Autor Thema: Kriegstagebuch des Schreibers des Herrn von Creytz:  (Gelesen 2589 mal)

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4. Tag des dritten Mondes

Mein Herr hat mich angewiesen, diese Zeilen zu verfassen, auf dass ihre imperiale Majestät und all ihre treuen Untergebenen unsere Taten in schriftlicher Form erfahren können.
So beginne ich den nun, während Alamars Auge den Horizont erklimmt und die dunklen Schatten der Nacht vertreibt. Um mich herum flattern die Fahnen der Firngarder im Wind, im Lager höre ich die Rufe der Priester, die die morgendlichen Beschwörungen durchführen. Der kalte Wind, der sich wie das Heulen Tiors anhört, erscheint wie ein Vorzeichen.
Mein Herr ist angekleidet und wir machen uns auf, zur Imperatorin.

Die Besprechung war lang und heftig. Immer noch ist sehr unklar, wie sich die herzöglichen Truppen postieren werden. Aber sie werden sich postieren und gegen die Vorschläge aus Firngard und Valkenstein wird die Königin ihre Reiterei neben der des Herzogs stehen lassen. Noch scheinen die Voranenburger dem Sohn ihres Grafen und Hohepriester Alamars zu folgen, aber wie lange noch, ist ungewiss. Der Graf selber schien oft Rücksprache mit dem Vertreter des Herzogs zu halten. Die Valkensteiner scheinen kampfesgierig zu sein und bereit, mit ihren Yorkschen Unterstützungstruppen die Mauer im Sturm zu nehmen. Wieviele Truppen und Parteien bei dieser letzten Besprechung anwesend waren! Wie kann, allen inneren Streitigkeiten zum Trotz, der Pilgerzug bei so etwas verlieren.
Mein Herr ist immer noch unzufrieden mit der Rolle, die ihm zugeteilt wurde. Er würde lieber sofort kämpfen. Aber es ist klar, wir Firngarder werden die grosse Last tragen.

Während Simon de Bourvis mit seinem kleinen Stosstrupp abgerückt ist, beobachten mein Herr und ich die Aufstellung der Truppen. Herrlich. Vor den übrigen Pilgerzugstruppen die kampfwütigen Valkensteiner, in ihren schwarz-weissen Farben weithin sichtbar, an ihrer Seite ein kleiner Trupp schwerstbewaffneter Zwerge. Am rechten Flügel die Voranenburger und im linken Flügel die Milizen aus Fanada, Taga, Brega und die Warzenschweine aus Grenzbrück. Im Zentrum, hoch zu Ross und mit den Fahnen der Götter über ihnen wehend, die Ritter der Königin und des Herzogs, wohl ein letztes Mal vereint im Kampf. Bei der Imperatorin ist eine grosse Abordnung Grenzbrücker Ritter, über deren Köpfen die Hohenstadener und die Grenzbrücker Fahne flattert. Mein Herr teilte mir mit, dass dies die ordentliche Unterstützung aus Grenzbrück ist. Seine Aussage wundert mich nicht, als imperiumstreuer Ritter kann er die dem Tangarianer Ferdi Weidenfels folgenden Warzenschweine nicht leiden. Und hinter ihnen die vielen Fernkämpfer und Plänkler. Die Wächter des schwarzen Mondes, andarrianische Stammeskrieger, yorksche Bogenschützen und viele Novizen und Heiler. Und nun erheben sich die Gesänge der Priester, die die Truppen segnen, ein vielstimmiger Chor an die Gegner. Mein Herr murrt, hinter ihm seine Ritter. Sie wissen, hier ist nicht ihr Kampf.
Der erste Angriff geht von der linken Flanke und einer Truppe Magier aus. Sie stürmen auf die Löwenburg zu und ich sehe gewaltige Feuerblitze und Pfeilhagel. Janus Phönixflug, so heisst wohl ihr Anführer und sie führen den Plan, den Feind zur Verteidigung der Burg zu zwingen, wohldurchdacht aus. Doch der Feind ist nicht untätig. Statt der erwarteten Truppen, die aus Engonia ausrücken, scheinen die Verteidiger der Löwenburg Käfige herabzulassen. Es sieht so aus, als ob Wölfe dort drin gefangen sind!
Mein Herr keucht auf, als er dies sieht. Hungrige Wölfe, die sich in die ungerüsteten Beine der Tangarianer verbeissen, ein wahrhaft tiorscher Schachzug von Barad Konar. Nun bleibt es wohl erst recht in der Hand der tapferen Truppen von Robert McManahugh.

