Der Städtebund von Tangara > Brega

Nach dem Frühlingsfest, 20. Tag des 3. Mondes 264 n.J.

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Mel:
Es war ein märchenhafter Morgen.
Vogelgezwitscher drang mit einem kühlen Hauch durch das geöffnete Fenster, während die Sonne ihr Gesicht wärmte. Lorainne zog die Decke über ihren Kopf.
Sie wollte noch nicht aufstehen und weiterträumen.

Das Gras war noch feucht, als sie barfuß drüber lief. An der alten Eich nach links, über das kleine Bächlein, das zur Zeit eher ein jämmerliches Rinnsal war und über das Feld. Da tauchte endlich das Haus vor ihr auf. der Torbogen, der nur während der großen Fehdenzeiten geschlossen worden war, bevor Fehden verboten wurden.
Das Haus war weiss getüncht, und aus dem Schornstein qualmte es.
Der Wind rauschte durch die Bäume und flüsterte ihr zu:"La Follye."

Doch jäh wurde sie aus ihren Träumen gerisen, als etwas mit weichem Fell auf sie sprang.
"Quoi?!" Lorainne schreckte hoch und griff instinktiv unter ihr Kissen nach dem großen Dolch, den sie von Simon bekommen hatte, bevor er sich von ihr verabschiedete:"Du bist nicht sicher. Schlaf lieber mit einem Dolch unter dem Kissen."

Es war nur die Katze, die auf ihr Bett gesprungen war, da sie von Leah quer durch das Zimmer gejagt wurde.
Lorainne liess sich in ihre Kissen zurückfallen und schickte ein Stoßgebet an Lavinia.
"Leah, pas chasse le chat!" Sie versuchte bestimmt zu klingen, doch die Zweijähre kümmerte sich nicht darum, sondern stellte der Katze weiter nach, die sich nun unter das Bett verkroch und das Kind gefährlich anfauchte.
Widerwillig kroch Lorainne aus dem Bett, nahm Leah auf den Arm und öffnete die Tür zu ihrer Kammer, was die Katze auch prompt zur Flucht nutzte.
Leah -ihres Spielgefährten beraubt- schaute Lorainne böse an und Lorainne schaute ebenso böse zurück.
Wer Leahs Abstammung nicht kannte, hätte sie beide für Mutter und Tochter halten können.
Lorainne stellte das Kind wieder auf den Boden und begann mit ihrem Vortrag, während sie wasser in die Waschschüssel goss und sich frischmachte.
als sie sich umdrehte, sah sie, wie Leah, die unterdessen auf das Bett geklettert war, etwas unter dem Kopfkissen hervorzog.
Mit einem Satz war Lorainne ebenfalls wieder im Bett und nahm ihr den Dolch aus der Hand.
"Das ist scharf, Du kannst dich daran verletzen..."
Leah nickte verständig "Letzen. Dann hab ich aua, ja? tut weh."

Bevor Lorainne irgendetwas auf die altkluge Bemerkung ihres Mündel erwidern konnte, klopfte es an der Tür.

Vanion:
"Mademoiselle, seid ihr wach?"

Vanion war selbst noch ein wenig müde. Mit der Zeit war es ihm zur Gewohnheit geworden, mit der Sonne aufzustehen. Er hatte bereits eine Klenigkeit gefrühstückt (doch war es nie zu früh oder spät für ein zweites Frühstück, fand er), Lorainne jedoch schlafen lassen. Weshalb auch wecken, es gab keine Eile, und Lorainne hatte ihm nichts Derartiges befohlen.

"Ich hab' Frühstück mitgebracht." Dennoch musste er kurz warten, bis Lorainne sich angemessen angekleidet hatte, dann betrat er auf Lorainnes Ruf das Zimmer. Frisches Obst, ein Kanten Brot, Wurst, Käse und Butter. Und natürlich verdünnten Wein. Auch an Leah hatte er gedacht, schmunzelnd steckte er seiner Cousine ein süßes Rosinenbrötchen zu, dick mit Marmelade beschmiert. "Sie ist wild, nicht wahr? Ein kleiner Wirbelwind!"

