefasst den Lupus Umbra in seiner eigenen Halle von Armbrustschützen hat bedrohen und letztlich töten lassen.
Vanion:
Die Feste der Voranenburger war eindrucksvoll, gelinde gesprochen. Vanion hatte das schwere, alte Gemäuer bereits von der Stadt aus sehen können. Auch das Innere machte viel her: die prunkvollen Wandbehänge, die reichverzierten Balustraden und die kunstvolle Machart des Grafenthrons in der großen Halle sprachen von Reichtum und Macht.
Vanion begrüßte Damian mit einem freundlichen Handschlag und einem etwas unsicheren Lächeln.
Er gönnte sich einen kostbaren Moment der Erinnerung. Bald sechs Jahre war der Krieg her. Sechs lange Jahre, in denen Vanion viel gelernt hatte und einen Weg beschritten hatte, der ihn am Ende hierhin geführt hatte.
Der idealistische Knappe war einem weitaus realistischeren Mann gewichen. Ein Mann, dem klar war, dass der Ritterstand, der ihn wohl erwartete, mehr Politik als eine echte Würdigung seiner Taten war. Er warf einen Blick auf Damians breiten Rücken, während der Hohepriester ihn durch den Gang führte. Er mochte Hohepriester sein, aber auch Damian betrieb Politik.
Mit der Hand strich Vanion über den Schwertknauf. Ich habe sie seit mehr als einem Jahr nicht mehr gezogen. Tatsächlich hatte Vanion mit diesem Schwert niemanden umgebracht. Die Waffe war immer noch unberührt.
Vielleicht bleibt das so. Das wäre schön.
Aber irgendwie machte Vanion sich da keine Hoffnung. Schließlich galt es immer noch, schlimme Gestalten zu bekämpfen. Ein Kelos setzte sich gewiss nicht zur Ruhe. Von Atos ganz zu schweigen. Und dann war da noch...
Er riss sich zusammen. Er war aus einem bestimmten Grund hier. Konzentriere dich, Mann!
Als der Graf geendet hatte, machte Vanion eine höfische Verbeugung.
"Ich bin Vanion de Roquefort, Ritter von Voranenburg."
Kurz, einfach, prägnant.
Stille - und ein auffordernder Blick des Grafen.
"Als Bauer schloss ich mich dem Pilgerzug an. Ich verließ den Pilgerzug als angehender Knappe, und vor den Göttern erwies ich mich als würdig, indem ich die Gebeine der Flamina Agathe fand und der Kirche Alamars übergab. So begann mein Knappendienst, und fünf Jahre diente ich."
Vanion zögerte und sah Damian an, der ihm wohlwollend zunickte.
"Das Lehen meiner Rittermutter, La Follye, war in den Wirren des Krieges an das Geschlecht Roquefort geraten, durch übles Ränkespiel und Verleumdung. Wir mühten uns durch Wort und Tat, es zurück zu erlangen, und im Laufe unserer Mühen stellte sich heraus, dass mein Vater, den ich stets für einen einfachen Bauern gehalten hatte, der Bruder Savaric de Roqueforts war. Der Ältere."
Jeremias:
Der Graf schaut seinen älteren Sohn kurz an und dieser tritt einen Schritt nach vorn. "Vanion de Roquefort," er spricht es deutlich besser aus als Damian, "die Geschichte von Herrin Lorainne ist uns mehr als bekannt." Er schaut kurz seinen jüngeren Bruder an. "Wusstet ihr beispielsweise, dass in diesen Hallen meinem Bruder vorgeworfen wurde, der Knappin Lorraine Gewalt angetan zu haben?"
Damian versteift sich kurz, dann entspannt er sich wieder. Alle drei Männer schauen Vanion mit undurchsichtigen Minen an.
Vanion:
"Mit Verlaub, Hochwohlgeboren, das wusste ich nicht."
Vanion verbarg seine Überraschung, so gut er konnte. Er wusste, dass Damian und Simon sich vor langer Zeit Lorainnes wegen duelliert hatten - aber er wusste auch, dass Lorainne und Damian grade in den letzten Jahren ein gutes Verhältnis zueinander gepflegt hatten. Vanion bezweifelte, dass an diesen Vorwürfen viel dran gewesen war. Ein Vorwurf war eine Sache - wer den Vorwurf aussprach, eine ganz andere.
"Nicht jedes Lebenskapitel der Chevalière von La Follye ist mir bekannt worden. Es muss vor dem Bürgerkrieg geschehen sein, oder früh währenddessen, n'est-ce pas?"
Allzu viele Gedanken machte Vanion sich nicht. Damian war Flamen Magnus Solis Alamariani - wenn diese Vorwürfe nicht haltlos gewesen waren, hatte Damian gewiss längst dafür gebüßt.
Jeremias:
Rutger lächelt leicht. "Nein, es war spät. Kurz vor der Verkündigung des Pilgerzuges, nach dem Tag des Wolfes. In den Tagen, als Brega fiel. Mein Bruder wurde vor meinem Vater des Verrats an Barad Konar und diverser anderer Dinge, unter anderem eben der Vergewaltigung der Knappin Lorraine, angeklagt."
Er atmet tief durch. "Das waren dunkle Zeiten. Der Herzog, meines Vaters Lehnsherr, hatte sich Konar verschrieben und als seine Gefolgsleute waren wir auch an Konar gebunden. Erst als mein Vater von Damian den Beweis erhielt, dass Konar den Herzog getäuscht hatte, konnten wir ohne unseren Eid zu verletzen die schwarz-blauen Hunde von unserem Land werfen."
Er holt aus einer Tasche einige Papiere, die er auf den Tisch legt. Vanion kann sie kaum erkennen, aber sie sehen aus wie die Aussagen, die Lorainne gesammelt hatte. "Damian hat uns dies hier zur Ansicht gegeben, um die Sache im Norden besser zu verstehen. Sie zeigen ein eindeutiges Bild. Täuschung, Verrat, Mord. Junger Mann, ihr seid da offenbar in eine schlimme Sache geraten."
Der Graf beugt sich vor und Rutger tritt wieder einen Schritt zurück. "Warum hat Rutger euch das erzählt?"
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