Der Städtebund von Tangara > Brega
Frühjahr 269 n.J. - Goldene Nachtigall in Brega
Vanion:
Die Stille war nicht unangenehm, aber mit der Zeit begann Vanion doch, sich fehl am Platze zu fühlen, und er begann, unruhig mit den Fingern auf den Tisch zu tippen. Als er es bemerkte, riss er sich zusammen.
Er hatte mit einer gewissen Distanz gesprochen. Mit einer Distanz, die mit jedem Wort geringer geworden war, und nun nutzte er die von Kydora gegebene Zeit, um wieder etwas nüchterner zu werden. Weniger emotional.
"Wir begeben uns nun einmal alle in Gefahr", sagte er irgendwann erstaunlich leise. "Man achtet das eigene Leben wenig, und die aller anderen umso mehr. Die Träume, die ich habe ... die ich nun habe - sie erzählen nicht länger von La Follye. Aber lass uns von etwas Leichterem reden."
Er leerte den Becher in einem Zug, schüttete sich nach und machte sehr deutlich, dass er nicht länger vor hatte, unter dem Schatten der Vergangenheit zu leben. "Ich habe eine junge Dame kennengelernt. Sie ist voller Tatendrang, und sie hat mir beigestanden, als Lorainne tot war. Auch in den Tagen und Wochen danach ist sie nicht von meiner Seite gewichen. Das rechne ich ihr sehr hoch an."
Kydora:
Kydora lauschte seinen Worten, nahm zur Kenntnis, dass er ein leichtered Thema wählen wollte.
Vielleicht war es besser so, wirklich aufbauend würde sie ihm sicher ohnehin nicht dienlich sein können. Zu viel hatte sie zerbrechen lassen... oder gar selbst zerbrochen.
Sie hing an ihrem Leben, achtete es... Wie sonst auch könnte sie anderen auch nur ansatzweise helfen. Vielleicht fürchtete sie aber auch schlichtweg die unendliche Tiefe des Totenmeers.
Die Silvanaja griff nach ihrem Becher und nahm einen großen Schluck. Leichtere Themen wollte der Ritter besprechen und ihr war nicht der Sinn danach den Schatten ihrer Selbst einen Raum zu bieten. Nicht jetzt.
Und so wendete sie sich ihm mit einem freundlichen Lächeln zu als sie zu einer Antwort ansetzte.
"Ist es dieselbe Frau, die auch den Brief in deinem Namen verfasste? Und wenn ich mich recht entsinne ist die Verfasserin auch jene Frau, welche an dem Abend von Lorainnes Tod ebenfalls anwesend war? Zumindest haben wir uns kurz einander bekannt gemacht, wenngleich die Umstände nicht die günstigsten gewesen sein mögen."
Sie drehte den Becher nachdenklich in den Händen.
"Tut sie dir gut? Seid ihr euch gegenseitig eine Stütze und gebt euch halt?"
Fragend sah sie Vanion von unten her an, nahm noch einen weiteren Schluck.
Vanion:
Vanion warf Kydora einen skeptischen Blick zu.
"Sie wird meine Knappin werden. Wir sind verbunden durch die Queste, der wir uns beide befleißigen. Gewiss werden wir gemeinsam streiten, doch zuallererst is sie meine Verantwortung. Aus ihr wird gewiss ein prächtiger Ritter werden, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Und ich bin gewiss nicht der Beste unter meinen Brüdern und Schwestern, dem sie sich anvertrauen konnte."
Er gönnte sich einen weiteren Schluck.
"Nein, sie soll mich nicht stützen. Sie soll gewiss hinter mir stehen und mir Ehre bereiten, aber", er schmunzelte bei seinen Worten, "ich kann durchaus auf beiden Beinen stehen. Es liegt in meiner Verantwortung, ihr nicht nur einiges beizubringen, sondern ihr auch ein Vorbild zu sein in den Zeiten, die da kommen."
Er musterte Kydora eingehender. Ihre Worte wirkten fast etwas theatralisch auf ihn, und er wunderte sich darüber. Sonst war er es, der der Vergangenheit nachhing. Aber etwas lag in ihrem Blick, was ihn stutzig machte. Zu oft schien sie nicht ihn, sondern durch ihn hindurch zu sehen. Und als er sie näher musterte, da fiel ihm auf, dass sie unter der Farbe einen erschöpften Eindruck machte. Und ... sie trug das Mithrilfläschchen nicht.
Er neigte den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn. "Mir scheint, du bist ... nicht ganz offen zu mir, Kydora. Irgendetwas beschäftigt dich."
Kydora:
"Ich verstehe nicht allzuviel von deinen Ritterdingen, doch wirkt es oft wie Lehrer und Schüler. Eine wechselseitige Beziehung, in welcher jeder etwas gibt und den anderen auf seine Art und Weise unterstützt. Lade dir nicht alles auf deine Schultern auf. Vorbild sein, kann auch bedeuten, sich stützen zu lassen..."
