Die Gebiete in Caldrien > Engonia - die einstige Kaiserstadt

[SPOILER-ALARM!!] Ein letzter Weg

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Sandra:
Langsam dämmerte es in dem kleinen Raum, in den man Gorix verbracht hatte. Genau wie Svenja hatte auch Stella den Großteil der Nacht kein Auge zugemacht, doch irgendwann hatte sie einfach die Müdigkeit und Erschöpfung übermannt und ihr Körper sich einfach genommen, wonach er verlangte.

Neben der Kraft, die die Geister und das Wirken in dieser Umgebung ihr abverlangt hatten hatte sie all ihre Kraft dazu verwendet, Gorix’ verbliebenen Astralleib zumindest daran zu hindern, sich weiter aufzulösen bis schließlich nur noch ihre Verzweiflung sie bei Bewusstsein gehalten hatte, bis Hilfe gekommen war und tiefe Schwärze sie gefangen nahm.
Der Schlaf war dabei weniger gnädig und ließ sie die Situationen des vergangenen Tages erneut durchleben.
 
“Fast geschafft, noch ein letztes Mal…Sehr gut, es ist zu!” gab sie ihm Rückmeldung über den Zustand des Portals, das Gorix gerade zu schließen versuchte. Wenigstens zeigte der von ihnen entwickelte Gegenzauber Wirkung.
In diesem Moment sackte Gorix vor ihren Füßen zusammen, mitten in die restlichen chaotischen Astralfäden.
Mit einem Satz war sie selbst über die Fäden, die ihre Position eingeschlossen hatten hinweg und versuchte, ihn so schnell es ging aus dem Raum und den Fäden zu ziehen.
Dann der Versuch, ihm etwas von ihrer Kraft zu geben, der fehlschlug und die anschließende Analyse, die ihr den Grund verriet, ein schreckliches Bild darüber, was er getan hatte…

Schweißgebadet und schwer atmend schreckte sie auf und ein kurzer Moment der Orientierungslosigkeit folgte, während die Realität in Form von Schmerzen sie einholte.
Nicht nur, dass sie in einer furchtbaren Position auf einem der Sofas eingeschlafen war, sondern auch all die Marter der vergangenen zwei Tage meldete sich zu Wort.
Ihr Brustkorb war dank Brotos’ hervorragender Arbeit zum Glück ziemlich gut verheilt, doch die leichteren Verletzungen, die am vergangenen Abend einfach im Schrecken und der Notwendigkeit schlimmere Verletzungen zu behandeln untergegangen waren, erinnerten sie nun an die Kämpfe.
Ihr rechter Arm pulsierte vom Ellenbogen ausgiebig, wo dieser Bekanntschaft mit einem großen Hammer gemacht hatte, der zu ihrem Glück auf den zu dem Zeitpunkt noch völlig intakten Schutzzauber getroffen war. Gebrochen war nichts, aber er war über Nacht nun gut angeschwollen.
Ihre Hände waren rot und an ein paar Stellen blutig. Während die Handflächen vor allem noch ein wenig wund von ihrem Eiszauber waren, sahen vor allem ihre Handknöchel rot und blau aus von den Faustschlägen, die sie diesem Inquisitionsabschaum verpasst hatte.

Stöhnend setzte sie sich auf und drückte den Rücken durch.
Ihr Blick ging zu Gorix, dann zu Svenja. Sie hatte wohl ähnlich schlecht und wenig geschlafen.
Vorsichtig stand sie auf, wankte kurz als tanzende Sterne vor ihren Augen aufblitzten und vergewisserte sich gemeinsam mit Svenja, dass Gorix nicht nur schlief und weiterhin atmete. Keine Veränderung zum Vorabend.
Seufzend und mit Sorge im Blick sah sie die Freundin an und einen kurzen Moment kämpfte sich das Gefühl vom vergangenen Abend zurück. Verzweiflung und Machtlosigkeit. Als sie nicht mehr wusste, wohin mit sich und alles in ihr schrie, dass sie nur noch weg wollte. Sie war kurz davor gewesen, einfach aufzubrechen, ungesehen im Trubel des Abends… Es war gut gewesen, dass Mina sie davon abhalten konnte - nachher wäre sie noch weiteren Szivarsanhängern oder der Inquisition in die Arme gelaufen - doch jetzt war es kurz wieder da. Ein Blick, den Svenja von Tieren kannte, die kurz davor waren, zu flüchten.

Dann hatte die Magierin sich wieder gefangen, atmete tief ein und fragte: “Auch was zu trinken bevor wir ihn runter bringen und aufbrechen?”

Matthias:
Am Rande der morgendlichen Aufbruchsaktivitäten saß Kaja im Schankraum des Gasthauses nahe Engonia und unterhielt sich mit einer jungen Botenläuferin.

„Gut, soll ich dem Schreiben noch etwas hinzufügen oder wäre das alles?“, fragte die Frau, als sie schon dabei war emsig ihre Schreibutensilien zu verstauen.

