Plötzlich schrak Lorainne aus ihrem tiefen, traumlosen Schlaf hoch.
Im Schlaf waren ihre Gedanken endich zur Ruhe gekommen und so fiel es ihr siedenheiss ein: In ihrem Kistchen, dass ihr Schreibzeug beherbergte, hob sie allerlei Tand auf, der ihr wichtig erschien. Auch ihre Ritterfiguren aus der Kindheit, die Simon in einem seiner Wutanfälle mit schwerem Stiefel zertreten hatte, Briefe von ihrer Familie, ein Band mit Gedichten, das Gedicht von Damian, ihr Testament, ihr Tagebuch.
Es war vollgekritzelt, sie war noch nicht dazu gekommen, ein neues zu beginnen. Wenn William ihr so nah gestanden hatte, wir ihr alle glauben machen wollten, dann musste sich darin doch etwas über ihn finden lassen, nur eine Kleinigkeit.
Leise stand sie auf und entzündete eine einzelne Kerze, um Simon nicht zu wecken, der mittlerweile ruhig atmend auf seinem Lager schlief. Die Flasche neldanischen Brandys stand noch so auf dem Tisch, wie Lorainne sie hingestellt hatte, also hatte er nicht erneut getrunken.
Erleichtert atmete sie auf "Tout devient bon un jour..."
Sie fischte ihr Tagebuch heraus und begann zu lesen und ihre Erinnerungen aufzufrischen. Sie erinnerte sich an Dinge, die sie längst vergessen glaubte, lächelte manches Mal verträumt vor sich hin, beweinte andere Male den Tod ihr nahestehender Menschen.
So fand sie endlich einige kleinere Einträge zu William, wie stattlich er war, wie er sie zum Lachen brachte, wie er mit ihr herumstritt und ihr sein Schild zum Schutze bot. Und doch löste das nichts in ihr aus, kein Erkennen, kein Erinnern.
Er war nach wie vor ein Fremder für sie, der Platz, der ihm in ihrem Denken und Fühlen gegolten haben musste, war leer und mit nichts zu füllen.