Autor Thema: Die Geister die ich rief...  (Gelesen 3860 mal)

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Offline Nicole

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Die Geister die ich rief...
« am: 11. Jun 16, 20:28 »
Es war Samstag, einer dieser leicht drückenden Samstage an denen man nicht wusste ob es demnächst regnen würde oder klar bleibt.
Es war später Nachmittag, als ein Windhauch an Vanion vorbei ging. Der Wind war kälter als der Wind zuvor, doch dann passierte erst einmal nichts. Doch fühlte sich diese Art des Atem der Welt so unnatürlich an, dass es schien als würde er auf der haut liegen bleiben.
Dann sah man immer wieder 2 Augen, die beobachteten, welche aber nicht sofort entdecken konnte. Ab und an ein glockenhelles Lachen, welches doch so vertraut klang, aber dennoch weit weg. Etwas verfolgte Vanion, was mittlerweile klar war, die Frage war, wann er es entdecken würde.

Offline Vanion

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #1 am: 12. Jun 16, 14:53 »
Vanion zügelte sein unruhiges Pferd. Er war auf dem besten Wege, Damian und Lothar einzuholen - die beiden konnten nur noch einen, vielleicht zwei Tage vor ihm sein. Ein heftiges Unwetter hatte seine Reise verzögert, aber die letzten Tage hatte er zügig reisen können, den festen Straßen sei Dank.

Doch das, was hier grade geschah, war nicht natürlich. Hier waren keine Kinder im Wald, die spielten, und so kalt war der Wind bisher auch nicht gewesen. Kalt lief es ihm den Rücken herunter, und jäh durchzuckte ihn die Erinnerung an dieses kleine, geisterhafte Mädchen, das ihn besucht hatte. Noch stand die Sonne am Himmel, doch Vanion ahnte, was geschehen würde, wenn sie unterging. Innerlich verfluchte er Merle, und wo er grade dabei war, schickte noch eine deftige Verwünschung über Mina mit.

Sie gehören beide an eine Akademie. Ordentlicher Unterricht, das ist es, was sie brauchen. Vor allem Merle. Sie ist wahnsinnig, und ihre Fähigkeiten sind dennoch erschreckend.

Endlich stieg er ab. Seine Lagerstatt war schnell geschaffen, ein paar Äste mit dichten Blättern, über die er seine Pferdedecke schlug, und ein kleiner Steinkreis, in dem schon bald ein kleines Feuer prasselte. Ordentlich legte er seine Sachen zusammen, um rasch aufbrechen zu können. Das Kinderlachen und den Wind sperrte er angespannt aus, doch die Anspannung war ihm anzusehen. Nervös glitten seine Hände immer wieder über die beiden bunten Bänder, die von seinem Schwert baumelten: ein in allen Farben gesponnenes Band - und eines, das nur aus einer gelben und einer blauen Bahn bestand.

Als die Sonne ihre letzten Strahlen über die Baumwipfel warf, glitt seine Hand zu seinem Gürtel. Dort hing ein weißes Tuch, und seine Finger huschten über die dünne Stickerei hinweg, die auf dem Tuch zu sehen war. Er seufzte. Warum ich?
"LARP ist nicht ein Hobby, es sind mindestens acht oder so. Ich betreibe etwa fünf davon." RalfHüls, LarpWiki.de

Offline Nicole

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #2 am: 12. Jun 16, 22:55 »
Es war ruhig, zu ruhig und wenn er die Augen schloss würde er anschließend wieder dieses Kind neben ihm sitzen sehen.
Diesmal sang sie leise ein Lied mit folgendem Text:
"Ich hab ihn gesehen in reichem Gewand
Silber und Gold in seiner Hand
Es glitzerte blendete, leuchtete weit
über die Erde und durch die Zeit

Ich hab ihn gesehen in manchem Land
keine Schrift gelesen wo sein Name nicht stand
keine Sprache gehört die sein Wort nicht enthält
der König ist überall auf der Welt

Ich hab ihn gesehen in grauem Gewand
leise schleichend und unerkannt
ruhig flüsternd wenn er dir etwas verspricht
seine wahre Gestallt lässt er nicht ans Licht

Ich hab ihn gesehen in manchem Konflikt
in dem das Recht längst in Scherben liegt
zerredet, vernebelt in einem Ort
der König hat immer das letzte Wort

Ich hab ihn gesehen, meistens ist er ein Mann
er reitet an Mannen Grenzen entlang
er schreibt die Geschichte, er sitzt im Gericht
er ist die Gewallt, die die Träume zerbricht

Ich hab ihn gesehen, ermordet und brennt
mit ihm sein ganzes Volksregiment
Sein Kopf ohne Krone war seltsam verrenkt
Denn er war dort aufgehängt."

