Die Morgendämmerung war gerade in helles Tageslicht übergegangen als Marius und Leonie die mit Schutt und Dreck übersäten Straßen Bregas durchquerten. Nachdem sie das Viertel der Ahrnburger passiert hatten, konnten sie bereits von weitem die große schwarz-weiße Standarte Valkensteins erkennen, die auf einem riesigen, ehemals prunkvollem und nun zum Teil in Trümmern liegenden Gebäude im seichten Wind flatterte. Kurz darauf kam ihnen auch schon die erste Patrouille Valkensteiner Gardisten entgegen, die sie mit mürrischem Blick musterten, während sie sie kontrollierten. Die Papiere, die Robert ihnen mitgegeben hatte taten jedoch ihr Übriges und schon bald konnten sie weiter gehen. Am Rathaus angelangt durchquerten die beiden nach einer weiteren Kontrolle zügigen Schrittes die schweren Holzbarrikaden, deren scharfkantiger Splitterbelag in der Sonne glänzte. Nachdem sie die Barrikaden hinter sich gelassen hatten, eskortierten sie zwei Gardisten weiter ins Innere des Gebäudes, vorbei an betriebsam arbeitenden Männern und Frauen, die sich auf den baldigen Abmarsch vorbereiteten. Schließlich erreichten sie das im hinteren, oberen Teil des Gebäudes liegende Büro des Bürgermeisters. Hier saß Robert wie gewohnt hinter dem mächtigen hölzernen Schreibtisch und las die neuesten Berichte von der Front. Nur wenige Meter entfernt hockte Feldwaibel Gerhardt über einem kleinen Stövchen und kochte Tee. Als die beiden herein geführt wurden, sah Robert auf und musterte sie einige Zeit, dann winkte er sie heran und entließ die beiden Gardisten nach draußen. Auf Marius freundlichen und Leonies zurückhaltenden Gruß reagierte Robert nur mit einem kurzen Nicken. Offenbar war er mit anderen Dingen beschäftigt. Geistesabwesend begann er mit einem Dolch herum zu spielen, dessen Griff in einen silbernen Adlerkopf auslief. Dann hob er den Kopf und musterte die beiden Gestalten vor ihm... -
„Leonie! Marius! Ihr seid beide heute hier, weil ich eine Entscheidung darüber treffen soll, was mit ihr geschehen soll! Also bitte, schildert mir noch einmal die Geschichte!“
Marius und Leonie berichteten kurz und knapp was vorgefallen war, nur unterbrochen von einem kurzen Pfeifen des Teekessels. Nachdem sie geendet waren, ergriff Robert wieder das Wort: „Nun! Ihr beiden solltet wissen, dass ich eigentlich dazu angehalten bin euch gemäß des engonischen Rechtes zu behandeln, was allerdings bedeuten würde, dass wir hier einen größeren Prozess eröffnen müssten! Aber wie ihr mir bereits sagtet, seid ihr freiwillig hier und ebenso freiwillig bereit euch dem Valkensteiner Recht zu unterwerfen. Und da wir hier einen Kriegszustand haben, ist es an mir die Militärgerichtsbarkeit durchzusetzen! Aber ihr beiden solltet auch wissen, dass unser Recht härter ist als das der Engonier! Aber gut, ihr habt eure Entscheidung getroffen und da Du Leonie geständig bist, will ich dir das einmal positiv anrechnen. Zudem, und das bleibt bitte unter uns, kann ich Magier nicht ausstehen! Also Leonie! Gemäß der Valkensteiner Militärgerichtsbarkeit bleibt mir nichts anderes übrig als dich hiermit zu 15 Peitschenhieben zu verurteilen! Die Vollstreckung des Urteils wird so schnell wie möglich umgesetzt!“ Marius konnte es nicht fassen und wollte gerade für seine schluchzende Begleiterin einspringen, als Robert ihn mit seinem berühmten Kasernenblick zum Schweigen brachte. „Ich bin noch nicht fertig, Marius! Auch wenn ich es sehr schätze, dass Du für die Dame hier in die Bresche springen möchtest! - Das Urteil steht, daran führt kein Weg vorbei und die Alternative wäre ein zwei jähriges Strafdienst in der Garde gewesen! Und ich kann mir gut vorstellen was das für Leonie bedeuten würde! - Was die Vollstreckung des Urteils angeht, so setze ich diese hiermit bis auf weiteres außer Kraft! Ich habe derzeit weder die Soldaten noch die Zeit um mich darum zu kümmern!“ Robert fixierte Leonie mit seinen Blicken. „Sieh es als Bewährungsprobe junge Dame! Solltest Du jemals wieder straffällig werden, werde ich persönlich dafür Sorge tragen, dass Du erneut in Valkenstein vor Gericht gestellt wirst! Und dann wird ein Inquisitor diesem vorsitzen und das meine Liebe möchtest Du nicht erleben! Ich denke wir haben uns verstanden! - Und nun lächeln mal wieder, dein Gesicht ist viel schöner, wenn es von einem Lachen eingerahmt wird.“ Mittlerweile hatte Gerhardt den Tee fertig zubereitet und brachte Robert einen dampfenden Metallbecher, aus dem dieser einen Schluck nahm und dann mit einem Grinsen im Gesicht wieder aufsah: „Gibt es sonst noch etwas Marius? Nicht?! Gut, dann macht euch vom Acker, ich habe zu Arbeiten!“