Nachdem sich die linke Flanke ein wenig zurückgezogen hat, beginnt der grosse Angriff. Gedeckt durch nicht endendes Feuer der Yorkschen Schützen rücken die Valkensteiner langsam vor. Robert McManahugh ist an vorderster Stelle und hilft denen, die fallen, wieder auf, wie man aus der Ferne erkennen kann. Und während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich sie das erste Bollwerk passieren. Und nun öffnet sich das Tor von Engonia und eine ganze Einheit der Lupus Umbra marschieren heraus. Irgendetwas passiert dort, ich kann es nicht sehen, aber der Kampf hat eine merkwürdige Pause eingelegt.

Ein Bote hat die Imperatorin und damit auch uns, die wir neben ihr auf dem Feldherrenhügel stehen, unterrichtet. Die Valkensteiner haben sich nach der schicksalsschweren Begegnung erst zurückgezogen und sind dann unter der Führung ihres schwerverletzten Anführers Robert McManahugh doch noch über eines der Bollwerke hergefallen und haben es erobern können und verschanzen sich dort. Doch nun schreibe ich nieder, wie es mir berichtet wurde. Offenbar war niemand anderes als Barad Konar selber in dem Augenblick am Nordtor, als die Valkensteiner angriffen. Robert, dieser mutige und sturköpfige Ritter, beleidigte und beschimpfte ihn als Feigling, worauf hin Barad Konar das Tor öffnen liess. Der darauffolgende Kampf war kurz und blutig. Robert gab, allen Berichten nach, sein Bestes, aber nachdem Konar ihm mit einem brutalen Rückhandschlag von den Beinen fegte und ihm dabei den Kiefer brach, war jedem Zuschauer klar, wie der Kampf ausgehen musste. Man muss Sir Robert zugestehen, dass er wieder aufstand, aber ohne richtig hinzusehen hat Konar ihm mit einem Schlag seines Streitkolbens wohl den Waffenarm gebrochen, um ihn dann mit einem mächtigen Tritt zurückzuschleudern. Sir Robert stand, mit der Sturheit seines Volkes gesegnet, ein weiteres Mal und rannte, den Kopf gesenkt, auf seinen Feind zu. Das Krachen soll wohl in die hintersten Reihen hörbar gewesen sein. Für einen Moment, so berichtet der Bote, sollen die Valkensteiner wohl Hoffnung gehabt haben, aber dann hat Konar nur gelacht und meinte – ich gebe hier aus zweiter Hand wieder – wohl: „Tapfer und dumm! So werdet ihr Engonia niemals bekommen. Aber geh nun, Valkensteiner. Wegen dir werde ich deine Soldaten schonen.“ Konar hat sich wohl umgedreht und die zwei treuen Schatten Sir Roberts, Varim und Gerhardt, haben diesen in Sicherheit gebracht. Der Angriff ist allgemein ins Stocken geraten, aber unser Ziel ist erreicht. Barad Konar wird sich auf diesen Abschnitt der Mauer konzentrieren und unseren Angriff nie kommen sehen.

Von Creytz hat soeben die Nachricht erhalten, dass die Knappin Lorraine sicher an der Akademie angekommen ist. Offenbar ist dort tatsächlich Erion Barkwin, aber Simon de Bourvis ist zuversichtlich, bald gewonnen zu haben.

Die Imperatorin befiehlt die Nachtruhe. Morgen früh geht das Schlachten weiter. Mein Herr ist froh, denn morgen wird seine Lanze endlich Nahrung erhalten.


5. Tag des dritten Mondes

Diesmal geht Alamars Auge über einem blutgetränkten Feld auf. Wie ich erfahren habe, sind die Zwerge zur Unterstützung der Valkensteiner geschickt worden, damit sie die Tunnel erobern können. Der restliche Pilgerzug begibt sich in die Stellung von gestern, in der Hoffnung, dass die Condrianer schnell machen. Nur die Wächter des schwarzen Mondes unter ihrem Kommandanten Nicolas, die Ahrnburger Ritter, die einst Brega eroberten unter dem Kommando von Hegenbrecht, einige Ainepriester und unsere condrianischen Verbündeten machen sich bereit, mit Hilfe der goldenen Kugel, die im Morgengrauen zum Tross kam, auf magische Weise zu dieser Akademie zu reisen. Mein Herr und ich werden das auf dem Rücken der Pferde machen.

