Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Geschichten und Gespräche
Die Geister die ich rief...
Nicole:
Es war Samstag, einer dieser leicht drückenden Samstage an denen man nicht wusste ob es demnächst regnen würde oder klar bleibt.
Es war später Nachmittag, als ein Windhauch an Vanion vorbei ging. Der Wind war kälter als der Wind zuvor, doch dann passierte erst einmal nichts. Doch fühlte sich diese Art des Atem der Welt so unnatürlich an, dass es schien als würde er auf der haut liegen bleiben.
Dann sah man immer wieder 2 Augen, die beobachteten, welche aber nicht sofort entdecken konnte. Ab und an ein glockenhelles Lachen, welches doch so vertraut klang, aber dennoch weit weg. Etwas verfolgte Vanion, was mittlerweile klar war, die Frage war, wann er es entdecken würde.
Vanion:
Vanion zügelte sein unruhiges Pferd. Er war auf dem besten Wege, Damian und Lothar einzuholen - die beiden konnten nur noch einen, vielleicht zwei Tage vor ihm sein. Ein heftiges Unwetter hatte seine Reise verzögert, aber die letzten Tage hatte er zügig reisen können, den festen Straßen sei Dank.
Doch das, was hier grade geschah, war nicht natürlich. Hier waren keine Kinder im Wald, die spielten, und so kalt war der Wind bisher auch nicht gewesen. Kalt lief es ihm den Rücken herunter, und jäh durchzuckte ihn die Erinnerung an dieses kleine, geisterhafte Mädchen, das ihn besucht hatte. Noch stand die Sonne am Himmel, doch Vanion ahnte, was geschehen würde, wenn sie unterging. Innerlich verfluchte er Merle, und wo er grade dabei war, schickte noch eine deftige Verwünschung über Mina mit.
Sie gehören beide an eine Akademie. Ordentlicher Unterricht, das ist es, was sie brauchen. Vor allem Merle. Sie ist wahnsinnig, und ihre Fähigkeiten sind dennoch erschreckend.
Endlich stieg er ab. Seine Lagerstatt war schnell geschaffen, ein paar Äste mit dichten Blättern, über die er seine Pferdedecke schlug, und ein kleiner Steinkreis, in dem schon bald ein kleines Feuer prasselte. Ordentlich legte er seine Sachen zusammen, um rasch aufbrechen zu können. Das Kinderlachen und den Wind sperrte er angespannt aus, doch die Anspannung war ihm anzusehen. Nervös glitten seine Hände immer wieder über die beiden bunten Bänder, die von seinem Schwert baumelten: ein in allen Farben gesponnenes Band - und eines, das nur aus einer gelben und einer blauen Bahn bestand.
Als die Sonne ihre letzten Strahlen über die Baumwipfel warf, glitt seine Hand zu seinem Gürtel. Dort hing ein weißes Tuch, und seine Finger huschten über die dünne Stickerei hinweg, die auf dem Tuch zu sehen war. Er seufzte. Warum ich?
Nicole:
Es war ruhig, zu ruhig und wenn er die Augen schloss würde er anschließend wieder dieses Kind neben ihm sitzen sehen.
Diesmal sang sie leise ein Lied mit folgendem Text:
"Ich hab ihn gesehen in reichem Gewand
Silber und Gold in seiner Hand
Es glitzerte blendete, leuchtete weit
über die Erde und durch die Zeit
Ich hab ihn gesehen in manchem Land
keine Schrift gelesen wo sein Name nicht stand
keine Sprache gehört die sein Wort nicht enthält
der König ist überall auf der Welt
Ich hab ihn gesehen in grauem Gewand
leise schleichend und unerkannt
ruhig flüsternd wenn er dir etwas verspricht
seine wahre Gestallt lässt er nicht ans Licht
Ich hab ihn gesehen in manchem Konflikt
in dem das Recht längst in Scherben liegt
zerredet, vernebelt in einem Ort
der König hat immer das letzte Wort
Ich hab ihn gesehen, meistens ist er ein Mann
er reitet an Mannen Grenzen entlang
er schreibt die Geschichte, er sitzt im Gericht
er ist die Gewallt, die die Träume zerbricht
Ich hab ihn gesehen, ermordet und brennt
mit ihm sein ganzes Volksregiment
Sein Kopf ohne Krone war seltsam verrenkt
Denn er war dort aufgehängt."
Danach lachte das Kind und sah ihn an.
"Vanion, du hast nichts gelernt… oder siehst du das anders?"
Vanion:
Er war nur kurz eingenickt, seine Augen waren zugefallen. Als das Lied begonnen hatte, dachte er erst, es wäre ein Traum, doch die Gestalt, die vor ihm war, war nur zu real. Ihn schauderte, und er schüttelte den Schlaf ab. Mit traurigen Augen erwiderte er den Blick des Kindes.
"Ein Kinderlied ist das nicht. Es ist ein trauriges Lied, das von Macht erzählt, und von Vergänglichkeit. Nichts, was du kennen solltest."
Er schüttelte den Kopf. "Ich hab viele Dinge gelernt. Und eines dieser Dinge ist, dass du nicht hierhin gehörst."
Nicole:
"Ach Vanion, diskutieren wir schon wieder über das leidige alte Thema?"
Ihre Stimme war älter und reifer als sie es vorher war.
"Ich bin nicht gekommen um mit dir über das Wesen der Existenz und Tod und Leben zu diskutieren, ich will dich fragen ob du endlich etwas gelernt hast? Hast du in letzter Zeit vielleicht Entscheidungen getroffen, welche du bereust?"
Sie fing an um ihn herum zu laufen, langsam im Kreis.
"Weisst du, es ist doch seltsam, dass du es schaffst von Pflicht und Gesetzt zu Predigen und diese anscheinend über das stellst was dein Herz will. Ist es nicht so Vanion?"
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