Hier und dort: In Engonien und außerhalb des Kaiserreiches > Gruppen auf Reisen im In- und Ausland
Der Morgen danach... - 266 n.J.
Vanion:
"Wenn ich etwas verspreche, dann stehe ich dazu." Aus demselben Grund würde Merle Vanions Turnierdame werden, wenn er jemals ein Turnier reiten würde. Auch wenn es peinlich war. Doch während er darüber noch nachdachte, merkte Vanion, wie Kydora die Schultern sinken ließ. Ein verräterisches Glitzern war in ihren Augen, und er sah es, bevor sie den Kopf senkte, um ihm den Blick zu verwehren. Das hatte er nicht erreichen wollen.
Ihre Lippen zitterten. Beherzt ging Vanion einen Schritt auf sie zu. Sanft legte er seine Hände auf Kydoras Wangen und hob ihren Kopf hoch, und ihre Augen schauten in seine. Wäre ich nicht losgezogen. Zuhause wäre es besser gewesen. Diese Gedanken kannte er nur zu gut. Dummerweise war er nicht mal in der Lage, diese Fragen für sich selbst zu beantworten. Wäre es wirklich besser gewesen, wenn er zuhause geblieben wäre? Die Antwort, die ihm in den Sinn kam, sprach er laut aus:
"Vielleicht hättest du wirklich nie aus Silvanaja weggehen sollen. Aber wenn man nicht über die nächste Hügelkuppe schaut, wie will man wissen, was dahinter steckt?" Ein weiterer Hügel. Es steckt immer ein weiterer, größerer Hügel dahinter. Er wischte ihr eine einzelne Träne aus dem Gesicht, dann ließ er seine Hände sinken.
"Man hat dir wehgetan.", sagte er, und meinte damit nicht nur das Mal auf ihrer Stirn. Auch das Lösen des Bandes mit Stella hatte sie verletzt.
"Es ist wichtig, zu verstehen, dass nichts von dem, was geschieht, sinnlos ist. Nichts ist umsonst, schöne wie schlimme Momente. Verzweifle nicht. Tu dir nicht selbst weh, weil andere dir wehgetan haben." Unsicher, ob er weitersprechen sollte, wartete Vanion auf Kydoras Reaktion.
Kydora:
Ruhig blickte sie ihn an. "Man hat mir wehgetan, weil ich so dumm war, diese Situationen zu provozieren. An allem, was mir passiert ist, trage ich selber die Schuld. Und das kann ich auf niemanden anderen abwälzen."
Sie verschränkte wieder die Arme und beobachtete das Pferd einen Augenblick, wie es sich über ein Grasbüschel am Wegesrand hermachte. "Natürlich ist nichts von den Dingen, die geschehen sinnlos. Da gebe ich dir recht. Aber zu wissen wofür sie passieren würde es doch einfacher machen."
Kydora näherte sich dem Pferd behutsam und strich ihm über den Hals. "Vermutlich haben du und die anderen recht und ich brauche wirklich Hilfe. Aber ich habe keine Ahnung, wo oder bei wem und wie oder was mir helfen kann." Sie drehte sich wieder zu ihm um. "Ich glaube das größte Problem ist, dass ich mir nicht darüber im klaren bin, was mir helfen kann... Aber immerhin weiß ich jetzt mit Sicherheit, dass Alkohol es defintiv nicht tut." Sie setzte wieder ein Lächeln auf. "Irgendwie komm ich schon zurecht, Vanion. Mach dir bitte keine Sorgen meinetwegen. Für mich geht's jetzt ohnehin erstmal wieder zurück nach Fanada. Und dann sehen wir weiter."
Vanion:
Verwundert beobachtete Vanion, wie sein Rappe Kydora einfach so erlaubte, ihn zu streicheln. Das Tier scheute vor Fremden zurück, aber in diesem Fall wirkte es zufrieden. Während er also da stand und der Frau zusah, die sich mit seinem Pferd beschäftigte, dachte er über Kydoras Worte nach. Langsam, bedacht, hob er zu einer Antwort an.
"Ich finde nicht, dass du Schuld an allem bist, was dir geschieht. Wenn dir im Wald ein Ast auf den Kopf fällt, weil er morsch geworden ist und just in dem Moment ein Specht daran herumpickt, in dem du unter diesem Baum stehst, dann kannst du doch nichts dafür. Du bist weder an allem schuldig, was geschieht, noch bist du völlig unschuldig: an deiner Hochzeit zum Beispiel bist du in der Tat schuld. Da hat dich keiner zu gezwungen, aber viele wollten dich davon abhalten. Aber du trägst keine Schuld an dem Mal auf deiner Stirn. Daran ist alleine Kelos Schuld."