Danach lachte das Kind und sah ihn an.

"Vanion, du hast nichts gelernt… oder siehst du das anders?"

Offline Vanion

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #3 am: 12. Jun 16, 23:06 »
Er war nur kurz eingenickt, seine Augen waren zugefallen. Als das Lied begonnen hatte, dachte er erst, es wäre ein Traum, doch die Gestalt, die vor ihm war, war nur zu real. Ihn schauderte, und er schüttelte den Schlaf ab. Mit traurigen Augen erwiderte er den Blick des Kindes.

"Ein Kinderlied ist das nicht. Es ist ein trauriges Lied, das von Macht erzählt, und von Vergänglichkeit. Nichts, was du kennen solltest."

Er schüttelte den Kopf. "Ich hab viele Dinge gelernt. Und eines dieser Dinge ist, dass du nicht hierhin gehörst."
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Offline Nicole

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #4 am: 12. Jun 16, 23:10 »
"Ach Vanion, diskutieren wir schon wieder über das leidige alte Thema?"
Ihre Stimme war älter und reifer als sie es vorher war.
"Ich bin nicht gekommen um mit dir über das Wesen der Existenz und Tod und Leben zu diskutieren, ich will dich fragen ob du endlich etwas gelernt hast? Hast du in letzter Zeit vielleicht Entscheidungen getroffen, welche du bereust?"
Sie fing an um ihn herum zu laufen, langsam im Kreis.
"Weisst du, es ist doch seltsam, dass du es schaffst von Pflicht und Gesetzt zu Predigen und diese anscheinend über das stellst was dein Herz will. Ist es nicht so Vanion?"

Offline Vanion

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #5 am: 12. Jun 16, 23:12 »
"Nein, das ist nicht so." Vorsichtig sah er das Mädchen an. Was ging hier vor?
"Ich habe eine Entscheidung getroffen, durchaus. Und es war eine gute und eine richtige."
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Offline Nicole

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #6 am: 12. Jun 16, 23:18 »
"Wenn du dir da so sicher bist….."
Jetzt sprang sie wieder um ihn herum und sang ein fröhliches Kinderlied.
"Was wirst du als nächstes tun? Erzähl es mir!"

Offline Vanion

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #7 am: 12. Jun 16, 23:39 »
"Ich versuche, die Männer einzuholen, mit denen ich reise. Ein Priester und ein Novize desselben Gottes. Und dann werde ich nach Tangara aufbrechen, zu meiner Tochter. Und du? Wann brichst du auf? Es ist wirklich Zeit dafür, und Merle sollte dir helfen, anstatt dich mir nachzuschicken." Sein Tonfall war sanft, aber durchaus vorwurfsvoll.

Das Feuer war innerhalb des Steinkreises herunter gebrannt, doch die Glut war noch warm. Sanft pustete er hinein und legte ein wenig Reisig nach, und schon bald wurde die kühle Nacht etwas wärmer. Dass Marie weiter um ihn herumsprang, kümmerte ihn nicht, und dass sie von innen her ein wenig leuchtete - nun, anscheinend war das bei ihr so. Prüfend begutachtete er ihren Tanz, dann kam ihm eine Idee. Rasch klaubte er ein paar dünne, noch frische Äste auf, und begann, diese vorsichtig zusammenzuflechten. Er tat, als würde er die neugierigen Blicke gar nicht bemerken.
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Offline Nicole

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #8 am: 14. Jun 16, 12:27 »
Sie sah ihm dabei zu.
"Ich werde nicht geschickt, ich habe selbst entschieden dir helfen zu wollen. Ich glaube ich werde Merle sagen, dass sie ihre Aufgabe niederlegen muss um dich mal wieder zu besuchen."
Viel mehr sagte sie nicht und sah ihm beim Flechten zu.