Damit beließ sie es bei dem Thema, denn Vanion wechselte den Gesprächsinhalt auch recht direkt. Sein Blick wirkte skeptisch und Kydora schenkte ihm als Erwiderung ein besänftigendes Lächeln.
"Hat nicht jeder von uns seine Geheimnisse? Und ist nicht gänzlich offen?"
Sie setzte sich wieder auf und goss sich vom Wein nach, ließ den Becher jedoch vorerst auf dem Tisch stehen. Im Schneidersitz sitzend sah sie Vanion freundlich an. Ihre Augen musterten Vanions Mimik und versuchten den Gedanken zu ergründen, der Vanion zu so einer Frage veranlasst hatte.
"Uns alle beschäftigt doch immer irgendwas..."
Die Hände waren locker ineinander verschränkt vor ihrem Körper und sie stützte sich mit den Unterarmen entspannt auf den Beinen ab.
Einen Moment schwieg sie, immer noch mit einem zuversichtlichen Gesichtsausdruck. Als sie fortfuhr zu sprechen, war ihre Stimme etwas gedämpfter.
"Was mich beschäftigt... Nun es ist viel Verantwortung in die ich mich begeben habe, so von jetzt auf gleich." Ihr Blick glitt zu den Flammen im Kamin und es dauerte einen Moment ehe sie fortfuhr. "Vielleicht bin ich einfach langsam müde. Müde von dem Leid, das überall herrscht. Müde davon, dass ich jedes Mal wenn ich einen meiner Freunde wieder treffe, einen neuen Namen genannt bekomme, der nicht mehr unter uns weilt. Ein neuer Toter zu betrauern ist."
Sie sah ihn wieder an, ihre Gesichtszüge waren ernster geworden und wer die junge Silvanaja noch kannte, die damals in die Welt auszog um Abenteuer zu erleben, würde nur noch wenig von der einstigen Leichtigkeit sehen.
Kydora zuckte kaum merklich mit den Schultern und ließ sich anschließend bequem in die Kissen sinken. Ein leises Seufzen war zu hören.
"Ich weiß nicht, was die Zukunft für mich bringt. Ich weiß nicht wo ich in ein paar Monden stehe... Das verunsichert mich." erklärte sie leise. "Nie waren meine Wege ungewisser als dieser Tage." Sie sah zu dem Ritter herüber, setzte sich wieder leicht auf. "Es geht mir einfach viel durch den Kopf. Gib einfach auf dich acht, und tu mir den Gefallen nicht der Nächste Name zu sein, den ich genannt bekomme."
Da war vielleicht mehr, was sie beschäftigte. Das konnte Vanion vermuten. Aber es wurde auch deutlich, dass er hier und jetzt wohl kaum mehr aus ihr herausbekommen würde. Er war der Gast. Und Kydora hatte langsam wieder zu ihrem ruhigen Lächeln gefunden.
"Kann ich dir noch irgendwas Gutes tun? Schließlich bist du mein Gast..." Sie griff nun endlich nach ihrem Becher und nahm einen Schluck vom Wein.
Vanion:
"Du schweigst. Wie so oft."
Vanion schüttelte traurig den Kopf, als er erkannte, dass Kydora ihr Gespräch beendet hatte.
"Glaube mir, wenn ich dir sage, dass Fortgehen und Wegschauen keine Heilung bringt. Die Welt dreht sich weiter, ganz gleich, ob du hinschaust oder nicht."
Er hasste dieses Gefühl. Diese Unzulänglichkeit. Er wusste genau, dass Kydora irgendeine Fassade aufrecht hielt, und es verletzte ihn, dass sie sich ihm nicht anvertraute. Es hatte ihn schon vor vielen Monaten verletzt, als er sie das letzte Mal gesehen hatte. Dann kam ihm ein anderer Gedanke, und widerstrebend gestand er sich ein, dass er wusste, was zu tun war. Im Grunde wusste er es schon seit langer Zeit.
"Diese Welt ist manchmal grausam. Sie verlangt uns alles ab. Robert und Maugrim und Lorainne - wir werden sie nicht wiedersehen. Ich verstehe, dass ... dass die Welt zuviel von dir gefordert hat. Ich verstehe, dass du dir Frieden wünschst. Ich gönne ihn dir von Herzen."
Aber du hast aufgegeben.
Der vormals bequeme Sitz erschien ihm nun zu weich, und der Geruch dieses Ortes, das allgegenwärtige Parfum, die schweren Stoffe, all das erschien ihm nun wie ein öliger Film, der sich über die Realität gelegt hatte. Abrupt stand er auf.
"Ich werde Roberts Opfer nicht vergessen." Ein Schicksal, das er für dich allein erwählte.
"Ich werde Maugrims Tod nicht vergessen." Ein Schicksal, das er um seines Rudels Willen erwählte.
Das Rudel, dessen Zeichen Kydora abgelegt hatte. Wie konnte sie nur?!
"Lebwohl, Kydora McManahugh."
Sie hatte aufgegeben. Er würde kämpfen.
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