Der Städtebund von Tangara > Brega

Brega, 6. Tag des 10. Mondes, 263 n.J.

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Vanion:
"Nicht jeder verliert seine Seele, Anders." Vanion überlegte kurz, ob er einen Erklärungsversuch unternehmen sollte, doch er entschied sich dagegen. Der Knappe verstand von solchen Dingen nichts, und wenn er es genau nahm, waren solche Gespräche ihm selbst mehr als unheimlich.

"Wer weiß schon, was die Seele ist? Wassilij hat einfach nur zuviel erlebt, würde ich sagen. Belassen wir es dabei. Fakt ist, dass man ihm nicht vertrauen sollte, er vertraut sich nicht einmal selbst." Die offenen Worte taten Vanion nicht Leid, Wassilij würde das vertragen, da war er sich sicher.

"Was Lorainne oder Rania angeht - auch das ist etwas, was mir zu hoch ist. Meine Verantwortung war es, Lorainne zu finden, oder ihre Leiche zu begraben. In gewisser Weise habe ich beides getan, mal mit mehr, mal mit weniger Hilfe. Seelen zu heilen, Seelen zu finden, das ist etwas für die Priester, für heilige Männer und Frauen." Dieses Mal beschloss Vanion, seine Sorgen und Gedanken nicht für sich zu behalten.
"Rania liegt mir sehr am Herzen. Genau wie Lorainne. Doch beide haben ihre eigenen Probleme, Probleme, bei denen ich keine Hilfe bin. Ich habe meine Probleme gelöst, glaub mir das - ich war nach dem Ende des Bruderkrieges zerrüttet, und danach kam noch so mancher Schicksalsschlag, an dem ich fast zerbrochen bin. Es gab Momente, da wollte ich einfach wieder zu meinen Eltern zurückkehren und Bauer werden, so wie mein Leben ursprünglich verlaufen sollte. Selbst jetzt noch ist das nicht die schlimmste Zukunftsaussicht." Vanion gab sich ein wenig diesem Gedanken hin. Ein dralles Mädel heiraten, mit gesunden Hüften und großen Brüsten, blonden Haaren und einem breiten Lächeln? Noch mehr Kinder zeugen, ein wenig Land bestellen, in Frieden und Freiheit, nur ab und an die Abgaben an die Stadt bezahlen und von all dem Leid und der Last der Ereignisse unberüht sein Leben leben.. das hatte was!
"Das Seltsame ist, Anders, dass ich in den zwei, drei Jahren, in denen ich nun im Knappenstand bin, rein gar nichts gelernt habe, was einen Knappen auszeichnet. Im Gegenteil - erst der Bruderkrieg, dann die heilige Agathe, dann Lorainnes Verschwinden. Normalerweise wird man mit fünf, sechs, sieben Jahren zum Pagen, dann zum Knappen, dann zum Ritter. Ich bin ein später Knappe, weißt du? Und ich weiß noch nicht mal, wie man sich bei Hof benimmt. 'Hauptmann' ist vielleicht gar nicht die schlechteste Bezeichnung für mich."

Anders:
Das man Wassilij nicht trauen sollte tat die Kenderin mit einer Handbewegung ab. Ob sie jemandem vertraute oder nicht fand sie in der Regel erstmal selbst heraus und so würde es bei Wassilij nicht anders sein. Grundsätzlich vertraute sie erstmal jedem bis er sie vom Gegenteil überzeugte. Da halfen auch alle gut gemeinten Worte nicht.
Na gut, Orks vertraute sie nicht und auch bei Magie war sie meistens eher vorsichtig. Aber das hier war was anderes.