Er trat nun ebenfalls zu seinem Pferd und strich ihm über den Hals.
"Du hast dich in viele gefährliche Situationen begeben. Warum, das wissen alleine die Götter und du selbst, also musst du auch selbst herausfinden, wofür diese Dinge passieren - oder du fragst die Götter, ob sie es dir sagen. Du musst jedenfalls mit den Konsequenzen deiner Handlungen leben. Ich glaube dir, wenn du sagst, dass du irgendwie zurecht kommst. Jeder kommt irgendwie zurecht. Aber schöner ist es, wenn man nicht ständig alleine mit allem zurecht kommen muss. Und da ich einmal hier bin.."
Kydora:
Kydora schmunzelte. Das Beispiel mit dem Ast gefiel ihr und Vanion mochte recht haben, mit dem was er sagte. *Und trotzdem fühlt es sich so an, als hätte ich Schuld.*
Sie dachte an die vielen Momente, als sie Freunde im Arm hatte, sie getröstet und ihnen Mut zugesprochen hatte. Wie oft hatte sie sich selber schon zu anderen sagen hören 'du bist daran nicht schuld.'. Wie oft war sie dagewesen, wenn es ihren Freunden schlecht ging. Und nun schaffte sie es selber nicht, ihre eigenen Ratschläge zu befolgen. *Wenn ich so weitermache, werde ich erst recht niemandem mehr eine große Hilfe sein...*
Sie legte ihre Hand auf Vanions Schulter und starrte auf seine Brust. "Ehm..." sie hatte Mühe die Worte auszusprechen, die ihr eigentlich gerade auf der Zunge langen... "Ich, also... Hilfst du mir, die richtige Hilfe für mich zu finden?" Den letzten Satz hatte sie sehr schnell gesagt. Als ob sie Angst hätte sie würde ihn nicht zu Ende bringen, hätte sie noch länger gezögert.
Jetzt schaute sie Vanion genau in die Augen. Kydora war anzumerken, dass es ihr nicht leicht viel, um so etwas zu bitten. Doch der gestrige Abend hatte ihr gezeigt, dass es Zeit war zu handeln.
Vanion:
Ihr Blick war gespenstisch. Verzweifelt, aber auch voller Kraft - nur ohne viel Hoffnung. Erst jetzt erkannte Vanion das volle Ausmaß des Abgrundes, an dem Kydora sich befand. Aber wer wollte es ihr verdenken? Aus dieser Nähe waren die roten, vernarbten Ränder der Sonne unter dem Stirnband nur zu gut erkennbar, und unwillkürlich lenkte er seinen Blick darauf. Rasch senkte er die Augen wieder und sah Kydora an, doch die hatte seinen Blick bemerkt.
Die Hand auf seiner Schulter fühlte sich gut an, und nach einem scheinbar ewig andauernden Moment nickte er.
"Ja, das werde ich."
Noch einen weiteren Augenblick kreuzten sich ihre Blicke, und in Vanions Blick lag plötzlich mehr Zuneigung, als er sich eingestehen wollte. Dann brach er den Blickkontakt und zog Kydora in eine kurze Umarmung.
Schuld ist eine sehr seltsame Sache. Ich habe meinen Eid gebrochen und versucht, diese Ehrlosigkeit durch einen Sippenmord auszuwaschen. Doch brach ich meinen Eid, weil ich meinen Onkel nicht umbringen wollte. Für meinen Eidbruch gebe ich mir nicht die Schuld, und im Namen Alamars wurde mir vergeben. Doch für den Tod meines Onkels halte ich mich für schuldig. Aber es ging hier nicht um ihn, und so hielt er den Mund.
Als sie sich voneinander lösten, fasste er mit beiden Armen an die Schultern der Silvanaja-Frau und sagte:
"Hilfe kann so vieles sein. Ein Gespräch zur richtigen Zeit mit der richtigen Person. Eine Tat, mutig und ehrenvoll vollbracht." Ein toter Kelos. "Oder auch ein ruhiger Moment des Gebets, ehrliche Zwiesprache mit den Göttern. Manch einer findet Beistand in der Meditation. Ich werde versuchen, dir solche Gelegenheiten zu verschaffen. Doch vor all dem möchte ich dich um etwas bitten."
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