Vanion straffte sich. "Hohe Richterin Falcone, sämtliche Anschuldigungen sind nicht wahr." Ein Raunen ging durch den Saal. "Es hat kein Mord stattgefunden. Ich habe die Leiche des Ritters nicht ausgeraubt, noch habe ich sie unter einem Misthaufen verscharrt, wie die Schreiberlinge behaupten." Er legte die Hände auf den Tisch.
"Im letzten Winter befand ich mich in einem Dorf namens Schlagbaum, recht abgelegen im Westen Fanadas. Ich war fast das ganze letzte Jahr dort gewesen. An einem kalten Winterabend saß ich in der Dorfschänke und trank mein Bier, als ein alter Ritter hereinkam. Irgendwann entwickelte sich ein Gespräch, ich erfuhr seinen Namen: Konrad von Hirschsprung. Aus dem Gespräch wurde ein Streitgespräch um die Geschehnisse des Pilgerzuges, um meine Rittermutter, um die Götter selbst. Wir argumentierten immer schärfer gegeneinander, bis er schließlich eine Herausforderung aussprach. Er sei bereit, über meinen Stand als Knappen hinwegzusehen. Also kämpften wir. Ich gewann." Der Saal war totenstill.
"Ein Mann namens Felix Tauler, der auch hier als Zeuge anwesend ist, ist nach Schlagbaum gereist. Er hat mit dem Wirt gesprochen, mit anwesenden Gästen, und er kann wiedergeben, was sich wirklich zugetragen hat." Vanion beschloss, direkt weiterzumachen. Er hoffte, dass man Felix Glauben schenken würde. Zur Not schien Felix aber noch etwas in der Hinterhand zu haben.
"Er kann ebenfalls bestätigen, dass die Leiche des Herrn Ritter auf dem Friedhof in Schlagbaum beerdigt wurde. Ich selbst sprach in Lavinias und Alamars Namen die letzten Worte für seine Seele." Jetzt wurde es schwierig. "Konrad von Hirschsprung wurde mit all seinen wenigen Habseligkeiten, mit seinem Schwert auf der Brust bestattet. Einzig seinen Wappenrock nahm ich an mich, um ihn dem Orden Jeldriks in Engonia zu überreichen, mit Nachricht von diesem unseligen Duell. Auch dafür habe ich Bürgschaft." Der Knappe zog den Brief hervor, den Kassos' Bote ihm gebracht hatte und überreichte ihm einem Gerichtsdiener, der ihn zur Richterin brachte.
"Knappe Vanion,
wir möchten Euch danken dafür, den Heiligen Orden der Jeldriken (ehemals zu Ahrnburg) zu Engonia vom ehrenvollen und doch verfrühten Tode des Streiters, Ritters und bescheidenen Dieners Jeldriks Konrad von Hirschsprung zu unterrichten. So sehr der Orden es bedauert, ein altgedientes Mitglied verloren zu haben, so sehr weiß er jeden zu schätzen, die Jeldrik und die Seinen mit Respekt und Anstand begegnen.
Daher soll dieses Schriftstück bezeugen und bestätigen, dass Ihr, Vanion Bachlauf, Knappe der Chevalière De La Follye, keinesfalls ein Leichenschänder oder gar Grabräuber seid, sondern vielmehr ein aufrechter Mann, der dem Orden den Wappenrock eines seiner Streiter zurückbrachte.
Wir hoffen, dass Jeldriks Geist Euch stets begleite und über Eure Taten wache, im Guten wie im Schlechten, als Beschützer und auch als Richter.
Unterzeichnet:
Lirion Alstrom,
Schreiber und Sekretär des Heiligen Ordens der Jeldriken zu Engonia,
im Namen des Ordens und des Schutzpatrons Jeldrik,
verfasst zu Engonia im Juni 263 n.J."
Ermutigt durch seine eigenen Worte schloss Vanion mit fester Stimme:
"Ich bin kein Szivarspaktierer, kein mordender Kultist, wie es in diesem Schmutzblatt steht. Im Gegenteil! Ich kämpfte für die guten Pilgerzügler, ich war dabei, als Engonia an die Rebellen fiel und Konar starb. Ich war dabei, als der Schwarze Mond, ein Artefakt des Täuschers, zerstört wurde! Ich kämpfte im Arden gegen Kreaturen des Täuschers! Freunde von mir sind gefallen, die Geschichte der Sturmrufer sei hier nochmal benannt!
Und sollte mein Wort angezweifelt werden, so sind hier namhafte Männer anwesend, die für meinen guten Leumund bürgen: Ysander, ein Priester und Schwertbruder im Namen der Göttin Elja, sowie der Priester Kassos Blutklinge, Geweihter Tiors, einer der Priester, der den Pilgerzug gegen den Ursurpator Konar ausgerufen hat." Und nicht zuletzt spreche ich hier als Knappe einer caldrischen Chevalière. Aber das wäre nun wirklich unklug.. "Dazu kommt das Vertrauen der Valkensteiner Gardisten, die eine nicht unbeträchtliche Kaution für mich hinterlegten. Auch sie vertrauen auf mein Wort und meine Unschuld."