Offline Vanion

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #9 am: 14. Jun 16, 13:10 »
"Du möchtest mir helfen?"

Das brachte ihn zum Schmunzeln. Wie kann ein kleines Mädchen - ein totes kleines Mädchen - mir helfen, ein Ritter zu werden? Denn nichts anderes war sein Ziel. Er hatte sich schließlich entschieden, seine Herkunft nicht zu verleugnen; im Gegenteil, er wollte stolz auf den Namen seines Geschlechts sein können. Und dazu musste er selbst stets ehrenhaft handeln und die ritterlichen Tugenden zu seinen höchsten Idealen machen. Ein harter Weg. Ein steiniger. Die Entscheidung, Lorainne zu verlassen, bereute er zutiefst. Alles hatte er fortgeworfen in diesem einen Moment des Schicksals. La Loyalité und l'Honeur hatten gegen die Blutsbande verloren, gegen sein Pflichtgefühl seiner Familie gegenüber. Eidbruch gegen Sippenmord.

Am Ende hatte er beides getan, und ihm entging die Ironie darin nicht.

"Wobei möchtest du mir helfen?"
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Offline Nicole

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #10 am: 14. Jun 16, 13:13 »
"Ich möchte dir helfen Erkenntnis zu gewinnen und dir zeigen, dass dieser Weg den du gerade gehst dich nicht glücklich machen wird, in keinster Weise."
Sie lächelt ihn an, ja… eindeutig, sie wirkt gerade viel älter.
"Erinnerst du dich noch an das Lied das ich gesungen habe? Dieser König, er hat viele Gewänder und viele Gesichter. Überall ist er der oberste Richter, über das Leben, über den Tod, über den tag und über die Nacht. Über dich oder mich… Sein Name ist Macht….."

Offline Vanion

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #11 am: 14. Jun 16, 13:44 »
"Ganz richtig! Der König von allem ist Macht. Und was sollte mir das sagen?"
Ein wenig verwirrte die subtile Veränderung, die mit Marie vorging, Vanion. Doch er sah immer noch das Kind vor sich.
"Um gute Dinge zu tun, braucht man nunmal etwas Macht. Nimm einmal Priester. Priester genießen einen gewissen Respekt in der Bevölkerung, denn ihre Macht kommt von den Göttern. Sie nutzen sie meist, um Gutes zu tun. Macht ist stets ein Werkzeug, das Gutes wie Schlechtes erschaffen kann."
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Offline Nicole

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #12 am: 14. Jun 16, 14:43 »
"Die Frage ist immer was man für diese Macht bezahlt, für einen Titel, eine Wunschvorstellung, nicht wahr? Welche Opfer hast du in den letzen Jahren gebracht Vanion? Denk mal darüber nach und denk nicht nur darüber nach, versuche dich an die Gefühle zu erinnern die damit verbunden sind."

Damit verblasste die Gestallt und verschwand wie sie aufgetaucht war, mehr hatte sie offensichtlich nicht zu sagen.

Offline Vanion

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Re: Die Geister die ich rief...
« Antwort #13 am: 14. Jun 16, 15:02 »
Ein Fluch glitt über seine Lippen, als die Gestalt verschwand. Mit einem Mal entwich die Spannung aus seinem Körper, und sein Blick fiel auf das Flechtwerk in seiner Hand.

"Verflucht sollst du sein, Merle." Seine Faust schloss sich, und die dünnen, biegsamen Äste knackten, als sie in seiner Hand brachen.

Er hatte tatsächlich bisher einen hohen Preis bezahlt für das Wenige, was er erreicht hatte. Doch das war kein Grund für ihn, seinen Weg zu verlassen. Ich habe mich so oft verrückt machen lassen. War so oft unsicher in dem, was ich für richtig hielt. Ich lasse mir diese Sicherheit nicht von einer Wahnsinnigen nehmen! Sie braucht Hilfe, sie..

Fest nahm er sich vor, Leonie von Merle zu erzählen. Sie würde Merles Wahnsinn gewiss heilen können.
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