Der Ritt durch den lichten Wald im Westen Engonias war angenehm. An unserem Haltepunkt haben wir einige Ahrnburger Ritter und Jeldriken getroffen, unter ihnen Ralf von Krähenbroich. Da mein Herr sie kennt, hat er sie überzeugen können, mit ihm gemeinsam zu kämpfen. Sie scheinen Respekt vor ihm zu haben, wegen Brega und Ahrnburg, auch wenn sie seine Entscheidung, der Imperatorin zu folgen, absolut ablehnen.
Wir sind in Position. Nun beginnt das lange Warten auf das Signal im Norden. Lorraine hat sich zu uns gesellt, sie berichtet, dass unsere condrianischen Verbündeten aufgebrochen sind. Die Boten, die uns regelmässig erreichen, sprechen von vorsichtigen Kämpfen im Norden, die Imperatorin hält sich zurück. Die Löwenburg wurde wieder angegriffen, dabei erlitten die Magier wohl schwere Verluste. Einem Bericht zufolge musste sich ihr Anführer mit einer Pfeilwunde im Bein vom Schlachtfeld tragen lassen. Diese Burg ist nur einmal bisher gefallen, ich beginne zu glauben, dass auch dieses Mal die Wundertat des Brüderkrieges nicht wiederholt wird. Die Valkensteiner scheinen wohl leichte Fortschritte zu machen in der Erkämpfung der Tunnel.

Die Akademie steht unter schweren Angriffen. Offensichtlich haben die Truppen Konars am gestrigen Abend mitbekommen, dass sie erobert wurde. Mein Herr ist nur schwer zu zügeln, er würde gerne seinem Freund Herr Simon zu Hilfe eilen. Aber sie halten aus und seine Mission ist wichtig. Die Wächter des schwarzen Mondes und die Ahrnburger Pilger um Hegenbrecht sind aufgebrochen. Hoffentlich gelingt das Unterfangen dieser condrianischen Magier.

Gerade kam ein weiterer Bote. Flüchtlinge sind an der Akademie angekommen, Milizionäre, die ihre Waffen aufgegeben haben und von den Condrianern verschont wurden. Gut, dass auch Fremde in unserem Land sich so um unsere Brüder und Schwestern kümmern. Gerade eben kam ein weiterer Bote, die Imperatorin hat vorsichtigen Vormarsch... Das Feuer! Der magische Turm feuert! Wir reiten!


Ich schreibe diese Zeilen, eingeklemmt zwischen dem Kadaver eines toten Pferdes und einer Hausmauer. Wir ritten wie der Wind und in diesem perfekten Moment spürte ich die Kampfeslust, die meinen Herrn ergriffen hat. Neben ihm die Knappin Lorraine und der Jeldrike Ralf von Krähenbroich. Jeldriken, Ahrnburger und Firngarder vereint im Kampf! Was für ein erhebender Augenblick das war und ich hätte mir gewünscht, er hätte ewig gewährt. Wir preschten auf die Mauer zu, in der Ferne sahen wir die zurückkehrenden Condrianer. Vor uns die Bresche, wo sich Nicolas und seine Männer bereits darum kümmerten, sie zu erobern. Der erste Schreck, der mich durchfuhr, als ich sah, dass die Bresche so klein erschien. Sollte sie nicht grösser sein, dachte ich mir. Nun gut, mit einem lauten Schrei durchbrachen wir die Reihen der gegnerischen Truppen. Überall um mich herum blau und schwarz, vereinzelt die Farben unserer Verbündeter. Wir kamen auf einen grossen Platz und hinter uns strömten die übrigen Ritter, langsamer als geplant. Der Druck, den wir aufbauen wollten, der uns einen verlustfreien Sieg erlaubt hätte, weg.
Ich sehe diese Szenen immer noch vor mir: Ein schreiender Hauptmann des Lupus Umbra, ein gezielter Streich von Ralf von Krähenbroich, eine Salve Bolzen und ein Ahrnburger Ritter, der sich vor den Jeldriken wirft, ein wütender Ansturm der Jeldriken gegen den feigen Schützen und ein Wald von Speeren, der viele von ihnen von den Pferden schleudert. Ein Ruf von meinem Herrn und dann ein wilder Ritt in den Feind. Auseinanderflüchtende Feinde, von den Hufen der Firngarder zertrampelt. Eine zweite Linie Lupus Umbra, schwer gerüstet, die sich aufstellt, am Ende des Platzes. Ritter, in blau-weiss und blau-gold und in den vielen Farben Firngards, die sich ihnen gegenüber stellen. Tiorspriester, die in den kommenden Reitersturm Feuerblitze werfen und das Zurückweichen der blau-schwarzen Linie. Speere, die im Feuerschein aufblitzen, einfache Milizionäre. Mein Herr fällt, Lorraine neben ihm. Ein gehauchter Befehl von ihm an sie, ein wilder Ritt, der sich im Dunkel verliert.
Mein Herr, der unter Schmerzen wieder aufsteht. Lorraine, die im Dunkel an uns vorbeieilt und meinen Herrn nicht mehr sieht. Die Ritter, die schon den Senatspalast erobert glaubten, die zurückweichen. Mein Herr hält die Linie um sich herum, die Ritter kämpfen um sein Banner zu Fuss weiter. Über uns wird der Himmel schwarz, gesprenkelt mit Aines Lichtern und die hinter uns herströmenden Infanteristen verteilen sich in die Gassen. Da kommt Kassandra mit einer heulenden Meute Tiorsfanatiker, die sich wild in den Feind stürzen und mit blossen Händen Gesichter aufreissen. Wir kämpfen in den Strassen, das Blut spritzt. Ein Jeldrike, der ein Schwert durch einen Soldaten stösst, der mich angreifen will. Ralf von Krähenbroich, wie sie wütend widerspricht, als er zurückgeschickt wird, aufgrund seiner Verletzungen. Und dann mein Herr, wie er einen Ritter der gegnerischen Seite zum Duell fordert, der die Lupus Umbra zu organisieren versucht. Ein Kampf, wie er von den Barden besungen werden sollte und schliesslich schafft mein Herr es, durch die mächtige Rüstung seines Gegners sein Schwert zu stossen. Doch über seinem Gegner bricht auch er zusammen, von zuvielen Schlägen getroffen und immer noch verletzt durch den Sturz. Sein Schwert reisst er noch heraus und mit brechender Stimme fordert er zum Angriff auf. Verängstigt durch den Verlust ihres Anführers schwanken die Gegner und wir vertreiben sie aus den Gassen. Ich halte meinen Herrn in den Händen, diesen grossartigen Kämpen.
Und nun sitze ich hier, mit dem Blut meines Herrn bedeckt und führe seinen Befehl aus: Aufzuschreiben, was geschieht. Die Nacht ist kalt, die Kämpfe haben aufgehört. Morgen geht es weiter.


