Rania saß in ihrer Kammer auf dem Bett und las sich den Brief, den sie von Yezariael erhalten hatte, noch viele Male durch. Sie hatte Angst. Sehr große Angst. Viele Gedanken gingen ihr nun durch den Kopf. Und einige ihrer Gedanken verweilten bei ihm. Über seinen Brief hatte sie sich sehr gefreut. Und dieser macht sie stark. Stark für ihre Aufgabe. Und der Wunsch, ihn wieder zu sehen, wieder mit ihm zu reden, so wie er es in seinem Brief geschrieben hatte, brannte nun sehr in ihr.
Mittlerweile hatte Rania geschafft, mit dem Weinen aufzuhören. "Das bringt auch nichts, Tränen zu vergießen. Ich MUSS stark sein. Und es wird alles gut werden, denn die Götter wachen über uns."
Mit diesen Gedanken erhob sie sich und begann, weiter ihre Tasche für die Reise zu packen, als es an der Türe klopfte.
" Ja, bitte, die Tür ist offen." Herein kam die junge Novizin, die seit etwa einem Jahr im Tempel lebte, um die Lehren Lavinias zu lernen.
" Ich grüße euch Agapima Rania", sagte das junge, schöne Mädchen und neigte den Kopf.
" Verzeiht mir bitte die Störung."
"Du störst mich keinesfalls, liebste Schwester. Setz dich und sprich, du bist sicher nicht ohne Grund zu mir gekommen?" Die junge Novizin trat ein und staunte über die Unordnung in Ranias Kammer, die für gewöhnlich in einem Tadellosen Zustand war. Auf dem Schreibtisch lagen Karten und Pergamentblätter, Feder und Tinte verstreut herum. Die Kerzen waren abgebrannt. Selbst das Bett war heute nicht gemacht und die Blumen auf der Kommode waren verwelkt. Ranias Kleidertruhe war offen, ein Wirrwarr aus Stoffen und Kleidern war darin zu sehen. Auch Rania selbst saß für gewöhnlich besser aus. Ihre Haare waren zerzaust, vermutlich war sie eben erst aufgestanden. Ihr Gewand war zerknittert und musste an einigen sStellen geflickt werden. Unter ihren Augen zogen sich tiefe Ringe. Über all dies sah die junge Novizin jedoch diskret hinweg.
" Agapima, sagt, wollt ihr wirklich in diesen schrecklichen Wald gehen?
Im Temel erzählen sie sich die allerschlimmsten Geschichten und die hohe Mutter ist alles andere als erfreut, über eure Entscheidung, dorthin zu gehen!!!! "
Rania seufzte tief. " die hohe Mutter war mit vielen meiner Entscheidungen nicht sehr glücklich...Aber dennoch, mein Entschluss steht fest, ich werde gehen. Denn ich werde nicht als Einzige hierbleiben, wenn alle meine Freunde sich dort hinein wagen!!! Die hohe Mutter wird dies auch verstehen müssen, denn es ist meine Aufgabe, meinen Freunden Beistand zu leisten und zu Lavinia zu beten."
"Und wenn euch ein leid geschieht, und ihr sogar euer Leben verliert? Ihr könnt doch nicht einmal Kämpfen..."
Rania lächelte. " Ich brauche nicht kämpfen, um mich und meine Freunde zu beschützen, denn Lavinia wacht über uns. Ich werde zu ihr beten, und sie wird meine Stimme erhören. Sei unbesorgt. Ich reise nicht allein. Anastasius wird mich begleiten. Zusammen werden wir dann mit Kassos aufbrechen."
Die junge Novizin merkte, dass sie Rania von ihrem Vorhaben nicht abbringen konnte, Obwohl sie es so sehr gehofft hatte. Sie mochte die junge Priesterin. Denn sie hat viel Verständnis und selbst schon einen großen Erfahrungsschatz, der nicht nur aus guten Ereignissen besteht, so erzählt man sich im Tempel...
"Darf ich euch etwas persönliches Fragen?" Der jungen Novizin war ein wenig unwohl, denn sie wusste nicht, ob sie Rania mit dieser Frage verärgern würde...
"Natürlich, nur zu, frag mich, was immer du möchtest, liebste Schwester.
".... Also, dieser Kassos..... er ist ein Priester Tiors..... Verzeiht mir, aber wie könnt ihr als Priesterin Lavinias mit ihm befreundet sein? Er ist ein Diener Tiors...."
" Schwester, du hast recht, er ist ein Diener Tiors. Ein Diener eines engonischen Gottes. Ebenso wie ich eine Dienerin, einer engonischen Göttin, bin. Im Krieg haben wir zueinander gestanden. Seite an Seite. Ich verdanke diesem Mann mein Leben..... Zu diesem Mann hegte ich schon eine enge und sehr tiefe Freundschaft, bevor er Priester wurde. Ich hoffe, diese Antwort genügt dir. Denn es ist unwichtig, woher ein Mensch kommt, oder woran er glaubt, sofern sein Herz rein ist. Nun bitte ich dich, mir die Unhöflichkeit zu verzeihen, aber ich muss dich bitten, wieder zu gehen, wenn dies nun alles war, was du von mir wolltest. Ich möchte gerne weiter packen und muss noch einen Brief schreiben, bevor ich abreise."
"Ich danke dir Agapima". Die Novizin verneigte sich und verließ nun Ranias Kammer. Zurück gelassen hatte sie jede Menge Gedanken, die nun wieder in Ranias Kopf umherspukten.