Als Vanion geendet hatte blickte sie ihn mit schief geneigtem Kopf an.
"Dann hast du den falschen Lehrer!", stellte sie fest und nickte nochmal wie um ihre Worte zu bestätigen. "Wenn du in den Jahren nichts gelernt hast, dann liegt das meistens immer zuerst am Lehrer, dann am Schüler und dann an der Umwelt. Immerhin hast du Ahnung wie man Leute führt und zusammen hält, das ist doch schon mal was oder? Weißt du noch was du nach dem Überfall der Söldner zu uns gesagt hast? Du hast gesagt, dass es dir aber jetzt nicht mehr um das Geld geht sondern nur noch darum Lorainne zu finden, eigentlich ja schon von Anfang an und das alle die Auf Geld aus sind verschwinden sollen. Du hast aus einem einfachen Job eine Ehrensache gemacht und alle sind geblieben. Du weißt wie man mit Leuten Umgeht, und das ist viel wichtiger als der Höfische Seiltanzakt."
Das letzte hatte sie mal irgendwo aufgeschnappt und beschlossen es genau jetzt zu verwenden.
"Von daher bist du ein Hauptmann. Zumindest für mich und das ist für mich das einzige was zählt. Was deine Zukunft betrifft, wenn du was ändern willst dann tu es doch auch. Wie willst du alles vorhersehen. Kannst du Hellsehen? Ich jedenfalls kanns nicht. Wenn du unglücklich bist musst du was verändern. Nicht die Welt sich selbst.  Ihr Erwachsenen denkt immer so viel nach, lebt immer in der Zukunft.. ich versteh bloß nicht wieso?"
Sie zuckte wieder die Achseln und zupft kurz an einem ihrer Ohrläppchen.
"Ich meine Wassilij schafft es doch auch. Sich verändern meine ich. Und wenn mir was nicht passt änder ich es auch.

Das war nun wieder die ernste Seite die aus dem Kender sprach, jene die in ihrer Isolation im Wald entstanden war, jene die es ihr erlaubte klar und konzentriert nachzudenken und ihr so manches mal das Leben gerettet hatte.

Jetzt wannte sie sich wieder an Wassilij und der Kindliche Schalk kehrte in ihre Augen zurück.
"Mit seiner Laune macht er langsam Yorik Konkurrenz. Ich weiß nicht ob du ihn kennst aber du wirst ihn erkennen wenn du ihn mal siehst. Ihm folgen immer die schlecht Wetter Wolken." Sie kicherte leise vor sich hin bei dem Bild.

Wassilij:
Wassilij schaute wieder zum fenster hinaus. Beide konnten sein Gesicht und somit keine Regung darin sehen. Als er zu sprechen begann, war seine Stimme zwar leise, doch schnitt sie durch den kleinen Moment der Stille.

Kurz antwortete er Anders: "Ich kenne Yorik und habe ihm einen guten Rat gegeben. was daraus wird, liegt bei ihm."

Nach einer kurzen Pause sprach Wassilij weiter:

"Weißt du Vanion, du hast gelegentlich die Eigenschaft, in Selbstmitleid zu versinken. Sei glücklich mit dem, was du hast. Wie oft sind wir und vor allem du wieder aufgestanden? Du bist nicht weniger Wert als sonst jemand! was ist ein König oder Kaiser oder Imperator wert, der aus nichtigen Gründen in den Krieg zieht? Wie viele Menschen sterben dann? Wie viele Leben oder Freunde hast du gerettet? Mir hast du auch schon den Hintern gerettet! Männer wie wir, sind gut in dem, was wir tun.  Mein Meister lehrte mich viel. Weißt du was das schöne an Kindern ist? Sie sind so wunderbar einfach! Schenk einem Jungen einen Stock in Form eines Schwertes. Er wird diesen Stock lieben, Ritter spielen oder Krieger. Er wird von etwas in dieser Richtung träumen. Du hast es beinahe geschafft, diesen Traum eines Kindes zu voll enden! Freu dich über das, was du hast. Du hast eine Tochter, du wurdest geliebt. Das ist mehr, als die meisten in ihrem Leben erwarten können. Heiratet ein Adeliger aus Liebe? Wohl eher selten. Hör auf das zu betrachten, was du an Rückschlägen erlitten hast, sondern betrachte deine erfolge und arbeite an weiteren. Davon hast du genug. Mein Meister lehrte mich, dass das Leben eines Kriegers erst im Alter beginnt, wenn er das Schwert weg legt. Und daran ist viel wahres. Bleib dir selbst treu!"

