Lorainne sank ebenfalls in die Hocke, packte Vanion bei den Schultern und schüttelte ihn sacht.
"Bist Du wirklich so blind, dass Du das nicht siehst, dass genaus sie- Rania- eben das besagte Ideal genau erfüllt?" rief sie aus.
"Wer sonst, würde ein Kind des Täuschers -ein Monstrum- lieben? Liebe sollte selbstlos sein, rein, auch wenn derjenige, der geliebt wird, es nicht ist, n´est pas? Man liebt ihn trotz seiner Fehler. Egal, ob man selber geliebt wird oder nicht. Man will das beste für ihn, auch wenn es bedeutet, dass man den Schmerz ertragen muss, dass er einen nicht liebt."
Lorainnes Stimmer zitterte und verriet die unterdrückten Tränen.
"Dagegen kann man nicht ankämpfen, man kann nur versuchen, es zu ertragen, aber es ändert nichts an der Liebe. Sie ist trotzdem da, ob man will oder nicht... Rania- sie hat keine Bedingungen gestellt, sie hat das Kind trotz des Makels geliebt. Ja, sie hat sich auf einen Handel mit dem Täuscher eingelassen, aber nur am das Leben einer Freundin, die sie liebt, zu retten. Ohne Bedingungen zu stellen. Es war selbstlos. Das ist doch das Wesen der Liebe! Wer, wenn nicht Rania, handelt schon so... dumm?"
Lorainne holte tief Luft, bevor sie fortfuhr.
"Man tut manchmal schreckliche Dinge, weil man an sein Ideal glaubt, weil man versucht diejenigen zu schützen, die man liebt. Macht das die Liebe denn schlechter? Ist das dann ein Makel?"
Sie konnte Vanion verstehen. Die Erkenntnis, dass Ideale nur Ideale waren, dass man sie nicht erreichen konnte, war hart. Damals hatte auch sie diese Erkenntnis getroffen, dass Ritter oft wenig ritterlich waren.
SIe wusste, die nächsten Worte würden hart werden, doch sie hoffte, Vanion würde verstehen, was sie meinte.
"Wie kannst Du dir herausnehmen, über Rania zu urteilen, weil sie- den Makel, wie Du sagst- besitzt? Deine Liebe zu ihr ist nicht selbstlos, Du stellst Bedingungen. Du willst nur, dass Dir deine Idee der Liebe erhalten bleibt. Es geht nicht um Rania, nur um DEINE enttäuschten Vorstellungen, Dein enttäuschter Glaube. Aber man kann den Glauben wiederfinden- manchmal muss man nur etwas mehr suchen."
Mit einem Seitenblick auf Anders fügte sie lächeln hinzu:"Oder man wird gefunden."