Müde blickt Kaja auf sein Frühstück. „Lasst mich die Punkte nochmal hören, in meinem Kopf hämmert ein Schmied wie wild vor sich hin.“

Mit den Augen rollend legte sie ihre Tasche beiseite und schlug ihr kleines Büchlein auf.
„Ich werde den Rat über eure langfristige Abwesenheit informieren und ebenso Mutter Gora vom Nachtwall. Magister Phönixflug bitte ich um die Schlüssel der Akademie und den Ring des Navigators. Von Mutter Dora werde ich die Verträge holen. Grunas und seine Männer sollen den Tiefensee verlassen und euch auf der Löwenburg aufsuchen… Habe ich etwas vergessen?“

„Was ist mit meiner Frau?“

Mit ein paar schnellen Federstrichen schrieb die Botin in ihr Büchlein. „Selbstverständlich, entschuldigt.“

Ein kurzer Moment des Zweifels ging über Kajas Mine. Dann schaute er hoch. „Das wäre alles. Beeilt euch. Mögen die Sterne über euch wachen.“

Yorik:
Unter den Männern, die Lorraine aus dem Haus trugen, befand sich auch Yorik. Der junge Novize hatte die ganze Nacht über Totenwache neben dem leblosen Körper der Chevalière gehalten und gebetet, daher sah er jetzt entsprechend aus - seine Haut war blass, tiefe Ringe "zierten" seine müden Augen. "Lavinia, Große Mutter", murmelte er, während er all die Leute passierte, die sich hier versammelt hatten, "Siehe herab auf dein Kind, das antritt seine letzte Reise..."

Yoriks Stimme klang dumpf in seinen eigenen Ohren, so als wäre sie weit weg. Dutzende Gedankenfetzen rasten durch seinen Kopf, doch er zwang sich sie zu ignorieren, denn eines wusste er ganz genau: Sobald er pausierte, um sich wirklich dem zu widmen, was grade in ihm vorging, würde er wahrscheinlich weinend zusammenbrechen... und das konnte er nicht zulassen. Auch gestern hatte er sich seine persönliche Trauer erst erlaubt, als er allein mit Lorainne gewesen war, denn das war Teil seiner Pflicht. Er war ein Heiler, ein Seelsorger, ein Gesandter der Großen Mutter, und wenn um ihn herum getrauert wurde, musste er derjenige sein, der tröstete. Der die Tränen trocknete. Wenn er ein würdiger Priester werden sollte, musste er Stärke beweisen können, auch wenn er selbst sich eigentlich nach jemandem sehnte, der ihm Trost spendete.

Grade als der Novize den letzten Satz des Gebetes beendete, das er bis grade auf den Lippe gehabt hatte, kamen er und die anderen Leichenträger bei dem kleinen umfunktionierten Zweispänner an, der Lorainne nach La Follye bringen sollte. Vorsichtig legten sie die Bare auf der Ladefläche ab, dann trat Yorik zurück und sah in die Menge der stummen Beobachter, die sich mittlerweile vor dem Haus versammelt hatten. Einige weinten, viele andere Gesichter schienen einfach nur versteinert. Der junge Geweihte fragte sich, ob er noch etwas sagen sollte, doch da erhob Vanion das Wort. Yorik sah ihn an, trat einige Schritte in seine Richtung und nickte dankbar. Der Ritter würde wissen, dass er auf jeden Fall dabei war. Schließlich hatte er sich damals im Forêt d'Atroux schon geweigert, Lorraine aufzugeben.

Akela:
Sasha hatte die Nacht außerhalb des Gasthauses verbracht, wie sie es immer tat wenn sie trauerte, zu viele Menschen um sie herum waren dann nur schwer für sie zu ertragen.
Und das war in letzter Zeit eindeutig zu oft gewesen für ihren Geschmack.
Kassos’ Stimmung wechselte fast minütlich von Trauer zu Wut und zurück. Sie wusste, dass er an diesem Tag mehr verloren hatte als zwei Freunde, doch sie konnte ihm nicht helfen, nicht bevor sie sich selbst und ihre Trauer im Griff hatte.
Sie würde es sonst nur noch schlimmer machen.
Sie konnte nur versuchen ihn davon abzuhalten dumme Dinge zu tun…

Lange hatte ihre Abwesenheit in der Kälte draußen allerdings nicht gedauert….in den frühen Morgenstunden hatte Mina sie aufgestöbert und sie - keinen Widerspruch duldend - mit einer heißen Tasse Tee und einer Wolldecke in den eher einsamen Keller des Gasthauses gescheucht. Und auch wenn sie auch dort keinen wirklichen Schlaf finden konnte, so lief sie dort wenigstens nicht in Gefahr zu erfrieren oder von Spähern der Inquisition aufgestöbert zu werden.
Und Sasha war sich sicher, dass der Schuss in ihrem Tee mehr als ordentlich war.