Mel:
Ein lautes Schnauben war seine Antwort.
"Wild ist gar kein Ausdruck. Ich hätte nie gedacht, dass Kinder.. SO.. sind. aller erzählen mir immer etwas von Lavinias Segen. So ein Humbug."
Lorainne funkelte das Mädchen an, das die Marmelade vom Brötchen leckte.
"Da, Brosinen." Die kleine Hand hielt Lorainne ein paar verklebte Rosinen hin. Erwartungsvoll schaute die Kleine zu ihr auf.
"Merci beaucoup cherie." Ein Anflug von Ekel war in Lorainnes Gesicht zu erkennen, doch sie nahm die Rosinen an und steckte sie sich tapfer in den Mund. Leah strahlte:"Mehr?"

"Non, cherie, assez!" Lorainne nahm sich einen Apfel und biss hinein, während sie Leahs klebrigen Händen auswich:"Ich glaube, wir müssen dich dringen Waschen. Schon wieder."

Lorainne setzte sich auf den Boden und zog Leah auf ihren Schoß, während Vanion die waschschüssel vor sie hinstellte, damit sie Leah säubern konnte.
Mit einem Kopfnicken deutete sie Vanion, sich auf den Stuhl zu setzen:"Wir müssen dringend mit deiner Erziehung anfangen. Du benimmst dich fast so schlimm wie ein York."

Vanion:
Das war uncharmant. Du heiratest immerhin einen. "Ja, mademoiselle. Courtoise war das Stichwort, nicht wahr?" Rasch hielt er die Hände vor's Gesicht, als Leah ihn nass spritzte. "Der gestrige Abend war miserabel, keine Frage."

Die Ironie war Vanion durchaus bewusst. Im Feld war er zu gebrauchen, wenn er eine Aufgabe hatte, wenn es etwas gab, worauf er sich konzentrieren konnte. Aber in Gesellschaft, sich ordentlich benehmen - er war nunmal als Bauer aufgewachsen, und der kam allzu oft durch. Und diese ..Marius-Angewohnheiten. Die Askarier hatten es da einfacher: wurde man Askarier, war die Vergangenheit vergessen. Aber die dämlichen Taten, die Vanion vor (und, um ehrlich zu sein, auch während und nach) dem Pilgerzug begangen hatte, holten ihn immer wieder ein. "Ich habe keinerlei Begriff davon, wie man sich bei Hofe beträgt. Ob und vor wem man sich verbeugt, wie man wann jemanden anspricht.. all so etwas." Außerdem waren wir gestern in einer Kneipe, nicht am Hofe der Imperatorin. Aber das sagte er nicht laut, er verstand nur zu gut, worum es Lorainne am Ende ging.

Mel:
"Wir wollen ja auch nicht direkt an den Hof." Dort fühlte sie sich selbst schließlich nicht wohl. Soviele Zwänge, Regeln, Verbote.
Während des Krieges war vieles einfacher gewesen. Da wurde eher darauf geachtet, dass sie Kämpfen konnte, die Tugenden waren Nebensache gewesen.
Und die Courtoise hatte sie am meisten gehasst. Tanzen, Konversation betreiben...
"Beginnen wir mit etwas Leichtem. Lass das mit dem Singen, es soll schön sein, aber Du... "Lorainne verscuhte es diplomatisch zu umschreiben:"Dein Gesang klingt nicht so, wie er klingen sollte. Du klingst wie Damian, wenn er einen Becher Wein zuviel hatte. Oder wie ich... Nein, Singen ist wohl nicht unsere Stärke. Ein instrument spielen, oder zumindest Gedichte vortragen. Das sollte für das erste reichen."
Lorainne setzte sich in den Sessel und nahm Leah auf den Schoß, während sie weitersprach.
"Courtoise umfasst soviel. Knie nur vor der Imperatorin und vor den Göttern. Sei anderen Rittern ehrerbietig, verbeuge Dich, aber nicht zu tief. Je tiefer die Verbeugung, desto höher ist sein Stand. Manchmal reicht auch nur ein Nicken. Allerdings darfst Du dabei nicht vergessen, dass dies in der Regel der erste Eindruck ist, anhand Deiner Verbeugung kann er Rückschlüsse darauf ziehen, was Du über ihn denkst."

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