Wassilij atmete kurz durch. "Anders, du hast dein Herz am rechten Fleck. Aber ich glaube nicht, dass du so weit bist, am Hofe Roqueforts zu spionieren. Du bist gut herzig, aber ein wenig zu leichtmütig. Deswegen befürchte ich, dass es dir nicht bekommen wird. Egal, wie mutig du  bist, kann dir genau das zum Verhängnis werden. Einen Augenblick der Unbedarftheit. Eine Frage zu viel, eine Antwort am falschen Ort und es kann dein Verhängnis sein."

Der Krieger schüttelte den Kopf und drehte sich um. "Wenn Roquefort dahinter steckt, werden wir das heraus finden. Aber nicht auf diese Weise. Und du Vanion, musst dir selbst ersteinmal darüber im Klaren werden, wer du bist! Ich weiß, wer ich war. Ich weiß, was ich in Szivars reich erlebt habe. Ich weiß, wer ich wieder sein will und werde. Darauf arbeite ich hin und ich mache einen Schritt nach dem Anderen und werde Stück für Stück der Alte. Was willst du Vanion? Wenn du Blut an den Händen hast, musst du damit Leben und mit den Gründen."

Vanion:
"Ho, nun mal langsam. Ich versinke nicht in Selbstmitleid!" Vanion grinste breit. "Im Gegenteil! Ich sag nur, dass diese Seelengeschichte etwas ist, wo ich keine große Hilfe bin. Das war ich schon nicht, als wir - naja, als wir dich da rausgeholt haben. Ich rede nicht davon, alles sausen zu lassen, wenn das so wäre, würde ich wohl kaum hier in einem Hinterzimmer sitzen und Verschwörer spielen. Ich weiß sogar noch besser, wer ich bin, als du jemals wusstest, wer du warst. Du bist derjenige, der philosophisches Abschweifen mit Selbstmitleid verwechselt." Nun zwinkerte der Knappe. "Ich mache mir nur Gedanken wegen Rania und Lorainne. Aber, ganz im Gegensatz zu Yorik, bin ich da tatsächlich optimistisch. Und ich akzeptiere die Möglichkeit, dass es eben nicht funktionieren wird, und versuche, auf meine Art etwas zu bewegen. Ich halte es für eine sehr gute Idee, Anders an Roqueforts Hof unter zu bringen. Vielleicht nicht gerade morgen, aber wenn Simon ohnehin dabei ist, mir Sachen beizubringen, und dabei noch Boniface und den kleinen Mann ein wenig erzieht, warum sollte sich nicht auch noch ein Kender an seinen Rockzipfel hängen? Ich meine, wir sollten ihn nicht gerade 'Kindermädchen' nennen, aber.."

Ein herzhaftes Lachen erfüllte den Raum. Vanion ging rasch zu dem kleinen Kamin hinüber und legte ein paar Scheite Holz nach, dann schürte er die schwach glimmende Glut, bis ein warmes Feuer den Raum erwärmte.

"Manche Ideen sind dümmer als andere, wohl war. Wassilij ist wohl kaum jemand, um einfach mal ein Bier trinken zu gehen, aber ich schon. Immer gewesen, nur in seltenen Momenten nicht. Aber eines gilt trotzdem: wenn Lorainne nicht geheilt werden kann - dann werde ich wieder Bauer."

Wassilij:
Wassilij's gesicht blieb ausdruckslos. "Vanion, du weißt, welchen Weg du später einschlagen willst. Aber du wirfst gerade Ideen hin und her. Wenn du über Roqueforts Beteiligung etwas heraus finden willst, muss das geschehen, bevor sich die Spur im Sande verliert. Wenn Simon euch alle in höfischen und kämpferischen Dingen unterweist, ist das hervorragend! Aber dann kann es zu spät sein. Meine Empfehlung ist es, entweder jetzt zu handeln und zu versuchen etwas heraus zu finden, denn selbst jetzt kann ich dir keine Garantie auf Erfolg geben. Aber dann läuft die Sache auf meine Art, weil ich davon mehr als genug verstehe, oder wir warten ab, was mit Lorainne geschieht und schlagen dann im Zweifel offen gegen Roquefort los. Letzteres heißt jedoch, dass wir heute kein Wort mehr darüber verlieren und einfach so mal ein Bier trinken!"

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