25. Tag des 11. Mondes 257 n.J.
Seit fast zwei Tagen schon hatte Tannjew sein Zimmer nicht mehr verlassen. Fast stündlich klopfte es an seiner Tür, weil irgendjemand ihn sprechen wollte. Mal ging es um die Mauern, dann um Kunde über die bevorstehende Ankunft der Flüchtlinge in ihrem Winterlager, gerade eben ließen die caldrischen Ritter erneut nach seiner Antwort auf den Brief ihrer königlichen Hoheit warten und zwischendurch wollte Robert immer wieder in sein Zimmer stürmen. Tannjew war aber nicht nach Reden zumute. Im Augenblick wollte er nicht einmal seine Schwester sehen. Wo blieben diese verlotterten Zigeuner? Offensichtlich würde er eine Entscheidung fällen müssen, ohne den Rat von Katinkas Karten.
Erneut betrachtete er die feine Schrift auf dem schneeweißen Büttenpapier, dessen Ende die Unterschrift Loennas und das königliche Siegel zierten. Konnte er seinen Vertrauten den Inhalt dieses Briefes verschweigen? Wohl kaum. Diesem von Wenzel stand das Wissen ob des Inhalts dieses Briefes in den Augen geschrieben. Er würde es sicherlich genießen ein unachtsames Wort fallen zu lassen. Und sollte er den Brief missachten würde die Königin früher oder später kund tun, was sie von ihm verlangt hatte.
Aber wieso zweifelte er so? Dieser Brief barg Vergebung und Anerkennung. Doch auch Schmach und die Aufforderung, vor versammelten Hofe um Vergebung für seine Taten zu betteln. Sollte er sich für die Königin entscheiden und ihre königliche Gnade erfahren? Oder weiter seinen Weg beschreiten, aus dem Stand seiner Väter enthoben, vogelfrei vor Kaiser und Königin? Er würde sich ohne Katinkas Karten entscheiden müssen...