6. Tag des dritten Mondes

Eine Stille liegt über der Stadt. Die Gerüchte lauten, dass Barad Konar tot ist. Was kein Gerücht ist, ist die Öffnung des Nordtors durch die überlebenden Wächter und Tiorsfanatiker. Dadurch konnten unsere übrigen Truppen in der Nacht noch in die Stadt eindringen und die Kaserne umzingeln. Wir warten jetzt auf das weitere Geschehen. Ich für meinen Teil bin des Blutes müde.

Soeben sind Herr Simon und die übrigen Eroberer der Akademie an mir vorbeigezogen. Ich konnte es nicht glauben. Zwischen ihnen wurde die Leiche Barad Konars getragen! Vorneweg stapfte dieser Kassos Blutklinge, ein Priester Tiors. Ich habe gehört, dass er Firngarder ist, ja sogar aus Bourvis. Unglaublich. Sie gehen laut rufend durch die Strassen und verkünden den Tod Konars, nahezu all die Priester, die einst den Pilgerzug ausriefen: Damian, Kassos, Rania, Lalaith. Und die Lupus Umbra kommen aus den Barrikaden. Überall flammen kleine Kämpfe auf, als sich einige ergeben wollen und andere nicht. Und ich bekomme mit, dass eine Pilgerzügler so voll Zorn sind, dass sie die sich Ergebenden umbringen wollen.
Gerade sah ich einige Waffenknechte, die einen gefangenen Soldaten drangsalieren wollten. Einer aus Herr Simons Gefolge hat sie mit wütenden Worten und einer vorgehaltenen Bardiche davon abgehalten. Ich hörte, wie einer seinen Namen rief, Vanion heisst er wohl.

Die Imperatorin und ihre Getreuen sind von Norden her in die Stadt gekommen. Am Senatspalast hat sie die Leiche Konars überreicht bekommen. Nur kurze Zeit später kam ein Ritter der Lupus Umbra aus dem Palast und ergab sich. Ihm wurde Abzug gewährt, sofern seine Soldaten und er jede Rüstung und jede Waffe ablegen. Er hat dieser Bedinung zugestimmt. Dafür danke ich den Göttern. Wir alle sind des Kämpfens müde. Bruder hat Bruder getötet. Hoffentlich ist nun alles zu Ende.

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