Die Nacht war endlich herein gebrochen und so kümmerte sich Mika um die Fundstücke aus Walter von Sangenwaldes Grab. Immer noch quälten sie tiefe Schuldgefühle, das sie ein Grab entweiht und geplündert hatte... Mit dunklen Bündeln unter den Armen betrat sie den Holzsteg, der auf den See hinaus führte. Der Rest des Lagers feierte ausgelassen die gewonnene Schlacht um Tiefensee. Das fröhliche Gelächter drang an ihr Ohr, aber nach solchen Dingen war ihr nicht zumute. Immer noch quälten sie schlimme Schuldgefühle, das sie ein Grab entweiht und geplündert hatte, aber irgendetwas war da gewesen. Jelena hatte es ebenfalls gespührt, auch wenn sie nicht dabei sein konnte als Mika den Fund gemacht hatte. Auf den Knien und mit bloßen Händen hatte Mika die Erde umgegraben. Sie, eine Novizin der Nedra, hatte ein Grab geplündert! Jeldrik Kreuzbrecher wäre Stolz gewesen, kam ihr irgendwann dieser mürrische Gedanke. Gut sie hatte es wieder gesegnet,aber trotzdem, es ging um's Prinzip.
Aber nun saß sie dort auf dem Steg, alleine und sah dem schwindenden Licht zu. Langsam wickelte sie den länglichen Gegenstand aus dem schwarzen Stoff. Sie war nicht wirklich überrascht als es ein Schwert enthüllte, das hatte sie bereits vermutet. Als sie sich das Schwert jedoch näher ansah stockte ihr der Atem vor Erstaunen und Ehrfurcht. "Bei Nedras Bogen!" Ehrfürchtig hielt sie die kleine Laterne näher an den Schwertknauf, bis es keine Zweifel gab. DIESES Schwert in ihren Händen war Maranwe. Das Schwert des Schicksals. Das Schwert das vor Zeitaltern von Nedra als Geschenk an die Norngarder gemacht worden war. Mika hatte Zeichnungen von diesem Schwert gesehen und nun ja, wenn sie ehrlich wahr, hatte sie nicht wirklich geglaubt das es existierte. Sie hatte es immer für ein Märchen gehalten...
Die Erkenntnis das dies nicht der Fall wahr ließ Mika auf die Lippen beißen. Also hatte dieser Norngarder Narr tatsächlich das Schwert als Siegesprämie fortgegeben, an Walter von Sangenwalde. Von Neuem wog sie das Schwert in den Händen. Ein erstauntes Lächeln breitet sich auf ihren Lippen aus. Das Nedra Schwert war wieder zurück in die Welt gekehrt. Dies war ohne Zweifel ein Zeichen ihrer Göttin! Aber was wollte Nedra das sie damit tat? Weiter reichen an Tannjew von Wiesenquell, den wahren Herrn von Norngard, einer wichtigen Figur des Widerstandes? Das Schwert würde ihm vielleicht die Hoffnung und den Mut für seine Entscheidungen geben, die er momentan so dringend brauchte. Immer vorausgesetzt, sein Glaube in Nedra wäre stark, denn sonst würde das Schwert ihn vernichten, wie einst seinen Träger Aelfwyn. Oder aufheben und auf den richtigen Moment warten? Aber wenn dieser Moment jetzt nicht wäre, wann dann?
Eine Schwere legte sich auf ihre Schultern, gefolgt von einem TIEFEN Seufzer. Nele oder Salome hätten sicher sofort gewußt, was nun zu tun wäre! "Nedra, was willst du von mir... wie kann ich deinen Willen ausführen, wenn ich keine Ahnung habe, WAS er ist", seufzte die Novizin unglücklich. In diesem Moment stieß der Wind das zweite Bündel um.
Als Mika den dunklen Stoff enfernt hatte hielt sie eine Art Urne in den Händen. Mit Blättern und einem Drachkopf verziert. Ein geflochtenes Band in schwarz/grün war darum gewickelt. Mika runzelte die Stirn. Wenn sie sich nicht täuchte nannte man so etwas ein Minneband?Gunstband? Eigentlich hatte sie nicht wirklich Ahnung von solchen Dingen, aber ganz naiv war sie ja nun auch wieder nicht...
Neugierig öffnet sie den angeschlagenen Deckel. Zwei Schriftstücke und ein weiteres Gunstband befand sich im Innern. Mika entfaltete vorsichtig eines davon. Es wahr ein handschriftlicher Brief von Walter von Sangenwalde und begann ihn zu lesen. Erst überflog sie den Brief, dann holte sie die kleine Lampe näher heran um dieses Mal genauer zu lesen. Was sie da laß würde Tannjew mit Sicherheit interessieren. Das sie diesen Brief gefunden hatte bedeutet, dass Walter von Sangenwalde, gar nicht in diesem Grab gelegen hatte sondern dieses Grab nur zum Schutz der befindlichen Informationen diente. Eine Welle der Erleichterung überkam Mika. Sie hatte also nicht wirklich ein Grab entweiht, sondern nur etwas in der Erde herum gegraben... Ein klein wenig schlechtes Gewissen ließ sich allerdings davon nicht überlisten.
Mika entfaltete das zweite Schriftstück, überflog es. Laß es noch einmal. Faltete es zusammen, blickte auf den See hinaus und schüttelte bedächtig den Kopf "DAS kann nicht wahr sein...",flüsterte sie leise mit einer ungläubigen Mischung aus Entsetzen,Furcht und Freude. Dann entfaltete sie das Dokument noch einmal um es abermals zu lesen. Dann faltete sie es sorgsam wieder zusammen und legte es zurück in die Urne zu den anderen Dingen. Beschützend schlang sie die Arme um die Urne. Jedes Gefühl schien für den Moment aus ihr gewichen. Ihr Kopf wahr niemals so klar gewesen wie jetzt. "Nedra. Herrin des Waldes. Herrin des Wildes. Tochter der Natur. Ich danke DIR für Deine Führung, die mich zu diesem Ort gebracht hat. Ich danke DIR für dein Vertrauen. Ich danke DIR für Deine Liebe die du mir durch diese Wahrheit erweist. Jetzt. Hier, zu diesem Zeitpunkt, erneure ich meinen Schwur, dir mit meinem ganzen Wesen zu dienen. Mich deiner Gerechtigkeit zu beugen und die Freiheit der Wälder unter die Menschen zubringen die du uns gewährst." Mika beugte demütig den Kopf in Richtung des Waldes. Die Urne umklammernd saß sie eine ganze Weile schweigend auf dem Steg und blickte in Richtung des Waldes.