Nachdem sie etwas vor sich hin gedämmert hatte, wühlte sie sich wieder aus der Decke und ging nach oben um ihre Habseligkeiten zu packen und sich dem Zug zur Löwenburg anzuschließen, innerlich die momentane Schwäche ihres Körpers verfluchend. Von diesen Tagen würde sie noch länger etwas haben, Rippen und Schulter schmerzten dank des Heiltranks weniger, die tiefen Wunden auf ihrem Rücken aber nahmen ihr bei jeder Bewegung die Luft zum Atmen.
Dabei hatte sie noch Glück gehabt...die Erinnerungen an Gerrits selbstgewählten Tod und Kassos Trauer, die sie überrollt hatte wie eine eiskalte Welle hatten sich in ihren Geist eingebrannt wie es alle Erinnerungen taten.
Als ihr Seelenbruder, von Wut und Trauer übermannt, unbewaffnet in die Gegner gestürmt und sie ihm ohne nachzudenken gefolgt war, hatten die Götter ihre Hände über sie gehalten. Die Anhänger der Inquisition waren so überrascht über den plötzlichen Ausbruch gewesen, dass sie trotz aller Ausbildung ein Stück zurückgewichen waren, nur einige wenige griffen sie sofort an.
Das hatte der Wolfselfe genug Luft verschafft um den Tiorspriester an den Schultern zu packen und ihn wieder vor die Schlachtreihe zu befördern, wo sie ihn auf dem Boden festnagelte.
“Beruhige dich! Es bringt niemandem etwas wenn du Gerrit folgst!”
Erst später hatte sie die tiefen Wunden registriert, die ihr die Gegner beigebracht hatten, deren Reaktion etwas schneller gewesen war.

Der zum Aufbruch bereite Zug war eigentümlich still. Kein Lachen war zu hören, nur das nötigste wurde gesprochen und das in einem leisen Tonfall.
Das Knirschen und Klirren der Ausrüstung, die Hufe der Pferde und das leise Prasseln des Regens waren nahezu das einzige Geräusch in der kalten Luft.

Der Blick der Wolfselfe wurde unwillkürlich von der in helle Tücher eingewickelten Gestalt angezogen und es war ihr als würde abermals eine eiskalte Hand ihr Herz umklammern.
Für einen kurzen Moment war sie wieder draußen auf dem Hügel. Im Dunkel der Nacht, im Rauschen des Windes und im Prasseln des Regens.
Das Wehklagen der schattenhaften Umrisse ihrer Gefährten, die sich kaum gegen den Hintergrund abhoben, nahm sie gar nicht wahr.
Da war nur die Gestalt auf dem durchweichten und schlammigen Boden.
Eine regloser Körper... dessen Seele ihn schon längst verlassen hatte.
Mühsam riss die Wolfselfe sich von den Erinnerungen los.

Lorainne war gestorben wie sie gelebt hatte, nicht immer geradlinig, nicht immer mit den besten Ideen für sich selbst im Kopf, aber immer ihr eigenes Wohl weit hinter das von anderen zurück stellend.
Wenn sie sich jetzt alle in ihrer Trauer vergruben, dann wäre ihr Tod umsonst gewesen.

Außerdem gab es noch etwas zu tun.
Sie konnte Gerrit nicht mehr helfen. Und sie konnte Lorainne nicht mehr helfen.
Sie konnte nur für sie beten...
Aber einem konnte sie noch helfen. Und das würde sie tun.
Gorix.

Entschlossen zog sich Sasha die Kapuze ihrer Gugel tiefer ins Gesicht und trat zu Vanion, den sie mit einem prüfenden Blick bedachte.
Sie wusste nur zu genau wie er sich fühlte.

Tabea:
Mit versteinertem Gesicht trat auch Enid aus dem Gasthaus heraus. Die Schrecken der letzten Stunden waren ihr deutlich anzumerken. Sie wirkte erschöpft und erstarrt und bewegte sich vorsichtig, hölzern. Als ihr Blick auf das Tuch fiel, welches Lorraines Körper bedeckte, traten ihr ob der Endgültigkeit erneut die Tränen in die Augen.
Da war es wieder, das vertraute und doch so verhasste Gefühl von Hilflosigkeit und Verlust. Es war, als drückten ihr unsichtbare Mächte die Brust zusammen, um sie langsam ersticken zu lassen. Wut durchfuhr sie.
"Warum nur haben sie mich gefragt, diesem Bund beizutreten? Hätten sie mir nicht Ruhe lassen können?!" Die Gedanken war da, drängten sich auf und schmerzten. "Ich wollte mich nie wieder anderen so verbunden fühlen..."
Voller Zorn heftete sie ihren Blick erst auf Berengar, dann auf Ulric. Sie wollte ihre Wut, die Wut auf die ganze Welt, herausschreien. Doch sie blieb stumm und fühlte sich innerlich leer und erschöpft.
Der Blick, mit dem sie ihre Bundesgenossen ansah, wurde wieder weicher. "Passt auf euch auf. Ich will euch nicht auch noch verlieren" murmelte sie unwillkürlich.

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