26. Tag des 10. Mondes 259 n.J.
Der Herzog stand erneut gedankenversunken vor dem großen Familienportrait, das vor sieben Jahren entstanden war. Sein Blick wanderten zur Gestalt von Richard, seinem Bruder, der am rechten Rande des Gemäldes aufrecht stand und eisern den Betrachter anblickte. Oh Bruder, wieso bist du bloß in den Wald von Arden gezogen? Ich vermisse deine weisen Ratschläge. Der Herzog schüttelte kurz den Kopf und wandte sich ab, ohne nochmal einen Blick über die gezeichneten Züge seines Sohnes gleiten zu lassen. Sonst, so wusste er ganz genau, würden sich wieder diese Fragen in seine Gedanken schleichen: Wenn Athorn noch leben würde, wie würde er jetzt aussehen? Wäre er selber schon Vater geworden? Und...
"Euer Durchlaucht! Eine dringende Botschaft aus Brega!"
"Was gibt es?"
Der Berater des Herzogs räusperte sich kurz und machte eine Geste, die den Pagen des Herzogs befahl, sich außer Hörweite zu begeben. "Mein Herr, eine Brieftaube aus Brega ist soeben eingetroffen. Die Botschaft ist knapp gehalten und besagt, dass es der Reichsgarde gelungen ist einen Rebellen widerstandslos in Gewahrsam zu nehmen. Er hat sich freiwillig gestellt und verlangte, zu euch gebracht zu werden."
"Ich verschwende meine Zeit nicht für Überläufer."
"Natürlich nicht, Euer Durchlaucht. Allerdings handelt es sich nicht um irgendeinen Rebellen sondern um ein ranghohes Führungsmitglied."
Es wurde still. Es vergingen an die zehn Herzschläge und das Gesicht des Herzogs wurde immer finsterer.
"Euer Durchlaucht?"
"Verdammt, muss ich Euch jedes Wort aus der Nase ziehen? Wer ist es und weshalb will er mich unbedingt sprechen?"
"Oh verzeiht. Es handelt sich um Tannjew von Wiesenquell", stieß der Berater hastig hervor. "Seine Beweggründe sind mir aber unbekannt. Womöglich wird er sich aber den Folterknechten seiner kaiserlichen Hoheit anvertrauen."
"Dann sorgt dafür, dass ihr etwas mehr herausfindet! Und nun geht mir aus den Augen!"
"Jawohl, Euer Durchlaucht!"